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Bürgschaft auf erstes Anfordern – Eintritt des Sicherungsfalls

Oberlandesgericht Saarbrücken entscheidet über Bürgschaft auf erstes Anfordern

Das Oberlandesgericht Saarbrücken bestätigte die Forderung der Klägerin gegen eine Bank auf Zahlung aus einer Bürgschaft auf erstes Anfordern. Die Bürgschaft bezog sich auf Ansprüche aus einem Werkvertrag, der verzögert und mangelhaft umgesetzt wurde. Die Bank war verpflichtet, trotz Einwände, den vollen Betrag zu zahlen, da die Bürgschaftsbedingungen dies vorsahen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 4 U 107/21   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Bestätigung der Zahlungsverpflichtung der Bank aus einer Bürgschaft gegenüber der Klägerin.
  2. Der Werkvertrag zwischen Klägerin und Streithelferin führte zu Verzögerungen und Mängeln beim Bau eines Parksystems.
  3. Die Bürgschaft war bis zur Endabnahme des Projekts befristet und sicherte die Zahlung des Werklohns ab.
  4. Diskussion über die Gültigkeit der Bürgschaft trotz Fristüberschreitung und Minderung des Bürgschaftsbetrags.
  5. Streit um die Auslegung der Bürgschaft als Zeitbürgschaft oder Erfüllungsbürgschaft.
  6. Die Klägerin machte die Bürgschaft geltend, da sie den gesamten Werklohn im Voraus gezahlt hatte.
  7. Debatte über die treuwidrige Inanspruchnahme der Bürgschaft durch die Klägerin.
  8. Abweisung der Berufung durch das Oberlandesgericht und Bestätigung der Zahlungsverpflichtung der Bank.

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Das Oberlandesgericht Saarbrücken entscheidet über Bürgschaftsforderung

Im Zentrum eines juristischen Streits stand kürzlich eine Bürgschaftsforderung, die das Oberlandesgericht Saarbrücken zu beurteilen hatte. Eine Bauträgerin, die Klägerin, forderte von einer Bank, der Beklagten, die Auszahlung einer Bürgschaftssumme in Höhe von 226.100 Euro. Die Bürgschaft diente als Sicherung für Ansprüche aus einem Werkvertrag mit einer Streithelferin der Bank.

Hintergrund des Falls: Bau eines Parksystems und Verzögerungen

Die Klägerin hatte die Streithelferin mit dem Bau eines vollautomatischen Parksystems beauftragt. Der vereinbarte Preis belief sich auf 190.000 Euro netto bzw. 226.100 Euro brutto. Als Sicherheit für die Vorauszahlung des Werklohns stellte die Beklagte eine Bürgschaftsurkunde aus. In dieser verpflichtete sich die Bank zur Zahlung von bis zu 226.100 Euro auf erstes Anfordern der Klägerin.

Verzögerungen führen zu rechtlichen Auseinandersetzungen

Die Fertigstellung des Parksystems verzögerte sich mehrfach. Die Klägerin forderte daraufhin die Bank zur Zahlung der Bürgschaftssumme auf. Als die Bank nicht zahlte, zog die Klägerin vor Gericht. Sie argumentierte, die Bürgschaft auf erstes Anfordern berechtige sie zur Geltendmachung des gesamten Betrags.

Entscheidung des Oberlandesgerichts Saarbrücken

Das Oberlandesgericht Saarbrücken wies die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts zurück. Es bestätigte die Auffassung der Klägerin, dass die Bedingungen der Bürgschaft auf erstes Anfordern erfüllt waren. Somit war die Bank zur Zahlung der Bürgschaftssumme verpflichtet.

Bedeutung der Entscheidung

Dieses Urteil verdeutlicht die rechtlichen Verpflichtungen, die aus einer Bürgschaft auf erstes Anfordern resultieren können. Es unterstreicht auch die Wichtigkeit klarer Vereinbarungen und Bedingungen in derartigen Bürgschaftsdokumenten.

Fazit

Das Oberlandesgericht Saarbrücken hat mit seinem Urteil die Rechte der Klägerin bestätigt und die Bedeutung der Bürgschaft auf erstes Anfordern hervorgehoben. Die Entscheidung zeigt, wie wichtig detaillierte Vereinbarungen und eine genaue Kenntnis der rechtlichen Rahmenbedingungen in solchen Fällen sind.

Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt


Was ist eine Bürgschaft auf erstes Anfordern und worin unterscheidet sie sich von einer normalen Bürgschaft?

Eine „Bürgschaft auf erstes Anfordern“ ist eine spezielle Form der Bürgschaft, die in Deutschland seit 1979 anerkannt ist. Sie wurde durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) entwickelt und hat sich in der Praxis aufgrund der Vertragsfreiheit des Schuldrechts etabliert.

Im Gegensatz zu einer normalen Bürgschaft, bei der der Bürge die Möglichkeit hat, sich mit allem zu verteidigen, was auch der Hauptschuldner geltend machen könnte, muss der Bürge bei einer Bürgschaft auf erstes Anfordern sofort zahlen, sobald der Gläubiger ihn in Anspruch nimmt. Der Bürge kann seine Zahlung nur zurückfordern, wenn und soweit der Gläubiger nach materiellem Bürgschaftsrecht (§§ 765 ff. BGB) keinen Anspruch auf die erhaltene Leistung hat.

Die Bürgschaft auf erstes Anfordern ist besonders risikoreich für den Bürgen, da sie eine garantieähnliche Haftung darstellt. Der Bürge hat nur sehr wenige Möglichkeiten, eine Inanspruchnahme seitens des Bürgschaftsgläubigers zu verhindern. Der Sinn und Zweck dieser Bürgschaftsform liegt darin, dem Gläubiger innerhalb kürzester Zeit liquide Mittel zu verschaffen.

Im Vergleich dazu ist die selbstschuldnerische Bürgschaft die üblichere Form in der Praxis. Bei dieser Form der Bürgschaft verzichtet der Bürge auf die Einrede der Vorausklage, was bedeutet, dass der Gläubiger den Bürgen in Anspruch nehmen kann, ohne vorher einen Zwangsvollstreckungsversuch gegen den Hauptschuldner unternommen haben zu müssen.

Es ist zu beachten, dass eine Bürgschaft auf erstes Anfordern grundsätzlich nicht in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) vereinbart werden kann, da sie das Risiko zu Lasten des Bürgen verteilt. Individuelle Vereinbarungen sind jedoch möglich.

Wie wird der Eintritt des Sicherungsfalls bei einer Bürgschaft auf erstes Anfordern festgestellt?

Bei einer Bürgschaft auf erstes Anfordern wird der Eintritt des Sicherungsfalls durch ein formalisiertes Zahlungsverlangen des Gläubigers festgestellt. Dies bedeutet, dass der Gläubiger lediglich behaupten muss, dass der Sicherungsfall eingetreten ist, um den Bürgen zur Zahlung aufzufordern. Eine schlüssige Darlegung des Sicherungsfalls ist dabei nicht erforderlich.

Die materielle Berechtigung, also ob tatsächlich ein Sicherungsfall vorliegt, wird in diesem Kontext nicht geprüft und bleibt für die sofortige Zahlungspflicht des Bürgen unerheblich. Erst im anschließenden Regressprozess, wenn der Bürge versucht, die geleistete Zahlung vom Hauptschuldner zurückzufordern, wird die Rechtsgrundlage für die Bürgschaft und das Bestehen eines Sicherungsfalls geprüft.

