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Ansprüche Grundstücksnachbar bei Abbruch eines Gebäudes innerhalb geschlossener Bebauung

Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt – Az.: 2 U 79/10 – Urteil vom 23.12.2010

Die Berufung der Klägerin gegen das am 19. Juli 2010 verkündete Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Halle wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch die Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet haben.

Gründe

A.

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks A. Straße 7 in H. . Sie macht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner nachbarrechtliche und Schadenersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Abriss eines Gebäudes auf dem Grundstück A. Straße 8 im Jahre 2007 geltend.

Das Haupthaus und das östlich gelegene Seitengebäude auf dem Grundstück, welches heute die postalische Adresse A. Straße 7 führt, wurde im Jahre 1882 errichtet und baurechtlich abgenommen. An der Grenze zum Grundstück mit der heutigen Bezeichnung A. Straße 8 besteht es aus einer Ziegelmauer, die vollständig auf dem Grundstück A. Straße 7 steht (künftig: Ost-Außenwand). Auf dem Nachbargrundstück A. Straße 8 wurde im Jahre 1885 ein Gebäude mit westlich gelegenem Seitengebäude erbaut. Die zur Grundstücksgrenze ausgerichtete Außenwand (künftig: West-Außenwand) wurde parallel zur Ost-Außenwand der A. Straße 7 geführt, überragte diese jedoch. Zwischen beiden Außenwänden verblieb ein geringer Abstand von einem bis zu zehn Zentimetern; die Mauern waren nicht miteinander verzahnt oder sonst verbunden. Das Grundstück A. Straße 8 wurde zuletzt über Jahrzehnte nicht mehr genutzt. Die Gebäude A. Straße 7 wurden nach dem Jahre 1990 saniert. Im Rahmen der Dachsanierung wurde das Dachblech an der West-Außenwand der A. Straße 8 vertikal aufsteigend angeschlossen.

Inzwischen ist der Beklagte zu 2) Eigentümer des Grundstücks A. Straße 8. Er ließ im Jahre 2007 das aufstehende Gebäude einschließlich der West-Außenwand abreißen, um für einen Neubau Platz zu schaffen. Das westliche Seitengebäude errichtete er nicht neu. Mit den Bauarbeiten beauftragte er die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführer sein Sohn ist, als Generalübernehmerin.

Im zeitlichen Zusammenhang mit dem Abriss der West-Außenwand A. Straße 8 entdeckte die Klägerin an ihrer Ost-Außenwand Risse im Ziegelmauerwerk. Etwa auf Höhe von Dreiviertel der Wand fehlten im Mauerwerk Ziegelsteine in einer Breite von etwa fünf bis sechs Steinlängen und in einer Höhe von zwei Schichten; unten links bestand eine Lücke von drei Steinen. Das Dachblech war vor dem Abriss von der West-Außenwand gelöst worden und war nun nicht mehr geschlossen. Die Klägerin hat behauptet, dass durch die Freilegung ihrer Ost-Außenwand Feuchtigkeit in das Mauerwerk eingedrungen sei und eine Schimmelbildung ausgelöst habe. Zudem habe sich die Wärmeisolierung ihrer Außenwand erheblich verschlechtert. Mit Schreiben vom 7. Februar 2008 forderte sie die Beklagte zu 1) erstmals zur Herstellung einer vollwertigen Außenwand an ihrem Gebäude auf.

Die Klägerin hat behauptet, dass die Mauerrisse und Fehlstellen durch die Abrissarbeiten auf dem Nachbargrundstück verursacht worden seien. Sie hat die Ansicht vertreten, dass die Beklagten nach §§ 906 Abs. 2 S. 2 bzw. 922 S. 3 BGB und nach. § 10 Abs. 3 bzw. 15 NbG LSA dazu verpflichtet seien, sowohl eine horizontale als auch eine vertikale Abdichtung ihrer Ost-Außenwand herzustellen, ihr Dach instand zu setzen und insbesondere die Blechabdeckung fachgerecht anzubringen sowie eine Wärmeisolierung und einen Außenputz an der frei liegenden Außenwand zu schaffen. Sie hat auf der Grundlage einer Kostenschätzung einen Zahlungsanspruch geltend gemacht (Antrag zu Ziffer 1)), vorgerichtliche Anwaltskosten verlangt (Antrag zu Ziffer 2)) und im Übrigen die Feststellung einer Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz etwaiger darüber hinausgehender Kosten zur Beseitigung der Schäden und zur Herstellung der Außenwand begehrt (Antrag zu Ziffer 3)).

Die Beklagte zu 1) hat ihre Passivlegitimation unter Verweis darauf bestritten, dass sie weder Grundstückseigentümerin sei noch die Abrissarbeiten selbst durchgeführt habe. Beide Beklagte haben einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Abriss der West-Außen-wand A. Straße 8 und den angeblich zur „Wiederherstellung“ geforderten Maßnahmen in Abrede gestellt und die Höhe der geltend gemachten Kosten bestritten.

Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen der widerstreitenden Rechtsauffassungen der Parteien des Rechtsstreits und wegen des Verlaufs des Verfahrens in erster Instanz, nimmt der Senat auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Das Landgericht hat die Klage mit seinem am 19. Juli 2010 verkündeten Urteil als dem Grunde nach nicht gerechtfertigt abgewiesen. Es hat diese Entscheidung im Wesentlichen darauf gestützt, dass die West-Außenwand A. Straße 8 rechtlich als eine Grenzmauer anzusehen sei. Für Grenzmauern seien die Vorschriften der §§ 1004 i.V.m. 922 S. 3 BGB über gemeinschaftlich genutzte Grenzanlagen und § 10 Abs. 3 NbG LSA über Nachbarwände jeweils nicht unmittelbar anwendbar. Eine analoge Anwendung der §§ 1004 i.V.m. 922 S. 3 BGB hat das Landgericht für unzulässig erachtet. Hinsichtlich der Vorschrift der §§ 15 S. 1 i.V.m. 10 Abs. 3 NbG LSA hat das Landgericht eine Anwendbarkeit in zeitlicher Hinsicht verneint. Schließlich habe die Klägerin keinen Nachweis dafür geführt, dass die Schäden an ihrer Ost-Außenwand auf einer fahrlässigen Verletzung ihrer Eigentumsrechte durch die Beklagten beruhten.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 29. Juli 2010 zugestellte Urteil mit einem am 30. August 2010 (Montag) beim Oberlandesgericht Naumburg vorab per Fax eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese Berufung am 21. September 2010 begründet.

Sie erachtet es schon für rechtsfehlerhaft, dass das Landgericht nicht von einer unmittelbaren Anwendbarkeit des § 922 S. 3 BGB ausgegangen sei. Grenzanlage i.S. dieser Vorschrift sei auch eine auf dem eigenen Grundstück an der Grenze stehende Wand. Insoweit hat sie im Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ergänzt, dass sich eine gemeinschaftliche Nutzung bereits aus dem Umstand der geschlossenen Bebauung ergebe, weil die Gebäude für eine mehr als einhundertjährige Nutzung errichtet worden seien. Für ihre Rechtsauffassung beruft sich die Klägerin vor allem auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt aus dem Jahre 1981. Hilfsweise sei § 922 S. 3 BGB analog anzuwenden.

Den wesentlichen Rechtsfehler sieht die Klägerin darin, dass das Landgericht die Anwendbarkeit des § 15 NbG LSA auf den vorliegenden Sachverhalt verneint hat. Dieser sei kein sog. „Altfall“, da das Schaden stiftende Ereignis allein der Abriss der West-Außenwand A. Straße 8 gewesen sei, der nach dem Inkrafttreten des Nachbarschaftsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt erfolgt sei. Gegen die Auffassung des Landgerichts spreche vor allem, dass der landesrechtlichen Regelung danach auf lange Zeit ihre aktuelle Wirkung genommen sei, was nicht im Sinne des Landesgesetzgebers gestanden haben könne. Im Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Klägerin insbesondere den letztgenannten Aspekt bekräftigt und ausgeführt, dass der Landesgesetzgeber gerade auch solche Fälle, wie den vorliegenden, einheitlich habe regeln wollen.

Schließlich rügt die Klägerin, dass das Landgericht verfahrensfehlerhaft das Sachvorbringen der Klägerin zu einem Anspruch nach § 823 Abs. 1 BGB übergangen habe. Sie – die Klägerin – habe bereits erstinstanzlich vorgetragen, dass es ausgeschlossen sei, dass die Risse und Fehlstellen im Mauerwerk durch die Sanierungsarbeiten der Klägerin verursacht worden seien, insbesondere durch die Änderungen an der Innenwand des Seitengebäudes. Hierfür habe sie auch Beweis angetreten. Für die Verursachung dieser Mauerschäden durch den Abriss bietet sie nunmehr ein Sachverständigengutachten als Beweis an.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 23.323,62 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie weitere 911,80 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, sowie

3. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr auch etwaige über den Betrag von 23.323,62 € hinausgehende Kosten der Beseitigung der Schäden und Wiederherstellung der Außenwand des Hauses A. Straße 7 zu ersetzen.

Die Beklagten beantragen übereinstimmend, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil und vertiefen insbesondere, dass es eine gemeinschaftliche Nutzung der West-Außenwand A. Straße 8 durch die Eigentümer der Nachbargrundstücke zu keiner Zeit gegeben habe. Es habe auch keine Übereinkunft zu einer solchen gemeinschaftlichen Nutzung gegeben. Das Landgericht habe sich im angefochtenen Urteil mit allen Argumenten und mit dem gesamten Sachvorbringen der Klägerin ausführlich auseinander gesetzt.

