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Autounfall zwischen Linksabbieger und überholendem Fahrzeug

OLG München – Az.: 10 U 2299/21 – Urteil vom 22.12.2021

I. Auf die Berufung der Beklagten vom 23.04.2021 wird das Endurteil des LG Deggendorf vom 16.03.2021 (Az. 31 O 714/20) in Ziffern 1. bis 3. abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagten werden verurteilt, samtverbindlich an den Kläger 2.979,31 € nebst Zinsen in Höhe von jeweils 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 2792,71 € seit 08.09.2020 und aus weiteren 186,60 € seit 05.12.2020 sowie weitere nicht anrechenbare vorprozessuale Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 523,28 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 05.12.2020 zu bezahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tagen der Kläger 71 % und die Beklagten samtverbindlich 29 %.

Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

II. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 71 % und die Beklagten samtverbindlich 29 %.

III. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i. Verb. m. § 544 II Nr. 1 ZPO).

B.

Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache überwiegend Erfolg.

I. Das Landgericht ging aufgrund der in erster Instanz nur rudimentär durchgeführten Beweisaufnahme zu Unrecht von einer alleinigen Haftung der Beklagten aus. Der Senat ist nach der von ihm wiederholten und ergänzenden Beweisaufnahme der Überzeugung, dass die Klagepartei am Zustandekommen des Unfalls ein hälftiges Mitverschulden trifft.

1. Der neutrale Zeuge S., der mit seinem Holzlaster hinter dem klägerischen Traktorgespann auf dieses aufschließend zufuhr, hat die Angaben des Fahrers des Traktorgespanns, des Zeugen K., im Wesentlichen bestätigt. Der Senat ist daher davon überzeugt, dass das klägerische Traktorgespann aus einer Geschwindigkeit von etwa 35 km/h bis zum Stillstand an der Abzweigung nach links in die B. Straße abgebremst wurde, wobei der Traktor nicht vollständig links eingeordnet war. Weiter ist der Senat aufgrund der Angaben der Zeugen S. und K. davon überzeugt, dass am Traktor frühzeitig der linke Blinker gesetzt war und der Holzlaster des Zeugen S. aus einer Geschwindigkeit von ca. 50 km/h bis 60 km/h auf eine Geschwindigkeit von ca. 10 km/h so verlangsamt wurde, dass die Bremsleuchten aktiviert waren und der Abstand des 17,8 m langen Holzlasters zum Traktor nur mehr zwischen 6 m und 30 m betrug. Der Sachverständige Dipl.-Ing. M., dessen hervorragende Sachkunde dem Senat aus einer Vielzahl erholter Gutachten und Anhörungen vor dem Senat bekannt ist, gelangte zu dem Ergebnis, dass es bei einem Kollisionswinkel von 20° bis 40° zwischen dem vorgebauten Kreiselheuer am Traktor und der Beifahrerseite des Beklagten-Pkw kam. Der Sachverständige gelangte weiter ausgehend von den Vorgaben des Senats zur Würdigung der Angaben der Unfallbeteiligten und Zeugen (Sitzungsniederschrift vom 08.12.2021, S. 10 = Bl. 119 d.A.) zu dem Ergebnis, dass ausgehend von einer nur geringen Aufholstrecke des Beklagtenfahrzeugs von 30 m der Spurwechsel des überholenden Fahrzeugs des Beklagten zu 2) mit dem Überfahren der Mittellinie 3,65 Sek. bis 6,4 Sek. vor der Kollision für den Zeugen K. erkennbar war. Aufgrund des Zeitbedarfs des Zeugen K. vom Überfahren der Mittellinie bis zur Kollision (1,1 Sekunden bis 3,3 Sekunden, auch insoweit folgt der Senat den Angaben des Sachverständigen, war bei einer entsprechenden Rückschau durch den Zeugen K. zum Zeitpunkt des Überfahrens der Mittellinie der Pkw des Beklagten zu 2) bereits als überholendes Fahrzeug erkennbar. Bei einer möglichen, aber nicht bewiesenen längeren Aufholstrecke (größerer Abstand zwischen Traktor und Holzlaster des Zeugen S.) war der Beklagten-Pkw noch längere Zeit vor dem Überfahren der Mittellinie seitens des Traktors als überholendes Fahrzeug erkennbar. Der Beklagte zu 2), der selbst angab, zum Überholen stärker beschleunigt zu haben und wahrscheinlich 100km/h gefahren zu sein, musste nicht erst dann eine Abwehrreaktion einleiten, als der Traktor die Mittellinie überfuhr, sondern bereits auf das erkennbare Blinken des Traktors seinen Überholvorgang abbrechen, was nach den Feststellungen des Sachverständigen möglich war.

2. Die Verstöße des Zeugen K. gegen 9 I StVO (er hat sich nicht zur Mitte der Fahrbahn eingeordnet und im Übrigen auch nicht im Wege der zweiten Rückschau unmittelbar vor Einleitung des Abbiegemanövers den rückwärtigen Verkehr beobachtet) und des Beklagten zu 2), der jedenfalls seinen Überholvorgang auf das sichtbare Blinken des Traktors nach links hin hätte abbrechen können und müssen, bewertet der Senat gleichwertig. Nicht in die Abwägung einzustellen war, dass am Traktorgespann das höchstens zulässige Vorbaumaß (Abstand zwischen dem Vorderende des Frontanbaugerätes und der Mitte des Lenkrades) von 3,5 m überschritten war. Dies war nach den Feststellungen des Sachverständigen nicht nachweisbar unfallursächlich und die für den Fall der Überschreitung durch geeignete Maßnahmen auszugleichende Sichtfeldeinschränkung betrifft die eingeschränkte Sicht nach vorne, welche vorliegend nicht relevant wurde.

3. Ausgehend von den Erwägungen des Landgerichts zur Schadenshöhe, wogegen Einwendungen nicht erhoben wurden, ergibt sich ein ersatzfähiger Schaden in Höhe von 14.766,68 € und damit ein Anspruch in Höhe von 7.383,34 €. Abzüglich der unstreitig vorprozessual seitens der Beklagten zu 1) gezahlten 4.404,03 € verbleiben 2.979,31 €. Die vorprozessualen Rechtsanwaltskosten errechnen sich mit 1003,40 €. Unter Berücksichtigung der ebenfalls seitens der Beklagten zu 1) hierauf vorprozessual bezahlten 480,12 € verbleiben 523,28 €.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 I 1 Fall 2, 100 IV ZPO.

III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Ersturteils und dieses Urteils beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i. Verb. m. § 544 II Nr. 1 ZPO.

IV. Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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