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Corona-Pandemie – Einhaltung eines Mindestabstands in Gaststätten

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof – Az.: 20 NE 20.1580 – Beschluss vom 16.07.2020

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Wert des Verfahrensgegenstands wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1. Die Antragstellerin begehrt mit ihrem Eilantrag gem. § 47 Abs. 6 VwGO, § 13 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 der Sechsten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 19. Juni 2020 (vgl. 2126-1-10-G, BayMBl. 2020 Nr. 348, im Folgenden: 6. BayIfSMV), geändert durch Verordnungen vom 24. Juni 2020, 30. Juni 2020, 7. Juli 2020 und 14. Juli 2020 (vgl. BayMBl. 2020 Nrn. 362, 374, 387 u. 403, im Folgenden jeweils: Änderungsverordnung v. 24.6.2020, v. 30.6.2020, v. 7.7.2020 u. v. 14.7.2020), einstweilen außer Vollzug zu setzen, soweit darin ein Mindestabstand von 1,5 m zwischen Gästen geregelt wird, die nicht zu dem in § 2 Abs. 1 der 6. BayIfSMV bezeichneten Personenkreis gehören.

2. § 13 der 6. BayIfSMV lautet in der derzeit gültigen Fassung:

㤠13 Gastronomie

(1) Gastronomiebetriebe jeder Art sind vorbehaltlich der folgenden Absätze untersagt.

(2) Zulässig sind die Abgabe und Lieferung von mitnahmefähigen Speisen und Getränken.

(3) Zulässig ist der Betrieb von nicht öffentlich zugänglichen Betriebs- und Schulkantinen, wenn gewährleistet ist, dass zwischen den Gästen ein Mindestabstand von 1,5 m eingehalten wird. Der Betreiber hat ein Schutz- und Hygienekonzept auszuarbeiten und auf Verlangen der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde vorzulegen.

(4) Zulässig ist die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle im Freien, insbesondere in Wirts- oder Biergärten und auf Freischankflächen, wenn gewährleistet ist, dass zwischen allen Gästen, die nicht zu dem in § 2 Abs. 1 bezeichneten Personenkreis gehören, entweder ein Mindestabstand von 1,5 m eingehalten wird oder geeignete Trennvorrichtungen vorhanden sind. Für das Personal im Servicebereich oder in Bereichen, in denen ein Mindestabstand von 1,5 m nicht eingehalten werden kann, sowie für die Gäste, solange sie sich nicht an ihrem Platz befinden, gilt Maskenpflicht. Der Betreiber hat ein Schutz- und Hygienekonzept auf der Grundlage eines von den Staatsministerien für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie und für Gesundheit und Pflege bekannt gemachten Rahmenkonzepts für die Gastronomie auszuarbeiten und auf Verlangen der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde vorzulegen.

(5) Zulässig ist die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle durch Speisewirtschaften nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 des Gaststättengesetzes, soweit der Verzehr nicht im Freien erfolgt, wenn gewährleistet ist, dass zwischen allen Gästen, die nicht zu dem in § 2 Abs. 1 bezeichneten Personenkreis gehören, ein Mindestabstand von 1,5 m eingehalten wird oder geeignete Trennvorrichtungen vorhanden sind. Abs. 4 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(6) Für Musikbegleitung und ähnliche begleitende künstlerische Darbietungen im Rahmen von Gastronomiebetrieben gilt § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 4 und 5 sowie Abs. 2 Satz 2 entsprechend.“

Die Norm wird gemäß § 24 der 6. BayIfSMV (i.d.F.d. Änderungsverordnung v. 14.7.2020) mit Ablauf des 2. August 2020 außer Kraft treten.

3. Die Antragstellerin, die nach eigenem Vorbringen acht Restaurants betreibt, daneben im Eventmarketing tätig ist, 200 Personen beschäftigt und ihrem Internetaufritt zufolge Gastronomieconsulting anbietet, beantragt mit Schriftsatz vom 9. Juli 2020, dass durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO die Regelungen in § 13 Abs. 4 Satz 1 sowie Abs. 5 Satz 1 der 6. BayIfSMV über einen Mindestabstand von 1,5 m zwischen Gästen, die nicht § 2 Abs. 1 der 6. BayIfSMV unterliegen, einstweilen außer Vollzug gesetzt werden.

Corona-Pandemie - Einhaltung eines Mindestabstands in Gaststätten
Symbolfoto: Von kandl stock/Shutterstock.com

