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Beratungshilfe – Voraussetzungen der Inanspruchnahme

Analyse eines Beratungshilfefalls: Komplikationen rund um den Mutwilligkeitsbegriff

Im Rahmen eines Beratungshilfefalls wurde kürzlich eine bedeutsame Entscheidung durch das AG Hanau (Az.: 49 II B 254/19) getroffen. Im Mittelpunkt dieses Falles steht das Konzept der „Mutwilligkeit“ im Kontext der Inanspruchnahme von Beratungshilfe gemäß § 1 Abs. 3 BerHG. Konkret ging es darum, ob die Inanspruchnahme der Beratungshilfe in einer Situation, in der die Kosten für die Beratung den potenziellen Schaden übersteigen, als mutwillig einzustufen ist.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 49 II B 254/19 >>>

Mutwilligkeit als Schlüsselkonzept

Nach § 1 Abs. 3 BerHG liegt Mutwilligkeit vor, wenn Beratungshilfe in Anspruch genommen wird, obwohl ein Rechtsuchender, der keine Beratungshilfe beansprucht, bei vernünftiger Betrachtung aller Umstände der Rechtsangelegenheit davon absehen würde, sich auf eigene Kosten rechtlich beraten oder vertreten zu lassen. Im vorliegenden Fall waren insbesondere die Kenntnisse und Fähigkeiten des Antragstellers sowie seine besondere wirtschaftliche Lage von Bedeutung.

Gewichtung der Kosten und des Schadens

Im konkreten Fall wurde ein Rechtsuchender, der aufgrund einer drohenden Strafe von 25,00 € einen Anwalt aufsuchte, dessen Beratung jedoch 41,65 € kostete, als mutwillig bezeichnet. Die Begründung liegt darin, dass ein kostenbewusster Rechtsuchender, der die Kosten für die Inanspruchnahme eines Anwalts selbst tragen müsste, aufgrund der Kosten-Nutzen-Abwägung davon Abstand genommen hätte.

Rolle der persönlichen Umstände

Zusätzlich zu den finanziellen Aspekten wurde auch die persönliche Situation des Antragstellers berücksichtigt. Es wurde hervorgehoben, dass der Antragsteller das Mietfahrzeug, um das es in dem Fall ging, bereits am Tag der angeblichen Ordnungswidrigkeit zurückgegeben hatte. Diese Information war für die Beurteilung der mutwilligen Inanspruchnahme der Beratungshilfe relevant.

Ausnahmen in einfachen Fällen

Die Entscheidung des AG Hanau legt nahe, dass in einfach gelagerten Fällen, wie beispielsweise bei Auskunftsverlangen oder einfachen Schreiben und Erklärungen ohne wesentliche rechtliche Relevanz, es dem Rechtsuchenden zuzumuten ist, ohne anwaltliche Hilfe selbst tätig zu werden. Insbesondere wenn kein sachlicher Grund für eine Rechtsberatung oder -vertretung erkennbar ist, könnte die Inanspruchnahme von Beratungshilfe als mutwillig angesehen werden.

Diese Entscheidung des AG Hanau beleuchtet den komplexen und oft missverstandenen Begriff der „Mutwilligkeit“ im Kontext der Beratungshilfe und liefert einen Leitfaden zur Auslegung in zukünftigen Fällen. Die Entscheidung unterstreicht die Notwendigkeit einer sorgfältigen Abwägung von Kosten und Nutzen bei der Inanspruchnahme von Beratungshilfe und betont die Bedeutung des individuellen Kontexts für diese Entscheidungen..


Das vorliegende Urteil

AG Hanau – Az.: 49 II B 254/19 – Beschluss vom 02.07.2020

Die Erinnerung vom 16.12.2019 gegen den Beschluss vom 21.08.2019 wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Die Erinnerung ist zulässig gemäß § 7 BerHG in Verbindung mit §§ 11, 24a RpflG. Die Erinnerung ist aber unbegründet.

Die Voraussetzungen zur Gewährung von Beratungshilfe gemäß § 1 BerHG liegen nicht vor. Der Gewährung von Beratungshilfe steht § 1 Abs. 1 Nr. 3 BerHG entgegen, weil die Inanspruchnahme der Beratungshilfe als mutwillig erscheint. Gemäß § 1 Abs. 3 BerHG liegt Mutwilligkeit vor, wenn Beratungshilfe in Anspruch genommen wird, obwohl ein Rechtsuchender, der keine Beratungshilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände der Rechtsangelegenheit davon absehen würde, sich auf eigene Kosten rechtlich beraten oder vertreten zu lassen. Bei der Beurteilung der Mutwilligkeit sind die Kenntnisse und Fähigkeiten des Antragstellers sowie seine besondere wirtschaftliche Lage zu berücksichtigen.

Anlass des Antragstellers, seinen Verfahrensbevollmächtigten in der hiesigen Angelegenheit aufzusuchen, war der Erhalt eines Schreibens der Gemeinde „C“ vom 05.06.2019, in dem ihm eine geringfügige Ordnungswidrigkeit im Straßenverkehr vorgeworfen und ein Verwarnungsgeld von 25,00 € angeboten wurde. Dieser Gegenstand ergibt sich nach der Klarstellung in der Erinnerung.

