Skip to content

Verkehrsunfall – Rechtsanwaltsgebühren bei langer Korrespondenz mit gegnerischer Versicherung

AG Tettnang – Az.: 8 C 853/18 – Urteil vom 31.01.2019

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere außergerichtlich angefallene Anwaltskosten in Höhe von 1.557,71 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit 24.05.2018 zu bezahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist für für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 1.557,71 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger macht mit der Klage von der beklagten Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers die Bezahlung restlicher vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nach einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 10.06.2014 in Meckenbeuren ereignete.

Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass die Beklagte dem Kläger dem Grunde nach zu vollständigem Ersatz seines Schadens verpflichtet ist.

Der Kläger beauftragte seine Prozessbevollmächtigten am 17.06.2014 mit der Regulierung des ihm durch den Unfall entstandenen Schadens. Es erfolgte in der Folgezeit eine umfangreiche Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten des Klägers. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen in der Klageschrift und den Anlagen zur Klageschrift verwiesen.

Mit Erklärung vom 08.05.2018 erklärte sich der Kläger entsprechend einem vorangegangenem Angebot der Beklagten bei Auszahlung einer weiteren Entschädigungssumme von 7.500,00 € zur Gesamtabfindung bereit. Auf die Anlage K 69 (= Bl. 195 der Akte) wird inhaltlich verwiesen. Durch die Einigung wurden – nach bereits erfolgten Teilzahlungen der Beklagten – die noch vom Kläger geltend gemachten Ansprüche auf den Personenschaden erledigt.

Die Summe der regulierten Schadensersatzleistungen betrug 33.019,68 €. Im Zusammenhang mit den Verhandlungen über eine Gesamtabfindungserklärung befand sich unter Berücksichtigung der bereits geleisteten Zahlungen ein Restbetrag in Höhe von knapp 26.000,00 € in Streit.

Der nicht vorsteuerabzugsberechtigte Kläger beziffert sein Klagebegehren wie folgt:

1,8 Geschäftsgebühr aus Geschäftswert   33,019,68 € netto

1.688,40 €

1,5 Einigungsgebühr aus Geschäftswert 26.057,00 € netto

1.294,50 €

Pauschale

20,00 €

ergibt

3.002,90 €

19 % Mehrwertsteuer

570,55 €

Gesamt: 3.573,45 €

./. Zahlungen 1.029,35 € und 154,70 €, 831,69 €

Verbleibt Restbetrag

1.557,71 €

Verkehrsunfall – Rechtsanwaltsgebühren bei langer Korrespondenz mit gegnerischer Versicherung
(Symbolfoto: ShutterOK/Shutterstock.com)

Der Kläger trägt vor, die Geschäftsgebühr sei mit einer 1,8-Gebühr zu berechnen. Die Beklagte habe im Dezember bei ihrer Zwischenabrechnung vom 30.11.2015 (Anlage K 33) den Ansatz einer 1,5-Gebühr für angemessen erachtet. Unter Berücksichtigung der Toleranzrechtsprechung (20 %) sei der Ansatz einer 1,8-Geschäftsgebühr nicht zu beanstanden. Die Einigungsgebühr sei aus einem Geschäftswert von 26.057,00 € zu berechnen. Im Rahmen des Abfindungsvergleichs hätten die Parteien sich umfassend über die kompletten Ansprüche des Geschädigten geeinigt. Es habe sich der Personenschaden, der mit Schreiben vom 16.09.2016 unter Berücksichtigung der bereits geleisteten Zahlungen mit einem Restbetrag von knapp 26.000,00 € geltend gemacht worden seien. Hierauf habe die Beklagte noch eine Zahlung geleistet, nicht aber den kompletten geltend gemachten Betrag. Hinsichtlich der gesamten Personenschäden sei dann die Abfindungsvereinbarung geschlossen worden. Maßgebend sei nicht der Betrag oder die Leistung, auf die sich die Parteien geeinigt oder verglichen hätten, sondern der Ausgangswert derjenigen Gegenstände, übe die eine Einigung erzielt worden sei.

Der Kläger beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere außergerichtlich angefallene Anwaltskosten in Höhe von 1.557,71 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit 24.05.2018 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt Klageabweisung.