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Der Senat hat am 15. Dezember 2010 mündlich zur Sache verhandelt; wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls des Senats vom selben Tage Bezug genommen.

B.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig; insbesondere ist sie form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat zu Recht darauf erkannt, dass die Klage unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt dem Grunde nach gerechtfertigt ist. Dabei kann offen bleiben, inwieweit die jeweils geprüften Anspruchsgrundlagen nach der von ihnen angeordneten Rechtsfolge überhaupt geeignet wären, alle geltend gemachten Teilpositionen zu begründen. Der Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör ist in erster Instanz nicht verletzt worden, insbesondere hat sich das Landgericht vollständig und zutreffend mit dem Sachvorbringen der Klägerin auseinandergesetzt.

I. Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch nach dem bundesweit geltenden Nachbarrecht.

1. Ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen nach § 1004 BGB i.V.m. § 922 S. 3 BGB scheidet aus, weil die abgerissene West-Außenwand A. Straße 8 keine von den beiden Grundstücken A. Straße 7 und 8 gemeinschaftlich genutzte Grenzanlage i.S. dieser Vorschrift war.

a) Die Regelungen des § 922 BGB sind nur auf Grenzanlagen i.S. von § 921 BGB anwendbar (§ 922 S. 1 BGB).

aa) Konstituierendes Tatbestandsmerkmal einer solchen Grenzanlage ist es, dass sie so belegen ist, dass eine eindeutige und ausschließliche Zuordnung zu einem der benachbarten Grundstücke nicht möglich ist, weil die Einrichtung durch die Grundstücksgrenze geschnitten wird. Die Rechtsnorm ist schon dann nicht mehr anwendbar, wenn äußere Merkmale darauf hinweisen, dass die Einrichtung einem der Nachbarn allein gehört (vgl. § 921 letzter Halbs. BGB; vgl. BGH, Urteil v. 26.02.1964, V ZR 59/61 – BGHZ 41, 177; Urteil v. 29.04.1977, V ZR 71/75 – BGHZ 68, 350 = NJW 1977, 1447).

bb) Auch für den Fall der Unaufklärbarkeit der Eigentumsverhältnisse an der Einrichtung treten die Rechtswirkungen des § 922 BGB nur ein, wenn die Einrichtung gemeinschaftlich genutzt wird. Aus der Verweisung des § 922 S. 4 BGB auf die Vorschriften der §§ 741 ff. BGB als subsidiär anzuwendende Rechtsquelle ergibt sich, dass die gemeinschaftliche Nutzung eine ähnlich starke wechselseitige Beziehung der Nachbarn aufweisen muss, wie eine Eigentümergemeinschaft, d.h. wie das Miteigentum.

b) Beide Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

aa) Die vom Abriss betroffene West-Außenwand stand unstreitig im alleinigen Eigentum des Grundstückseigentümers A. Straße 8, d.h. zuletzt des Beklagten zu 2). Die Mauer befand sich allein auf diesem Grundstück (vgl. § 94 BGB).

bb) Eine gemeinschaftliche Nutzung der West-Außenwand A. Straße 8 zusammen mit dem Grundstückseigentümer A. Straße 7, zuletzt der Klägerin, fand zu keiner Zeit statt.

Jede der beiden sich gegenüber stehenden Außenwände stand selbständig und ohne Unterstützung durch die jeweils andere Außenwand. Die Mauern waren nicht miteinander verzahnt oder sonst verbunden; sie wiesen keine gemeinsamen Bestandteile auf. Soweit die Klägerin dies in ihrer Klageschrift – abweichend vom Inhalt der von ihr selbst vorgelegten Email des Geschäftsführers der Beklagten zu 1) an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin (vgl. Anlage K 6, GA Bd. I Bl. 49) – noch in Abrede gestellt hatte (vgl. GA Bd. I Bl. 3), haben die Prozessparteien im Termin der mündlichen Verhandlung vom 9. Juni 2010 vor dem Landgericht unstreitig gestellt, dass die jeweiligen Außenwände nebeneinander standen und durch einen kleinen Spalt getrennt waren.

Allein der Umstand, dass das Dachblech des Gebäudes A. Straße 7 ohne eine entsprechende Vereinbarung mit dem Grundstücksnachbarn an die West-Außenwand A. Straße 8 angeschlossen worden war, stellt keine gemeinschaftliche Nutzung der Außenmauer der A. Straße 8, sondern allenfalls deren einseitige – mangels Einwilligung unberechtigte – Mitbenutzung dar.

