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Diebstahlskündigung – Wirksamkeit

LArbG Berlin-Brandenburg

Az: 13 Sa 2621/09

Urteil vom 12.03.2010


I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt (Oder) vom 21.10.2009 – 6 Ca 221/09 – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits bei einem Streitwert von 8219,12 Euro in der II. Instanz.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten in der zweiten Instanz noch um die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung wegen eines Diebstahls bzw. eines Diebstahlverdachts von 4 Messinghalbschalen im Gesamtschrottwert von 409,20 € bzw. einer Rohrzange im Wert von 80,65 € sowie um die Weiterbeschäftigung des Klägers. Der Kläger ist rechtskräftig wegen einer Fundunterschlagung der 4 Messinghalbschalen zu einer Geldstrafe verurteilt worden (vgl. das Urteil des Amtsgerichts E. vom 15. September 2009 Bl. 150 ff d. A.).

Der am …… 1969 geborene Kläger, der 2 Kindern unterhaltspflichtig ist, war mit einer ab dem 01. Januar 1995 zu berücksichtigenden Betriebszugehörigkeit ausweislich des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 01. Dezember 2004 (vgl. den Arbeitsvertrag Bl. 25 – 28 d. A. in Kopie) bei der Beklagten als erster Betriebsschlosser bei einer Bruttomonatsvergütung von 2.054,78 € beschäftigt. Bei der Beklagten besteht ein Betriebsrat. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Vollzeitarbeitnehmer mit Ausnahme der Auszubildenden.

Am Freitag, dem 09. Januar 2009, hielt sich der Kläger außerhalb seiner regulären Arbeitszeit abends auf dem Betriebsgelände der Beklagten auf. Er passierte nach den Daten der elektronischen Zutrittskontrolle mittels seines Dienstausweises um 20.37 Uhr das Tor Sinteranlage, um das Betriebsgelände zu befahren, und verließ es wieder um 20.49 Uhr.

Am Montag, dem 12. Januar 2009, stellte der Schichtleiter der Beklagten während der Frühschicht fest, dass Material in Form von 4 Messinghalbschalen à ca. 80 Kilogramm aus dem Bestand fehlte.

Dies nahm die Beklagte zum Anlass, am 12. Januar 2009 über ihren Werkschutz die zuständige Kriminalpolizei zu informieren und Anzeige zu erstatten. Im Rahmen der daraufhin eingeleiteten polizeilichen Ermittlungen wurde aus den Betriebsunterlagen der in E. ansässigen Firma T. S. GmbH (Schrotthandel) bekannt, dass der Kläger an diese am 12. Januar 2009 4 Messinghalbschalen zu einem Erlös in Höhe von insgesamt 409,20 € veräußert hatte. Eine Besichtigung des Materials durch Vertreter der Beklagten ergab, dass es sich hierbei um im Eigentum der Beklagten stehendes Material handelte.

Am 13. Januar 2009 erhielt der Kläger eine polizeiliche Vorladung für den 16. Januar 2009. Im Verlauf der Vernehmung wurde ihm eröffnet, dass er unter dem Verdacht stehe, die von ihm verkauften und im Eigentum der Beklagten stehenden Messinghalbschalen zum Nachteil der Beklagten von deren Betriebsgelände entwendet zu haben. Diesen Sachverhalt nahm der Kläger zum Anlass, noch am 16. Januar 2009 in der Personalabteilung der Beklagten vorstellig zu werden, um zu den erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen. Im Verlauf dieses Gesprächs erklärt sich der Kläger dahingehend, er habe sich bereits Ende November 2008 aus dem Betrieb der Beklagten eine Rohrzange ausgeliehen, die er am Freitag, dem 09. Januar 2009, zurückgebracht habe. Dies sei der Grund für seinen abendlichen Aufenthalt auf dem Betriebsgelände der Beklagten zwischen 20.37 Uhr und 20.49 Uhr gewesen. Am Sonnabend, dem 10. Januar 2009, habe er mittags Besuch von einem Bekannten, Herrn D. K., bekommen, der mit ihm über seine privaten Probleme habe sprechen wollen. Zu diesem Zweck sei man aus der Stadt herausgefahren und habe sich schließlich entschieden, zunächst den Baufortschritt der neuen Papierfabrik in Augenschein zu nehmen und dann noch an den Kanal zu fahren. Als Herr . dort in der Nähe des Werkzaunes außerhalb des Betriebsgeländes der Beklagten zum Austreten zur Seite gegangen sei, sei er über die mit Schnee bedeckten Messinghalbschalen gestolpert. Nach einigem Überlegen und da sie die Messingschalen keinem Eigentümer hätten zuordnen können, hätten sich beide entschieden, die 4 Messinghalbschalen in den PKW des Klägers zu laden und an dem darauf folgenden Montag beim Schrotthändler „abzugeben“ (vgl. dazu die von Herrn K. unterzeichnete Erklärung vom 02. Februar 2009 in Kopie Bl. 70 d. A.).