Zur Begründung rügt sie – insbesondere unter Verweis auf die vorangegangenen Beschlüsse des Senats vom 27. April 2020 und vom 19. Juni 2020 (vgl. BayVGH, B.v. 27.4.2020 – 20 NE 20.793 – u. B.v. 19.6.2020 – 20 NE 20.1127 – beide juris) eine Verletzung ihrer Berufsausübungsfreiheit gem. Art. 12 GG sowie des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG. Die Antragstellerin habe im März 2020 in Bezug auf sämtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Kurzarbeitergeld beantragen müssen. Erst seit dem 18. Mai 2020 sei der Außenbereich und seit dem 25. Mai 2020 auch der Innenbereich der Restaurants geöffnet. Die Antragstellerin sei finanziell schwer getroffen. Die Wiedereröffnung der Restaurants sei aufgrund der zahlreichen für die Gastronomie geltenden Regelungen nur schleppend verlaufen, da zahlreiche Gäste immer noch ausblieben. Außerdem sei der Tourismus, insbesondere der Tourismus aus dem Ausland, zum Erliegen gekommen. Die Regelungen zum Mindestabstand führten dazu, dass Restaurantbetreiber nur einen geringen Teil ihrer Plätze an Gäste vergeben könnten. Auf diese Weise könnten Gastronomen ihre Betriebe nur unrentabel führen, da Unkosten wie Miete und Mitarbeiterkosten unverändert hoch seien. Der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit sei unverhältnismäßig und damit nicht von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt. Zwar sei der Mindestabstand möglicherweise geeignet, das Infektionsgeschehen einzudämmen, er sei mit Blick auf die Fallzahlen am 18. Mai 2020, am 25. Mai 2020 und auch aktuell (unter Berücksichtigung der im Krankenhaus befindlichen Personen, der beatmeten Personen und der Verfügbarkeit von Intensivbetten in Bayern, im Bundesgebiet und im Vergleich zu anderen Ländern) aber nicht erforderlich. Es habe auch keinen Anstieg von COVID-19 Erkrankungen infolge von Großdemonstrationen gegeben. Die Ausbreitung der Infektion sei bei Abschaffung von Abstandsregelungen nicht nachweisbar, wie die „Black-Lives-Matter“-Demonstrationen am 6. Juni 2020 in München und in anderen Städten belegten. Das in der Antragsschrift abgebildete Pressefoto von der Demonstration am Königsplatz verdeutliche, dass die Demonstranten keinerlei Abstand eingehalten hätten. Dem Infektionsschutz werde genügend dadurch Rechnung getragen, dass das Service-Personal im Innen- und Außenbereich der Restaurants weiterhin – anders als in Österreich und Baden-Württemberg – zum Tragen einer Maske verpflichtet bleibe. Es gebe letztlich keinerlei belastbare Anhaltspunkte dafür, dass bei Unterschreitung des Mindestabstandes von 1,5 m ein erhöhtes Infektionsrisiko bestehe. Laut einer Studie steige das Infektionsrisiko nur minimal, wenn man anstatt eines Abstandes von 2 m nur einen Abstand von 1 m Abstand halte. Letztlich gebe es über die Auswirkungen des Abstandes keinerlei belastbare Studien. So betrage in Dänemark der Mindestabstand nur 1 m. Der Mindestabstand von 1,5 m sei willkürlich festgelegt. Wegen der vorangegangenen Lockerungen in vergleichbaren Lebensbereichen und Geschäftsbranchen sei der Gleichheitssatz verletzt. So würden Passagieren in Flugzeugen während der Flüge zwar Speisen und Getränke gereicht, aber aus wirtschaftlichen Gründen gelte zwischen diesen kein Mindestabstand. Eine Ungleichbehandlung liege erst Recht darin, dass seit dem 8. Juli 2020 Feiern, insbesondere Hochzeiten und Geburtstage, mit bis zu 100 Personen in geschlossenen Räumen und mit bis zu 200 Personen im Freien erlaubt seien, ohne dass eine Maskenpflicht oder ein Mindestabstand gelten würde. Eine derartige Privilegierung von Feiern im Vergleich zum Alltagsgeschäft der Gastronomiebranche sei sachlich nicht gerechtfertigt, zumal – anders als in der Alltagsgastronomie – bei Feiern Personen aus den unterschiedlichsten Städten und Ländern zusammenkämen und sich dazu auch physisch näherkämen als im Restaurant.

4. Der Antragsgegner tritt dem Eilantrag entgegen. Zwar seien mit Blick auf die Berufsausübungsfreiheit Einkommensverluste der Antragstellerin plausibel. Finanzielle Folgen könnten indes durch die Inanspruchnahme finanzieller Hilfen abgemildert werden. Die Antragstellerin habe für sämtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Kurzarbeitergeld beantragt. Bei dem Aufeinandertreffen vieler und einander unbekannter Personen auf engem Raum sei vermehrt mit neuen Infektionsketten zu rechnen, wobei auf die Beispiele aus der Gastronomie zu verweisen sei, bei denen es zu super-spreading-events gekommen sei. Auch ein Gleichheitsverstoß liege nicht vor. Soweit die Antragstellerin einen Vergleich zum Flugverkehr heranziehe, sei der Antragsteller nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG nicht zuständig. Im Übrigen liege der Grund für die Differenzierung in der speziell gefilterten Kabinenluft in Flugzeugen, die zudem nach unten abgeleitet würde. Soweit die Antragstellerin sich auf geschlossene Veranstaltungen i.S.v. § 5 Abs. 2 Satz 1 der 6. BayIfSMV beziehe, seien diese aufgrund ihres besonderen Zwecks privilegiert. Für derartige Veranstaltungen in gastronomischen Betrieben gelte ebenfalls § 13 der 6. BayIfSMV. Des Weiteren sei für derartige Veranstaltungen die Teilnehmerzahl – abgesehen von in eben jenen Betrieben stattfindenden Veranstaltungen – begrenzt. Der Mindestabstand diene vor allem auch dem Schutz des Service-Personals in der Gastronomie, das mit einer Vielzahl von Gästen in Berührung komme und mit beladenem Tablett an diesen und den Tischen vorbeilavieren müsse. Die Zahl der akut erkrankten Personen sei wieder gestiegen. Die Reproduktionszahl R liege in Bayern derzeit bei 1,01. Mit dem Verweis auf Großdemonstrationen habe die Antragstellerin die Relevanz des Mindestabstandes nicht widerlegt, da die Demonstranten sich an der frischen Luft aufgehalten, ein großer Teil Masken getragen und die meisten Demonstranten wahrscheinlich nicht zu Risikogruppen gehört hätten. Die Maskenpflicht für das Service-Personal könne nur eine Ergänzung sein, stelle aber selbst eine Belastung dar und sei auch nicht unumstritten. Die Folgenabwägung gehe aufgrund der vermehrten Infektionsketten im Fall der Außervollzugsetzung zu Lasten der Antragstellerin aus.

5. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

1. Der zulässige Eilantrag ist unbegründet.

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO, wonach das Normenkontrollgericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist, liegen nicht vor.

a) Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14 u.a.- juris Rn. 12; OVG NW, B.v. 25.4.2019 – 4 B 480/19.NE – juris Rn. 9). Dabei erlangen die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Eilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann. Das muss insbesondere dann gelten, wenn – wie hier – die in der Hauptsache angegriffene Norm in quantitativer und qualitativer Hinsicht erhebliche Grundrechtseingriffe enthält oder begründet, sodass sich das Normenkontrollverfahren (ausnahmsweise) als zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG geboten erweisen dürfte.

Ergibt demnach die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten nicht absehen, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber später Erfolg hätte, und die Folgen, die entstünden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber später erfolglos bliebe. Die für eine einstweilige Außervollzugsetzung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, also so schwer wiegen, dass sie – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache – dringend geboten ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14 u.a. – juris Rn. 12).

b) Nach diesen Maßstäben geht der Senat davon aus, dass der Normenkontrollantrag sich in der Hauptsache voraussichtlich als unbegründet erweisen wird. Die gebotene, aber auch ausreichende summarische Prüfung ergibt, dass gegen die angegriffene Norm keine durchgreifenden Bedenken bestehen.

aa) § 13 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 der 6. BayIfSMV, welche den Betrieb von Speisewirtschaften modifizieren, sind insbesondere von der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage des § 32 Satz 1 IfSG i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG gedeckt. Der Gesetzgeber hat § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG als Generalklausel ausgestaltet, da sich die Bandbreite der Schutzmaßnahmen, die bei Auftreten einer übertragbaren Krankheit in Frage kommen können, nicht im Vorfeld bestimmen lässt (vgl. BayVGH, B.v. 19.6.2020 – 20 NE 20.1127 – juris Rn. 35 ff. m.w.N.; ebenso bereits BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 3 C 16/11 – juris Rn. 24 u. zu § 34 BSeuchenG a.F.: BT-Drs. 8/2468, S. 28).

bb) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG i.V.m. § 32 Satz 1 IfSG für die mit § 13 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 der 6. BayIfSMV angeordneten Schutzmaßnahmen liegen angesichts der aktuellen Pandemielage weiterhin vor.

Das pandemische Geschehen dauert weiter an. Das Robert-Koch-Institut, dem der Gesetzgeber im Bereich des Infektionsschutzes mit § 4 IfSG besonderes Gewicht eingeräumt hat (vgl. BVerfG, B.v. 10.4.2020 – 1 BvQ 28/20 – juris Rn. 13; BayVerfGH, E.v. 26.3.2020 – Vf. 6-VII-20 – juris Rn. 16), schätzt in der erneut überarbeiteten Risikobewertung vom 2. Juli 2020 die Lage in Deutschland auch gegenwärtig als sehr dynamisch und ernstzunehmend und die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung weiterhin insgesamt (auf einer Skala von “gering“, „mäßig“, „hoch“ bis „sehr hoch“) als hoch, für Risikogruppen als sehr hoch ein (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html; vgl. auch den Situations-bericht v. 14.7.2020, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/2020-07-14-de.pdf?__blob=publicationFile). Angesichts des zu befürchtenden exponentiellen Verlaufs des Infektionsgeschehens, einer Vielzahl klinischer Verläufe mit Todesfolge oder schwerwiegenden Gesundheitsschäden und der Tatsache, dass nach wie vor weder ein Impfstoff noch eine spezifische Therapie zur Verfügung stehen, ist die Risikobewertung für die Gesundheit der Bevölkerung als hoch bzw. als sehr hoch jedenfalls nicht offensichtlich unplausibel (vgl. jüngst BayVerfGH, E.v. 3.7.2020 – Vf. 34-VII-20 – Rn. 17, abrufbar unter: https://www.bayern.verfassungsgerichtshof.de/media/images/bayverfgh/34-vii-20_e._a._-_4.ent-scheidung.pdf).

cc) § 13 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 der 6. BayIfSMV hält gegenwärtig die sich aus der Beschränkung in § 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IfSG i.V.m. § 32 Satz 1 IfSG auf „notwendige Schutzmaßnahmen“ sowie aus dem Gebot der Verhältnismäßigkeit in inhaltlicher Hinsicht („soweit“) und zeitlicher Hinsicht („solange“) ergebenden strengen Grenzen ein.