Die Bürgschaft auf erstes Anfordern ist somit eine sehr starke Sicherheit für den Gläubiger, da sie ihm ermöglicht, ohne Verzögerung und ohne Prüfung der materiellen Voraussetzungen an liquide Mittel zu gelangen. Der Bürge trägt das Risiko, dass er zahlen muss, auch wenn sich später herausstellen sollte, dass kein Sicherungsfall vorlag.

Was ist unter einem Werkvertrag zu verstehen und wie verhält sich dieser zum Thema Bürgschaft?

Ein Werkvertrag ist ein privatrechtlicher Vertrag, bei dem sich eine Partei (der Unternehmer) verpflichtet, ein bestimmtes Werk gegen Zahlung einer Vergütung (Werklohn) durch die andere Partei (den Besteller) zu erstellen. Der wesentliche Unterschied zu anderen Verträgen, wie dem Dienstvertrag, besteht darin, dass beim Werkvertrag ein bestimmter Erfolg geschuldet ist. Die Vergütung des Werkvertrags wird fällig, sobald das Werk abgenommen wurde. In Deutschland sind Werkverträge in den §§ 631 ff. BGB geregelt.

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Eine Bürgschaft ist ein Vertrag, bei dem sich eine dritte Partei (der Bürge) verpflichtet, für die Verbindlichkeiten des Schuldners (in diesem Fall des Unternehmers) gegenüber dem Gläubiger (dem Besteller) einzustehen. Dieses Verhältnis wird oft in Werkverträgen verwendet, um die Erfüllung des Vertrags zu sichern. Die Bürgschaft ist in der Regel unbefristet und erlischt mit der Rückgabe der Bürgschaftsurkunde.

Im Kontext eines Werkvertrags kann eine Bürgschaft dazu dienen, das Risiko des Bestellers zu minimieren, dass der Unternehmer seine vertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllt. Wenn der Unternehmer seine Pflichten nicht erfüllt, kann der Besteller den Bürgen in Anspruch nehmen, um seine Verluste auszugleichen. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Bürgschaft strengen rechtlichen Anforderungen unterliegt und unwirksam sein kann, wenn sie eine unverhältnismäßige Belastung für den Bürgen darstellt.


Das vorliegende Urteil

Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 4 U 107/21 – Urteil vom 23.06.2022

1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 09.07.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken (1 O 475/19) wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Streithelferin der Beklagten als Berufungsführerin.

3. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil des Landgerichts sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Streithelferin der Beklagten darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin ist Bauträgerin und nimmt die beklagte Bank auf Zahlung aus einer Bürgschaft zur Sicherung von Ansprüchen aus einem mit der Streithelferin der Beklagten geschlossenen Werkvertrag in Anspruch.

Die Klägerin beauftragte die Streithelferin gemäß Auftragsbestätigung xxx vom 04.09.2015 (Anlage K2, Blatt 10-16) mit der Errichtung eines vollautomatischen Parksystems für die Wohnanlage … Straße 15, … mit 11 Stellplätzen zum Preis von 190.000 € netto (Blatt 11) bzw. 226.100 € brutto. Als Zahlungsbedingung war Folgendes vereinbart (Blatt 15):

„100% sofort netto gegen eine Bankbürgschaft in gleicher Höhe von S. GmbH an K.B. GmbH. Die Bankbürgschaft ist befristet bis zur Endabnahme des Gesamtsystems (voraussichtlich 31.05.2016) und wird anschließend von K. B. GmbH an S. GmbH zurückgegeben“.

Als Zahlungsziel ist angegeben: „Sofort netto ohne Abzug“ (Blatt 15).

Die Beklagte verbürgte sich mit Bürgschaftsurkunde vom 08.09.2015 (Anlage K1, Blatt 9) gegenüber der Klägerin bis zu einem Betrag von 226.100 € unter Bezugnahme auf den o.g. Werkvertrag. In der Urkunde heißt es u.a.:

„Nach den Bedingungen dieses Vertrages hat der Auftragnehmer als Sicherheit für die Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen aus dem Vertrag, insbesondere für die vertragsgemäße Ausführung der Leistung einschließlich der Abrechnung, Mängelansprüche und Schadensersatz sowie für die Erstattung von Überzahlungen einschließlich der Zinsen dem Auftraggeber eine Bürgschaft zu stellen. Der Bürge übernimmt hiermit für den Auftragnehmer die selbstschuldnerische Bürgschaft nach deutschem Recht und verpflichtet sich, auf erstes Anfordern, jeden Betrag bis zu einer Gesamthöhe von 226.100 € an den Auftraggeber zu zahlen. Auf die Einreden der Anfechtung, der Aufrechnung sowie der Vorausklage gemäß §§ 770, 771 BGB wird verzichtet. (…). Die Bürgschaft ist befristet bis 31.05.2016, sie erlischt mit der Rückgabe dieser Bürgschaftsurkunde an uns.“

Die Klägerin zahlte am 22.09.2015 an die Streithelferin als Vorauszahlung einen Bruttobetrag von 226.100 € (Anlage A 17, Blatt 195) gemäß deren Rechnung vom 09.09.2015 (Anlage A 16, Blatt 194).

Nachdem der ursprünglich avisierte Termin zur Endabnahme des Gesamtsystems am 31.05.2016 – 6 Wochen nach der vertraglich vereinbarten Fertigstellungsfrist vom 15.04.2016 – mehrfach verschoben werden musste, wurde die Laufzeit der Bürgschaft bis zum 28.02.2017 verlängert (Anlage A3, Blatt 17). Mit Schreiben vom 24.02.2017 (Anlage A4, Blatt 18) teilte die Beklagte der Klägerin mit, die Laufzeit der Bürgschaft werde bis 31.03.2017 verlängert und der Bürgschaftsbetrag auf 50.000 € reduziert. Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 27.02.2017 (Anlage A5, Blatt 19) unter Bezugnahme auf die Bürgschaftsurkunde nebst der Laufzeitverlängerung bis zum 27.02.2017 auf, einen Betrag von 226.100 € umgehend an sie zu überweisen. Weiter heißt es in dem Schreiben:

„Zur Begründung ist anzuführen, dass wir den Werklohn in Höhe von 226.100 € bereits am 22.09.2015 an die Firma S. gezahlt haben, der Einbau des Parksystems erheblich verzögert wurde und das Parksystem noch immer nicht abgenommen werden kann, weil die Firma S. die Vorgaben des bereitgestellten Hubtischs, der deutlich sichtbar auf ein zulässiges Höchstgewicht von 3.500 kg ausgelegt ist, missachtet hat. Falls es nicht bald zu einer abnahmereifen Werkleistung kommt, erwägen wir unter anderem den Vertragsrücktritt.“

Mit Schreiben vom 04.04.2017 (Anlage A6, Blatt 20) erklärte die Klägerin gegenüber der Streithelferin den Rücktritt vom Werkvertrag, da das Parksystem mangelhaft sei und nicht abgenommen werden könne.

Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin forderten die Beklagte mit Schreiben vom 11.05.2017 (Anlage A7, Blatt 21 f.) unter Fristsetzung bis 19.05.2017 zur Zahlung von 226.100 € sowie von Anwaltsgebühren in Höhe von 3.323,55 € auf.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, es handele sich um eine Bürgschaft auf erstes Anfordern, die sie bis zu einer Höhe von 226.100 € geltend machen könne. Sie hat behauptet, Entsprechendes mit der Streithelferin vereinbart zu haben; anderenfalls hätte sie den gesamten Werklohn nicht im Voraus bezahlt. Den Text der Bürgschaftsurkunde habe sie nicht vorgegeben. Die Streithelferin habe ihn vielmehr unmittelbar nach der werkvertraglichen Auftragsbestätigung per Post übersandt.

Die Befristung der Bürgschaft sei nicht im Sinne einer Zeitbürgschaft, also eines Erlöschens der Bürgschaft mit Fristende, zu verstehen, sondern als Bezugnahme auf den voraussichtlichen Endabnahmetermin. Die von der Gegenseite vertretene Auslegung als Zeitbürgschaft führte zu der widersinnigen Konsequenz, dass durch die vertragswidrige Überschreitung der werkvertraglich zugesagten Fertigstellungs- und Abnahmetermins die Bürgschaft erlöschen würde. Ohnehin erschließe sich angesichts der geleisteten Vorauszahlung des kompletten Werklohns nicht der Sinn einer bereits vor Ablauf der werkvertraglichen Abnahme beendeten Erfüllungsbürgschaft. Von der Bürgschaft erfasst seien nicht nur Mängelansprüche, sondern auch Überzahlungen. Eine solche liege jedenfalls in Höhe von 36.100 € vor, da vereinbarungsgemäß lediglich der Nettobetrag als Vorauszahlung geschuldet gewesen sei.

Auf die Streitverkündung seitens der Beklagten (Blatt 85) ist die Streithelferin dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten (Blatt 92).

Die Klägerin hat zunächst im Wege der Teilklage die Zahlung eines Betrags von 40.000 € verlangt. Nachdem die Bauherrin mit Schreiben vom 04.12.2019 (Blatt 115) den mit ihr geschlossenen Werkvertrag gekündigt hatte, hat die Klägerin zuletzt beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 226.100 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.05.2017 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Rechtsanwälte N. und Kollegen 3.323,55 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.5.2017 zu zahlen.

Die Beklagte und die Streithelferin haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, die G.R.G., zu der die Streithelferin gehöre und die in ständiger Geschäftsbeziehung zur Beklagten stehe, habe sie mit Telefax vom 07.09.2015 um Übernahme der Bürgschaft gebeten und ihr hierzu mit dem Hinweis „Wortlaut der Urkunde: Text vom Begünstigten vorgegeben“ den als Anlage B1 (Blatt 101) vorgelegten Text übermittelt. Ob dieser Text tatsächlich von der Klägerin vorgegeben worden sei, könne angesichts der Zeitabläufe nicht mehr geklärt werden, sei aber letztlich unerheblich. In dem Text heißt es u.a.:

„Der Bürge (…), verpflichtet sich, auf erstes Anfordern (optional), jeden Betrag bis zu einer Gesamthöhe von 226.100 € (…) an den Auftraggeber zu zahlen.“

Die Beklagte hat weiter behauptet, sie sei in Unkenntnis der zwischen Klägerin und Streithelferin getroffenen Abreden davon ausgegangen, dass von ihr die Übernahme einer Bürgschaft auf erstes Anfordern gewünscht gewesen sei, und habe daher die Bürgschaftsurkunde entsprechend ausgestellt. Nach der zwischen der Klägerin und der Streithelferin getroffenen Vereinbarung sei jedoch lediglich die Übernahme einer einfachen Bankbürgschaft vorgesehen gewesen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Klägerin handele daher treuwidrig, denn sie nutze eine ihr eingeräumte formale Rechtsposition aus und verlange etwas, was sie im Rückforderungsprozess sofort erstatten müsse.

Die Beklagte hat gemeint, die Laufzeit der Bürgschaft sei wirksam nur bis zum 28.02.2017 verlängert worden, weil die Klägerin das in dem Schreiben der Beklagten vom 24.02.2017 liegende Angebot einer weiteren Verlängerung bis zum 31.03.2017 bei gleichzeitiger Verringerung der Bürgschaftssumme auf 50.000 € mit ihrem Schreiben vom 27.02.2017 ausdrücklich abgelehnt habe.

Die Befristung der Bürgschaft sei in dem Sinne zu verstehen, dass sie dann erlösche, wenn die Beklagte während der Laufzeit der Bürgschaft nicht ordnungsgemäß zur Zahlung aufgefordert worden sei. Das Schreiben der Klägerin vom 27.02.2017 werde diesen Anforderungen jedoch nicht gerecht, weil ihm nicht entnommen werden könne, welcher Zahlungsanspruch der Klägerin gegen die Streithelferin zustehe.

Die Klägerin habe ferner nicht schlüssig dargelegt, dass ihr vor dem 28.02.2017 ein fälliger Zahlungsanspruch in Höhe von 226.100 € gegen die Streithelferin zugestanden hätte. Damit sei ein Anspruch aus einer Bürgschaft auf erstes Anfordern nicht entstanden.

Eine Überzahlung in Höhe von 36.100 € liege deshalb nicht vor, weil die im Werkvertrag vereinbarte Zahlungsbedingung „100% sofort netto gegen eine Bankbürgschaft in gleicher Höhe“ ersichtlich nicht den vereinbarten Nettopreis erfasse, sondern lediglich zum Ausdruck bringe, dass vom Gesamtpreis keine sonstigen Einbehalte, etwa ein Gewährleistungseinbehalt, vorzunehmen sei.

Jedenfalls stehe dem Rückzahlungsbegehren der Klägerin § 814 BGB entgegen, da ein Rücktritt erst im April 2017 erklärt worden und die Vertragsbeziehung sogar anschließend fortgesetzt worden sei. Hinsichtlich eines Anspruchs in Höhe von 36.100 € entsprechend dem Umsatzsteuerbetrag aus ungerechtfertigter Bereicherung hat die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben. In dieser Höhe sei ferner zu keinem Zeitpunkt eine Vermögensmehrung auf Seiten der Streithelferin eingetreten, da nach dem Erhalt der Zahlung ihre Umsatzsteuerschuld gegenüber dem Finanzamt in gleicher Höhe entgegengestanden habe.

Die Streithelferin hat sich den Ausführungen der Beklagten angeschlossen und zugleich bestritten, mit der Klägerin vereinbart zu haben, die Laufzeit der Bürgschaft an die Abnahme zu knüpfen. Der Anspruch auf Rückzahlung des Umsatzsteuerbetrags könne erst dann fällig sein, wenn die der Zahlung zugrundeliegende Rechnung storniert worden sei. Im Übrigen handele es sich bei der vereinbarten Zahlungsklausel „100% sofort netto gegen eine Bankbürgschaft in gleicher Höhe“ um eine sog. Kassa-Zahlungsklausel als Handelsklausel, welche letztlich nur besage, dass bei Bezahlung kein Skontoabzug erlaubt sei; nach zwingendem Steuerrecht müsse der Bruttorechnungsbetrag gezahlt werden. Eine Haftung der Beklagten komme nicht in Betracht, egal ob man die Bürgschaft als Zeitbürgschaft nach § 777 BGB auslege oder im Sinne einer gegenständlich beschränkten Bürgschaft verstehe für Verbindlichkeiten, die während des vertraglich bestimmten Zeitraums entstünden.