2. Das Landgericht hat zu Recht darauf erkannt, dass eine analoge Anwendung des § 922 S. 3 BGB auf Grenzwände in geschlossener Bebauung nicht in Betracht kommt.

a) Die systematische Stellung der §§ 921 f. BGB im Abschnitt zur Inhaltsbestimmung des Eigentums sowie der Grundrechtscharakter des Eigentumsrechts nach Art. 14 GG sprechen für eine Auslegung der Vorschrift unter enger Orientierung an deren Wortlaut. Denn es handelt sich um eine Einschränkung der nach § 903 BGB grundsätzlich umfassenden Eigentumsrechte, die auch das Recht auf Beseitigung einer eigenen Grenzanlage – unter Beachtung der öffentlich-rechtlichen Beschränkungen – einschließen.

b) Maßgeblich ist, dass die Rechtfertigung für die mit § 922 S. 3 BGB bewirkte Einschränkung des Eigentumsrechts vor allem in der Unaufklärbarkeit der Eigentumsverhältnisse und nur in zweiter Linie in der Ähnlichkeit zur Gemeinschaft besteht. Dies ist auch der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu entnehmen, in der stets das Merkmal der sog. halbscheidigen Grenzwand, d.h. der von der Grundstücksgrenze geschnittenen Mauer, in den Vordergrund der Subsumtion gestellt worden ist (vgl. BGH, Urteil v. 28.11.1980, V ZR 148/79 – BGHZ 78, 397 = NJW 1981, 866; Urteil v. 23.11.1984, V ZR 176/83 – NJW 1985, 1458; Urteil v. 21.04.1989, V ZR 248/87 – NJW 1989, 2541; Urteil v. 07.03.2003, V ZR 11/02 – BGHZ 154, 139 = NJW 2003, 1731; Urteil v. 11.04.2008, V ZR 158/07 – NJW 2008, 2032). Auch die von der Klägerin angeführten Entscheidungen des Oberlandesgerichts Dresden (Urteil v. 03.08.2007, 11 U 19/07 – NJW-RR 2008, 613) und des Oberlandesgerichts Koblenz (Urteil v. 11.01.2000, 1 U 1545/98 – OLGR Koblenz 2000, 304) betrafen jeweils sog. Kommunwände, d.h. im ersten Falle eine vollständig gemeinschaftlich genutzte Giebelwand auf der Grundstücksgrenze, im zweiten Falle eine auf der Grundstücksgrenze stehende Giebelwand mit einem gemeinsamen Fundament, die jedenfalls im unteren Teil auch und gemeinschaftlich genutzte Giebelwand war.

3. Soweit die Klägerin sich für die Richtigkeit ihrer Rechtsauffassung auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt (Urteil v. 08.07.1981, 17 U 178/80 – MDR 1982, 848) beruft, folgt der erkennende Senat der darin geäußerten Rechtsansicht nicht.

a) Allerdings hat das Oberlandesgericht Frankfurt die Vorschrift des § 922 S. 3 BGB ausdrücklich stets für anwendbar erachtet, wenn der Abriss eines Gebäudes innerhalb einer geschlossenen Häuserzeile erfolgt, ohne dass es darauf ankäme, ob die abgerissene Giebelwand eine Grenzanlage i.S. von § 921 BGB sei oder eine zweite, parallele Grenzwand. Dabei hat das Gericht das Interesse des Nachbarn des abbrechenden Grundstückseigentümers am Erhalt der geschlossenen Bebauung bzw. an einem Ausgleich für einen Abbruch innerhalb geschlossener Bebauung als jeweils gleichwertig betrachtet. Zugleich hat es keinen Grund gesehen, weshalb die Pflichten des abbrechenden Grundstückseigentümers sich unterscheiden sollten in Abhängigkeit davon, ob eine gemeinschaftlich genutzte, von der Grundstücksgrenze geschnittene Mauer abgerissen wird oder nur eine eigene Außenmauer.

b) Die Argumentation des Oberlandesgerichts Frankfurt vermag nicht zu überzeugen.

aa) Sie berücksichtigt den Ausgangspunkt der gesetzlichen Regelung nicht, der in der Unaufklärbarkeit der Eigentumslage und mithin in der Regelvermutung eines gemeinschaftlichen Eigentums an der gemeinschaftlich genutzten Einrichtung besteht.

Der Rechtssatz des Oberlandesgerichts Frankfurt führte zu Beschränkungen des Eigentumsrechts eines Grundstückseigentümers selbst dann, wenn die abgebrochene Einrichtung unzweifelhaft im alleinigen Eigentum des Abreißenden steht. Dem steht der Wortlaut des § 921 letzter Halbsatz BGB eindeutig entgegen, d.h. die Auslegung des Oberlandesgerichts Frankfurt überschreitet die Wortlautgrenze. Letztlich orientiert sich diese Auslegung einseitig an den Interessen des Grundstücksnachbarn; die legitimen Interessen des Eigentümers der Einrichtung sollen dahinter zurücktreten.

bb) Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts Frankfurt liegt auch eine gemeinschaftliche Nutzung einer einzigen Einrichtung i.S. von § 921 BGB nicht vor.

