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Corona-Pandemie – Verbot Golf-Freizeit- und Amateursportbetriebs öffentlich und privat

Corona-Pandemie – Golfplätze bleiben geschlossen

OVG Nordrhein-Westfalen – Az.: 13 B 1983/20.NE – Beschluss vom 23.12.2020

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antragsteller ist aktiver Golfspieler und Mitglied in einem Golfclub. Sein sinngemäß gestellter Antrag,

im Wege der einstweiligen Anordnung den Vollzug von § 9 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vom 30. November 2020 (GV. NRW. S. 1060a) in der zuletzt durch Art. 1 der Verordnung vom 22. Dezember 2020 (GV. NRW. S. 1212a) geänderten Fassung (Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO) auszusetzen, soweit diese Regelung den Freizeit- und Amateursportbetrieb auf und in allen öffentlichen und privaten Sportanlagen für unzulässig erklärt,

hat keinen Erfolg. Der gemäß § 47 Abs. 6, Abs. 1 Nr. 2 VwGO i. V. m. § 109a JustG NRW statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag ist unbegründet. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO liegen nicht vor. Nach dieser Bestimmung kann das Normenkontrollgericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

Corona-Pandemie - Verbot Golf-Freizeit- und Amateursportbetriebs öffentlich und privat
(Symbolfoto: Von trattieritratti/Shutterstock.com)

Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zunächst die Erfolgsaussichten des in der Sache anhängigen Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt die Prüfung der Erfolgsaussichten, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen nicht dringend geboten. Erweist sich dagegen der Antrag als zulässig und (voraussichtlich) begründet, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsachenentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden: Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, das Hauptsacheverfahren aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, das Normenkontrollverfahren aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache – dringend geboten ist.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Februar 2015 – 4 VR 5.14 -, juris, Rn. 12; OVG NRW, Beschluss vom 26. August 2019 – 4 B 1019/19.NE -, juris, Rn. 12; Nds. OVG, Beschluss vom 17. Februar 2020 – 2 MN 379/19 -, juris, Rn. 24, m. w. N.; Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 395.

Nach dieser Maßgabe ist der Erlass einer normbezogenen einstweiligen Anordnung nicht dringend geboten, weil der in der Hauptsache gestellte Normenkontrollantrag nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung nicht offensichtlich begründet ist (A.) und die deswegen anzustellende Folgenabwägung zu Lasten des Antragstellers ausfällt (B.).

A. Die mit dem in der Hauptsache gestellten Normenkontrollantrag angegriffene Regelung ist auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Antragstellers nicht offensichtlich rechtswidrig.

1. Es bestehen keine offensichtlich durchgreifenden Bedenken dagegen, dass die maßgeblichen Vorschriften in §§ 32 Satz 1, 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, 28a Abs. 1 Nr. 8 IfSG eine hinreichende, dem Parlamentsvorbehalt genügende Ermächtigungsgrundlage für das Verbot des Freizeit- und Amateursports auf und in allen öffentlichen und privaten Sportanlagen, die in die allgemeine Handlungsfreiheit des Antragstellers (Art. 2 Abs. 1 GG) sowie mittelbar in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und ggf. das Recht des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs (Art. 14 Abs. 1 GG) von Betreibern solcher Sportanlagen eingreifen, darstellen.

Vgl. für in der Neunten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 30. November 2020 geregelte Kontaktbeschränkungen und Gastronomieschließungen im Ergebnis ebenso: Bay. VGH, Beschluss vom 8. Dezember 2020 – 20 NE 20.2461 -, juris, Rn. 22 ff.

Nachdem die Maßnahmen aus den inzwischen außer Kraft getretenen Coronaschutzverordnungen im Wesentlichen allein auf die Generalklausel des § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG gestützt wurden und einige daran bestehende verfassungsrechtliche Bedenken mit Fortdauer der Pandemielage und Wiederholung der verordneten Verbote zunehmend Gewicht gewonnen hatten,

vgl. zuletzt z. B. OVG NRW, Beschluss vom 30. November 2020 – 13 B 1675/20.NE -, juris, Rn. 20 ff.,

stützt sich die derzeit geltende Coronaschutzverordnung auf § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 und dem vom Gesetzgeber in Art. 1 Nr. 17 des Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 18. November 2020 (BGBl. I S. 2397) neu geschaffenen § 28a IfSG.

Nach § 32 Satz 1 IfSG können die Landesregierungen unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 IfSG maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten erlassen. Sie können gemäß § 32 Satz 2 IfSG die Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen nach Satz 1 der Vorschrift durch Rechtsverordnung – oder wie hier nach § 10 IfSBG-NRW durch verordnungsvertretendes Gesetz (Art. 80 Abs. 4 GG) – auf andere Stellen übertragen. Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in § 28a Abs. 1 und in den §§ 29 bis 31 IfSG genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist.

Der neu geschaffene § 28a Abs. 1 Satz 1 IfSG listet in 17 Nummern auf, um welche Maßnahmen es sich dabei insbesondere handeln kann. Hierzu gehört gemäß Nr. 8 auch die Untersagung oder Beschränkung von Sportveranstaltungen und der Sportausübung. § 28a IfSG begrenzt ferner die Möglichkeit solcher Schutzmaßnahmen grundsätzlich (vgl. § 28a Abs. 7 IfSG) auf die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG durch den Deutschen Bundestag.