Die Beklagte trägt vor, die Geschäftsgebühr sei lediglich mit einer 1,3-Gebühr zu bemessen. Die Einigungsgebühr sei lediglich aus einem Geschäftswert von 7.500,00 € zu berechnen. Sofern außergerichtliche Zahlungen im Schadensrecht eine zu ersetzende Anwaltsgebühr auslösen, sei als Gegenstandswert der sogenannte Erledigungswert anzusetzen. Die Höhe des Erledigungswertes ergebe sich aus den geleisteten Zahlungen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Dem Kläger steht aus dem Verkehrsunfall ein weiterer Anspruch auf Bezahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.557,71 € zu, §§ 7, 17 StVG, 249 BGB, 115 VVG.

Der dem Geschädigten zustehende Schadensersatzanspruch umfasst grundsätzlich auch den Ersatz der durch das Schadensereignis erforderlich gewordenen Rechtsverfolgungskosten, § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Der Schädiger – bzw. gemäß §§ 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG, 1 PflVG die hier beklagte gegnerische Haftpflichtversicherung – hat dabei nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus der maßgebenden Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (BGH NJW 2011, 2509, 2510 Rn. 9; 2018, 935 Rn. 6). Beauftragt der Geschädigte einen Rechtsanwalt mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber dem Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer, so ist der Umfang des Ersatzverlangens nur für die Abrechnung zwischen dem Geschädigten und seinem Anwalt maßgebend (Innenverhältnis). Kostenerstattung aufgrund des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs kann der Geschädigte vom Schädiger dagegen grundsätzlich nur insoweit verlangen, als seine Forderung diesem gegenüber auch objektiv berechtigt ist, vgl. Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 19. Juli 2018 – 4 U 26/17 -, Rn. 28, juris.

Im Rahmen der Rechtsverfolgung des Klägers gegenüber der Beklagten ist außer der Geschäftsgebühr (1) auch eine Einigungsgebühr (2) angefallen:

 (1) Geschäftsgebühr:

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Ersatz einer angefallenen Geschäftsgebühr in Höhe von netto 1.688,40 € zu.

Der Klägervertreter durfte eine 1,8-Geschäftsgebühr gemäß §§ 2, 13 RVG in Verbindung mit Nummer 2300 VV geltend machen. Das Gericht ist angesichts des dem Rechtsanwalt eingeräumten Ermessens beschränkt auf eine Kontrolle dahin, ob die Bestimmung der 1,8-Gebühr unbillig ist (§ 14 Abs. 1 Satz 4 RVG). Wie sich anhand der vorgelegten Anlagen ergibt, hat die über einen langen Zeitraum zu führende Korrespondenz des Klägervertreters einen Raum eingenommen, der – selbst bei Berücksichtigung des Umstandes, dass die Haftung des Unfallverursachers dem Grunde nach unstreitig blieb – das bei einem gewöhnlichen Verkehrsunfall Übliche übersteigt. Das Gericht hält daher zumindest den Ansatz einer 1,5 Geschäftsgebühr für angemessen. Vor diesem Hintergrund hält sich der angesetzte 1,8 Gebührensatz noch im Rahmen des dem Rechtsanwalt zuzubilligenden Ermessensspielraums von 20 %, vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2011 – IX ZR 110/10 -, juris.

 (2) Einigungsgebühr:

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Ersatz einer angefallenen Einigungsgebühr in Höhe von netto 1.294,50 € zu.