Mit dem am 09.07.2021 verkündeten Urteil (Blatt 258) hat das Landgericht Saarbrücken die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, an die Klägerin 226.100 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.05.2017 zu zahlen. Der Senat nimmt gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des Urteils Bezug.

Die Streithelferin der Beklagten hat am 09.08.2021 Berufung eingelegt.

Gemäß Bekanntmachung des Amtsgerichts Saarbrücken (HRB xxx) vom 22.07.2021 ist die S. GmbH,,, mit der xxx GmbH mit Sitz in xxx (HRB xxx) verschmolzen und der Rechtsträger erloschen (Blatt 324).

Die Berufungsführerin rügt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags, das Landgericht habe zu Unrecht eine rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme der Beklagten aus der Bürgschaft verneint. Die Klägerin habe die Bürgschaft auf erstes Anfordern offenkundig ohne rechtlichen Grund erlangt, weil ihr nach den vertraglichen Vereinbarungen nur eine einfache Bürgschaft zugestanden habe. Dieser Einwand könne nicht erst im Rückforderungsprozess geltend gemacht werden, weil die missbräuchliche Ausnutzung der formalen Rechtsstellung offensichtlich, d.h. für jedermann klar erkennbar bzw. liquide beweisbar sei. Die vorliegend relevante Sicherheitenbeschaffungsabrede in der Auftragsbestätigung vom 04.09.2015 (Anlage A1) enthalte nach ihrem eindeutigen Wortlaut gerade keine Verpflichtung zur Beibringung einer Bürgschaft auf erstes Anfordern. Die mit dieser Bürgschaft verbundene Risikoverlagerung betreffend die Bonität des Gläubigers auf den Bürgen führe dazu, dass die Bürgschaft auf erstes Anfordern nur beansprucht werden könne, wenn dies eindeutig im Wege der Individualerklärung vereinbart sei. Von wem der Text der Urkunde gestammt habe, sei vorliegend nicht von Belang. Die Begründungsansätze des Landgerichts, wonach möglicherweise doch eine Bürgschaft auf erstes Anfordern gewollt gewesen sein könnte, seien vom Vortrag der Parteien nicht gedeckt und damit unbeachtlich.

Das Landgericht habe auch die in der Bürgschaftsurkunde enthaltene Befristung rechtlich unzutreffend gewürdigt. Aus dem Schreiben der Klägerin vom 27.02.2017 ergebe sich ausdrücklich, dass eine Entscheidung darüber, ob ein Rücktritt erfolgen solle, noch gar nicht getroffen sei. Zugleich habe die Klägerin die Beklagte ersichtlich wegen einer vermeintlichen Rückabwicklung des Vertrags in Anspruch genommen. Das Verhalten der Klägerin sei damit widersprüchlich. Soweit der Anspruch auf Rückzahlung des Werklohns zu einem späteren Zeitpunkt fällig geworden wäre, wäre die Laufzeit der Bürgschaft dann bereits abgelaufen gewesen. Dieser Umstand liege offen auf der Hand, sodass ein Missbrauch der Bürgschaft ebenfalls offenkundig sei.

Die Berufungsführerin beantragt, das am 09.07.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken (Az. 1 O 475/19) abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt (Blatt 310), die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin meint, die Berufungsführerin sei im Zeitpunkt der Einlegung der Berufung am 09.08.2021 aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Verschmelzung nicht parteifähig gewesen, was gem. §§ 522 Abs. 1, 56 ZPO von Amts wegen zu berücksichtigen sei.

Sie ist der Auffassung, das Landgericht habe im Ergebnis richtig entschieden. Entgegen der Auffassung der Berufungsklägerin schließe die Sicherungsabrede eine – nunmehr unstreitig vorliegende – Bürgschaft auf erstes Anfordern nicht aus; vielmehr sei die Art der Bürgschaft offengeblieben. Daher liege auch kein Rechtsmissbrauch von Seiten der Klägerin vor. Vielmehr sei es die Streithelferin, die treuwidrig handele, nachdem der Text der Bürgschaftsurkunde von ihr selbst stamme, sie aber ihren eigenen Vertragsentwurf nicht gelten lassen wolle.

Soweit das Landgericht zu einer Auslegung des Bürgschaftsvertrags nach § 777 BGB tendiert habe, ohne sich abschließend festzulegen, tritt die Klägerin dem entgegen. Sowohl nach dem Wortlaut als auch nach Sinn und Zweck habe die Bürgschaft bis zur werkvertraglichen Abnahme laufen sollen, wie sich bereits aus den Bedingungen der Auftragsbestätigung ergebe, wonach die Bürgschaft „bis zur Endabnahme des Gesamtsystems (voraussichtlich 31.05.2016)“ befristet sei.

Dahinstehen könne, ob die Klägerin bereits am 28.02.2017 einen fälligen Anspruch gegen die Streithelferin auf Rückzahlung der geleisteten Anzahlung gehabt habe, denn zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung der Klägerin am 04.04.2017 sei die Bürgschaft keineswegs erloschen und ein potentieller Mängelanspruch gem. §§ 634 Nr. 3, 323 BGB in der Erfüllungsphase von der Bürgschaft erfasst gewesen.

Auch wenn nach dem objektiven Erklärungsinhalt der Auftragsbestätigung lediglich eine Vorauszahlung des Nettobetrags in Höhe von 190.000 € geschuldet gewesen sei, seien beide Parteien übereinstimmend davon ausgegangen, dass – aus handelsbräuchlichen oder steuerlichen Gründen – eine Vorauszahlung des Bruttobetrags in Höhe von 226.100 € vereinbart worden sei; folglich habe das Bürgschaftsversprechen den kompletten Betrag erfasst.

Hinsichtlich des Sachverhalts und des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den Hinweisbeschluss des Landgerichts vom 12.03.2021 (Blatt 220), die Sitzungsniederschrift des Landgerichts vom 15.01.2021 (Blatt 172) und des Senats vom 02.06.2022 (Blatt 342) sowie auf das Urteil des Landgerichts vom 09.07.2021 (Blatt 258) Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig.

1.

Sie ist nach den §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Bei der ausschließlich von der Streithelferin der Beklagten eingelegten und geführten Berufung handelt es sich nicht um eine solche der Streithelferin selbst, sondern (nur) um ein Rechtsmittel der Hauptpartei.

a.

Das Rechtsmittel eines – wie hier – einfachen Streithelfers ist stets ein Rechtsmittel für die Hauptpartei, ohne dass er dabei selbst in eine Parteirolle gelangt (BGH, Urteil vom 26.06.2020 – V ZR 106/19 -, juris Rn. 6; Beschluss vom 24.05.2012 – VII ZR 24/11, NJW-RR 2012, 1042 Rn. 6). Hieraus folgt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass ein unselbstständiger Streithelfer nur innerhalb der für die Hauptpartei laufenden Rechtsmittelfrist ein Rechtsmittel einlegen kann. Dies gilt ohne Rücksicht darauf, ob und wann dem Streithelfer selbst das anzufechtende Urteil zugestellt worden ist (BGH, Urteil vom 06.07.2018 – V ZR 39/17, juris Rn. 20). Nach dieser Maßgabe ist die am 09.08.2021 eingegangene Berufung (Blatt 283) gegen das der Beklagten am 09.07.2021 zugestellte Urteil (Blatt 268) fristgerecht erfolgt und binnen der bis zum 07.10.2021 verlängerten Frist (Blatt 293) am 06.10.2021 begründet worden (Blatt 297, 304).

b.

