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Drogenkonsum – Fahrerlaubnisentziehung und EU Führerschein

Oberverwaltungsgericht NRW

Az.: 16 B 1610/08

Beschluss vom 12.01.2009

Vorinstanz: Verwaltungsgericht Düsseldorf, Az.: 14 L 1387/08


Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 23. September 2008 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der 1975 in E. geborene Antragsteller gab im Jahr 2001 im Rahmen eines gegen ihn geführten Strafverfahrens wegen des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln an, er habe seit 1994 an Wochenenden Cannabis, Ecstacy und Amphetamin konsumiert. Nachdem er Ende 1995 am Herzen erkrankt sei, habe er nachfolgend den Konsum von Ecstacy und Amphetamin eingestellt, aber weiterhin, bis zum Jahreswechsel 2000/2001, Haschisch und Marihuana geraucht. Eine daraufhin von der seinerzeit zuständigen Fahrerlaubnisbehörde in E. angeordnete medizinisch-psychologische Begutachtung kam zu dem Ergebnis, dass bei dem Antragsteller eine allgemeine Suchtmittelabhängigkeit vorliege. Den vom Antragsteller abgegebenen Erklärungen über eine schrittweise Aufgabe des Rauschmittelkonsums könne nicht gefolgt werden, nachdem eine Anfang 2002 erstellte Haarprobenanalyse positiv für Cannabis, Amphetamin und Kokain gewesen sei. Mit Ordnungsverfügung vom 5. September 2002 entzog die Fahrerlaubnisbehörde der Stadt E. dem Antragsteller die Fahrerlaubnis der Klassen A1, B, BE, C1, C1E, C, CE, L, M und T. Im November 2003 beantragte der Antragsteller die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis, nahm diesen Antrag aber zurück, nachdem die Fahrerlaubnisbehörde eine erneute medizinischpsychologische Untersuchung verlangt hatte. Im August 2005 – zwischenzeitlich war der Antragsteller von E. nach Haan gezogen – erfuhr der nunmehr zuständige Antragsgegner, dass der Antragsteller bei einer Polizeikontrolle eine am 3. Januar 2005 ausgestellte polnische Fahrerlaubnis der Fahrerlaubnisklasse B vorgezeigt hatte, in der als Aufenthaltsort des Antragstellers eine Anschrift in T. genannt war.

Der Antragsgegner wandte sich daraufhin – auch vor dem Hintergrund eines aktuellen Ermittlungsverfahrens wegen BTM-Erwerbs gegen den Antragsteller – an das Kraftfahrt-Bundesamt mit der Bitte, bei der polnischen Fahrerlaubnisbehörde zu erfragen, ob bei der Führerscheinausstellung die vormalige Fahrerlaubnisentziehung und die seinerzeit festgestellte Betäubungsmittelabhängigkeit des Antragstellers bekannt gewesen und ob das Wohnortprinzip sowie ein eventueller Drogenkonsum geprüft worden seien. Aus den vorgelegten Verwaltungsakten geht nicht hervor, dass die Fragen beantwortet worden wären.

Am 19. Dezember 2005 beantragte der Antragsteller wiederum die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis der Klassen CE und C1E. Eine vom Antragsgegner geforderte medizinisch- psychologische Untersuchung am 24. Mai 2006 (Gutachten vom 13. Juni 2006) kam zu dem Ergebnis, dass beim Antragsteller keine Betäubungsmittelabhängigkeit mehr vorliege und auch keine auf den früheren Konsum zurückgehenden Leistungsbeeinträchtigungen erkennbar geworden seien, dass aber auch zukünftig mit einer Kraftfahrzeugbenutzung durch den Antragsteller unter dem Einfluss von Betäubungs- oder Arzneimitteln oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen gerechnet werden müsse. Dem Antragsteller wurden in dem Gutachten Abstinenz von allen Rauschmitteln einschließlich Alkohol sowie regelmäßige Urinuntersuchungen und Leberwertanalysen in den kommenden zwölf Monaten empfohlen. Eine Haarprobenanalyse konnte im Rahmen dieser Untersuchung nicht vorgenommen werden, weil der Antragsteller mit gebleichten Haaren erschienen war. Der Antragsteller nahm daraufhin seinen Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis zurück.