§ 28a Abs. 2 Satz 1 IfSG sieht für in Nr. 1 bis 3 dieser Vorschrift aufgelistete besondere Maßnahmen (u. a. für Verbote von Versammlungen i. S. v. Art. 8 GG oder weltanschaulichen Zusammenkünften, Ausgangsbeschränkungen sowie Betretungsverbote hinsichtlich bestimmter Einrichtungen wie z. B. Altenheime oder Krankenhäuser) die zusätzliche Voraussetzung vor, dass ohne diese unter Berücksichtigung aller bisher getroffener anderer Schutzmaßnahmen eine wirksame Eindämmung der Verbreitung von COVID-19 erheblich gefährdet wäre. § 28a Abs. 3 IfSG stellt – abhängig von der Anzahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen – ein Stufensystem hinsichtlich der erforderlichen Intensität und Breite der zu treffenden Maßnahmen auf. Hier wird differenziert nach umfassenden Schutzmaßnahmen, die eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens erwarten lassen (> 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in Landkreis, Bezirk oder kreisfreier Stadt), breit angelegten Schutzmaßnahmen, die eine schnelle Abschwächung des Infektionsgeschehens erwarten lassen (> 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in Landkreis, Bezirk oder kreisfreier Stadt) und Schutzmaßnahmen, die eine Kontrolle des Infektionsgeschehens unterstützen (< 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in Landkreis, Bezirk oder kreisfreier Stadt). Ferner sind nach der Vorschrift, wenn die Inzidenz von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen landes- bzw. bundesweit überschritten wird, landes- bzw. bundesweit abgestimmte umfassende, auf eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens abzielende Schutzmaßnahmen anzustreben.

§ 28a Abs. 6 IfSG bestimmt zum einen, dass verschiedene Schutzmaßnahmen auch kumulativ angeordnet werden können, soweit und solange es für eine wirksame Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist (Satz 1). Zum anderen sind nach dieser Vorschrift bei Entscheidungen über Schutzmaßnahmen soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen auf den Einzelnen und die Allgemeinheit einzubeziehen und zu berücksichtigen, soweit dies mit dem Ziel einer wirksamen Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 vereinbar ist (Satz 2). Dabei können einzelne soziale, gesellschaftliche oder wirtschaftliche Bereiche, die für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sind, von den Schutzmaßnamen ausgenommen werden, soweit ihre Einbeziehung zur Verhinderung oder Verbreitung von COVID-19 nicht zwingend erforderlich ist (Satz 3).

Gemäß § 28a Abs. 5 IfSG sind Rechtsverordnungen, die nach § 32 i. V. m. § 28 Abs. 1 und § 28a Abs. 1 erlassen werden, mit einer allgemeinen Begründung zu versehen und zeitlich zu befristen (Satz 1). Die Geltungsdauer beträgt grundsätzlich vier Wochen; sie kann verlängert werden (Satz 2).

Es bestehen keine offensichtlich durchgreifenden Einwände dagegen, dass diese Regelungen dem Vorbehalt des Gesetzes genügen. Der Vorbehalt des Gesetzes verlangt im Hinblick auf Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot, dass der Gesetzgeber in grundlegenden normativen Bereichen alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen hat und nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive überlassen darf. Dabei betrifft die Normierungspflicht nicht nur die Frage, ob ein bestimmter Gegenstand überhaupt gesetzlich geregelt sein muss, sondern auch, wie weit diese Regelungen im Einzelnen zu gehen haben (sog. Wesentlichkeitsdoktrin). Inwieweit es einer Regelung durch den parlamentarischen Gesetzgeber bedarf, hängt vom jeweiligen Sachbereich und der Eigenart des betroffenen Regelungsgegenstands ab.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. November 1990 – 1 BvR 402/87 -, juris, Rn. 39, und Urteil vom 24. September 2003 – 2 BvR 1436/02 -, juris, Rn. 67 f., jeweils m. w. N.

Auch Gesetze, die zu Rechtsverordnungen und Satzungen ermächtigen, können den Voraussetzungen des Gesetzesvorbehalts genügen, die wesentlichen Entscheidungen müssen aber durch den parlamentarischen Gesetzgeber selbst erfolgen. Das Erfordernis der hinreichenden Bestimmtheit der Ermächtigungsgrundlage bei Delegation einer Entscheidung auf den Verordnungsgeber aus Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG, wonach Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden müssen, stellt insoweit eine notwendige Ergänzung und Konkretisierung des Gesetzesvorbehalts und des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung dar. Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG führt als eine Ausprägung des allgemeinen Gesetzesvorbehalts den staatlichen Eingriff durch die Exekutive nachvollziehbar auf eine parlamentarische Willensäußerung zurück. Eine Ermächtigung darf daher nicht so unbestimmt sein, dass nicht mehr vorausgesehen werden kann, in welchen Fällen und mit welcher Tendenz von ihr Gebrauch gemacht werden wird und welchen Inhalt die auf Grund der Ermächtigung erlassenen Verordnungen haben können.

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Vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. April 2015 – 2 BvR 1322/12 u. a. -, juris, Rn. 54 f., und Urteil vom 19. September 2018 – 2 BvF 1/15 u. a. -, juris, Rn. 198 ff.

Die Ermächtigungsnorm muss in ihrem Wortlaut nicht so genau wie irgend möglich gefasst sein; sie hat von Verfassungs wegen nur hinreichend bestimmt zu sein. Dazu genügt es, dass sich die gesetzlichen Vorgaben mit Hilfe allgemeiner Auslegungsregeln erschließen lassen, insbesondere aus dem Zweck, dem Sinnzusammenhang und der Entstehungsgeschichte der Norm. Welche Anforderungen an das Maß der erforderlichen Bestimmtheit im Einzelnen zu stellen sind, lässt sich daher nicht allgemein festlegen. Zum einen kommt es auf die Intensität der Auswirkungen der Regelung für die Betroffenen an. Je schwerwiegender die grundrechtsrelevanten Auswirkungen für die von einer Rechtsverordnung potentiell Betroffenen sind, desto strengere Anforderungen gelten für das Maß der Bestimmtheit sowie für Inhalt und Zweck der erteilten Ermächtigung.

Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 18. Juli 2005 – 2 BvF 2/01 -, juris, Rn. 276, und vom 21. September 2016 – 2 BvL 1/15 -, juris, Rn. 55 f., jeweils m. w. N.

Zum anderen hängen die Anforderungen an Inhalt, Zweck und Ausmaß der gesetzlichen Determinierung von der Eigenart des zu regelnden Sachverhalts ab, insbesondere davon, in welchem Umfang der zu regelnde Sachbereich einer genaueren begrifflichen Umschreibung überhaupt zugänglich ist. Ist dies nicht der Fall, so kann es geboten sein, die nähere Ausgestaltung des zu regelnden Sachbereichs dem Verordnungsgeber zu überlassen, der die Regelungen rascher und einfacher auf dem neuesten Stand zu halten vermag als der Gesetzgeber. Bei vielgestaltigen, komplexen Lebenssachverhalten oder absehbaren Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse sind etwa geringere Anforderungen an die Bestimmtheit zu stellen als bei einfach gelagerten und klar vorhersehbaren Lebenssachverhalten. Dies ermöglicht sachgerechte, situationsbezogene Lösungen bei der Abgrenzung von Befugnissen des Gesetzgebers und der Exekutive.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 19. September 2018 – 2 BvF 1/15 -, juris, Rn. 204, m. w. N.

Hiervon ausgehend ist zunächst festzustellen, dass die Rolle des Gesetzgebers durch Einfügen des § 28a IfSG im Vergleich zur alten Rechtslage in signifikantem Umfang gestärkt worden ist.

Vgl. in diesem Sinne auch die Stellungnahmen der im Gesetzgebungsverfahren angehörten Sachverständigen Wollenschläger, S. 4, abrufbar unter https://www.bundestag.de/resource/blob/805844/09aa6cdba9932ca18a4a560e817817b1/19_14_0246-20-_ESV-Prof-Dr-Ferdinand-Wollenschlaeger-3-BevSchG-data.pdf, und Brenner, S. 3 ff., abrufbar unter https://www.bundestag.de/resource/blob/805842/730992d71899fd11e76ee168d0c7fd0f/19_14_0246-19-_ESV-Dr-Michael-Brenner-3-BevSchG-data.pdf.

So setzen sämtliche in § 28a IfSG genannte Maßnahmen voraus, dass der Deutsche Bundestag eine epidemische Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Abs. 1 Satz 1 feststellt, deren Voraussetzungen in § 5 Abs. 1 Satz 4 normiert sind. Mit der Feststellung einer solchen Lage gehen gemäß § 5 Abs. 1 Satz 5 IfSG Berichtspflichten der Bundesregierung an den Bundestag einher. Ferner ist der Auflistung möglicher Schutzmaßnahmen in § 28a Abs. 1 IfSG zu entnehmen, dass der Bundestag diese jedenfalls im Grundsatz als zulässige Maßnahmen billigt. Damit ist die potentielle inhaltliche Reichweite der zur Verfügung stehenden Maßnahmen und Instrumente durch den Gesetzgeber selbst abgesteckt und mit unmittelbarer demokratischer Legitimation durch das Parlament versehen. Auch hat der Gesetzgeber in § 28a Abs. 2 IfSG deutlich gemacht, welche Maßnahmen er als besonders eingriffsintensiv erachtet und deswegen an die strengere Voraussetzung knüpft, dass ohne diese Maßnahmen auch bei Berücksichtigung aller bisher getroffenen anderen Schutzmaßnahmen eine wirksame Eindämmung der Verbreitung von COVID-19 erheblich gefährdet würde. Ferner ordnet er in § 28a Abs. 6 IfSG an, welche Belange bei der Entscheidung über Schutzmaßnahmen Berücksichtigung finden müssen, und räumt dem Verordnungsgeber die Möglichkeit ein, dass einzelne soziale, gesellschaftliche oder wirtschaftliche Bereiche, die für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sind, von den Schutzmaßnahmen ausgenommen werden können, soweit ihre Einbeziehung zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 nicht zwingend erforderlich ist.

Zwar verbleibt dem Verordnungsgeber bei der Entscheidung über den Erlass von Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung auch weiterhin ein weiter Gestaltungsspielraum. Insbesondere sind die möglichen Maßnahmen – mit Ausnahme der in § 28a Abs. 2 IfSG genannten – außer an die Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite durch den Deutschen Bundestag nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG nicht an weitere besondere oder nach ihrer Eingriffsintensität differenzierende Tatbestandsvoraussetzungen geknüpft. Die Auflistung in § 28a Abs. 1 IfSG lässt keine Bewertung oder ein Stufenverhältnis der möglichen Maßnahmen zueinander erkennen. Auch das Stufenmodell aus § 28a Abs. 3 IfSG gibt dem Verordnungsgeber keine konkreten Vorgaben hinsichtlich der Auswahl der Maßnahmen. Denn die in § 28a Abs. 1 IfSG gelisteten Maßnahmen lassen sich der nur abstrakt beschriebenen, vom Verordnungsgeber auszuwählenden Breite und Intensität der Maßnahmen (umfassende Schutzmaßnahmen, die eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens erwarten lassen, breit angelegte Schutzmaßnahmen, die eine schnelle Abschwächung des Infektionsgeschehens erwarten lassen, oder Schutzmaßnahmen, die eine Kontrolle des Infektionsgeschehens unterstützen) nicht klar zuordnen. Es ist aber auch in Rechnung zu stellen, dass es dem Bundesgesetzgeber angesichts der Dynamik des Infektionsgeschehens, das sich zudem je nach Örtlichkeit wesentlich unterscheiden kann, kaum möglich sein wird, mit einer abstrakt-generellen und auf Dauer angelegten Regelung vorausschauend alle Konstellationen und Entwicklungen zu regeln.