Mit Schreiben vom 21. Januar 2009, dem Kläger am 22. Januar 2009 zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise fristgemäß zum Ablauf des 30. Juni 2009.

Hiergegen hat sich der Kläger mit seiner am 10. Februar 2009 beim Arbeitsgericht Frankfurt/Oder eingegangenen und der Beklagten am 16. Februar 2009 zugestellten Klage gewandt und die Betriebsratsanhörung mit Nichtwissen bestritten. Die Beklagte hat auf die schriftliche Betriebsratsanhörung vom 20. Januar 2009 (Bl. 57 f. d. A. in Kopie) nebst vorbereitetem Kündigungsschreiben vom 20. Januar 2009 (vgl. das Schreiben in Kopie Bl. 84 f. d. A.) sowie auf die Erwiderung des Betriebsrats vom 21. Januar 2009 („der Betriebsrat widerspricht der Kündigung nicht fristlos x fristgemäß x“ Bl. 59 d. A.), worauf die Beklagte das Kündigungsschreiben vom 21. Januar 2009 gefertigt und am 22. Januar 2009 um 14.05 Uhr in den Briefkasten des Klägers geworfen habe.

Das Arbeitsgericht Frankfurt/Oder hat mit Urteil vom 21. Oktober 2009 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung noch durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 21. Januar 2009 aufgelöst worden sei, und hat die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits verurteilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass das „Entleihen“ der Rohrzange keine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses unter dem Gesichtspunkt des erwiesenen Diebstahls sei. Selbst bei zutreffender Einlassung des Klägers stellt das Verhalten des Klägers nur den einmaligen Verstoß gegen die Vorschriften der Betriebsordnung dar, wonach es nur gegen Ausfüllen eines Entnahmescheins und Genehmigung erlaubt sei, Gegenstände aus dem Betrieb mitzunehmen. Dieser einmalige Verstoß würde nicht derartig schwerwiegend, dass er schon die Qualität eines wichtigen Grundes i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB aufwiese. Die Verletzung der Arbeitsordnung durch den Kläger stelle aber auch nicht eine derartig gravierende Pflichtverletzung dar, dass – ausnahmsweise – der Ausspruch einer – hier nicht erfolgten – Abmahnung entbehrlich gewesen wäre.

Hätte der Kläger bei seiner Sachverhaltsdarstellung aber gelogen, hätte er auch nach der Behauptung der Beklagten die Rohrzange nicht gestohlen.