Gemäß Vorbemerkung 1 Abs. 1 Satz 1 zu Nr. 1000 VV RVG entsteht die 1,5 Einigungsgebühr für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird (Nr. 1) oder die Erfüllung des Anspruchs bei gleichzeitigem vorläufigem Verzicht auf die gerichtliche Geltendmachung und, wenn bereits ein zur Zwangsvollstreckung geeigneter Titel vorliegt, bei gleichzeitigem vorläufigem Verzicht auf Vollstreckungsmaßnahmen geregelt wird (Zahlungsvereinbarung, Nr. 2). Die Gebühr entsteht nicht, wenn sich der Vertrag ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht beschränkt (Vorbemerkung 1 Abs. 1 Satz 2 VV RVG zu Nr. 1000). Ein bloßes Anerkenntnis reicht nach der ausdrücklichen Anordnung des Gesetzgebers ebenso wenig zur Erfüllung des Gebührentatbestandes aus wie ein Verzicht (Schütz in Riedel/Sußbauer, aaO RVG [VV 1000] Rn. 42). Anders liegt der Fall, wenn die Parteien darüber hinaus etwas vereinbaren, wodurch die eine Partei der anderen – und sei es nur geringfügig – entgegenkommt (KG MDR 2014, 500 [Ls.]; Schütz in Riedel/Sußbauer, aaO RVG [VV 1000] Rn. 43). Hier liegen die Voraussetzungen für die Entstehung der Einigungsgebühr vor, da die vom Kläger am 08.05.2018 abgegebene Abfindungserklärung (Anlage K 69) ersichtlich auf dem vorangegangenem Schriftverkehr der Parteien, insbesondere dem Schreiben der Beklagten vom 25.04.2018 (Anlage K 63) beruht, mit dem die Beklagte zur abschließenden Erledigung die Zahlung von weiteren 7.500,00 € angeboten hat. Dieses Angebot hat der Kläger durch die am 08.05.2018 abgegebenen Abfindungserklärung angenommen.

Maßgebend für den Gegenstandswert der Einigungsgebühr ist nicht der Betrag oder die Leistung, auf die sich die Parteien geeinigt oder verglichen haben, sondern der Ausgangswert derjenigen Gegenstände, über die eine Einigung erzielt worden ist, vgl. Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 19. Juli 2018 – 4 U 26/17 -, Rn. 43, juris, unter Hinweis auf Klees in Mayer/Kroiß, aaO RVG Nr. 1000 Rn. 53. Folglich ist entgegen der Auffassung der Beklagten für die Bemessung der Einigungsgebühr nicht der Betrag der Einigung in Höhe von 7.500,00 € maßgeblich. Vielmehr ist nachdem Ausgangswert derjenigen Gegenstände, auf die sich die Parteien geeinigt haben, abzustellen. Dieser Wert bemisst sich nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers auf noch knapp 26.000,00 €.

Es ergibt sich daher folgende Anspruchsberechnung:

1,8 Geschäftsgebühr aus Geschäftswert über 30.000,00 € netto

1.688,40 €

1,5 Einigungsgebühr aus Geschäftswert über 25.000,00 € netto

1.294,50 €

Pauschale

20,00 €

ergibt

3.002,90 €

19 % Mehrwertsteuer

570,55 €

Gesamt

3.573,45 €

./. Zahlungen 1.029,35 €, 154,70 € und 831,69 €

Verbleibt Restbetrag

1.557,71 €

Die Entscheidung zum Zinsausspruch folgt § 286 ff BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 709 ZPO.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Soforthilfe vom Anwalt!

Jetzt Hilfe vom Anwalt!

Rufen Sie uns an um einen Beratungstermin zu vereinbaren oder nutzen Sie unser Kontaktformular für eine unverbindliche Beratungsanfrage bzw. Ersteinschätzung.

Ratgeber und hilfreiche Tipps unserer Experten.

Lesen Sie weitere interessante Urteile.

Unsere Kontaktinformationen.

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Hier finden Sie uns!

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

zum Kontaktformular

Ersteinschätzungen nur auf schriftliche Anfrage per Anfrageformular.

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Über uns

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!

Das sagen Kunden über uns
Unsere Social Media Kanäle

 

Termin vereinbaren

02732 791079

Bürozeiten:
Mo-Fr: 08:00 – 18:00 Uhr

Kundenbewertungen & Erfahrungen zu Rechtsanwälte Kotz. Mehr Infos anzeigen.

Ersteinschätzung

Wir analysieren für Sie Ihre aktuelle rechtliche Situation und individuellen Bedürfnisse. Dabei zeigen wir Ihnen auf, wie in Ihren Fall sinnvoll, effizient und möglichst kostengünstig vorzugehen ist.

Fragen Sie jetzt unverbindlich nach unsere Ersteinschätzung und erhalten Sie vorab eine Abschätzung der voraussichtlichen Kosten einer ausführlichen Beratung oder rechtssichere Auskunft.

Aktuelles Jobangebot

Juristische Mitarbeiter (M/W/D)
als Minijob, Midi-Job oder in Vollzeit.

mehr Infos