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(1) Dies gilt insbesondere in Bezug auf die geltend gemachte Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG.

(a) Der Verordnungsgeber verfolgt mit § 13 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 der 6. BayIfSMV das – mit Blick auf die Berufsausübungsfreiheit – legitime Ziel weiter, die Bevölkerung vor der Infektion mit dem – über die beim Atmen, Husten, Sprechen und Niesen entstehenden Flüssigkeitspartikel (Tröpfchen und Aerosole) übertragbaren (vgl. RKI, SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), Stand: 26.6.2020, 1. Übertragungswege, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Con-tent/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html;jsessionid=D66C318969629FE27B7E031ABE3A7B6C.internet082#doc13776792bodyText1) – SARS-CoV-2-Virus zu schützen, die Verbreitung der Krankheit COVID-19 zu verhindern und eine Überlastung des Gesundheitssystems infolge eines exponentiellen Anstiegs von Ansteckungen und Krankheitsfällen zu vermeiden. Trotz des inzwischen verlangsamten Infektionsgeschehens darf der Verordnungsgeber weiterhin davon ausgehen, dass die Corona-Pandemie aufgrund der dynamischen Situation nach wie vor eine ernstzunehmende Gefahrensituation begründet (s.o.), die staatliches Einschreiten nicht nur rechtfertigt, sondern mit Blick auf die Schutzpflicht des Staates für Leben und Gesundheit der Bevölkerung aus Art. 2 Abs. 2 GG gebietet (vgl. BVerfG, B.v. 13.5.2020 – 1 BvR 1021/20 – juris Rn. 8). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Zahl der diagnostizierten Infektionen und Erkrankungen zuletzt wieder etwas angestiegen ist (vgl. LGL, Entwicklung seit der letzten Aktualisierung, Stand: 14.7.2020, https://www.lgl.bay-ern.de/gesundheit/infektionsschutz/infektionskrankheiten_a_z/coronavirus/karte_coronavirus/index.htm#entwicklung).

(b) Der in § 13 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 der 6. BayIfSMV geregelte Mindestabstand, der bei Betreibern von Speisewirtschaften wie der Antragstellerin mit begrenzten räumlichen Kapazitäten zu einer Reduzierung der Gäste und damit Einbußen von Einnahmen führt, ist geeignet, das Infektionsrisiko in der Gastronomie einzudämmen. Nach der Einschätzung des Robert-Koch-Instituts kann das Einhalten eines Abstands von mindestens 1,5 m die Exposition gegenüber Tröpfchen sowie in gewissem Umfang auch Aerosolen verringert werden (vgl. RKI, Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Coronavirus SARS-CoV-2/Krankheit COVID-19, Infektionsschutzmaßnahmen <Stand: 3.7.2020>, https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/FAQ_Liste_Infektionsschutz.html). Der Mindestabstand reduziert den physischen Kontakt und das damit einhergehende Infektionsrisiko der Gäste und des Service-Personals. Dies hat auch die Antragstellerin, die sich zu dem Übertragungsweg nicht geäußert hat, nicht substantiiert angezweifelt. Zwar hat sie einerseits die Geeignetheit der Norm insoweit ausdrücklich offengelassen, sich dann aber auf die „Black-Lives-Matter“-Demonstrationen bezogen. Spekulatives Vorbringen, wie die Momentaufnahme eines Einzelereignisses, legt zwar Schwierigkeiten bei der Durchsetzung des Mindestabstandes im Vollzug nahe, ist indes angesichts der Vielgestaltigkeit der einschlägigen Faktoren kein Beweis für die negative Kausalität des Mindestabstandes und vermag nicht in Frage zu stellen, dass dieser die Erreichung des legitimen Zwecks fördert.

(c) Der Verordnungsgeber darf den in § 13. Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 der 6. BayIfSMV geregelten Mindestabstand gegenwärtig voraussichtlich auch für erforderlich halten.

Die Einschätzung des Verordnungsgebers, dass ein regulärer Betrieb von Speisegaststätten wie derjenigen der Antragstellerin ein Infektionsrisiko begründet, ist nachvollziehbar. Denn der reguläre Betrieb von Speisegaststätten bedeutet in der Praxis, dass das Servicepersonal und eine Vielzahl von Gästen für eine erhebliche Verweildauer in geschlossenen Räumen zusammentreffen. Dies birgt bei einer Betrachtung anhand des gegenwärtigen Stands der Wissenschaft generell das Risiko einer Übertragung über die genannten Flüssigkeitspartikel (s.o.). Nach Auffassung des Robert-Koch-Instituts ist der genannte Mindestabstand – neben der Händehygiene und der Selbstisolierung im Krankheitsfall – die wichtigste und effektivste Maßnahme (vgl. RKI, Infektionsschutzmaßnahmen <Stand: 3.7.2020>, https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/FAQ_Liste_Infektionsschutz.html).