Auch der behauptete Diebstahlsverdacht wegen der hier 4 entwendeten Messinghalbschalen könne weder eine außerordentliche noch eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Auch wenn das Verhalten des Klägers, am Freitag, dem 09. Januar 2009, außerhalb seiner regulären Arbeitszeit um 20.37 Uhr auf das Werksgelände zu fahren, um angeblich eine Rohrzange zurückzubringen, in Verbindung mit dem unstreitigen Verkauf der Messinghalbschalen am Montag, dem 12. Januar 2009, an einen Schrotthändler, verdächtig erscheine, verdichteten sich diese Verdachtsmomente zur Überzeugung der Kammer noch nicht zu dem im Rahmen einer Verdachtskündigung erforderlichen dringenden schwerwiegenden Verdacht, dass der Kläger am Abend des 09. Januar 2009 die 4 Messinghalbschalen mittels seines PKW tatsächlich vom Betriebsgelände der Beklagten entwendet habe. Dabei könne offen bleiben, ob die Eigeninitiative des Klägers zu dem am 16. Januar 2009 geführten Personalgespräch den Anforderungen der Rechtsprechung an eine vorherige Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch einer (außerordentlichen) Verdachtskündigung genüge oder ob diesbezüglich nicht der Arbeitgeber von sich aus hätte aktiv werden müssen. Denn darauf komme es streitentscheidend nicht an. Selbst wenn hierdurch dem Anhörungserfordernis als Wirksamkeitsvoraussetzung der Verdachtskündigung genüge getan worden wäre, so hätte die Beklagte nicht genügend Indizien zusammengetragen, um ihren gegen den Kläger erhobenen Verdacht des Diebstahls am Abend des 09. Januar 2009 als dringend erscheinen zu lassen. Solange die Beklagte nicht die Zeitspanne zwischen der Frühschicht am 09. Januar 2009 und dem Befahren des Betriebsgeländes durch den Kläger am Abend dieses Tages um 20.37 Uhr nach dem Ausschlussprinzip dergestalt zu schließen vermöge, dass zumindest über Indizien der Schluss gerechtfertigt sei, um 20.37 Uhr seien die 4 abhanden gekommenen Messinghalbschalen noch auf dem Werksgelände vorhanden gewesen, seien die aus Sicht der Kammer durchaus gegebenen Verdachtsmomente gegen den Kläger noch nicht stark genug, um die streitbefangene außerordentliche Kündigung unter dem Gesichtspunkt des bloßen Diebstahlverdachts rechtfertigen zu können.

Wegen der weiteren konkreten Begründung des Arbeitsgerichts und des Sachvortrags der Parteien erster Instanz wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt/Oder vom 21. Oktober 2009 Bl. 90 – 109 d. A. verwiesen.

Gegen dieses ihr am 13. November 2009 zugestellte Urteil richtet sich die beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg am 30. November 2009 eingegangene und am 27. Januar 2010 nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 31. Januar 2010 begründete Berufung der Beklagten. Sie greift das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt/Oder konkret an. Nach der eigenen Behauptung des Klägers habe dieser eine Rohrzange im Wert von 80,65 € im November 2008 angeeignet. Er habe sich diese Rohrzange nicht „entliehen“, sondern den Gewahrsam der Beklagten, der durch die in der Betriebsordnung beschriebenen Sicherungsmaßnahmen geschützt werden sollte, gebrochen. Die Beklagte mache sich diesen Vortrag des Klägers als „gleichwertiges Parteivorbringen“ zu Eigen. Sie glaube ihm jedoch nicht, dass er diese Rohrzange am 09. Januar 2009 zurückgegeben habe, da die aufgefundene Rohrzange verstaubt gewesen sei.

Die außerordentliche Kündigung sei aber auch zumindest wegen des Verdachts des Diebstahls der 4 Messinghalbschalen gerechtfertigt. Die Einlassung des Klägers zu den Geschehnissen in der Zeit vom 09. Januar 2009 (mittags seien die Schalen noch im Betrieb gewesen, abends sei der Kläger außerhalb seiner Dienstzeit auf das Werksgelände gefahren) bis hin zum 12. Januar 2009 (Verkauf der Halbschalen an den Schrotthändler) seien entweder nicht glaubhaft oder widerlegt worden. Der Kläger sei vor der Kündigung zu den Verdachtsmomenten angehört worden, der Betriebsrat sei ebenfalls sowohl schriftlich als auch zusätzlich mündlich zu der beabsichtigten Kündigung wegen des Diebstahlverdachts von Rohrzange und/oder Messinghalbschalen angehört worden.

Die Beklagte beantragt, das am 21. Oktober 2009 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt/Oder – 6 Ca 221/09 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil und verweist darauf, dass die Beklagte selbst in der Betriebsratsanhörung nicht von einem Diebstahl, sondern von einer nicht genehmigten Ausleihe der Rohrzange ausgehe, so dass sie nunmehr nicht wegen des Diebstahls der Rohrzange kündigen könne. Die Beklagte habe durch die Beifügung eines Fotos selbst sehr anschaulich gemacht, dass die Verbringung und der Transport der 4 Messinghalbschalen in bzw. mit einem Kraftfahrzeug von einer einzelnen Person, in einem zeitlichen Rahmen von 12 Minuten, überhaupt nicht habe realisiert werden können, da eine Halbschale allein schon ca. 80 Kilo wiege. Bereits erstinstanzlich sei vorgetragen worden, dass der Berufungsbeklagte auch wegen an der Wirbelsäule bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen überhaupt gar nicht dazu in der Lage gewesen wäre.