Es liegt insbesondere kein Fall der streitgenössischen Nebenintervention vor. Der streitgenössische Nebenintervenient (§ 69 ZPO) kann selbständig Prozesshandlungen vornehmen, insbesondere Rechtsmittel einlegen. Das Urteil muss ihm zugestellt werden. Erst ab dieser Zustellung läuft die Rechtsmittelfrist (BGH, Beschluss vom 05.06. 2014 – V ZB 160/13, NJW 2014, 3521 Rn. 6). Im Unterschied zu § 66 ZPO setzt die streitgenössische Nebenintervention nicht nur ein Rechtsverhältnis zwischen dem Streithelfer und der unterstützten Partei, sondern zusätzlich ein solches zwischen dem Streithelfer und der Gegenpartei voraus (BGH-Beschluss vom 10.10.1984 – IVb ZB 23/84 -, BGHZ 92, 275, 277). Ein Urteil zwischen dem Gläubiger und dem Bürgen entfaltet jedoch keine Rechtskraftwirkung für oder gegen den Hauptschuldner (BGH, Beschluss vom 23.08.2016 – VIII ZB 96/15 -, MDR 2016, 1280 Rn. 23; Gottwald in MünchKomm/ZPO, 6. Aufl. 2020, § 325 Rn. 86; Vollkommer in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 325 Rn. 6 aE; Grüneberg/Sprau, BGB, 81. Aufl. 2022, § 767 Rn. 4). Insoweit fehlt es an einer den §§ 768 Abs. 1, 1137 Abs. 1 BGB entsprechenden Regelung. Das Urteil des Gläubigers gegen den Bürgen hat zwar Tatbestandswirkung für den Befreiungsanspruch des Bürgen gegen den Hauptschuldner nach § 775 Abs. 1 Nr. 4 BGB, aber keine Rechtskraftwirkung (Gottwald in MünchKomm/ZPO, 6. Aufl. 2020, § 325 Rn. 86 m.w.N.). Damit ist die Streithelferin vorliegend nicht als streitgenössische, sondern als einfache Streithelferin anzusehen und unterliegt den Beschränkungen des § 67 Hs. 2 BGB.

2.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die am 09.08.2021 eingelegte Berufung auch nicht deshalb unzulässig, weil sie noch im Namen der bereits am 22.07.2021 erloschenen S. GmbH eingelegt wurde.

a.

Ausweislich des von der Streithelferin vorgelegten Handelsregisterauszugs des Amtsgerichts Saarbrücken (HRB xxx, Blatt 324) ist die S. GmbH,,, als übertragender Rechtsträger nach Maßgabe des Verschmelzungsvertrags vom 27.01.2021 sowie der Zustimmungsbeschlüsse ihrer Gesellschafterversammlung und der des übernehmenden Rechtsträgers vom gleichen Tag mit der xxx GmbH mit Sitz in xxx (AG Saarbrücken, HRB xxx) verschmolzen und der Rechtsträger erloschen. Die Verschmelzung wurde mit Eintragung im Register des übernehmenden Rechtsträgers am 22.07.2021 wirksam (§ 20 UmwG). Soweit es in der Bekanntmachung „… GmbH“ heißt, bestand in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zwischen den Parteien Einigkeit darüber, dass die richtige Bezeichnung „xxx GmbH“ lautet. Der Senat hat sich zudem durch eine eigene Handelsregisterabfrage davon überzeugt, dass es sich bei der in der Bekanntmachung in Bezug genommenen Handelsregisternummer HRB xxx um die der xxx GmbH mit Sitz in xxx handelt.

b.

Damit ist zwischen der Verkündung des landgerichtlichen Urteils am 09.07.2021 und der Einlegung der Berufung am 09.08.2021 an die Stelle der mit der Verschmelzung am 22.07.2021 erloschenen (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG) S. GmbH die xxx GmbH als übernehmende Rechtsträgerin getreten. Da die erloschene GmbH in dem anhängigen Rechtsstreit durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten war, trat die übernehmende GmbH als Rechtsnachfolgerin gemäß § 246 Abs. 1 ZPO ohne Unterbrechung des Verfahrens (§§ 239, 241 ZPO) kraft Gesetzes in den Prozess ein und wurde in diesem durch den bisherigen Prozessbevollmächtigten der erloschenen GmbH aufgrund des Fortbestandes der von ihr erteilten Prozessvollmacht entsprechend § 86 ZPO ordnungsgemäß vertreten (BGH, Urteil vom 08.02.1993 – II ZR 62/92 -, BGHZ 121, 263-266, juris Rn. 10 f.; Urteil vom 01.12.2003 – II ZR 161/02 -, BGHZ 157, 151-159, juris Rn. 8).

c.

Schließlich ist es als unschädliche und einer Berichtigung nach § 319 ZPO zugängliche Falschbezeichnung anzusehen, dass die Berufungsführerin in ihrer Berufungsschrift das Rechtsmittel noch namens der „S. GmbH“ eingelegt hat. Trotz der Gesamtrechtsnachfolge kann das Verfahren, wenn der Prozessbevollmächtigte nicht dessen Aussetzung beantragt (§ 246 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO), zunächst unter der bisherigen Parteibezeichnung fortgesetzt werden; ein entsprechendes Urteilsrubrum ist gemäß § 319 ZPO zu berichtigen (BGH, Urteil vom 01.12.2003 – II ZR 161/02 -, BGHZ 157, 151-159, juris Rn. 8 m.w.N.). Kann die im Hinblick auf eine Gesamtrechtsnachfolge unzutreffende Bezeichnung einer Partei im Rubrum des angefochtenen Urteils jederzeit als offenbare Unrichtigkeit gemäß § 319 ZPO berichtigt werden, so ist es auch als eine unschädliche Falschbezeichnung anzusehen, wenn eine während des Rechtsstreits mit Wirkung der Gesamtrechtsnachfolge untergegangene Partei – bzw. hier: Streithelferin – noch als Rechtsmittelklägerin in einer Rechtsmittelschrift aufgeführt wird; auch insoweit ist eine jederzeitige Berichtigung möglich (BGH, Urteil vom 19.02.2002 – VI ZR 394/00, NJW 2002, 1430 f., juris Rn. 14).

III.

Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil beruht weder gemäß §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung. Das Landgericht hat die Beklagte mit Recht gem. § 765 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem zwischen der Beklagten und der Streithelferin geschlossenen Bürgschaftsvertrag zur Zahlung von 226.100 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.05.20217 verurteilt.

1.