Diese plausible Einschätzung hat die Antragstellerin mit ihrem Vorbringen auch nicht erschüttert. Soweit die Antragstellerin insbesondere auf Ungewissheiten aufgrund des fortgesetzten fachwissenschaftlichen Diskurses hinweist und einen Mindestabstand von lediglich 1 m ins Spiel bringt, muss zum einen dem Verordnungsgeber ein tatsächlicher Einschätzungsspielraum zugebilligt (vgl. BVerfG, B.v. 13.5.2020 – 1 BvR 1021/20 – juris Rn. 10; BayVerfGH, E.v. 15.5.2020 – Vf. 34-VII-20 – juris Rn. 12) und zum anderen festgestellt werden, dass der als Anlage 17 vorgelegte Artikel mit der zitierten Studie ihre These gar nicht stützt (vgl. Chu/Akl/Duda/Solo/Yaacoub/Schüne-mann in The Lancet, Vol. 395, Issue 10242, P1973-1987, v. 27.6.2020, Open Access v. 1.6.2020, Physical distancing, face masks, and eye protection to precent person-to-person transmission of SARS-CoV-2 and COVID-19: a systematic review and meta-analysis: „protection was increased as distance was lengthened” <Findings, S. 2>, „The findings of this systematic review and meta-analysis support physical distancing of 1 m or more <Interpretation, S. 2>, „distances of 2 m might be more effective” <Discussion, S. 16, 17, 20>, “Hence, the results of our current review support the implementation of a policy of physical distancing of at least 1 m and, if feasible, 2 m or more <Discussion, S. 17 f.). Letztendlich ist der Vortrag der Antragstellerin insoweit auch widersprüchlich, da sie sich einerseits auf Studien beruft, andererseits Studien tragfähige Aussagen abspricht. Anhaltspunkte dafür, dass der Verordnungsgeber den Spielraum im vorliegenden Fall insofern überschritten hätte, bestehen nicht.

Kein gleich effektives, aber milderes Mittel ist insbesondere die Pflicht des Service-Personals, eine Maske zu tragen, da diese die durch die Gäste selbst eröffneten Infektionsketten nicht unterbricht und selbst auch eine Belastung darstellt (vgl. BayVGH, B.v. 7.7.2020 – 20 NE 20.1477 – Rn. 17 ff.). Die Vorgehensweise anderer Länder oder Nachbarmitgliedstaaten spielt in diesem Zusammenhang keine tragende Rolle. Dagegen dürften Trennvorrichtungen zwar ein Mittel in dem vorgenannten Sinne darstellen. Davon hat der Verordnungsgeber allerdings Gebrauch gemacht, indem er diese Schutzmaßnahme als Tatbestandsalternative zu dem angeordneten Mindestabstand von 1,5 m formuliert hat (vgl. § 13 Abs. 4 Satz 1 u. Abs. 5 Satz 1 der 6. BayIfSMV: „oder geeignete Trennvorrichtungen“).

(d) Der in § 13 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 der 6. BayIfSMV geregelte Mindestabstand ist voraussichtlich bei Abwägung der gegenläufigen Positionen auch angemessen. Der Verordnungszweck steht nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs.

Der Senat verkennt dabei nicht, dass der Betrieb von Speisewirtschaften wie Restaurants der Antragstellerin von der zunächst im Wege von Allgemeinverfügungen angeordneten Schließung bis hin zu den Vorgängerregelungen der 4. und 5. BayIfSMV und nun § 13 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 der 6. BayIfSMV bereits seit nahezu vier Monaten nicht unbeschränkt ist und dies mit erheblichen, zum Teil gravierenden Einbußen für die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer einhergeht.

Das geltend gemachte Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit gilt indes nicht uneingeschränkt und hat hier im Ergebnis angesichts der drohenden Überforderung des Gesundheitswesens gegenüber dem mit der Verordnung bezweckten Schutz von Leben und Gesundheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zurückzutreten.

Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass Speisewirtschaften wie die Restaurants der Antragstellerin unter den in § 13 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 der 6. BayIfSMV und bereits der Vorgängerverordnungen geregelten Maßgaben ihren Betrieb wiederaufgenommen haben. Dies konzediert auch die Antragstellerin, die vorträgt, dass seit dem 18. Mai 2020 die Bereiche ihrer Restaurants im Freien und seit dem 25. Mai 2020 auch diejenigen in geschlossenen Räumen wieder geöffnet sind.

Weiterhin ist in Rechnung zu stellen, dass nach § 13 Abs. 2 der 6. BayIfSMV sowie bereits unter den Vorgängerregelungen (vgl. § 13 Abs. 2 der 5. BayIfSMV u. § 13 Satz 2 Nr. 1 der 4. BayIfSMV) die Abgabe und die Lieferung von mitnahmefähigen Speisen und Getränken zulässig sind. Dies bedeutet, dass Speisewirtschaften wie die Restaurants der Antragstellerin alternativ bzw. zusätzlich Liefer- und Abholservice anbieten können. Davon macht die Antragstellerin laut den Internetauftritten eines Teils ihrer Restaurants auch Gebrauch (vgl. Antragstellerin, Homepage mit Links zu den einzelnen Restaurants, Stand: 14.7.2020: „Alle Speisen auch ToGo“ u. „ToGo-Hotline“). Zusammenfassend ist folglich zwar anzuerkennen, dass das Angebot eines Abhol- und Lieferservices den regulären Betrieb nicht vollwertig ersetzen kann. Allerdings können die Einschränkungen hiermit gegenwärtig und konnten auch bereits in der Vergangenheit in Teilen abgefedert werden.