Vgl. bereits OVG NRW, Beschluss vom 23. Juni 2020 – 13 B 695/20.NE -, juris, Rn. 46.

Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der dem Verordnungsgeber verbleibende Gestaltungsspielraum schnellere exekutive Reaktionsmöglichkeiten auf aktuelle Entwicklungen erlaubt, als dies in einem parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren aufgrund der dort gebotenen Einhaltung nötiger Verfahrensschritte möglich wäre. Eine abschließende Klärung der sich hieraus ergebenden Fragestellungen ist im Rahmen eines Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes aufgrund der bestehenden Eilbedürftigkeit nicht möglich und muss einem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Entsprechendes gilt, soweit im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Dritten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 18. November 2020 durch die dort angehörten Sachverständigen teils weitere Einwände gegen die Neuregelung geltend gemacht worden sind.

2. Die formellen Voraussetzungen für den Erlass einer Verordnung nach § 28a Abs. 5 IfSG sind voraussichtlich eingehalten. Danach sind – wie bereits erwähnt – Rechtsverordnungen, die nach § 32 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 und § 28a Abs. 1 erlassen werden, mit einer allgemeinen Begründung zu versehen und zeitlich zu befristen.

Die Begründungspflicht dient nach dem Willen des Gesetzgebers dazu, die wesentlichen Entscheidungsgründe für die getroffenen Maßnahmen transparent zu machen, und damit insbesondere der Verfahrensrationalität und der Legitimationssicherung. Sie soll als prozedurale Anforderung den Grundrechtsschutz durch Verfahren gewährleisten. Innerhalb der Begründung ist zu erläutern, in welcher Weise die Schutzmaßnahmen im Rahmen eines Gesamtkonzepts der Infektionsbekämpfung dienen, ohne dass insoweit eine empirische und umfassende Erläuterung geschuldet wäre. Sie ist möglichst zeitnah nach Erlass der Rechtsverordnung zu veröffentlichen. Mit der Befristungspflicht wiederum soll sichergestellt werden, dass die jeweilige Rechtsverordnung unter Berücksichtigung neuer Entwicklungen der Sars-CoV-2-Pandemie fortgeschrieben werden muss.

Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit, in: BT-Drs. 19/24334, S. 81 f.

Diesen Anforderungen ist voraussichtlich Genüge getan. Die auf der Homepage des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales veröffentlichte Begründung zur Coronaschutzverordnung vom 30. November 2020, in der ab dem 16. Dezember 2020 gültigen Fassung,

https://www.mags.nrw/sites/default/files/asset/document/201217_begruendung_coronaschvo_ab_16.12.2020.pdf,

genügt bei vorläufiger Bewertung den vorstehenden Maßgaben. Die Verordnung ist zudem befristet und tritt mit Ablauf des 10. Januar 2021 außer Kraft (§ 19 Abs. 1 CoronaSchVO in der Fassung der Änderungsverordnung vom 14. Dezember 2020 (GV. NRW. S. 1121a)), womit der Verordnungsgeber von der Verlängerungsmöglichkeit des § 28a Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 IfSG Gebrauch gemacht hat.

3. Die angegriffene Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 1 CoronaSchVO dürfte von der Verordnungsermächtigung in §§ 32 Satz 1, 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, 28a Abs. 1 Nr. 8 IfSG gedeckt sein. Der Deutsche Bundestag hat am 25. März 2020 aufgrund der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus in Deutschland eine epidemische Lage von nationaler Tragweite von unbestimmter Dauer festgestellt, deren Fortbestehen er am 18. November 2020 bestätigt hat.

Vgl. Plenarprotokoll 19/154, S. 19169C und Plenarprotokoll 19/191, S. 24109C.

Das angegriffene Verbot des Freizeit- und Amateursportbetriebs in allen öffentlichen und privaten Sportanlagen hält sich bei summarischer Prüfung auch im Übrigen an die gesetzlichen Vorgaben aus § 28a IfSG und verstößt voraussichtlich weder gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (a), noch den gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (b).

a. Das streitige Verbot dient dem Schutz von Leben und Gesundheit und der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems (vgl. 28a Abs. 3 Satz 1 IfSG). Der Verordnungsgeber darf davon ausgehen, dass die SARS-CoV-2-Pandemie in der gegenwärtigen Situation eine ernstzunehmende Gefahrensituation begründet, die staatliches Einschreiten aus den genannten Zwecken nicht nur rechtfertigt, sondern mit Blick auf die Schutzpflicht des Staates für Leib und Gesundheit der Bevölkerung auch gebietet.

Vgl. zu dieser Schutzpflicht BVerfG, Urteil vom 28. Januar 1992 – 1 BvR 1025/82 u.a. -, juris, Rn. 69, m. w. N.