Im Oktober 2007 beantragte der Antragsteller beim Antragsgegner, seinen polnischen Führerschein umzuschreiben. Daraufhin setzte der Antragsgegner den Antragsteller mit Schreiben vom 5. Dezember 2007 davon in Kenntnis, dass bei der Erteilung der polnischen Fahrerlaubnis gegen das Wohnsitzprinzip der 2. Führerscheinrichtlinie (im Folgenden: Richtlinie 91/439/EWG) verstoßen worden sein könnte, weil er seinerzeit seinen Wohnsitz in E. gehabt habe. Ihm wurde Gelegenheit gegeben, einen ordentlichen Wohnsitz in Polen zur Zeit des Führerscheinerwerbs nachzuweisen. Ansonsten müsse ihm das Recht aberkannt werden, von seiner polnischen Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen. Im Übrigen bestehe auch die Möglichkeit, die fortbestehenden Eignungsbedenken durch ein neuerliches medizinisch-psychologisches Gutachten zu zerstreuen. Ein ähnlichlautendes Schreiben des Antragsgegners an den Antragsteller datiert vom 24. Januar 2008. Mit Schreiben vom 19. Juni bzw. 1. Juli 2008 forderte der Antragsgegner den Antragsteller zur medizinischpsychologischen Begutachtung über eine Abhängigkeit bzw. einen Missbrauch von Betäubungs- oder Arzneimitteln auf. Nachdem der Antragsteller hatte mitteilen lassen, dass er sich nicht begutachten lassen wolle, erkannte ihm der Antragsgegner mit Ordnungsverfügung vom 13. August 2008 das Recht ab, von seiner ausländischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, ordnete den Sofortvollzug an und drohte dem Antragsteller für den Fall der nicht fristgerechten Vorlage des polnischen Führerscheins zur Eintragung eines Sperrvermerks ein Zwangsgeld von 500 Euro an.

Am 25. August 2008 hat der Antragsteller gegen die Ordnungsverfügung Klage erhoben und zugleich vorläufigen Rechtsschutz beantragt. Er hat vorgetragen, zur Rechtfertigung der Anordnung der medizinisch-psychologischen Untersuchung und schließlich auch für den Erlass der angefochtenen Ordnungsverfügung greife der Antragsgegner ausschließlich auf Vorgänge zurück, die sich vor der Erteilung der polnischen Fahrerlaubnis Anfang 2005 ereignet hätten. Dies verstoße gegen den europarechtlichen Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung von Fahrerlaubnissen. Soweit sich der Antragsgegner darauf berufe, er, der Antragsteller, habe die polnische Fahrerlaubnis unter Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis erlangt, sei es allein Sache des Ausstellerstaates, geeignete Maßnahmen zu treffen. Dass die zuständige polnische Behörde auf eine Anfrage des Antragsgegners offensichtlich nicht reagiert habe, berechtige den Antragsgegner nicht zu eigenen Maßnahmen. Auch die jüngsten Entscheidungen des EuGH zum sog. Führerscheintourismus änderten daran nichts. Der EuGH betone darin zwar die Bedeutung des Wohnsitzerfordernisses, unterscheide aber danach, woher die Informationen stammten, aus denen sich der Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis ergebe. Voraussetzung für die Befugnis des Aufnahmestaates, einem EU-ausländischen Führerschein die Anerkennung zu versagen, sei es, dass sich der Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis aus dem Führerschein selbst oder anderen vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen ergebe. Vorliegend stütze sich der Antragsgegner demgegenüber ausschließlich auf Erkenntnisse aus deutschen Melderegistern.