Wegen des weiteren konkreten Vortrags der Parteien in der zweiten Instanz wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 25. Januar 2010 (Bl. 120 ff d. A.) und des Klägers vom 01. März 2010 (Bl. 147 ff d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die gem. §§ 8 Abs. 2; 64 Abs. 1, Abs. 2 Buchstabe b, Abs. 6; 66 Abs. 1 S. 1 und S. 5 ArbGG; §§ 519; 520 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO zulässige Berufung ist auch formgerecht und fristgemäß eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt/Oder war abzuändern und die Klage abzuweisen, da das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 21. Januar 2009 zum 22. Januar 2009 aufgelöst worden ist. Die außerordentliche Kündigung vom 21. Januar 2009 ist gem. § 626 Abs. 1 BGB wegen des Diebstahlverdachts bezüglich der 4 Messinghalbschalen im Schrottwert von 409,20 € gerechtfertigt und gem. § 626 Abs. 2 BGB innerhalb der 2-Wochen-Frist nach der ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung ausgesprochen worden. Es kommt damit auf den weiteren Vorwurf des begangenen Diebstahls der Messinghalbschalen und einer Rohrzange im Wert von 80,65 € nicht an.

1.

a) Wie das Arbeitsgericht insofern zutreffend ausgeführt hat, kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht nur eine erhebliche Vertragsverletzung wie zum Beispiel ein Diebstahl, sondern auch schon der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren Handlung einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB darstellen. Eine Verdachtskündigung liegt vor, wenn und soweit der Arbeitgeber seine Kündigung damit begründet, gerade der Verdacht eines (nicht erwiesenen) strafbaren Verhaltens habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört. Eine Verdachtskündigung ist nur dann zulässig, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, dass für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Dabei ist die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers Wirksamkeitsvoraussetzung der Verdachtskündigung. Die Kündigung verstieße anderenfalls gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie wäre nicht ultima ratio (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. nur BAG 23.06.2009 – 2 AZR 474/07 – EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung, zu Rz 51 m. w. N. aus der Rechtsprechung).

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b) Diese Voraussetzungen der Verdachtskündigung sind vorliegend erfüllt.

aa) Die Beklagte hat vorliegend die Kündigung vom 21. Januar 2009 ausweislich des Kündigungsschreibens auch wegen des Diebstahlverdachts ausgesprochen (vgl. dazu das Kündigungsschreiben in Kopie Bl. 7 – 8 d. A.).

bb) Es liegen starke Verdachtsmomente für einen Diebstahl vor, die sich auf objektive Tatsachen gründen:

(1) Am Freitag, dem 09. Januar 2009, gegen Mittag waren die Messinghalbschalen noch an ihrem Lagerplatz in der Halle Mechanische Werkstatt Sinteranlage im Betrieb der Beklagten. Der Kläger hat diese mehrfach aufgestellte Behauptung der Beklagten unter Zeugenbeweisantritt weder in der ersten noch in der zweiten Instanz bestritten. Sie gilt gem. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden.

(2) Am 09. Januar 2009 fuhr der Kläger um 20.37 Uhr durch das Tor Sinteranlage, welches sich nur 300 Meter von der Halle mit den Messinghalbschalen entfernt befindet, auf das Werksgelände und verließ um 20.49 Uhr das Werksgelände wieder mit seinem Ausweis.

(3) Am Montag, dem 12. Januar 2009 bemerkte die Beklagte den Verlust der Halbschalen und erstattete Anzeige.

(4) Im Rahmen der polizeilichen Ermittlung wurde aus den Unterlagen des Schrotthändlers S. bekannt, dass der Kläger am 12. Januar 2009 die Messinghalbschalen an den Schrotthändler verkauft hat. Eine Besichtigung des Materials ergab, dass es sich um die entwendeten Messinghalbschalen handelte.

cc) Sämtliche Einwendungen, die der Kläger zu seiner Entlastung in der Anhörung und im vorliegenden Prozess vorgebracht hat, sind entweder unglaubhaft, widerlegt worden oder lebensfremd.