Nach der Einschätzung des Robert-Koch-Instituts, der nach dem in den einschlägigen Regelungen im Infektionsschutzgesetz zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers im Bereich des Infektionsschutzes besonderes Gewicht zukommt,

vgl. dazu Bay. VerfGH, Entscheidung vom 26. März 2020 – Vf. 6-VII-20 -, juris, Rn. 16,

ist die Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland durch Sars-CoV-2 inzwischen sehr hoch. Die Infektionszahlen in Deutschland konnten nach einem sehr starken Anstieg im Oktober durch den sog. Teil-Lockdown ab dem 1. November 2020 zwar zunächst in ein Plateau überführt werden. Die Anzahl neuer Fälle blieb aber auf sehr hohem Niveau und steigt seit Anfang Dezember wieder stärker an. Ebenfalls stark angestiegen ist die Zahl der auf den Intensivstationen behandelten Personen und der Todesfälle. Das Infektionsgeschehen ist zurzeit diffus, in vielen Fällen kann das Infektionsumfeld nicht ermittelt werden.

Vgl. Robert Koch-Institut, Risikobewertung zu COVID-19 vom 11. Dezember 2020, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html.

Die Krankenhäuser warnen vor diesem Hintergrund vor Kapazitätsengpässen bzw. -überschreitungen. Erste Engpässe in einigen Kliniken wurden bereits Anfang November gemeldet.

Vgl. https://www.ruhr24.de/nrw/intensivbetten-nrw-auslastung-aktuell-corona-krankenhaus-rki-divi-patienten-covid-19-klinikum-90090859.html (Stand 25. November 2020).

Gegenwärtig befinden sich 40 % mehr Covid-19-Intensivpatienten auf den Stationen als noch während der ersten Welle. In einzelnen Ländern wie z. B. Sachsen ist die Zahl der Intensivpatienten sogar fünfmal so hoch wie im April. Kliniken dort geraten an ihre Kapazitätsgrenzen oder haben diese bereits überschritten. Insbesondere der Personal- bzw. Fachkräftemangel bereitet erhebliche Sorgen.

Vgl. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/119092/Mehr-COVID-19-Patienten-auf-Intensivstation (Stand 7. Dezember 2020); vgl. auch zur Auslastung der Intensivkapazitäten: Tagesreport DIVI Intensivregister, abrufbar unter

https://diviexchange.blob.core.windows.net/%24web/DIVI_Intensivregister_Report.pdf.

Auch für die nordrhein-westfälischen Krankenhäuser befürchtet die Krankenhausgesellschaft NRW inzwischen angesichts einer stark steigenden Auslastung mit schwer erkrankten COVID-19-Patienten eine Überlastung der Intensivstationen, wenn die Infektionszahlen nicht wieder deutlich sinken.

Vgl. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/119212/Krankenhausgesellschaft-NRW-warnt-vor-Engpass-in-Kliniken (Stand 9. Dezember 2020).

Angesichts dessen sieht der Verordnungsgeber zu Recht einen dringenden Handlungsbedarf. Dass die Infektionszahlen trotz des Teil-Lockdowns im November nicht gesunken sind, sondern sich zunächst auf hohem Niveau stabilisiert haben und anschließend seit Anfang Dezember wieder deutlich angestiegen sind, belegt, dass die Maßnahmen zwar grundsätzlich Wirkung gezeigt haben, aber für sich genommen nicht ausreichen, um das Infektionsgeschehen nachhaltig abzubremsen. Ziel der Maßnahmen in dieser Situation ist es, durch eine allgemeine Reduzierung von Kontakten und ein weitgehendes „Herunterfahren“ des öffentlichen Lebens das Infektionsgeschehen flächendeckend bis auf eine wieder nachverfolgbare Größe zu senken, um eine Überforderung des Gesundheitssystems zu vermeiden. Ausgenommen davon sind im Wesentlichen nur noch die Wirtschaftstätigkeit der Arbeitswelt und die Versorgung der Bevölkerung mit Gütern des täglichen Bedarfs, nachdem selbst im Bereich der Schulen und der Kindertagesbetreuung Maßnahmen für eine erhebliche Einschränkung von Kontakten ergriffen wurden.

Vgl. Begründung zur Coronaschutzverordnung vom 30. November, in der ab 16. Dezember 2020 gültigen Fassung, abrufbar unter

https://www.mags.nrw/sites/default/files/asset/document/201217_begruendung_coronaschvo_ab_16.12.2020.pdf; Mitschrift der Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel, Bundesminister Scholz, Bürgermeister Müller und Ministerpräsident Söder nach der Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschef der Länder, abrufbar unter https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/pressekonferenz-von-bundeskanzlerin-merkel-bundesminister-scholz-buergermeister-mueller-und-ministerpraesident-soeder-nach-der-besprechung-der-bundeskanzlerin-mit-den-regierungschefinnen-und-regierungschefs-der-laender-1827474.

Zur Erreichung dieses Ziels dürfte die angefochtene Maßnahme – auch im Hinblick auf den hier im Streit stehenden Golfsport – bei summarischer Bewertung geeignet (aa), erforderlich (bb) und angemessen sein (cc). Ebenso wie für die Eignung einer Maßnahme kommt dem Gesetz- bzw. im Rahmen der Ermächtigung dem Verordnungsgeber für ihre Erforderlichkeit ein Beurteilungs- und Prognosespielraum zu.

Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. September 2010 – 1 BvR 1789/10 -, juris, Rn. 21; BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2016 – 8 C 6.15 -, juris, Rn. 49.

Diesen hat der Verordnungsgeber nicht erkennbar überschritten.

aa. Dass Maßnahmen zur Reduzierung von Kontakten im Privaten und im Freizeitbereich grundsätzlich geeignet sind, Infektionsrisiken zu reduzieren, ist angesichts des Hauptübertragungswegs, der respiratorischen Aufnahme virushaltiger Partikel, die beim Atmen, Husten, Sprechen, Singen oder Niesen entstehen, nicht zweifelhaft.

