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Zwangsverwaltung eines Einfamilienhausgrundstücks: Nutzungsentschädigungsanspruch

AG Halle (Saale), Az.: 93 C 2365/09, Urteil vom 21.01.2010

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.199,82 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. Juli 2009 zu bezahlen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Der Kläger verlangt eine Nutzungsentschädigung für Räume.

Der Kläger wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Halle (Saale) vom 14. Oktober 2008 (Az. 55 L 124/08-2) zum Zwangsverwalter des dem Beklagten gehörenden Grundstücks O…-B…-Straße … in … L… bestellt. Wegen der Einzelheiten, insbesondere der genauen Bezeichnung des Grundstücks, wird auf die Bestallungsurkunde Bl. 8 d. A. verwiesen. Am 26. November 2008 nahm der Kläger das Grundstück in Besitz.

Auf dem zwangsverwalteten Grundstück befindet sich ein Haus, welches der Beklagte mit seiner Ehefrau bewohnt. Weitere Personen bewohnen das Grundstück nicht, die erwachsene Tochter des Beklagten kommt nur zu Besuch zu ihren Eltern. Zudem befindet sich auf dem Grundstück eine Garage.

Zwangsverwaltung eines Einfamilienhausgrundstücks: Nutzungsentschädigungsanspruch
Symbolfoto: Peter Elvidge/Bigstock

Der Kläger behauptet, das Haus habe eine Wohnfläche wie folgt: Im Erdgeschoss eine Wohnfläche von 100,52 m 2 , im Dachgeschoss eine Wohnfläche von 22,66 m 2 sowie im Souterrain eine Wohnfläche von 69,44 m 2 . Wegen der Einzelheiten des diesbezüglichen Vortrages, insbesondere der Zahl und der Größe der einzelnen Zimmer, wird verwiesen auf die Ausführungen auf Seite 3 der Klage (Bl. 3 d. A.). Der Kläger ist der Ansicht, dem Beklagten seien gemäß § 149 Abs. 1 ZVG für seinen Zweipersonenhaushalt nur Räume mit einer Wohnfläche von 70 m 2 als unentbehrliche Räume zu überlassen. Für die Nutzung der anderen Räume und der Garage müsse der Beklagte an den Kläger eine Nutzungsentschädigung zahlen, die er mit 629,97 € pro Monat für angemessen hält. Hierbei geht er von einer monatlichen Nutzungsentschädigung von 5,50 € pro m 2 Wohnfläche und von 25,00 € für die Garage aus. Zudem verlangt der Kläger eine Betriebskostenvorauszahlung von 70,00 € pro Monat. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben des Klägers an den Beklagten vom 2. Dezember 2008 (Bl. 21f d. A.) verwiesen. Der Kläger ist der Ansicht, es sei unerheblich, ob die dem Beklagten nicht als unentbehrlich zu überlassenden Räume abtrennbar seien oder gesondert genutzt oder vermietet werden könnten, vielmehr gehe es um einen Vorteilsausgleich dafür, dass dem Beklagten Räume zur Verfügung stehen, die ihm nicht gemäß § 149 Abs. 1 ZVG zu überlassen seien. Es sei auch unerheblich, ob der Beklagte diese Räume tatsächlich nutze.

Der Kläger verlangt mit der vorliegenden Klage Nutzungsentschädigung für die Monate Dezember 2008 bis Mai 2009 einschließlich Betriebskostenvorauszahlungen in Höhe von 4.199,82 € (monatlich 699,97 € für sechs Monate).

Der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 4.199,82 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hält für sich und seine Frau zwar ebenfalls Räume mit einer Wohnfläche von 70 m 2 für ausreichend. Er ist aber der Ansicht, dass ihm gleichwohl das gesamte Haus unentgeltlich zu überlassen sei, weil die übrigen Räume von den ihm zu überlassenden nicht trennbar seien und daher weder gesondert vermietet noch sonst gesondert genutzt werden könnten. Außerdem behauptet der Beklagte, das Haus habe eine reine Wohnfläche von nur 95,27 m 2 .

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14. Januar 2010 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig. Der Zwangsverwalter ist befugt, Ansprüche wegen unberechtigter Nutzung des der Zwangsverwaltung unterliegenden Grundstücks gegen den Schuldner gerichtlich geltend zu machen (BGH, Urteil vom 14. Mai 1992, Az. IX ZR 241/91, zitiert nach juris).

Die Klage ist auch begründet. Anspruchsgrundlage ist § 812 Abs. 1 Satz 1. 2. Alternative BGB. Der Beklagte hat auf Kosten des Klägers die Nutzungsmöglichkeit an den Räumen, die ihm nicht gemäß § 149 Abs. 1 ZVG zu belassen sind, ohne rechtlichen Grund erlangt. Dass die Erlangung ohne rechtlichen Grund erfolgt, ergibt sich daraus, dass die Räume dem Beklagten gemäß § 149 Abs. 1 ZVG gerade nicht zu belassen sind. Da es – wie der Kläger zutreffend ausführt – um einen Vorteilsausgleich geht, kommt es weder darauf an, ob der Beklagte die übrigen Räume tatsächlich nutzt, noch darauf, ob die Räume trennbar sind oder gesondert vermietet werden können.