Dem Antragsgegner sei es auch verwehrt, auf das Ergebnis der medizinischpsychologischen Untersuchung vom Mai 2006 zurückzugreifen. Es handele sich dabei nicht um berücksichtigungsfähige neue Tatsachen, sondern um eine Wertung, die wesentlich an ein weiter zurückliegendes – vor der Erlangung der polnischen Fahrerlaubnis stattgefundenes – Verhalten anknüpfe. Er, der Antragsteller, sei auch dringend auf die Fahrerlaubnis angewiesen. Er arbeite im landwirtschaftlichen Betrieb seiner Eltern in E. -I. , den er mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht pünktlich erreichen könne. Die Arbeit selbst bestehe darin, Obst und Gemüse aus eigenem Anbau und vom Großmarkt zu auswärtigen Märkten zu bringen. Verschärft habe sich das Problem dadurch, dass sein Vater nach einem Unfall auf unabsehbare Zeit im familiären Betrieb ausfalle. Er, der Antragsteller, nehme im großen und ganzen unauffällig am Straßenverkehr teil. Im Zusammenhang mit Drogen oder Alkohol sei er noch nie im Straßenverkehr in Erscheinung getreten.

Der Antragsteller hat sinngemäß beantragt,

die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen bzw. – hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung – anzuordnen.

Der Antragsgegner hat beantragt,

den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzulehnen.

Er hat vorgetragen, er sei befugt gewesen, dem Antragsteller vor der Umschreibung seiner polnischen Fahrerlaubnis eine erneute Begutachtung aufzugeben, nachdem das Vorgutachten im Jahr 2006 eine fortgeschrittene Drogenproblematik festgestellt hatte. Europarecht habe dem nicht entgegengestanden, weil Umstände nach dem Erwerb der ausländischen Fahrerlaubnis, also auch das Gutachten aus dem Jahr 2006, berücksichtigt werden dürften. Nach der Verweigerung eines erneuten Gutachtens habe er, der Antragsgegner, auf die fortbestehende Fahrungeeignetheit des Antragstellers schließen dürfen. Angesichts der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Ordnungsverfügung und der erheblichen Gefährdungen des Straßenverkehrs, die aus den Fahreignungsmängeln des Antragstellers resultierten, überwiege auch das öffentliche Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers.

Das Verwaltungsgericht hat die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt.

Die angegriffene Ordnungsverfügung des Antragsgegners sei nicht offensichtlich rechtswidrig, und im Übrigen überwiege das öffentliche Interesse an der Vollziehung der Ordnungsverfügung das Aufschubinteresse des Antragstellers.

Der Antragsgegner gehe zu Recht davon aus, dass der Antragsteller zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet sei. Der Antragsgegner dürfe insoweit auch weiterhin Umstände vor der Erteilung der polnischen Fahrerlaubnis berücksichtigen, weil der Antragsteller diese Fahrerlaubnis unter missbräuchlicher Inanspruchnahme europarechtlicher Freizügigkeitsverbürgungen erworben habe.

Die neuere Rechtsprechung des EuGH verdeutliche, dass dem Wohnsitzerfordernis für die Gewährleistung der Sicherheit des Straßenverkehrs besondere Bedeutung zukomme. Nach dieser Rechtsprechung trete der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung von Fahrerlaubnissen zurück, wenn ein Verstoß gegen die Wohnsitzvoraussetzung offensichtlich sei. Eine solche Offensichtlichkeit liege außer in dem Fall unzweifelhafter Verlautbarungen des Ausstellerstaates auch dann vor, wenn wie vorliegend nicht einmal der Fahrerlaubnisinhaber selbst einen ordentlichen Wohnsitz im Ausstellerstaat behaupte bzw. konkrete Angaben dazu machen könne. Außerdem beinhalte das medizinisch-psychologische Gutachten vom Mai 2006 neue, der Erteilung des ausländischen Führerscheins zeitlich nachgelagerte Erkenntnisse über die Fahreignung des Antragstellers, die nach der Rechtsprechung des EuGH zur Nichtanerkennung der ausländischen Fahrerlaubnis berechtigten. Mit der Beschwerde vertritt der Antragsteller im wesentlichen die Auffassung, nach dem europäischen Führerscheinrecht, wie es der EuGH deute, dürfe von einem Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis nur ausgegangen werden, wenn dieser Verstoß aus dem Führerscheindokument selbst oder aus einer anderen vom Ausstellerstaat herrührenden Information zweifelsfrei hervorgehe. Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Ausweitung der Nachweistatsachen lasse sich mit der EuGH-Rechtsprechung nicht vereinbaren. Außerdem dürfe eine von den Feststellungen des Ausstellerstaates abweichende Einschätzung der Fahreignung nur auf ein Verhalten des Fahrerlaubnisinhabers nach der Ausstellung des ausländischen Führerscheins gestützt werden, nicht aber wie vorliegend auf eine bloße gutachterliche Neubewertung alter Tatsachen.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 23. September 2008 zu ändern und die aufschiebende Wirkung seiner Klage 14 K 5968/08 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 13. August 2008 wiederherzustellen bzw. im Hinblick auf die Zwangsgeldandrohung anzuordnen.

Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,

die Beschwerde zurückzuweisen.

II.

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die dargelegten Gründe beschränkte Überprüfung durch den Senat führt zu keinem für den Antragsteller günstigeren Ergebnis. Die auf § 80 Abs. 5 VwGO gestützte Abwägung zwischen den beteiligten persönlichen und öffentlichen Interessen fällt zulasten des Antragstellers aus.

Die Klage des Antragstellers wird aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben. Die angefochtene Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 13. August 2008 ist offensichtlich rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten.

Der Senat ist in vergleichbaren Fällen des sog. Führerscheintourismus bislang in ständiger Rechtsprechung von offenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache ausgegangen und hat eine sog. reine Interessenabwägung vorgenommen, die in der Regel zum Nachteil des jeweiligen Antragstellers ausfiel, wenn nichts Überzeugendes für die Wiedererlangung der vormals entfallenen Fahreignung durch den Inhaber der ausländischen Fahrerlaubnis sprach.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 4. November 2005 – 16 B 736/05 -, DAR 2006, 43 = NWVBl. 2006, 103 = BA 2006, 333, vom 13. September 2006 – 16 B 989/06 -, Blutalkohol 43 (2006), 507 = VRS 111 (2006), 466, und vom 23. Februar 2007 – 16 B 178/07 -, NZV 2007, 266 = Blutalkohol 44 (2007), 265 = NWVBl. 2007, 346.

Aus den jüngsten Entscheidungen des EuGH zur wechselseitigen Anerkennung von Fahrerlaubnissen in der Europäischen Gemeinschaft EuGH, Urteile vom 26. Juni 2008 – C 329/06 und C-343/06 (Wiedemann u.a.) -, NJW 2008, 2403 = Blutalkohol 45 (2008), 225 = DÖV 2008, 723, und C-334/06 bis C-336/06 (Zerche u.a.), DAR 2008, 459 folgert der Senat nunmehr, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis in derartigen Fällen und so auch im Fall des Antragstellers sogar offensichtlich rechtmäßig ist.

Die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung des Antragsgegners ist zunächst nicht deshalb in Frage gestellt, weil es ihr gleichsam an einem Bezugsobjekt, das heißt einer im Inland gültigen ausländischen Fahrerlaubnis, mangelte.

So ausweislich der Pressemitteilung Nr. 83/2008 zumindest im Ergebnis auch BVerwG, Urteile vom 11. Dezember 2008 – 3 C 26.07 und 3 C 38.07 -, veröffentlicht unter www.bundesverwaltungsgericht.de.

Die Bestimmung des § 28 Abs. 4 FeV, nach der die Berechtigung für Inhaber einer gültigen EU- oder EWR-Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen in der Bundesrepublik Deutschland unter anderem dann nicht gilt, wenn der Inhaber zum Zeitpunkt der Erteilung der ausländischen Fahrerlaubnis seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hatte (Nr. 2) oder wenn ihm zuvor im Inland eine Fahrerlaubnis von einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde entzogen worden ist (Nr. 3), ist nicht anwendbar.