Das Verbot von Freizeit- und Amateursport auf und in allen öffentlichen und privaten Sportanlagen trägt zur Kontaktreduzierung bei. Der Verordnungsgeber begründet das Verbot damit, dass, auch wenn die Sportausübung alleine erfolge, die zeitgleiche Nutzung von Sportanlagen in vielfältiger Weise Kontaktmöglichkeiten (in Zugangsbereichen, an Hindernissen, an Sportgeräten, Wegekreuzungen) mit sich bringe, die auch mit Blick auf eine erhöhte Aerosolproduktion bei sportlicher Betätigung im Rahmen eines strikten Lockdowns für eine eng begrenzte Zeit nicht mehr hinzunehmen seien. Diese Kontaktmöglichkeiten könnten nur durch ein Nutzungsverbot kontrollierbar gestaltet werden, weil eine Verhaltenskontrolle – auch auf einem Golfplatz z. B. bei einem Stau an bestimmten „Greens“ etc. – im Einzelnen nicht möglich sei.

Vgl. Begründung zur Coronaschutzverordnung vom 30. November 2020, in der ab dem 16. Dezember 2020 gültigen Fassung, S. 11 abrufbar unter https://www.mags.nrw/sites/default/files/asset/document/201217_begruendung_coronaschvo_ab_16.12.2020.pdf.

Mit dieser Einschätzung dürfte der Verordnungsgeber seinen Beurteilungs- und Prognosespielraum hinsichtlich der Eignung des Verbots, die Zahl der Neuinfektionen zu drücken und so Leben und Gesundheit der Bevölkerung und die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems zu schützen, voraussichtlich nicht überschreiten. Zwar ist das Infektionsrisiko bei der Ausübung von Individualsport auf Sportanlagen im Freien verhältnismäßig gering. Aus diesem Grund dürfte sich das Verbot in der Coronaschutzverordnung vom 30. Oktober 2020 (GV. NRW. S. 1044b) und der vom 30. November 2020 (GV. NRW. S. 1060a) in der Ausgangsfassung auch zunächst nicht hierauf erstreckt haben. Nachdem sich jedoch gezeigt hat, dass die zunächst eingeführten Beschränkungen nicht ausgereicht haben, um das Infektionsgeschehen nachhaltig abzubremsen, ist es im Ausgangspunkt nicht zu beanstanden, dass der Verordnungsgeber nunmehr einen umfassenderen Ansatz wählt, mit dem er das öffentliche Leben insgesamt „herunterfahren“ will.

Vgl. Begründung zur Coronaschutzverordnung vom 30. November 2020, in der ab dem 16. Dezember 2020 gültigen Fassung, S. 4, abrufbar unter https://www.mags.nrw/sites/default/files/asset/document/201217_begruendung_coronaschvo_ab_16.12.2020.pdf.

Hierzu dient – als milderes Mittel zu einer Ausgangssperre – die Untersagung von Freizeitangeboten, die Anreize für Kontakte bieten. Auch die Öffnung öffentlicher und privater Sportanlagen schafft solche Anreize bzw. Gelegenheit zu Kontakten. Das gilt grundsätzlich auch mit Blick auf die Ausübung von Individualsportarten wie insbesondere Golf oder Tennis. Diese sind zwar nicht in hohem Maße infektionsbegünstigend, aber auch nicht gänzlich unbedenklich. Hierbei handelt es sich nicht allein um den Kontakt zu einem möglichen Mitspieler, sondern auch zu anderen Spielern, die die Anlage zum gleichen Zeitpunkt nutzen und denen man auf dem Parkplatz, am Eingang, bei der anschließenden Reinigung der Sportgeräte o. ä. begegnet. Eine solche Begegnung kann – weil sich viele Mitglieder eines Vereins oder Clubs auch kennen dürften – den Anreiz bieten, zu einem Gespräch zu verweilen. In Bezug auf Golf erscheinen etwa Kontakte auf dem Platz und in der Umgebung des Platzes und daraus resultierende Infektionsrisiken nicht ausgeschlossen, auch wenn – wie der Antragsteller vorträgt – Staus an den sog. Greens nicht vorkommen. Dies gilt selbst dann, wenn vor der Nutzung eine Anmeldung erforderlich ist, bei der jeweils im 10-Minuten-Takt Startfenster vergeben werden. Es wird dadurch nicht unterbunden, dass nach und nach immer mehr Personen auf das Gelände kommen und sich an bestimmten Punkten – sei es auch nur vor Spielbeginn oder nach Beendigung des Spiels – begegnen. Zwar ist anzunehmen, dass ein Golfspieler das Angebot theoretisch auch ohne infektionsbegünstigende Kontakte nutzen kann, wenn er z. B. – wie vom Antragsteller geltend gemacht – durchgängig einen Abstand von fünf Metern oder mehr zu seinem Mitspieler und anderen Personen auf dem Golfplatz hält. Dass der Verordnungsgeber sich aber nicht darauf verlassen will, dass alle Spieler den Golfplatz in einer Weise nutzen, dass Infektionsrisiken gänzlich ausgeschlossen sind, sondern stattdessen ein Nutzungsverbot ausspricht, liegt voraussichtlich im Rahmen seines Beurteilungs- und Prognosespielraums. Dieser ist auch nicht in der Weise eingeschränkt, dass die für Nordrhein-Westfalen geltenden Maßnahmen nicht über den in dem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 13. Dezember 2020 abgesteckten Rahmen hinausgehen dürften.