Betroffene Wirtschaftsteilnehmer haben grundsätzlich unternehmerische Instrumente, den Auswirkungen von Beschränkungen teilweise auszuweichen, indem sie verfügbare Einnahmen maximieren und/oder gleichzeitig Ausgaben minimieren. Auch diesen Weg hat die Antragstellerin laut den Internetauftritten eines Teils ihrer Restaurants beschritten (vgl. Antragstellerin, Homepage mit Links zu den einzelnen Restaurants, Stand: 14.7.2020: „aktuelle – verkleinerte – Corona-Speisekarte“). Dazu haben Betreiber von Speisewirtschaften wie der Antragstellerin ggf. gem. § 95 Abs. 3 SGB III die Möglichkeit, den Arbeitsausfall anzuzeigen und Kurzarbeit anzumelden (vgl. SächsOVG, B.v. 29.4.2020 – 3 B 138/20 – juris Rn. 32). Davon hat die Antragstellerin nach eigenem Bekunden ebenfalls Gebrauch gemacht. Im Übrigen dürfte speziell die Antragstellerin über zusätzliche, zu dem Gastronomiebetrieb im engeren Sinne benachbarte Einnahmenquellen verfügen. So bietet sie laut ihrem Internetauftritt eine Vielzahl von Leistungen an, darunter Gastronomische Markenarchitektur, Markenentwicklung, Architektur, Projektentwicklung, Eventmarketing, Visuelles Marketing und Location Vermarktung, Streetfood Catering, und betreibt eine eigene Akademie, die Marktanalysen, Markenkommunikation, Potenzialanalyse, Führungsentwicklung, Querdenken, Markenentwicklung und Undercover Check, Kalkulation & Businessplan, Gastronomische Architektur, Gastronomisches Netzwerk und individuelle Workshops zum Gegenstand hat (vgl. Antragstellerin, Homepage, Stand: 14.7.2020: „Wir verstehen uns als Full-Service-Dienstleister“).

Zudem kann nicht ausgeblendet werden, dass, wie die Antragstellerin selbst vorträgt, viele Gäste Restaurants derzeit ohnehin fernbleiben. Zwar scheint die Antragstellerin diesen Umstand auf die in § 13 der 6. BayIfSMV geregelten Schutzmaßnahmen zurückzuführen. Dies leuchtet indes nicht ohne Weiteres ein. Insbesondere der Mindestabstand dürfte für die Mehrzahl der Gäste nicht den maßgeblichen Grund für die Entscheidung darstellen, nicht ins Restaurant zu gehen. Vielmehr dürften es die Gäste – gerade in Zeiten der Corona-Pandemie – grundsätzlich schätzen, wenn ein Restaurant nicht eng bestuhlt und bis auf den letzten Platz belegt ist. Bei lebensnaher Betrachtung nehmen Gäste wohl nicht zuletzt auch aus eigenem Willen wegen des Infektionsrisikos Abstand von einem Restaurantbesuch insbesondere in geschlossenen Räumen. Insofern wäre der Vorteil einer einstweiligen Außervollzugsetzung für die Antragstellerin daher derzeit begrenzt (vgl. BayVGH, B.v. 8.6.2020 – 20 NE 20.1316 – juris Rn. 36).

Ferner wird die verpflichtende Wirkung des Mindestabstandes in der Praxis durch das den Betreibern von Speisewirtschaften wie der Antragstellerin alternativ zur Verfügung stehende, raumschonende Tatbestandsmerkmal der „geeigneten Trennvorrichtungen“ abgemildert. Hierzu macht die Antragstellerin keinerlei Ausführungen.

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Schließlich haben Betreiber von Speisewirtschaften wie die Antragstellerin die Möglichkeit, worauf auch der Antragsgegner zutreffend hingewiesen hat, staatliche Hilfsprogramme in Anspruch zu nehmen.

Den vorgenannten Umständen und Erwägungen entspricht es, dass die Antragstellerin zwar mit dem drohenden Wegfall der Existenzgrundlage argumentiert, dies jedoch nicht konkretisiert und durch Nachweise glaubhaft gemacht hat. Obgleich sie in diesem Zusammenhang erwähnt, dass es Ausgabenposten wie Miete und Personalkosten gibt, hat sie diese nicht beziffert, zumal für letztere die Möglichkeit der Anmeldung von Kurzarbeit gelten (s.o.). Auch die konkreten Einnahmeeinbußen aufgrund des Mindestabstandsgebots, die aus den begrenzten räumlichen Kapazitäten folgen, benennt sie nicht.

Schließlich ist § 13 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 der 6. BayIfSMV zeitlich begrenzt. Ihre Gültigkeit und derzeitige Fassung ist bis zum 2. August 2020 befristet.