Die bloße Parallelität von Außenmauern, wie im vorliegenden Falle, führt noch nicht zur Annahme eines mit einem gemeinschaftlichen Eigentum beider Nachbarn jeweils an beiden Außenmauern vergleichbaren Zustandes. Ebenso, wie die zuerst errichtete Ost-Außenmauer A. Straße 7 nicht allein durch eine einseitige Baumaßnahme des Nachbarn A. Straße 8 in Gestalt der Errichtung einer eigenen Außenwand zur gemeinschaftlich genutzten Einrichtung umgewandelt wird, gilt umgekehrt, dass die später errichtete eigene West-Außenwand A. Straße 8 nicht gemeinschaftlich genutzt wird, auch wenn deren Errichtung dem Nachbarn indirekt zugute kommt. Der wechselseitig verschaffte Schutz vor Witterungseinflüssen ist – anders als bei einer Kommunwand – eine „zufällige“ Folge der Nachbarschaft und kein Ergebnis einer bewusst gemeinschaftlich genutzten Einrichtung. Die Unterscheidung zwischen einer gemeinschaftlich genutzten, auf der Grundstücksgrenze stehenden Mauer und jeweils eigenen Außenmauern eröffnet dem jeweiligen Grundstückseigentümer die Alternative, entweder eine gemeinschaftliche Nutzung mit dem Grundstücksnachbarn mit allen Vor- und Nachteilen einzugehen oder eine eigenständige, autarke Lösung zu verwirklichen.

cc) Schließlich könnte ein Wertungswiderspruch darin zu sehen sein, dass der zuerst bauende Grundstückseigentümer, hier der Rechtsvorgänger der Klägerin, für den Fall, dass auf dem Nachbargrundstück zu keinem Zeitpunkt eine parallele Außenmauer errichtet worden wäre, seine alte, den heutigen Anforderungen an Feuchtigkeitsschutz und Wärmeisolierung nicht mehr genügende Ost-Außenwand auf eigene Kosten vertikal gegen Feuchtigkeit abdichten und gegen Wärmeverluste dämmen müsste, während allein der Umstand, dass die Art der Nutzung des Nachbargrundstücks ihm dies vorübergehend erspart hat, dazu führte, dass nunmehr der Nachbar diese Sanierungsmaßnahmen auf seine Kosten durchzuführen hätte.

c) Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt ist vereinzelt geblieben. Soweit die Klägerin auf die bereits zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz verweist, lag dieser Entscheidung ein Sachverhalt zugrunde, bei dem es auf den Rechtssatz des Oberlandesgerichts Frankfurt aus tatsächlichen Gründen nicht ankam. Dem gegenüber haben zunächst das Oberlandesgericht Köln (vgl. Urteil v. 14.01.1987, 2 U 69/86 – NJW-RR 1987, 529) und sodann auch der Bundesgerichtshof (vgl. Urteil v. 18.05.2001, V ZR 119/00 – NJW-RR 2001, 1528; Urteil v. 16.04.2010, V ZR 171/09 – NJW 2010, 1808) bereits den hier vertretenen Rechtsstandpunkt eingenommen.

4. Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf einen angemessenen Ausgleich für den Abbruch der West-Außenwand A. Straße 8 nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB.

a) Der Senat erachtet das Vorbringen der Klägerin im Hinblick auf einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Abriss der West-Außenwand A. Straße 8 und den behaupteten Beeinträchtigungen des Gebäudes A. Straße 7 schon nicht als schlüssig. Zwar sind Arbeiten zum Abbruch eines Gebäudes grundsätzlich geeignet, auf das Nachbargrundstück einzuwirken und dort zum Beispiel Rissbildungen oder Fehlstellen im Mauerwerk oder das Eindringen von Feuchtigkeit in ein in vertikaler Hinsicht frei gelegtes Mauerwerk zu verursachen. Inwieweit dies im vorliegenden Falle zutrifft, bleibt schon nach dem Vorbringen der Klägerin ungewiss.