bb. Das Verbot dürfte auch erforderlich sein. Dem Verordnungsgeber wird voraussichtlich nicht vorgehalten werden können, sich nicht für ein anderes, die allgemeine Handlungsfreiheit der Amateur- und Freizeitsportler (Art 2 Abs. 1 GG) und die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und ggf. das Recht des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs (Art. 14 Abs. 1 GG) der Anlagenbetreiber weniger beeinträchtigendes Regelungsmodell entschieden zu haben. Dies gilt auch, soweit der Antragsteller meint, der Verordnungsgeber hätte als milderes Mittel das Ausüben des Golfsports ohne Mitspieler erlauben können. Denn auch dabei kann es – wie oben ausgeführt – zu infektionsbegünstigenden Kontakten mit anderen Golfspielern auf dem Golfplatz oder in dessen näherer Umgebung kommen. Angesichts der Diffusität des derzeitigen Infektionsgeschehens durfte der Verordnungsgeber bei einer in dieser Situation erlaubten generalisierenden, typisierenden und pauschalierenden Betrachtung davon ausgehen, dass ein ausreichender Schutz vor unkontrollierter Ausbreitung des Virus bei uneingeschränkter Fortsetzung des Betriebs von Sportanlagen nicht gewährleistet ist.

Vgl. Bay. VerfGH, Entscheidung vom 16. November 2020 – Vf. 90-VII-20 -, juris, Rn. 23, 32.

Deswegen, wie auch wegen des Umstands, dass sich Infektionsketten größtenteils nicht mehr zurückverfolgen lassen,

vgl. Risikobewertung zu COVID-19 vom 11. Dezember 2020, abrufbar unter

https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html,

verfängt auch der Einwand, eine Schließung sei nicht erforderlich, weil Individualsport auf Sportanlagen im Freien zum Infektionsgeschehen nichts beitrage, nicht. Im Übrigen zielt, wie dargelegt, das vom Verordnungsgeber verfolgte Schutzkonzept nicht (vorrangig) auf die Schließung von in infektionsschutzrechtlicher Hinsicht konkret gefährlichen Betrieben, sondern auf die Reduzierung nicht zwingend erforderlicher persönlicher Kontakte durch ein „Herunterfahren“ des öffentlichen Lebens. In diese Grundentscheidung fügt sich die streitige Regelung schlüssig ein.

cc. Das Verbot dürfte jedenfalls in der gegenwärtigen Situation, in der die Inzidenz in Nordrhein-Westfalen stetig ansteigt und derzeit (Stand 21. Dezember 2020) im landesweiten Schnitt 186 beträgt,

vgl. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Dez_2020/2020-12-21-de.pdf?__blob=publicationFile, Seite 5,

auch noch angemessen sein. Angemessen, d. h. verhältnismäßig im engeren Sinne, ist eine freiheitseinschränkende Regelung, wenn das Maß der Belastung des Einzelnen noch in einem vernünftigen Verhältnis zu den der Allgemeinheit erwachsenden Vorteilen steht. Hierbei ist eine Abwägung zwischen den Gemeinwohlbelangen, deren Wahrnehmung der Eingriff in Grundrechte dient, und den Auswirkungen auf die Rechtsgüter der davon Betroffenen notwendig. Die Interessen des Gemeinwohls müssen umso gewichtiger sein, je empfindlicher der Einzelne in seiner Freiheit beeinträchtigt wird. Zugleich wird der Gemeinschaftsschutz umso dringlicher, je größer die Nachteile und Gefahren sind, die aus gänzlich freier Grundrechtsausübung erwachsen können.

St. Rspr., vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 26. Februar 2020 – 2 BvR 2347/15 -, juris, Rn. 265, m. w. N.

Davon ausgehend sind die fraglichen Regelungen bei vorläufiger Bewertung nicht zu beanstanden, weil die Schwere der damit erneut verbundenen Grundrechtseingriffe voraussichtlich noch nicht außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Verordnungszweck steht. Das Verbot des Freizeit- und Amateursportbetriebs auf und in allen öffentlichen und privaten Sportanlagen greift in die allgemeine Handlungsfreiheit der Nutzer dieser Anlagen (Art. 2 Abs. 1 GG) sowie in erheblicher Weise in das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und ggf. auch das von der Eigentumsgarantie erfasste Recht des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs (Art. 14 Abs. 1 GG) der betroffenen – privaten – Betreiber ein. Dieser Eingriff erweist sich aber gemessen an dem damit bezweckten Gesundheitsschutz der Bevölkerung (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) voraussichtlich als gerechtfertigt. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die gravierenden und teils irreversiblen Folgen zu berücksichtigen, die ein weiterer unkontrollierter Anstieg der Zahl von Neuansteckungen für Leben und Gesundheit einer Vielzahl von Menschen hätte. Demgegenüber fällt auch nicht ausschlaggebend ins Gewicht, dass sportliche Betätigung selbst einen Wert für die physische und psychische Gesundheit hat. Das hier angegriffene Verbot schließt nicht jede sportliche Betätigung aus. Individualsport im Freien außerhalb von öffentlichen und privaten Sportanlagen (Joggen, Walken, Radfahren, Inlineskaten, Gymnastik u. ä.) bleibt weiter möglich. Dass hierbei vorübergehend auf andere Sportarten ausgewichen werden muss, ist angesichts des mit dem Verbot verfolgten Schutzzwecks hinnehmbar. Nichts anderes folgt daraus, dass das Land nach Art. 18 Abs. 3 der Landesverfassung grundsätzlich verpflichtet ist, den Sport zu pflegen und zu fördern. Die Vorschrift gewährt schon im Ausgangspunkt keinen Anspruch darauf, dass jegliche For m sportlicher Betätigung zu jeder Zeit möglich sein muss. Hinsichtlich des Eingriffs in die Rechte der privaten Anlagenbetreiber ist in Rechnung zu stellen, dass die betroffenen Betreiber staatliche Unterstützungsleistungen in Anspruch nehmen können, die etwaige finanzielle Einbußen in gewissem Maß abfedern. Hierzu gehört die November- bzw. Dezemberhilfe, die von Anfang November bis Ende Dezember 2020 für jeden Tag, an dem etwa ein Unternehmen, Betrieb, Selbständiger oder Verein von dem Corona-bedingten Lockdown direkt, indirekt oder über Dritte betroffen war, in Form einer Pauschale i. H. v. bis zu 75 % des entsprechenden Vorjahresumsatzes geleistet wird.