Die Beklagte hat sich mit Bürgschaftsurkunde vom 08.09.2015 gegenüber der Klägerin zur Zahlung eines Betrags von bis zu 226.100 € auf erstes Anfordern verpflichtet (Anlage K1, Blatt 9). Die Berufungsführerin stellt im Berufungsverfahren hierbei nicht mehr in Abrede, dass es sich um eine Bürgschaft auf erstes Anfordern handelt (vgl. Berufungsbegründung, dort Seite 2, Ziffer C.1, Blatt 298). Die Berufung ist vielmehr allein darauf gestützt, das Zahlungsverlangen der Klägerin sei rechtsmissbräuchlich, insbesondere weil diese nach dem Inhalt der mit der Streithelferin getroffenen Sicherheitenbeschaffungsabrede keinen Anspruch auf Bestellung einer auf erstes Anfordern zu erfüllenden Verpflichtung gehabt habe. Die Berufungsführerin stellt jedoch die Wirksamkeit des Bürgschaftsvertrags für sich genommen nicht in Abrede. Zwar kann die Vereinbarung „Zahlung auf erstes Anfordern” im Allgemeinen sogar ein Indiz für das Vorliegen einer vom Bestand der Hauptschuld unabhängigen Garantie darstellen. Eine solche Klausel muss jedoch nicht dazu führen, das Vorliegen einer von einer Hauptschuld abhängigen Bürgschaft immer auszuschließen, vor allem, wenn – wie vorliegend – die Urkunde klar erkennen lässt, dass der sich Verpflichtende nur bürgen und nicht garantieren wollte (grundlegend BGH, Urteil vom 02.05.1979 – VIII ZR 157/78 -, NJW 1978, 1500, 1501). Der Wille der Beklagten zur Übernahme einer Zahlungspflicht auf erstes Anfordern und damit zur Übernahme des Risikos einer Gläubigerinsolvenz kommt in der vorliegenden Bürgschaftserklärung eindeutig und unmissverständlich zum Ausdruck. Da es sich bei der Beklagten um eine Bank handelt, die aufgrund ihrer gewerblichen Tätigkeit mit dem Rechtsinstitut der Bürgschaft auf erstes Anfordern zweifellos vertraut ist, liegt auch die Annahme einer vorvertraglichen Aufklärungspflicht der Klägerin hinsichtlich der damit für die Beklagte verbundenen Risiken fern (zur Haftungsbeschränkung des Bürgen auf eine gewöhnliche Bürgschaft im Fall der Verletzung einer solchen Nebenpflicht vgl. BGH, Urteil vom 02.04.1998 – IX ZR 79-97, NJW 1998, 2280).

2.

Der Sicherungsfall ist eingetreten.

a.

Bei der Bürgschaft auf erstes Anfordern ist der Bürge verpflichtet, schon auf ein einfaches formalisiertes Verlangen des Gläubigers hin zu leisten. Ihm gegen seine Inanspruchnahme eventuell zustehenden Einwendungen und Einreden kann er zunächst nicht geltend machen, da Sinn und Zweck einer Bürgschaft auf erstes Anfordern darin besteht, dem Gläubiger schnell (und ggf. vorläufig) Liquidität zu verschaffen. Sie bleiben grundsätzlich dem Rückforderungsprozess des Bürgen vorbehalten, soweit dies nicht ausnahmsweise rechtsmissbräuchlich erscheint (BeckOGK/Madaus, 01.04.2022, BGB § 765 Rn. 303). Damit muss der Bürge grundsätzlich die geforderte Summe vorläufig zahlen, ohne Einwendungen gegen Grund und Höhe des Anspruchs aus der Bürgschaft geltend machen zu können. Hierbei sind nicht nur Einwendungen gegen die verbürgte Hauptschuld ausgeschlossen. Auch ein Streit darüber, ob oder unter welchen Voraussetzungen der materielle Anspruch aus der Bürgschaft entsteht, hindert die Verurteilung zur Zahlung nicht, wenn die formalen Voraussetzungen der Pflicht zur sofortigen Zahlung gegeben sind. Nur so kann der Zweck der Bürgschaft auf erstes Anfordern erreicht werden, dem Gläubiger – ähnlich wie durch das früher im internationalen Handelsverkehr übliche „Bardepot“ – sofort liquide Mittel zuzuführen, wenn er den materiellen Bürgschaftsfall für eingetreten hält (BGH, Urteil vom 24.11.1983 – IX ZR 2/83 -, juris Rn. 13 m.w.N.). Deshalb sind alle Einwendungen einer Bank, die sich nicht gegen das Vorliegen der von ihr akzeptierten formalen Voraussetzungen der Zahlungsanforderung richten, in den Rückforderungsprozess verwiesen und können grundsätzlich nur dort geltend gemacht werden. Erst in diesem ist dann über den materiellen Anspruch aus der Bürgschaft zu entscheiden, nämlich darüber, für welche Hauptforderung und bis zu welchem Zeitpunkt sich die Bank oder Sparkasse verbürgt hat und ob, gegebenenfalls in welcher Höhe die verbürgte Hauptforderung entstanden und fällig oder auch getilgt worden ist (BGH, Urteil vom 13.07.1989 – IX ZR 223/88 -, juris Rn. 35). Dabei ist trotz der vertauschten Parteirollen die Darlegungs- und Beweislast so verteilt, wie wenn der Gläubiger den Bürgen in Anspruch nähme (BGH, Urteil vom 10.12.1987 – IX ZR 269/86 -, juris Rn. 14). Danach ist es dem Kreditinstitut, das sich zur vorläufigen Zahlung auf erstes Anfordern bereit erklärt hat, auch zuzumuten, zunächst ohne Prüfung der materiellen Berechtigung des Gläubigers zu leisten (BGH, Urteil vom 24.11.1983 – IX ZR 2/83 -, juris Rn. 13).

b.

Nach dieser Maßgabe stellt eine Bürgschaft auf erstes Anfordern kein Sicherungsmittel eigener Art, sondern lediglich eine besondere Form der Bürgschaft dar, die den Gläubiger bei der Durchsetzung privilegiert. Zwar schließt sie – von Missbrauchsfällen abgesehen – die Einwände des Bürgen zunächst weitgehend aus und verlagert diese in einen Rückforderungsprozess. Die damit typprägende Suspendierung von Gegenrechten des Bürgen hat allerdings nur eine temporäre Wirkung. In der Gesamtschau haftet der Bürge bei einer Bürgschaft auf erstes Anfordern wie bei einer üblichen Bürgschaft, da ihm – zeitlich verschoben auf den Rückforderungsmoment – alle Gegenrechte zukommen. Die aus ihr resultierende Bürgenschuld bleibt folglich akzessorisch mit der Hauptschuld verbunden. Allerdings übernimmt der Bürge mit dieser besonderen Bürgschaft nicht nur das bürgschaftstypische Regressrisiko, also das Insolvenzrisiko des Hauptschuldners, sondern auch das Risiko, im Fall einer materiell unberechtigten Inanspruchnahme mit seinem Rückforderungsanspruch beim Gläubiger auszufallen (BeckOGK/Madaus, 01.04.2022, BGB § 765 Rn. 304f.). In der Vereinbarung einer Bürgschaft auf erstes Anfordern liegt zugleich notwendigerweise der Verzicht des Bürgen auf die Einrede der Vorausklage.

c.