Die Klägerin hat nicht darzulegen vermocht, dass die Ost-Außenwand ihres Gebäudes vor Beginn der Abrissarbeiten auf dem Grundstück des Beklagten zu 2) unbeschädigt gewesen sei, d.h. keine Risse und Fehlstellen aufgewiesen habe. Allein der Umstand, dass die Innenwände des Gebäudes keine Fehlstellen i.S. eines Mauerdurchbruches aufgewiesen hätten, wie von der Klägerin behauptet und unter Beweis gestellt, lässt nicht auf eine Abwesenheit solcher Beschädigungen an der Außenwand bis zum Beginn des Abrisses der benachbarten Wand schließen. Es ist auch nicht etwa vorgetragen, dass sich die nach Durchführung des Abbruchs des Nachbargebäudes von der Klägerin entdeckten Risse und fehlenden Ziegelsteine im Mauerwerk der Ost-Außenwand auch im Inneren des Gebäudes der Klägerin zeigten, was auf einen zeitlichen Zusammenhang hätte hindeuten können. Danach kommt es, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ebenso in Betracht, dass die Risse und Fehlstellen im Mauerwerk bereits während der mehr als einhundertjährigen Standzeit der Ost-Außenwand des Gebäudes der Klägerin entstanden sind und ihre Entstehung in keinem sachlichen Zusammenhang mit den Abbrucharbeiten auf dem Grundstück der Klägerin steht. Schließlich hat die Klägerin keine Verhaltensweisen der Beauftragten des Beklagten zu 2) bei Durchführung des Abrisses vorgetragen, die Rückschlüsse auf eine Verursachung der Mauerwerksschäden zuließen. So sind unstreitig beim Abriss der West-Außenwand A. Straße 8 keinerlei Vertiefungen geschaffen worden; das Fundament der West-Außenwand A. Straße 8 ist im Erdreich verblieben. Für eine Erschütterung der Statik der Ost-Außenwand A. Straße 7 sind auch sonst keine Anhaltspunkte ersichtlich. Gleiches gilt etwa für ein unsachgemäßes Vorgehen der Bauleute bei den Abrissarbeiten.

Die bloße Beseitigung einer das Nachbargebäude bislang vor Witterungseinflüssen schützenden eigenen Einrichtung stellt keine unmittelbare Einwirkung auf das benachbarte Grundstück i.S. von § 906 Abs. 2 S. 2 BGB dar, gegen die ein privatrechtlicher Immissionsschutz gewährt wird. Etwaige Witterungserscheinungen gehen nicht vom Grundstück A. Straße 8 aus.

b) Zudem ist die Klägerin für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den von ihr behaupteten wesentlichen Beeinträchtigungen ihres Grundstücks und dem Abriss der West-Außenwand A. Straße 8 durch den Beklagten zu 2) auch beweisfällig geblieben.

Die unter Beweis gestellten Angaben des Zeugen K. zum Zustand der Innenwand des Gebäudes der Klägerin können als wahr unterstellt werden, ohne dass hieraus auf einen entsprechenden Kausalzusammenhang der jetzt entdeckten Schäden der Außenwand mit dem Abriss der West-Außenwand A. Straße 8 geschlossen werden könnte.

Das pauschale Angebot eines bautechnischen Gutachtens ist für den Nachweis der Kausalität ungeeignet, weil einem Sachverständigen ohne Informationen über den Zustand der äußeren Seite der Ost-Außenwand A. Straße 7 vor Beginn des Abrisses der West-Außenwand A. Straße 8 die notwendigen Anknüpfungspunkte für eine Untersuchung der Ursachen der Risse und Lücken im Mauerwerk fehlen würden.

II. Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch nach dem Nachbarschaftsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt.

1. Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) scheidet schon deshalb aus, weil die Beklagte zu 1) nicht Nachbar i.S. des § 1 Abs. 2 NbG LSA ist. Die Beklagte zu 1) ist weder Eigentümerin des Grundstücks A. Straße 8 noch Erbbauberechtigte noch Inhaberin eines fortbestehenden selbständigen Gebäudeeigentums bzw. dinglichen Nutzungsrechts. Ein ausdrücklicher gerichtlicher Hinweis auf die fehlende Darlegung zur Nachbareigenschaft der Beklagten zu 1) war entbehrlich, weil die Beklagten wiederholt hierauf hingewiesen haben (vgl. GA Bd. I Bl. 41, Bl. 72), ohne dass die Klägerin hierauf inhaltlich reagiert hätte. Der Senat hat diesen Aspekt mit den Parteien des Rechtsstreits im Termin der mündlichen Verhandlung erörtert; dem ist die Klägerin nicht entgegen getreten.

2. Die Vorschrift des § 10 Abs. 3 NbG LSA ist hier, wie die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung anerkannt hat, unmittelbar nicht anwendbar, weil sie sich auf eine Nachbarwand i.S. von § 5 Abs. 1 NbG LSA bzw. auf einen Anbau an eine solche Nachbarwand bezieht. Eine Nachbarwand ist eine auf der Grundstücksgrenze stehende Wand. Dies traf auf die inzwischen abgerissene West-Außenwand A. Straße 8 nicht zu.