Gegenüber all dem ist zu berücksichtigen, dass ein regulärer Betrieb von Speisewirtschaften wie den Restaurants der Antragstellerin in einer Vielzahl von Betrieben – deutschlandweit gibt es circa 71.000 Restaurants, daher dürfte es, umgerechnet auf den Bevölkerungsanteil, in Bayern circa 10.000 Speisewirtschaften geben (vgl. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/29892/umfrage/anzahl-der-unternehmen-im-gaststaettengewerbe/) – täglich zu einer Vielzahl von physischen Kontakten zwischen Gästen und Service-Personal und damit zu vermehrten Infektionsketten mit der Gefahr eines exponentiellen Anstiegs führen würde.

(2) Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt bei summarischer Prüfung voraussichtlich ebenfalls nicht vor.

(a) Aus Art. 3 Abs. 1 GG folgt das Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Art. 3 Abs. 1 GG verwehrt dem Normgeber jedoch nicht jede Differenzierung; solche bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich unterschiedliche Grenzen für den Normgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben (vgl. BVerfG, B.v. 18.7.2019 – 1 BvL 1/18 u.a. – NJW 2019, 3054 <3661> = juris Rn. 94; B.v. 7.2.2012 – 1 BvL 14/07 – BVerfGE 130, 240 <253 ff.> = juris Rn. 40 ff.)

Dem Verordnungsgeber ist bei der Bewertung, unter welchen infektionsschutzrechtlichen Anforderungen einzelne aufgrund der Corona-Pandemie vorübergehend geschlossene Lebensbereiche, darunter auch Betriebe, wieder geöffnet werden können, ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer Gestaltungsspielraum zuzubilligen, der anhand sachlicher Kriterien ausgefüllt werden muss (vgl. BayVGH, B.v. 8.6.2020 – 20 NE 20.1307 – juris Rn. 19; B.v. 27.4.2020 – 20 NE 20.793 – juris Rn. 36). Dabei dürfte die sachliche Rechtfertigung nicht allein anhand des infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrades der betroffenen Tätigkeit zu beurteilen sein (vgl. BayVGH, B.v. 8.6.2020 – 20 NE 20.1307 – juris Rn. 19 m.w.N.).

Der Verordnungsgeber darf besonders bei Massenerscheinungen generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den Gleichheitsgrundsatz zu verstoßen. Unebenheiten, Friktionen und Mängel sowie gewisse Benachteiligungen in besonders gelagerten Einzelfällen, die sich im Zusammenhang mit Differenzierungen ergeben, müssen in Kauf genommen werden, solange sich für das insgesamt gefundene Regelungsergebnis ein plausibler, sachlich vertretbarer Grund anführen lässt (vgl. BayVerfGH, E.v. 3.7.3030 – Vf. 34-VII-20 – a.a.O. Rn. 19 m.w.N.; E.v. 15.5.2020 – Vf. 34-VII-20 – juris Rn. 12).

(b) Gemessen an diesen Maßstäben ist Art. 3 Abs. 1 GG bei summarischer Prüfung voraussichtlich nicht verletzt.

(aa) Die Antragstellerseite hat insbesondere nicht aufgezeigt, dass mit der Regelung des § 13 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 der 6. BayIfSMV in Bezug auf die von der Antragstellerin herangezogenen geschlossenen Veranstaltungen gem. § 5 Abs. 2 Satz 1 der 6. BayIfSMV im Wesentlichen gleiche Lebenssachverhalte ungleich behandelt werden. Zitate der genannten Entscheidungen des Senats, die völlig andere Konstellationen betrafen, namentlich eine Differenzierung innerhalb des Lebensbereichs Einzelhandel und die Verhältnismäßigkeit einer zeitlichen Beschränkung für Speisewirtschaften, reichen als Begründung insofern nicht hin. Eine wesentliche Gleichheit ist auch nicht anderweitig erkennbar. Die geschlossenen Veranstaltungen in dem vorgenannten Sinne sind mit einem Restaurantbesuch – im Hinblick auf den Anlass, den Ablauf und die dahinterstehenden Interessen sowie die Anzahl, das Verhalten und den Kreis der Personen und schließlich den Ort und die Häufigkeit – nicht ohne Weiteres gleichzusetzen und umgekehrt (vgl. BayVGH, B.v. 8.6.2020 – 20 NE 20.1316 – juris Rn. 46 i.V.m. Rn. 24). Soweit der Veranstaltungsort ein gastronomischer Betrieb ist, sind die Betreiber von Speisewirtschaften wie die Antragstellerin nach § 5 Abs. 2 Satz 3 der 6. BayIfSMV i.V.m. § 13 der 6. BayIfSMV nicht nachteilig betroffen.

Zweifelhaft ist bei summarischer Prüfung insoweit auch, ob und inwieweit normativ eine in diesem Zusammenhang relevante benachteiligende Differenzierung vorliegt. Letztendlich ist die Frage, ob und inwieweit in einer Begrenzung der Teilnehmerzahl bzw. in der Vorgabe eines Mindestabstandes eine Belastung zu sehen ist, anhand der Umstände des Einzelfalls, mithin der räumlichen Kapazitäten des Veranstalters bzw. des Betreibers, zu beantworten. Wer über große Räumlichkeiten verfügt, mag einen Mindestabstand gem. § 13 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 der 6. BayIfSMV einer (starren) Obergrenze vorziehen (vgl. BayVGH, B.v. 16.7.2020 – 20 NE 20.1500 – Rn. 23 ff.). Wer, wie augenscheinlich die Antragstellerin, die, wie erörtert, hierzu keine Angaben gemacht hat (s.o.), über kleinere Räumlichkeiten verfügt, wehrt sich gegen den Mindestabstand und begehrt stattdessen eine (starre) Obergrenze. Insofern dürfte es sich bei der gerügten Differenzierung um eine im Rahmen der Wiedereröffnung der Lebensbereiche bei fortdauernder Pandemielage hinzunehmende Friktion im vorgenannten Sinne handeln.