(1) Die Behauptung, dass der Kläger am 09. Januar 2009 um 20.37 Uhr eine Rohrzange zurückgebracht habe, die er sich im November 2008 gegen die Vorschriften der Betriebsordnung unbefugt „entliehen“ habe, glaubt die Kammer dem Kläger nach dem gesamten Akteninhalt und der mündlichen Verhandlung vom 12. März 2009 gem. § 286 Abs. 1 ZPO nicht. Die Zange, die die Mitarbeiter in dem vom Kläger bezeichneten Schrank des Gebäudes fanden, aus dem die Messinghalbschalen entwendet wurden, war mit Blick auf den erheblichen Verstaubungsgrad lange Zeit nicht benutzt bzw. berührt worden. Der Kläger hat diese Behauptung der Beklagten im Schriftsatz vom 08. April 2009, S. 4 (Bl. 48 d. A.) nicht bestritten, sie gilt als zugestanden gem. § 138 Abs. 3 ZPO. Dass der Kläger trotzt des Verbots in Ziff. 7.4 der Arbeitsordnung – Aufenthalt im Werk (zum Wortlaut der Ziff. 7.4 vergl. den Schriftsatz vom 25.01.2010, S. 7, Bl. 126 d. A.) -, auf welche er noch im Herbst 2008 im Rahmen einer Belehrung hingewiesen wurde (vgl. den Nachweis der Unterrichtung Bl. 64 d. A., Anl. 9 zum Schriftsatz der Beklagten vom 08.04.2009), außerhalb seiner Arbeitszeit am Freitagabend ins Werk gefahren sein will, um eine Zange zurückzubringen, ist ebenfalls unglaubhaft. Es wäre viel unproblematischer gewesen, die Zange zum Schichtbeginn mitzubringen und dann wieder in den Schrank zu packen.

(2) Die Behauptung, dass er an einem Bandscheibenproblem leidende Kläger die je ca. 80 Kilogramm wiegenden Metallteile nicht habe allein in 12 Minuten in sein Auto habe laden können, glaubt ihm das Gericht. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Kläger sie nicht gestohlen hat. Denn auch nach der Behauptung des Klägers hat er zusammen mit seinem Bekannten die Metallteile vom Zaun des E.-Werks zu seinem Auto getragen. Wenn der Kläger dazu in der Lage war, dann war er auch in der Lage, die Metallteile zusammen mit seinem Bekannten auf dem Werksgelände einzuladen. Dass der Kläger nur alleine auf dem Werksgelände war, wird durch die Torkontrolle nicht bestätigt, die lediglich die Zugangskarte des Klägers elektronisch prüft (s. Anl. 6 zum Schriftsatz vom 08.04.2009, Bl. 61 d. A.).

(3) Die Einlassung des Klägers, wie er an die Messinghalbschalen gelangt sei, ist ebenfalls unglaubhaft und teilweise unwahr. Allein die Schilderung des Geschehens in der Erklärung des später mitverurteilten Herrn K. trägt märchenhafte Züge. Sie belegt aber, dass diese Erklärung vom Kläger dem mitverurteilten Herrn K. vorgelegt wurde und von diesem unterschrieben wurde. Denn es ist anzunehmen, dass Herr K. weiß, wie sein Nachname geschrieben wird, während der Kläger dies offensichtlich nicht wusste, da der Nachname auf der Erklärung vom 02. Februar 2009 durchgestrichen ist und dann auch noch falsch korrigiert wurden, nämlich in „Kr.“, während Herr K. mit „K.“ unterschrieben hat.

(4) Die Messingteile können auch nicht unter dem Schnee gelegen haben. Wie die Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat, hat es in der Zeit vom 07. Januar 2009, 0.00 Uhr, bis 12. Januar 2009, 24.00 Uhr, in E. keinen Niederschlag gegeben, demzufolge auch nicht geschneit (vgl. dazu den nicht bestrittenen Beweisantritt über die Wetteraufzeichnungen der Firma F. im Schriftsatz vom 25.01.2010, S. 11, Bl. 130 d. A.).