Das Beratungshilferecht dient der Gewährleistung der Rechtswahrnehmungsgleichheit von Unbemittelten und Bemittelten im außergerichtlichen Bereich. Bei der Auslegung der Bestimmungen des BerHG ist ein Auslegungsmaßstab zu verwenden, der die Rechtswahrnehmung für unbemittelte Rechtsuchende im Vergleich zu bemittelten Rechtsuchenden nicht unverhältnismäßig einschränkt. Dabei sind Unbemittelte nur solchen Bemittelten gleichzustellen, die bei ihrer Entscheidung über die Inanspruchnahme von Rechtsrat auch die hierdurch entstehenden Kosten berücksichtigen und vernünftig abwägen. Kostenbewusste Rechtsuchende werden dabei unter anderem prüfen, inwieweit sie fremde Hilfe zur effektiven Ausübung ihrer Rechte brauchen oder selbst dazu in der Lage sind. Sie werden auch Überlegungen dazu anstellen, zu welchem Zeitpunkt Hilfe zur effektiven Ausübung ihrer Rechte erforderlich ist (BVerfG, Beschluss vom 09.01.2012, Az. 1 BvR 2852/11, zitiert nach juris, Rn. 10 f.). Vor diesem Hintergrund ist dem Rechtsuchenden in einfach gelagerten Fällen (Auskunftsverlangen, bloße einfache Schreiben und Erklärungen ohne wesentliche rechtliche Relevanz) zuzumuten, auch ohne anwaltliche Hilfe selbst tätig zu werden. Dies wird immer dann anzunehmen sein und der Beratungshilfe entgegenstehen, wenn auch ein Bürger, der nach seinen Einkommensverhältnissen einen Rechtsanwalt selbst bezahlen könnte, auf anwaltliche Hilfe verzichtet hätte und kein sachlicher Grund für eine Rechtsberatung bzw. -vertretung erkennbar ist (BeckOK RVG/Sommerfeldt, 48. Ed., Stand 1.6.2020, § 44 RVG Rn. 16).

Vorliegend hätte ein bemittelter Rechtsuchender an der Stelle des Antragstellers zu diesem Zeitpunkt keine anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen. Er hätte den drohenden materiellen Schaden (25,00 €) mit den nun von dem Verfahrensbevollmächtigten verlangten Kosten (41,65 €) abgewogen. Die durch die Beratung ausgelösten Kosten übersteigen das Verwarnungsgeld erheblich. In einer solchen Ausgangslage hätte ein kostenbewusster bemittelter Rechtsuchender, der die durch die Einschaltung des Verfahrensbevollmächtigten ausgelösten Kosten selbst tragen müsste, von der Einschaltung eines Rechtsanwaltes zunächst abgesehen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Antragsteller das Mietfahrzeug an dem Tag der vorgeworfenen Ordnungswidrigkeit der Vermieterin bereits zurückgegeben habe. Ein bemittelter, kostenbewusster Rechtsuchender hätte diesen einfachen Sachverhalt der Gemeinde mitgeteilt und zunächst abgewartet. Vor einer derartigen Eigeninitiative und ohne das Vorliegen eines konkreten Sach- oder Rechtsproblems hätte er keine kostenauslösende anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen.


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant

  1. Rechtsgebiet: Beratungshilferecht, Rechtsnormen: Beratungshilfegesetz (BerHG): Das Beratungshilfegesetz ist im gegebenen Text zentral, da es die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Beratungshilfe durch Rechtssuchende regelt. Insbesondere der § 1 Abs. 3 BerHG wird erwähnt, der die mutwillige Inanspruchnahme von Beratungshilfe definiert. In dem vorliegenden Fall wurde ein Antrag auf Beratungshilfe wegen einer mutwilligen Inanspruchnahme zurückgewiesen. Die Anwendung und Interpretation dieses Gesetzes spielt eine zentrale Rolle in der gerichtlichen Entscheidung.
  2. Rechtsgebiet: Ordnungswidrigkeitenrecht, Rechtsnorm: Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG): Im vorliegenden Fall wurde dem Antragsteller eine geringfügige Ordnungswidrigkeit im Straßenverkehr vorgeworfen, was der Anlass für die Inanspruchnahme der Beratungshilfe war. Das Ordnungswidrigkeitenrecht und das entsprechende Gesetz regeln die Ahndung von Verstößen gegen gesetzliche Gebote und Verbote, die nicht als Straftaten gelten. Hier wird der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Kosten der Rechtsberatung im Vergleich zum potenziellen Schaden durch die Ordnungswidrigkeit thematisiert.
  3. Rechtsgebiet: Gebühren- und Kostenrecht, Rechtsnormen: Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG): Die Kosten, die durch die Inanspruchnahme eines Rechtsanwaltes entstehen, sind ein wichtiger Faktor bei der Beurteilung der Mutwilligkeit einer Beratungshilfe. Im konkreten Fall werden die Kosten des Verfahrensbevollmächtigten (41,65 €) mit dem drohenden materiellen Schaden durch das Verwarnungsgeld (25,00 €) verglichen. Die Bestimmungen des RVG spielen hierbei eine Rolle, da sie die Vergütung der Rechtsanwälte für ihre Tätigkeit regeln.
  4. Rechtsgebiet: Verkehrsrecht: Obwohl kein spezifisches Gesetz genannt wird, ist das Verkehrsrecht in diesem Fall relevant, da die ursprüngliche Rechtsfrage, die zur Anwendung der Beratungshilfe geführt hat, eine Ordnungswidrigkeit im Straßenverkehr betrifft. Das Verkehrsrecht umfasst alle rechtlichen Regelungen, die den Straßenverkehr betreffen, einschließlich der Regeln für Ordnungswidrigkeiten.

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