Jedenfalls dürfte – eine relevante benachteiligende Differenzierung unterstellt – bei summarischer Prüfung hierfür auch ein sachlicher Grund vorliegen. Zum einen beruhen die geschlossenen Veranstaltungen i.S.d. § 5 Abs. 2 Satz 1 der 6. BayIfSMV auf einem besonderen Anlass, an dem gesellschaftlich ein herausgehobenes soziales Interesse besteht. Es geht insofern nicht um ein alltägliches Tun, sondern darum, spezielle Anlässe zu begehen, die von den betroffenen Rechtskreisen in den letzten Monaten und teilweise auch noch derzeit, wenn möglich – was beispielsweise bei Beerdigungen nicht der Fall ist –, eher verschoben wurden bzw. werden. Mit dieser Einschätzung korrespondiert im Übrigen auch die in § 2 Abs. 2 der 5. BayIfSMV fortbestehende Untersagung von (alltäglichen) Feiern – d.h. ohne besonderen Anlass – auf öffentlichen Plätzen und Anlagen (vgl. BayVGH, B.v. 8.6.2020 – 20 NE 20.1316 – juris Rn. 37 i.V.m. Rn. 7 u. Rn. 31). Dazu dürften auch die Zahlenverhältnisse zwischen den geschlossenen Veranstaltungen und den betriebenen Speisewirtschaften (s.o.) zu berücksichtigen sein. Zum anderen verhalten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an derartigen geschlossenen Veranstaltungen bei typisierender Betrachtung auch anders als „normale“ Gäste in einem Restaurant, die regelmäßig in kleineren Gruppen unter sich bleiben und bei denen – anders als bei geschlossenen Gesellschaften – eher zu erwarten ist, dass der Mindestabstand gegenüber anderen „fremden“ Gästen eingehalten wird. Das Verhalten hat Auswirkungen auf das zu prognostizierende Infektionsrisiko (vgl. BayVGH, B.v. 16.7.2020 – 20 NE 20.1500 – Rn. 23 ff.) und rechtfertigt unterschiedliche Ansätze des Verordnungsgebers zu ihrer Eingrenzung (einerseits Mindestabstand, andererseits Personenobergrenze). Das Argument der Antragstellerin, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der geschlossenen Veranstaltungen auch aus dem Ausland anreisen würden, während ihre Gäste aus der Umgegend kämen, kann der Senat nicht nachvollziehen, da die Antragstellerin Einnahmeeinbußen auf die derzeit fernbleibenden Touristen, insbesondere aus dem Ausland, zurückführt.

(bb) Die Antragstellerseite hat ebenfalls nicht aufgezeigt, dass mit der Regelung des § 13 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 der 6. BayIfSMV in Bezug auf den fehlenden Mindestabstand bei Passagieren im Flugzeug im Wesentlichen gleiche Lebenssachverhalte ungleich behandelt werden. Es handelt sich um gänzlich unterschiedliche Lebenssachverhalte. Dazu verlangt Art. 3 Abs. 1 GG lediglich die Gleichbehandlung der Bürger durch den zuständigen Träger öffentlicher Gewalt, nicht aber die Gleichbehandlung durch mehrere, voneinander unabhängige Träger (vgl. BVerfG, B.v. 23.1.1988 – 2 BvR 1619/83 u.a. – BVerfGE 79, 127/158 = juris Rn. 76). So liegt der Fall hier, da die ausschließliche Kompetenz zur Regelung des Luftverkehrs gem. Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG beim Bund liegt. Im Übrigen dürfte eine Differenzierung hier dadurch sachlich gerechtfertigt sein, dass, worauf der Antragsgegner hingewiesen hat, die Kabinenluft in Flugzeugen speziell gefiltert und zudem nach unten – und nicht seitwärts – abgeleitet wird.

(c) Auch wenn man eine Folgenabwägung für angezeigt hält, ergibt sich kein anderes Ergebnis, da diese unter Berücksichtigung der vorgenannten, entsprechend heranzuziehenden Umstände und Erwägungen zu Lasten der Antragstellerin ausgeht (vgl. BayVerfGH, E.v. 3.7.2020 – Vf. 34-VII-20 – a.a.O. Rn. 21).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Da die angegriffene Norm nach § 24 der 6. BayIfSMV (i.d.F.d. Änderungsverordnung v. 14.7.2020 <s.o.>) mit Ablauf des 2. August 2020 außer Kraft tritt, zielt der Eilantrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, sodass eine Reduzierung des Gegenstandswertes für das Eilverfahren auf der Grundlage von Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit hier nicht angebracht erscheint.

3. Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

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