Da der Bürge auf erstes Anfordern auf einfaches Verlangen des Gläubigers hin zur Zahlung verpflichtet ist, tritt der Sicherungsfall also schon durch die vertragskonforme Leistungsanforderung des Gläubigers ein. Hierzu genügt die Behauptung des Gläubigers, der Hauptschuldner komme fälligen Zahlungsverpflichtungen nicht nach (Behauptung des materiellen Bürgschaftsfalls). Einer schlüssigen Darlegung der Hauptforderung durch den Gläubiger bedarf es dabei ebenso wenig (BGH, Urteil vom 05.06.1997 – VII ZR 324/95 -, juris Rn. 22) wie der Klärung von Streitfragen, Einwendungen oder Einreden aus dem Hauptschuldverhältnis. Allerdings muss die Gläubigeranforderung alle formalen Anforderungen an die zu behauptenden und ggf. auch nachzuweisenden Umstände erfüllen, die in der Bürgschaftsurkunde festgelegt und für jeden ersichtlich sind. Ist beispielsweise danach die Vorlage bestimmter Urkunden notwendig, so braucht der Bürge nur bei deren Vorlage zu leisten (BeckOGK/Madaus, 01.04.2022, BGB § 765 Rn. 310).

d.

Hieran gemessen ist die Beklagte zur Leistung aus der Bürgschaft verpflichtet.

(1)

Insbesondere durfte das Landgericht die zwischen den Parteien streitige Frage, ob der Klägerin eine innerhalb der vorliegend vereinbarten zeitlichen Befristung der Bürgschaft fällig gewordene Hauptforderung zustand, offenlassen. Zwar muss auch bei einer Bürgschaft auf erstes Anfordern, die als Bürgschaft auf Zeit im Sinne des § 777 BGB ausgestaltet ist, die Fälligkeit der Hauptschuld innerhalb der Bürgschaftszeit eingetreten sein. Der Anspruch aus einer solchen Bürgschaft auf erstes Anfordern entsteht folglich mit Fälligkeit der gesicherten Forderung (BGH, Urteil vom 08.07.2008 – XI ZR 230/07 -, juris Rn. 22). Vorliegend streiten die Parteien jedoch um die Auslegung der Vereinbarung „Die Bürgschaft ist befristet bis 31.05.2016, sie erlischt mit der Rückgabe dieser Bürgschaftsurkunde an uns“, insbesondere darüber, ob die Bürgschaft (zeitlich unbeschränkt) Hauptforderungen besichert, die bis zum 31.05.2016 respektive der Verlängerungen bis zum 28.02.2017 oder sogar bis zum 31.03.2017 entstanden sind, so dass mit der Zeitangabe der Umfang der Hauptschuld bestimmt werden sollen, oder ob eine Zeitbürgschaft im Sinne des § 777 BGB vorliegt mit der Folge, dass dem Gläubiger das Bürgenvermögen nur zeitlich beschränkt zur Verfügung steht. Diese Frage betrifft den Eintritt des materiellen, nicht des formalen Bürgschaftsfalls. Es handelt sich auch nicht um einen zu behauptenden und ggf. auch nachzuweisenden Umstand, der in der Bürgschaftsurkunde festgelegt und für jeden ersichtlich ist, sondern um die – nach den obigen Grundsätzen für die Inanspruchnahme des Bürgen nicht erforderliche – schlüssige Darlegung der Hauptforderung durch den Gläubiger und die Auslegung des Bürgschaftsvertrags. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führt der besondere Zweck einer Zahlungspflicht auf erstes Anfordern dazu, nicht nur Einwendungen, die die Begründetheit der Hauptschuld betreffen, sondern darüber hinaus auch „Streitigkeiten um Einzelpunkte der Bürgschaftsverpflichtung, etwa die Fragen, ob oder bis wann die Bürgschaft zeitlich begrenzt ist oder ob die Voraussetzungen der Einstandspflicht nachträglich entfallen sind“, ebenfalls grundsätzlich in den Rückforderungsprozess zu verweisen (so wörtlich BGH, Urteil vom 10.02.2000 – IX ZR 397/98 -, BGHZ 143, 381 (383 f.), juris Rn. 17 m.w.N.; BeckOGK/Madaus, 01.04.2022, BGB § 765 Rn. 312).

(2)

Damit steht, wie das Landgericht mit zutreffenden Erwägungen angenommen hat (Ziffer I.A) 2c der Entscheidungsgründe), einer Inanspruchnahme der Beklagten auch nicht entgegen, dass die Klägerin unstreitig in diesem Zeitpunkt noch nicht den Rücktritt vom Werkvertrag erklärt hatte, sondern sich einen solchen gegenüber der Streithelferin lediglich vorbehalten hatte. Sämtliche zwischen den Parteien in diesem Zusammenhang streitigen Aspekte betreffen die Frage, ob eine Zeitbürgschaft vorliegt, sowie weitere Einwendungen, die die Hauptschuld betreffen; sie sind somit erst im Rückforderungsprozess zu klären. Sie begründen auch, wie noch auszuführen ist, nicht den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB), mit der sich der Bürge ausnahmsweise bereits im Erstprozess verteidigen kann. Gleichermaßen bedarf es im vorliegenden Rechtsstreit keiner Entscheidung, ob durch die Bürgschaft lediglich Gewährleistungsansprüche der Klägerin gesichert waren, ob und welche zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Beklagten bereits bestanden, oder ob auch ein bereicherungsrechtlicher Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung des vorab geleisteten Werklohns in Höhe von 226.100 € bestand.

(3)

Es bedurfte vielmehr lediglich einer vertragskonformen Leistungsanforderung der Klägerin, die mit dem Schreiben an die Beklagte vom 27.02.2017 gegeben ist. Aus ihm geht hinreichend deutlich hervor, dass die Beklagte deshalb als Bürgin in Anspruch genommen wird, weil die Streithelferin das Parksystem trotz des vertraglich vereinbarten Fertigstellungstermins am 15.04.2016 immer noch nicht abnahmereif erstellt hat, die Klägerin jedoch bereits den gesamten vereinbarten Werklohn in Höhe von 226.100 € vorab gezahlt hat. Mit Blick auf die weite Zweckerklärung der Bürgschaft („als Sicherheit für die Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen aus dem Vertrag (…) sowie für die Erstattung von Überzahlungen einschließlich der Zinsen“) hat die Klägerin damit den Eintritt des materiellen Bürgschaftsfalls für die Beklagte nachvollziehbar behauptet. Weitere Angaben in dem Schreiben waren entgegen der Auffassung der Berufungsklägerin zum formellen Eintritt des Sicherungsfalls nicht erforderlich.

e.

Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, der Klägerin stehe nach der mit der Streithelferin getroffenen Sicherungsabrede lediglich ein Anspruch auf Stellung einer gewöhnlichen selbstschuldnerischen Bürgschaft zu.

(1)

Der Einwand, im Verhältnis zwischen Gläubiger und Hauptschuldner gebe es keine Rechtsgrundlage für eine solche Sicherheit, betrifft die materielle Begründetheit der Anforderung. Einwände in dieser Hinsicht kann der aus einer Bürgschaft auf erstes Anfordern Verpflichtete nach ständiger Rechtsprechung im Erstprozess nur geltend machen, wenn der Gläubiger eine formale Rechtsstellung offensichtlich missbraucht (§ 242 BGB). Es muss mit anderen Worten auf der Hand liegen oder mindestens liquide beweisbar sein, dass trotz Vorliegens der formellen Voraussetzungen der materielle Bürgschaftsfall nicht eingetreten ist. Alle Streitfragen, deren Beantwortung sich nicht ohne weiteres ergibt, sind im Rückforderungsprozess auszutragen (BGH, Urteil vom 10.02.2000 – IX ZR 397/98 -, BGHZ 143, 381 (383 f.), juris Rn. 16 m.w.N.).