Dies entspricht auch der Rechtsprechung des BGH. Der BGH hat entschieden, dass der Zwangsverwalter dem Schuldner die ihm nicht gemäß § 149 Abs. 1 ZVG als unentbehrlich zu überlassenden Räume nur gegen Entgelt überlassen darf (Urteil vom 14. Mai 1992, a.a.O.). Zwar führt der BGH in dem Beschluss vom 20. November 2008 (Az. V ZB 31/08, zitiert nach juris) aus, dass eine Zwangsverwaltung bei einem selbstgenutzten und dem Schuldner nach § 149 Abs. 1 ZVG teilweise zu überlassenden Einfamilienhaus nur dann geeignet sei, zur Befriedigung des Gläubigers zu führen, wenn die dem Schuldner nicht gemäß § 149 Abs. 1 ZVG zu überlassenden Räume selbstständig vermietbar seien. Dort ging es aber um eine andere Frage, nämlich um die Unzulässigkeit der Zwangsverwaltung wegen Rechtsmissbrauchs, wenn die Zwangsverwaltung nur dazu dienen soll, dem im Haus wohnenden Schuldner den Bezug von Sozialleistungen zu ermöglichen, damit dieser hiervon dann dem Verwalter das Nutzungsentgelt zahlt. In der gleichen Entscheidung hat der BGH auch ausgesprochen, dass es im Ausgangspunkt nicht zu beanstanden sei, wenn der Zwangsverwalter Erträge aus dem Grundstück dadurch erwirtschaften will, dass er dem Schuldner die nicht benötigten Räume des Einfamilienhauses gegen Entgelt überlässt, soweit der Schuldner in der Lage ist, das Entgelt aus eigenen Mitteln zu bezahlen. Davon, dass die nicht benötigten Räume selbstständig vermietbar sein müssen, spricht der BGH in diesem Zusammenhang nicht. Zwar bestehen vorliegend Zweifel, ob der Beklagte in der Lage ist, das Entgelt aus eigenen Mitteln zu bezahlen, da er unstreitig am 14. April 2009 die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat. Andererseits ist vorliegend – anders als in dem vom BGH entschiedenen Fall – nicht vorgetragen, dass der Beklagte das Entgelt durch Sozialleistungen aufbringen solle. Zudem hat der Beklagte die eidesstattliche Versicherung erst nach Anordnung der Zwangsverwaltung abgegeben. Außerdem geht es vorliegend nicht um die Frage, ob die Zwangsverwaltung angeordnet werden darf oder nicht, sondern um die Frage, ob bei angeordneter Zwangsverwaltung der Beklagte für vergangene Zeiträume Nutzungsentschädigung zahlen muss. Selbst wenn die Zwangsverwaltung aus den Gründen des Beschlusses des BGH vom 20. November 2008 nicht hätte angeordnet werden dürfen oder aufgehoben werden müsste, weil die dem Beklagten nicht gemäß § 149 Abs. 1 ZVG zu überlassenden Räume nicht selbstständig vermietbar sind oder weil der Beklagte nicht zur Zahlung des Nutzungsentgelts aus eigenen Mitteln in der Lage ist, ändert dies nichts daran, dass bei gleichwohl angeordneter Zwangsverwaltung der Beklagte für vergangene Zeiträume ein Nutzungsentgelt zu zahlen hat.

Bei der Berechnung der zu Grunde zu legenden Wohnfläche ist von den detaillierten und substantiierten Angaben des Klägers auszugehen. Dem nicht näher begründeten Vortrag des Beklagten, die Wohnfläche betrage nur 95,27 m 2 , vermag das Gericht nicht zu folgen.

Die Höhe des zu zahlenden Entgelts pro m 2 ist vom Beklagten nicht angegriffen worden. Ebenfalls nicht angegriffen hat der Beklagte den geltend gemachten Anspruch hinsichtlich der Nutzungsentschädigung für die Garage.

Der Beklagte muss auch eine Betriebskostenvorauszahlung in angemessener Höhe von 70,00 € pro Monat bezahlen. Auch insoweit ergibt sich der Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1. 2. Alternative BGB. Der Kläger muss gemäß § 152 Abs. 1 ZVG alle Handlungen vornehmen, die erforderlich sind, um das Grundstück in seinem wirtschaftlichen Bestand zu erhalten und ordnungsgemäß zu benutzen. Dazu gehört auch die Zahlung der Betriebskosten. Es kommt dem Beklagten zu Gute, wenn der Kläger Betriebskosten für die ihm nicht gemäß § 149 Abs. 1 ZVG zu überlassenden Räume zahlt, ohne dass dafür ein rechtlicher Grund besteht. Der Beschluss des BGH vom 24. Januar 2008 (Az. V ZB 99/07, zitiert nach juris) steht dem nicht entgegen, denn dort ging es nur um die Frage, ob bei Nichtzahlung (dort für den vergleichbaren Fall des Wohngeldes) die Räumung nach § 149 Abs. 2 ZVG aufgegeben werden kann. Diese Frage ist aber zu unterscheiden von der Frage, ob eine Zahlungspflicht besteht oder nicht. Es bestehen auch keine Bedenken, dem Beklagten entsprechend den Gepflogenheiten des Wohnungsmietrechts Abschlagszahlungen aufzuerlegen, denn es ist nicht einzusehen, warum der Zwangsverwalter insoweit zu Gunsten des Beklagten in Vorausleistung treten soll. Auch soweit der BGH im Beschluss vom 20. November 2008 (a.a.O.) ohne nähere Begründung in einem die Entscheidung nicht tragenden obiter dictum „nachhaltige Bedenken, ob der Zwangsverwalter berechtigt ist, (…) einen Vorschuss auf die Nebenkosten zu verlangen“ geäußert hat, steht dies der Entscheidung nicht entgegen.

Der Zinsanspruch beruht auf §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

Beschluss: Der Streitwert wird auf 4.199,82 € festgesetzt.

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