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Dachlawinen – Warnschilder/Schneegitter in schneearmen Gegenden – parkende Fahrzeuge

LG Berlin – Az.: 49 S 178/10 – Beschluss vom 29.03.2011

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Spandau vom 27.20.2010 wird gemäß § 522 Absatz 2 ZPO auf Kosten des  Klägers zurückgewiesen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.440,87 € festgesetzt.

Gründe

Die Berufung ist gemäß § 522 Absatz 2 ZPO aus den Gründen der Verfügung der Kammer vom  10.02.2011 , an der sie nach nochmaliger Prüfung festhält, zurückzuweisen. Die Kammer hat in der vorgenannten Verfügung u.a. ausgeführt:

Dachlawinen – Warnschilder/Schneegitter in schneearmen Gegenden - parkende Fahrzeuge
Symbolfoto: Von Pramuan Poonsang/Shutterstock.com

Der Kläger hat weder erst –, noch zweitinstanzlich für seinen – bestrittenen – Vortrag, sein Pkw sei durch eine Dachlawine vom Haus der Beklagten beschädigt worden, Beweis angetreten. Der Beweisantritt „N. N.“ im Schriftsatz vom 30.9.2010 genügt nicht. Unabhängig davon, dass es für das Amtsgericht hierauf nicht ankam, hätte es dem anwaltlich vertretenen Kläger auch keinen diesbezüglichen Hinweis erteilen müssen. Ein Zeuge kann daher auch in der zweiten Instanz nicht mehr benannt werden. Der Beweisantritt bezieht sich im Übrigen nicht auf die Beschädigung durch eine Schneelawine, sondern nur auf das ordnungsgemäße Abstellen des Wagens vor dem Haus K. Straße ….

Das Urteil des Amtsgerichts erweist sich aber auch dann, wenn eine Hinweispflicht anzunehmen wäre, als richtig. Auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung wird Bezug genommen und nur ergänzend auf die Berufungsbegründung Folgendes ausgeführt:

Es besteht kein Schadensersatzanspruch aus § 823 BGB, weil die Beklagten keine gegenüber dem Kläger bestehende  Verkehrssicherungspflicht verletzt haben.

Wer eine Gefahrenlage schafft, zum Beispiel indem er eine Anlage errichtet, die mit Gefahren für Rechtsgüter Dritter verbunden ist, hat Rücksicht auf diese Gefährdung zu nehmen und deshalb die allgemeine Pflicht, die erforderlichen und ihm zumutbaren Vorkehrungen treffen, um die Schädigung Dritter zu verhindern (Verkehrssicherungspflicht; s. nur Palandt/Sprau, 68. Auflage, § 823 Rn. 46 mit weiteren Nachweisen). Dabei muss sich für den sachkundig Urteilenden die nahe liegende Gefahr ergeben, dass Rechtsgüter Dritter verletzt werden können (Palandt aaO mit weiteren Nachweisen). Geschützt ist derjenige, mit dessen Gefährdung der Pflichtige üblicherweise rechnen muss. Geschützt werden muss er durch Vorkehrungen, die nach den konkreten Umständen erforderlich sind, d.h. die ein verständiger Pflichtiger für notwendig und ausreichend zur Schadensbewahrung ansehen darf. Geschützt werden muss der Dritte aber nur vor Gefahren, die bei der in der Situation erforderlichen Sorgfalt nicht (rechtzeitig) erkannt und vermieden werden können. Außerdem muss die erforderliche Maßnahme, auch wirtschaftlich, zumutbar sein (Palandt aaO Rn. 47-51).

Verkehrssicherungspflichten sind allerdings nicht darauf gerichtet, jeden denkbaren Schaden zu vermeiden (Landgericht Wuppertal, Urteil vom 12. August 2005,10 S 30/05, zitiert nach juris).

In den Dach – oder Schneelawinenfällen ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Inhalt der konkreten Verkehrssicherungspflicht von den örtlichen Gegebenheiten (Thüringer Oberlandesgericht Grundeigentum 2007,365, zitiert nach juris), d.h. den allgemein ortsüblichen Sicherheitsvorkehrungen und den allgemeinen örtlichen Verkehrsverhältnissen, sowie von den konkreten Schneeverhältnissen, der Informationslage und der Verkehrseröffnung abhängt (siehe nur OLG Zweibrücken, Urteil vom 9. Juli 1999,1 U 181/98, veröffentlicht bei juris).