(5) Dass der Kläger die Messingteile nicht der Beklagten zuordnen konnte, nimmt das Gericht dem Kläger ebenfalls nicht ab. Zum einen hat auch insofern wieder unwidersprochen und damit gem. § 138 Abs. 3 ZPO zugestanden die Beklagte unter Beweisantritt vorgetragen, dass der Kläger oft Umgang mit den Lagerschalen hatte (Schriftsatz vom 25.01.2010, S. 11, Bl. 130 d. A.). Zum anderen ist es absolut lebensfremd anzunehmen, dass der Kläger als Betriebsschlosser des E.-Stahlwerks am Zaun des Betriebsgeländes 4 Messingschalen findet und nicht auf die Idee kommt, dass diese zum Eigentum der Beklagten gehören könnten, dem einzigen Arbeitgeber in der näheren Umgebung, der diese Metalle in seinen Produktionsprozessen einsetzt (vgl. auch hier wiederum den unwidersprochenen Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 08.04.2009, S. 4, Bl. 48 d. A.).

(6) Endlich ist die Erklärung des Klägers vom 02. Februar 2009, die er nach Meinung des Gerichts aufsetzte und von seinem Bekannten, Herrn . unterschrieben ließ, kriminalpsychologisch interessant und bestätigt den Gesamteindruck, den die Kammer vom Geschehen gewonnen hat. Der Kläger lässt seinen Bekannten erklären, dass sich die beiden Täter entschlossen hätten, die Messinghalbschalen in die „Garage zu bringen und Montag beim Schrotthandel abzugeben“. Der Kläger verdrängt damit ersichtlich seine Erkenntnis, dass er die Schalen, die ihm nicht gehörten, verkauft und damit jedenfalls unterschlagen hat. In seinem Vortrag erster Instanz nimmt der Kläger genau diese Version des „Abgebens“ wieder auf (s. Schriftsatz vom 18.05.2009, S. 3, Bl. 68 d. A.).

dd) Der Kläger ist zu all diesen Verdachtsmomenten im Gespräch vom 16. Januar 2009 angehört worden. Es kommt dabei nicht darauf an, ob der Kläger von sich aus zu diesem Gespräch auf die Beklagte zugegangen ist oder die Beklagte den Kläger zu einem Gespräch geladen hat. Sinn der Anhörung vor einer Verdachtskündigung ist es gerade dann, wenn der Arbeitnehmer wie hier aufgrund der kriminalpolizeilichen Ermittlungen weiß, was ihm vorgeworfen wird, dem Arbeitnehmer Gelegenheit zum Vorbringen der entlastenden Tatsachen und Gesichtspunkte zu geben (vgl. BAG 28.11.2007 – 5 AZR 952/06 – EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 4). Dazu hatte der Kläger am 16. Januar 2009 ausreichend Gelegenheit, die Beklagte hat die vom Kläger vorgebrachten Entlastungsbehauptungen geprüft und für nicht glaubhaft gehalten bzw. sogar als Eingeständnis eines weiteren Diebstahls der Rohrzange (vgl. dazu das dem Betriebsrat als vorgesehene Kündigung verfasste Schreiben vom 20.01.2009, S. 1 Bl. 84 d. A., überreichte Anl. zum Anhörungsschreiben vom selben Tag).

c) Eine Abmahnung anstelle der Kündigung wegen des Verdachts eines Diebstahls von Messinghalbschalen aus dem Werk der Beklagten mit einem Schrottverkaufswert von über 400,00 € bedurfte es nicht. Der Arbeitnehmer muss in einem solchen Fall, der vorliegend zu einer rechtskräftigen Verurteilung wegen Unterschlagen führte, von vornherein wissen, dass der Arbeitgeber ein derartiges Fehlverhalten nicht duldet und missbilligt.

d) Endlich sind auch bei einer abschließenden Interessenabwägung keine Gründe ersichtlich, die gegen die Wirksamkeit der Kündigung sprechen. Zwar ist der Kläger seit dem 01. Januar 1995 im Betrieb der Beklagten tätig. Er ist 2 Kindern im Alter von 14 und 9 Jahren zum Unterhalt verpflichtet. Allerdings wiegt der Verdacht des Diebstahls und die dabei gezeigte kriminelle Energie des Klägers, die angesichts des Gewichts der Metallhalbschalen auch erhebliche körperliche Anstrengungen erforderte, diese Umstände mehr als auf. Der Kläger hat im Übrigen einen anderen Arbeitsplatz gefunden, auf dem er zumindest seit dem 15. Oktober 2009 arbeitet (vgl. die Schreiben des Klägervertreters vom 15.10.2009, Bl. 80 d. A. sowie vom 04.03.2010, Bl. 154 d. A.).