3. Die Klägerin hat gegen den Beklagten zu 2) keinen Anspruch aus § 15 NbG LSA i.V.m. § 10 Abs. 3 NbG LSA.

a) Allerdings stellte die West-Außenwand A. Straße 8 eine zweite Grenzwand i.S. von § 14 NbG LSA dar. Als Grenzwand definiert das Landesgesetz eine unmittelbar an der Grenze zum benachbarten Grundstück, jedoch ausschließlich auf dem eigenen Grundstück des Erbauers errichtete Wand (§ 11 NbG LSA). Eine zweite Grenzwand ist eine Grenzwand, die neben einer schon vorhandenen Grenzwand errichtet werden soll, was hier auf die Grenzwand A. Straße 8 zum Zeitpunkt kurz vor ihrer Errichtung im Verhältnis zur Grenzwand A. Straße 7 zutraf.

b) Die Vorschrift des § 15 NbG LSA ist jedoch hinsichtlich ihrer zeitlichen Geltung nicht auf den vorliegenden Fall anwendbar. Der Senat nimmt insoweit zunächst auf die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils Bezug. Ergänzend hierzu ist auszuführen:

aa) Der vorliegende Sachverhalt betrifft einen sog. „Altfall“. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Alt. 2 NbG LSA sind teilweise vor dem Inkrafttreten des Landesgesetzes am 1. Januar 1998 (vgl. § 45 NbG LSA) eingetreten.

Zwar verweist die Klägerin zu Recht darauf, dass der Abriss der West-Außenwand A. Straße 8 dem vorgenannten Stichtag zeitlich nachfolgte. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 15 NbG LSA ist jedoch auch die Errichtung der zweiten Grenzwand. Im Gesetz heißt es dazu: „Wird nach Errichtung … einer zweiten Grenzwand …“. Hieraus ergibt sich ohne Weiteres, dass erst durch die Errichtung der zweiten Grenzwand eine Situation geschaffen wird, die für beide Nachbarn jeweils Rechtsfolgen entsprechend § 10 Abs. 3 NbG LSA auslöst und eine Verpflichtung zur Anzeige des beabsichtigten Gebäudeabrisses begründet. Ohne Errichtung der zweiten Grenzwand gäbe es auch für den Erbauer der ersten Grenzwand keine entsprechenden Verpflichtungen.

bb) Eine Erstreckung der Geltung des § 15 NbG LSA auf solche „Altfälle“ hat der Landesgesetzgeber nicht angeordnet.

(1) Das Inkrafttreten des Landesgesetzes sowie die hierfür getroffenen Übergangsbestimmungen ergeben sich aus §§ 45, 43 NbG LSA.

(2) Eine zeitliche Geltung des § 15 NbG LSA folgt nicht aus § 43 Abs. 4 NbG LSA. Danach gilt für Zahlungsansprüche grundsätzlich das neue Nachbarschaftsrecht, wenn und soweit das den Anspruch begründende Ereignis nach Inkrafttreten des Gesetzes eingetreten ist. Der Anspruch nach §§ 15 i.V.m. 10 Abs. 3 NbG LSA ist schon kein bloßer Zahlungsanspruch. Er ist vielmehr auf Beseitigung der durch den Abbruch entstandenen Schäden und Herstellung einer funktionsfähigen Außenwand, also seinem Charakter nach auf bestimmte Ausgleichsleistungen gerichtet. Darüber hinaus gehört zu den anspruchsbegründenden Umständen auch die Errichtung der zweiten Grenzwand, wie ausgeführt, die hier lange vor dem Inkrafttreten des Gesetzes erfolgte.

(3) Das neue Nachbarschaftsrecht soll nach § 43 Abs. 1 NbG LSA allerdings auch sofortige Geltung entfalten für den Umfang von Rechten, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits auf Grund des bisherigen Rechts bestanden haben. Die Vorschrift des § 15 NbG LSA bezieht sich jedoch nicht auf solche Rechte. Weder das Bürgerliche Gesetzbuch noch die nachbarrechtlichen Vorschriften des Zivilgesetzbuches der ehemaligen DDR noch früheres Partikularrecht, insbesondere das Allgemeine Preußische Landrecht, kannten einen mit § 15 NbG LSA vergleichbaren Ausgleichsanspruch eines Grundstückseigentümers gegen seinen Nachbarn.

(4) Schließlich hat der Gesetzgeber in § 43 Abs. 2 NbG LSA eine spezielle Regelung für „Altfälle“ sog. Nachbarwände getroffen, indem er auch die „Altfälle“ bereits dem neuen Recht unterworfen hat, soweit der Nachbar damals der Errichtung der Nachbarwand zugestimmt hatte. Die West-Außenwand A. Straße 8 war, wie ausgeführt, keine Nachbarwand.

cc) Es ist auch nicht davon auszugehen, dass eine Anwendung des § 15 NbG LSA vom Landesgesetzgeber beabsichtigt war.

(1) Eine analoge Anwendung von § 43 Abs. 2 NbG LSA auf Grenzwände kommt nicht in Betracht. Insoweit fehlt es schon an einer planwidrigen Gesetzeslücke. Das gesamte Gesetz zeigt, dass der Landesgesetzgeber bewusst und gezielt zwischen Nachbarwänden und Grenzwänden unterschieden hat.