Dies bedeutet hier: Hauseigentümer müssen Dritte grundsätzlich vor von dem Haus ausgehenden Gefahren schützen. Dachlawinen sind von einem Haus ausgehende Gefahren. Sie können auch typischerweise Fußgänger verletzen oder parkende Wagen beschädigen. Allerdings sind Dachlawinen in Berlin nur ausnahmsweise auftretende Phänomene; dass vom Haus der Beklagten regelmäßig im Winter Dachlawinen abgehen, wird nicht behauptet und ist wegen der üblicherweise in Berlin herrschenden Schneearmut auch nicht wahrscheinlich. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass in Gegenden, in denen normalerweise keine erheblichen Mengen von Schnee fallen, den Verkehrsteilnehmern zugemutet werden kann, sich darauf einzurichten und an entsprechenden Gefahrenstellen nicht zu parken (Landgericht Köln Versicherungsrecht 1987,673; OLG Düsseldorf Versicherungsrecht 1978,545; OLG Hamm NJW-RR 1987,412, alle zitiert nach juris). Dem schließt sich die Kammer an.

Daher liegt auch kein Fall vor, in dem  gemäß § 32 Absatz 8 BauO Berlin Vorrichtungen zum Schutz gegen das Herabfallen von Schnee und Eis anzubringen wären. Es ist wiederholt entschieden, dass selbst eine Dachschräge ab 45° (OLG Zweibrücken aaO; LG Mannheim, Urteil vom 21. Januar 1998,1 S 442/97, beide zitiert nach juris) per se keine erhöhte Pflichtigkeit mit sich bringt. Dem schließt sich die Kammer an. Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass auf dem der Klageerwiderung beigefügten Bild zu sehen ist, dass die Dachschräge zwar steil, aber durch mehrere Flächen unterbrochen ist. Dies sind zum einen zwei Balkone; dort konnte kein abrutschgefährdeter Schnee liegen bleiben. Weiter sind dies zwei Dachfenster, auf denen wegen der glatteren und wärmeren Oberfläche sowie mutmaßlich der Bewegung durch Öffnen ebenfalls kein Schnee liegen bleibt. Dass von dem Dach der Beklagten bereits Dachlawinen abgegangen waren, wird nicht behauptet und ist auch sonst nicht ersichtlich.

Anhaltspunkte für eine besondere, konkrete Gefahrenlage gerade am 19.01.2010 (vergleiche hierzu OLG Zweibrücken aaO), welche die Beklagten dennoch zum Ergreifen von Maßnahmen verpflichtet hätte, hat der Kläger nicht dargetan. Der Winter dauerte schon längere Zeit, und dass am 19.1.2010 überhaupt eine (vergleiche Landgericht Mannheim aaO), gegebenenfalls sogar gefährliche Änderung (zum Beispiel Tauwetter, besonders starker Neuschneefall, siehe dazu OLG Düsseldorf aaO) eintrat, ist nicht ersichtlich. Soweit der Kläger vorträgt, dass in Rundfunk und Fernsehen von unter Schneelast zusammenbrechenden Dächern die Rede war, kommt es hierauf nicht an, weil ein solcher Fall nicht vorliegt; dass vor Dachlawinen gewarnt wurde, ist bestritten, im Tatbestand des angefochtenen Urteils nicht als unstreitig dargestellt und nicht unter Beweis gestellt. Allerdings kommt es darauf nicht an. Der Kläger wusste nämlich wegen dieser von ihm selbst wahrgenommenen Berichterstattung und auch durch eigenes Erleben und die Beobachtung in der Stadt, dass es ein besonders schneereicher Winter war, in dem natürlich Schnee in großer Menge nicht nur auf dem Boden, sondern auch auf den Dächern lag.

Angesichts dessen war es für ihn zumutbar, selbst vorsichtig zu sein, sich ggf. einen anderen Parkplatz zu suchen als gerade an dem schmalen Bürgersteig der K. Straße, wie er aus dem von den Beklagten eingereichten Bild zu ersehen ist. Diese Überlegung hat darüber hinaus  Bedeutung für ein jedenfalls anzunehmendes erhebliches Mitverschulden des Klägers, § 254 BGB, von dem das Amtsgericht ebenfalls zu Recht ausgeht.

Die Beklagten mussten nach allem das Dach nicht räumen lassen und aus den genannten Gründen auch keine Warnschilder aufstellen, und ob Schneegitter am Dach angebracht waren, kann dahinstehen.

Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 22.03.2011 geltend macht, angesichts der innerstädtischen Verhältnisse einerseits und der unverzichtbaren Mobilität andererseits sei ein Schutz vor Schneelawinen, die von Spitzdächern abgehen können, notwendig, gerade auch wenn man an Fußgänger denke, so ändert dies an dem Ergebnis nichts.

Die tragenden Gründe des Hinweises vom 10.02.2011 beziehen sich  auf den fehlenden Beweisantritt, der nicht nachgeholt worden ist und in zweiter Instanz verspätet wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Die Wertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO.

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