2. Die Beklagte hat die 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten, da sie erst am 12. Januar 2009 den Diebstahl bemerkte, am 13. Januar 2009 vom Verkauf der Messinghalbschalen an den Schrotthändler erfuhr, am 16. Januar 2009 bereits den Kläger anhörte und am 22. Januar 2009 die Kündigung dem Kläger zuging.

3. Die Beklagte hat den bei bestehenden Betriebsrat vor der beabsichtigten Verdachtskündigung ordnungsgemäß gem. § 102 Abs. 1 BetrVG angehört.

a) Nach § 102 Abs. 1 S. 2 BetrVG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Gründe für die Kündigung mitzuteilen, das heißt der Arbeitgeber muss schriftlich oder mündlich den Betriebsrat neben näheren Informationen über die Person des betroffenen Arbeitnehmers die Art und den Zeitpunkt der Kündigung und die seiner Ansicht nach maßgeblichen Kündigungsgründe mitteilen. Der für den Arbeitgeber maßgebende Sachverhalt ist unter Angabe der Tatsachen, aus denen der Kündigungsentschluss hergeleitet wird, näher so zu beschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in die Lage versetzt wird, die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich über eine Stellungnahme schlüssig zu werden. Kommt der Arbeitgeber diesen Anforderungen an seine Mitteilungspflicht nicht oder nicht richtig nach und unterlaufen ihm insoweit bei der Durchführung der Anhörung Fehler, ist die Kündigung unwirksam. Allerdings ist die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers subjektiv determiniert. An sie sind nicht dieselben Anforderungen zu stellen wie an die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozess. Es müssen dem Betriebsrat also nicht alle objektiv kündigungsrechtlich erheblichen Tatsachen, sondern nur die vom Arbeitgeber für die Kündigung als ausschlaggebend angesehenen Umstände mitgeteilt werden (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. nur BAG 23.06.2009, a. a. O., Rz 34 m. w. N. aus der Rechtsprechung).

b) Diesen Maßstäben genügt bereits die schriftliche Anhörung des Betriebsrats, wie sie dem Gericht als Anl. 4 zum Schriftsatz vom 08. April 2009 eingereicht worden ist. Diese Anhörung verweist auf das vorbereitete Kündigungsschreiben vom 20. Januar 2009, welches ebenfalls dem Betriebsrat überreicht wurde (vgl. dazu das Kündigungsschreiben vom 20.01.2009, Bl. 84 f. d. A.). Der Betriebsrat hat mit Schreiben vom 21. Januar 2009 der Kündigung ausdrücklich nicht widersprochen, so dass die Beklagte danach die Kündigung aussprechen konnte. Nach dem Inhalt des Anhörungsschreibens und der vorbereiteten Kündigung vom 20. Januar 2009 wird der Diebstahlsverdacht hinsichtlich der 4 Messinghalbschalen mit seinen objektiven Tatsachen, den Entlastungsbehauptungen des Klägers und der Wertung der Beklagten dem Betriebsrat ausführlich mitgeteilt. Dies reicht aus.

4.) Da das Arbeitsverhältnis zum 22. Januar 2009 durch die außerordentliche Kündigung aufgelöst worden ist, bestand nach den Grundsätzen, die der Große Senat des Bundesarbeitgerichts im Beschluss vom 27. Februar 1985 aufgestellt hat (vgl. BAG – GS 1/84 – BAGE 48,122) kein Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers.

III.

Der Kläger trägt daher die Kosten des Rechtsstreits gem. § 91 Abs. 1 ZPO.

IV.

Für eine Zulassung der Revision bestand kein Anlass.

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