(2) Entgegen der Darstellung der Klägerin bestand das Ziel der Landesgesetzgebung auch nicht darin, möglichst zügig eine Änderung des bestehenden Nachbarschaftsrechts herbeizuführen. Aus den Gesetzgebungsmaterialien, insbesondere aus der Amtlichen Begründung des Gesetzesentwurfes der Landesregierung vom 12. März 1997 (LT-Drs. 2/3307, dort u.a. S. 3, S. 30 f., S. 67) sowie aus der abschließenden Stellungnahme der damaligen Ministerin der Justiz in der 2. Beratung des Gesetzesentwurfes im Landtag (vgl. Plenarprotokoll 2/70 vom 22. Oktober 1997, dort S. 5286), ergibt sich vielmehr, dass es vorrangig darum ging, die nachbarschaftlichen Verhältnisse für die Zukunft möglichst klar, überschaubar und regional einheitlich zu regeln. Dem Bestandsschutz wurde große Bedeutung beigemessen, dem Gesetz sollte grundsätzlich keine rückwirkende Kraft beigelegt werden. Diese Intension hat in § 43 NbG LSA auch Ausdruck gefunden.

(3) Mit der vorstehenden Erwägung des Senats steht in Übereinstimmung, dass weder in der Amtlichen Begründung des Gesetzesentwurfes noch in der anschließenden Debatte im Landtag die Frage der Verhältnismäßigkeit einer Rückwirkung des § 15 NbG LSA auch nur erwähnt wurde, während dem Bestandsschutz weitgehend Vorrang eingeräumt worden ist.

Die von der Klägerin in Anspruch genommene zeitliche Geltung des § 15 NbG LSA für den vorliegenden Sachverhalt wäre verfassungsrechtlich als eine sog. unechte Rückwirkung der Gesetzesnorm zu qualifizieren. Denn die Rechtsfolgen des § 15 NbG LSA stellten danach eine Umgestaltung der jeweiligen individuellen Rechtspositionen der Klägerin und des Beklagten zu 2) als benachbarte Grundstückseigentümer dar, mit der in eine bereits begonnene, aber in der Zeit vor dem Inkrafttreten des Gesetzes noch nicht abgeschlossene Rechtsbeziehung für die Zukunft eingegriffen werden würde (vgl. nur BVerfG, Beschluss v. 14.05.1986, 2 BvL 2/83 – BVerfGE 72, 200, 242; Beschluss v. 03.12.1997, 2 BvR 882/97 – BVerfGE 97, 67, 79). Solche Regelungen sind gerade im Zusammenhang mit der Neuordnung eines Rechtsgebietes grundsätzlich zulässig, wenn hinreichende Gründe des Gemeinwohls vorliegen, die eine Umgestaltung bestehender Rechtspositionen im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG rechtfertigen. Die Eignung und die Erforderlichkeit der Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszweckes ist jedoch zu prüfen; zudem ist eine Abwägung der Veränderungsgründe mit den Bestandsinteressen der Betroffenen vorzunehmen (vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss v. 24.02.2010, 1 BvR 27/09 – zitiert nach juris; m.w.N.). Dies ist hier im Hinblick auf eine Rückwirkung des § 15 NbG LSA nicht geschehen.

III. Im Ergebnis hat das Landgericht zu Recht auch einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagten aus §§ 823 Abs. 1 und 840 Abs. 1 BGB als unbegründet angesehen.

Hierfür fehlt es, wie bereits im Zusammenhang mit dem Anspruch nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB ausgeführt, sowohl an der schlüssigen Darlegung als auch an geeigneten Beweis-antritten für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den Arbeiten zum Abriss der West-Außenwand A. Straße 8 und den zeitlich danach entdeckten Rissen und Fehlstellen im Mauerwerk der Ost-Außenwand A. Straße 7. Das Landgericht hat sich mit dem Vorbringen der Klägerin hierzu in seiner angefochtenen Entscheidung ausführlich auseinandergesetzt (vgl. LGU S. 10 f.), es hat lediglich eigene, der Klägerin ungünstige Bewertungen dieses Vorbringens vorgenommen. Darin liegt jedoch keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.

IV. Aus den vorgenannten Gründen war ein Wiedereintreten in die mündliche Verhandlung, wie von der Klägerin mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2010 angeregt, nicht geboten. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind im Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausführlich erörtert worden. Der Senat hat die von der Klägerin im o.g., nicht nachgelassenen Schriftsatz angeführten rechtlichen Aspekte bei seiner Entscheidung berücksichtigt; eine nochmalige Anhörung der Beklagten hierzu war nicht erforderlich.

C.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 26 Nr. 8 EGZPO i.V. mit §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 sowie 543, 544 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

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