(2)

Eine solche offensichtliche materielle Unbegründetheit der Anforderung liegt indes nicht vor. Zwar haben die Klägerin und die Streithelferin in dem Werkvertrag vom 04.09.2015 (Anlage A2, Blatt 10) lediglich die Stellung einer nicht näher bezeichneten Bankbürgschaft im Zusammenhang mit der sofort fälligen Zahlung des kompletten Werklohns vor Erbringung der Arbeiten der Streithelferin vereinbart. Die Parteien haben im erstinstanzlichen Verfahren darüber gestritten, wie die Bürgschaft zustande gekommen ist und ob der Text von der Klägerin vorgegeben wurde. Die Klägerin hat vorgetragen, Entsprechendes mit der Streithelferin vereinbart zu haben; anderenfalls hätte sie den gesamten Werklohn nicht im Voraus bezahlt. Den Text der Bürgschaftsurkunde habe sie nicht vorgegeben, sondern dieser sei ihr unmittelbar nach der werkvertraglichen Auftragsbestätigung per Post von der Streithelferin übersandt worden.

Die Beklagte hat demgegenüber zwar behauptet, der Entwurf der Bürgschaftsurkunde sei von der Streithelferin am 07.09.2015 mit Fax übermittelt worden nebst einem Anschreiben „Wortlaut der Urkunde: Text vom Begünstigten vorgegeben“. Ein solches Anschreiben ist jedoch nicht zur Akte gereicht worden. Die Beklagte hat als Anlage B1 (Blatt 101) einen Text zur Akte gereicht, der nach ihrer Behauptung von der Klägerin vorgegeben worden und ihr, der Beklagten, von der Streithelferin mit der Bitte um Übernahme übermittelt worden sei. In diesem Text befindet sich ein Klammerzusatz „auf erstes Anfordern (optional)“, der in der streitgegenständlichen Bürgschaftsurkunde nicht mehr enthalten ist. Selbst wenn dieser Text von der Klägerin gestellt worden wäre, hätte sie damit für die Beklagte ersichtlich zum Ausdruck gebracht, dass die Ausgestaltung der Bürgschaft als eine solche auf erstes Anfordern nach der mit der Streithelferin getroffenen Vereinbarung lediglich eine Option dargestellt hätte. Wenn die in Bankgeschäften erfahrene Beklagte in dieser Situation eine Bürgschaft auf erstes Anfordern abgibt, kann die Klägerin sie hieraus auch in Anspruch nehmen.

Dass die Beklagte der Klägerin nicht entgegenhalten kann, deren Werkvertrag mit der Nebenintervenientin sehe nur die Stellung einer gewöhnlichen Bürgschaft vor, folgt schon aus Gründen, die das Strukturprinzip der Bürgschaft im Allgemeinen, insbesondere ihr Verhältnis zur Hauptschuld, betreffen (zum Folgenden: BGH, Urteil vom 10.02.2000 – IX ZR 397/98 – BGHZ 143, 381). Der Rechtsgrund des Bürgschaftsvertrags ist nicht notwendigerweise davon abhängig, dass die Parteien des Hauptvertrags eine Sicherungsabrede getroffen haben und/oder der Hauptschuldner dem Bürgen einen entsprechenden Auftrag erteilt hat. Die Bürgschaft kann auch ohne Wissen und gegen den Willen des Hauptschuldners übernommen werden. In diesem Fall ist es für die Bürgschaftsverpflichtung gleichgültig, ob eine Sicherungsabrede zwischen Hauptschuldner und Gläubiger besteht und welchen Inhalt sie hat. Geht der Bürge bei Stellen der Bürgschaft gezielt über den Inhalt der Absprachen des Hauptschuldners mit dem Gläubiger hinaus, so ist er insoweit eine eigenständige Verpflichtung eingegangen, die allein im Bürgschaftsvertrag ihren Rechtsgrund findet. Im Streitfall wäre die beklagte Bank unter der Prämisse, dass nach der Sicherungsabrede zwischen der Klägerin und der Nebenintervenientin lediglich das Stellen einer gewöhnlichen Bürgschaft geschuldet war, bewusst über den Inhalt der Sicherungsabrede hinausgegangen. Aus dem gemäß Anlage B 1 vorgegebenen Bürgschaftstext war für die Beklagte ohne weiteres ersichtlich, dass eine Bürgschaft auf erstes Anfordern nicht (zwingend) verlangt wurde. Nachdem sie in diesem Punkt bewusst über die Sicherungsabrede hinausging, kann sie von der Klägerin nun nicht verlangen, diese zusätzliche Sicherung zurück zu gewähren oder deren Realisierung zu unterlassen (vgl. BGH, a.a.O., juris Rn. 22; siehe auch Rn. 23-27 zu den Auswirkungen auf Aufwendungsersatzansprüche der Bank gegen die Nebenintervenientin als ihre Auftraggeberin).

3.

Da sich die Klageforderung in der Hauptsache bereits in vollem Umfang aus § 765 BGB in Verbindung mit dem streitgegenständlichen Bürgschaftsvertrag ergibt, kann offenbleiben, ob der Klägerin in Höhe eines Teilbetrags von 36.100 € unter dem Gesichtspunkt der anfänglichen Überzahlung des Werklohns darüber hinaus ein bereicherungsrechtlicher Anspruch (§ 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB) zusteht. Gleiches gilt für den in diesem Zusammenhang bestehenden Streit der Parteien darüber, ob die Klausel in den Zahlungsbedingungen der Auftragsbestätigung „100% sofort netto gegen eine Bankbürgschaft in gleicher Höhe“ im Sinne einer Zahlung ohne Mehrwertsteuer zu verstehen ist oder einer solchen ohne weiteren Abzüge, wovon das Landgericht ausgegangen ist (Ziffer I.A) 4. der Entscheidungsgründe).

4.

Die Zinsforderung beruht auf den §§ 286, 288 Abs. 1 BGB. Die Beklagte befand sich nach Ablauf der ihr in dem anwaltlichen Schreiben vom 11.05.2017 (Anlage A7, Blatt 21) bis zum 19.05.2017 gesetzten Zahlungsfrist ab dem 20.05.2017 in Verzug.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Kostenlast trifft (allein) den Nebenintervenienten, sofern dieser selbst Rechtsmittel einlegt oder sich gegen ein solches verteidigt, die unterstützte Partei sich jedoch weder am einen noch am anderen beteiligt (MüKoZPO/Schulz, 6. Aufl. 2020, ZPO § 97 Rn. 7). Dies gilt auch dann, wenn – wie vorliegend – die Hauptpartei der Einlegung des Rechtsmittels nicht widersprochen hat. Denn, wenn auch das vom Nebenintervenienten eingelegte Rechtsmittel nach den Grundsätzen der §§ 66, 67 ZPO als für die unterstützte Hauptpartei eingelegt gilt, kann es der Streithelfer nicht in der Hand haben, die von ihm unterstützte Hauptpartei wider deren Willen mit Kosten zu belasten und seine eigene Rechtsmittelbefugnis unter dem Kostenrisiko der Hauptpartei auszuüben (BGH, Urteil vom 14.12.1967 – II ZR 30/67 – NJW 1968, 743, 746; NJW 1956, 1154).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

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