Vgl.

https://www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de/UBH/Redaktion/DE/FAQ/ausserordentliche-wirtschaftshilfe.html.

Außerdem kann unter bestimmten Bedingungen Überbrückungshilfe II in Anspruch genommen werden. Diese unterstützt kleine und mittelständische Unternehmen sowie Solo-Selbstständige und Freiberufler, die von den Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung besonders stark betroffen sind, mit nicht-rückzahlbaren Zuschüssen zu den betrieblichen Fixkosten. Die Überbrückungshilfe II wird durch die Überbrückungshilfe III bis Juni 2021 verlängert.

Vgl.

https://www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de/UBH/Redaktion/DE/FAQ/FAQs/faq-liste-02.html.

Von Seiten des Landes Nordrhein-Westfalen wurde und wird das Bundesprogramm durch die NRW Überbrückungshilfe Plus ergänzt (1. Phase in den Fördermonaten Juni bis August 2020, 2. Phase von September bis Dezember 2020). Diese stellt zusätzliche Hilfen für Solo-Selbstständige, Freiberufler und im Unternehmen tätige Inhaber von Einzelunternehmen und Personengesellschaften mit höchstens 50 Mitarbeitern in Nordrhein-Westfalen bereit. Berechtigte erhalten danach eine einmalige Zahlung in Höhe von 1.000 Euro pro Monat für maximal vier Monate.

Vgl. Übersicht des Wirtschaftsministeriums über Überbrückungshilfe (2. Phase),

https://www.wirtschaft.nrw/ueberbrueckungshilfe2.

b) Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dürfte ebenfalls nicht vorliegen. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Februar 2012 – 1 BvL 14/07 -, juris, Rn. 40.

Er verwehrt dem Normgeber nicht jegliche Differenzierungen. Diese bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. Juni 2011 – 1 BvR 2035/07 -, juris, Rn. 64.

Sachgründe können sich im vorliegenden Regelungszusammenhang aus dem infektionsrechtlichen Gefahrengrad der Tätigkeit, aber voraussichtlich auch aus ihrer Relevanz für das öffentliche Leben ergeben.

Vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 14. Mai 2020 – 13 MN 156/20 -, juris, Rn. 36.

In Anwendung dieses Maßstabs drängt sich ein Gleichheitsverstoß des Verordnungsgebers nicht auf. Insbesondere war dieser nicht gehalten, andere Aktivitäten, von denen nach Auffassung des Antragstellers kein geringeres Infektionsrisiko als vom Golfspiel ausgeht, wie z. B. Spazierengehen oder Joggen im Park, ebenfalls zu untersagen. Der Verordnungsgeber durfte danach differenzieren, ob der Individualsport auf Sportanlagen oder außerhalb solcher Anlagen ausgeübt wird. Denn Sportanlagen entfalten aufgrund ihres Angebots eine Anziehungskraft auf Sportinteressierte mit der Folge, dass es dort – auch bei im 10-Minuten-Takt gestaffelten Startzeiten – zu vermehrtem Publikumsverkehr kommen kann. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass aufgrund der im Übrigen derzeit geltenden Regelungen viele der sonst bestehenden Alternativen zur Freizeitgestaltung nicht zur Verfügung stehen. Die noch bestehende Möglichkeit, Individualsport im Freien außerhalb von Sportanlagen zu treiben, dürfte jedenfalls regelmäßig nicht zu einer derartigen Lenkung von Personenströmen hin zu bestimmten Orten führen. Ferner würde ein umfassendes Verbot von Individualsport im Freien zu einer stärkeren Beschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG führen, weil die Möglichkeit einer sportlichen Betätigung an der frischen Luft damit gänzlich entfiele.

B. Soweit die Erfolgsaussichten in der Hauptsache nach den vorstehenden Erwägungen noch nicht in Gänze beurteilt werden können und insoweit eine ergänzende Folgenabwägung vorzunehmen ist, geht diese zu Lasten des Antragstellers aus. Die von dem Antragsteller dargelegten Einschränkungen seiner allgemeinen Handlungsfreiheit müssen hinter den Schutz von Leben und Gesundheit einer Vielzahl von Menschen zurücktreten. Angesichts der steigenden Zahl der Neuinfektionen und der vor diesem Hintergrund konkret bevorstehenden Überlastung der (intensiv)medizinischen Behandlungskapazitäten fallen die zu erwartenden Folgen einer Außervollzugsetzung der angegriffenen Norm deutlich schwerer ins Gewicht als die Folgen ihres einstweilig weiteren Vollzugs für den Antragsteller.

Vgl. zu dieser Abwägung auch VerfGH NRW, Beschluss vom 23. November 2020 – VerfGH 179/20.VB-1 -, juris, Rn. 41 ff.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG. Der Antrag zielt inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, sodass eine Reduzierung des Auffangstreitwerts für das Eilverfahren nicht veranlasst ist.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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