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Anderer Ansicht aber Bayerischer VGH, Beschluss vom 7. August 2008 – 11 ZB 07.1259 -, Juris, sowie VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. Juli 2008 – 10 S 1688/08 -, DAR 2008, 599 = Blutalkohol 45 (2008), 328, und Urteil vom 9. September 2008 – 10 S 994/07 -, DAR 2008, 660.

Die genannte Vorschrift ist nicht mit der vorliegend noch anzuwendenden Richtlinie 91/439/EWG vereinbar. Nach der für die Auslegung der Richtlinie maßgebenden Rechtsprechung des EuGH folgt aus dem Anerkennungsgrundsatz in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG eine klare und unbedingte Verpflichtung zur Anerkennung (EU- bzw. EWR-)ausländischer Fahrerlaubnisse ohne jede Formalität.

Vgl. etwa EuGH, Urteile vom 29. April 2004 – C-476/01 (Kapper) -, NJW 2004, 1725 = DAR 2004, 333 = NZV 2004, 373, und vom 26. Juni 2008 – C 329/06 und C-343/06 (Wiedemann u.a.) sowie C-334/06 bis C-336/06 (Zerche u.a.) -, jeweils aaO.

Diesem Geltungsanspruch wird nicht schon dadurch genügt, dass § 28 Abs. 5 FeV ein Antragsverfahren vorsieht und damit nach der Beseitigung der Gründe für die vormalige Fahrerlaubnisentziehung die Wiedererlangung des Rechts ermöglicht, von der ausländischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen. Denn dieses Antragsverfahren beruht gerade darauf, dass ausländischen Fahrerlaubnissen zunächst die Geltung abgesprochen wird, und stellt sich mithin als die Art von „Formalität“ dar, die dem vom EuGH geforderten Anerkennungsautomatismus zuwiderläuft.

Vgl. EuGH, Urteile vom 26. Juni 2008 – C 329/06 und C-343/06 (Wiedemann u.a.) – , Rn. 61 f., sowie C-334/06 bis C-336/06 (Zerche u.a.), Rn. 58 f., jeweils aaO.; ähnlich auch schon Otte/Kühner, NZV 2004, 321 (328).

Nichts anderes folgt daraus, dass der Anerkennungsgrundsatz auch nach der Rechtsprechung des EuGH nicht unumschränkt gilt, sondern Ausnahmen für die Fälle des Missachtens einer inländischen Sperrfrist für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis

vgl. EuGH, Urteile vom 29. April 2004 – C-476/01 (Kapper) -, aaO., und vom 26. Juni 2008 – C 329/06 und C-343/06 (Wiedemann u.a.) -, Rn. 65, sowie C-334/06 bis C-336/06 (Zerche u.a.), Rn. 62, jeweils aaO.; Beschluss vom 3. Juli 2008 – C- 225/07 (Möginger) -, DAR 2008, 582 = Blutalkohol 45 (2008), 383

sowie für das Vorhandensein zweifelsfreier Hinweise auf einen Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis

vgl. EuGH, Urteile vom 26. Juni 2008 – C 329/06 und C-343/06 (Wiedemann u.a.) -, Rn. 64 ff., sowie C-334/06 bis C-336/06 (Zerche u.a.), Rn. 67 ff., jeweils aaO.

bestehen. Die angeführten Ausnahmen lassen sich nur durch eine Prüfung im Einzelfall feststellen. In deren Rahmen muss auch ermittelt werden, ob der Inhaber der ausländischen Fahrerlaubnis zwischenzeitlich seine Fahreignung wiedererlangt hat. Eine fortdauernde Versagung der Anerkennung der ausländischen Fahrerlaubnis stößt im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auf Bedenken, wenn – etwa durch die in solchen Fällen regelmäßig veranlasste aktuelle medizinisch-psychologische Untersuchung – zutage tritt, dass die vormaligen Fahreignungszweifel gegen den Inhaber der ausländischen Fahrerlaubnis nicht mehr begründet sind. Das Erfordernis einer solchen einzelfallbezogenen Prüfung, deren Ergebnis nicht stets von vornherein abschätzbar ist, schließt es aus, die Ablehnung der Anerkennung eines von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft ausgestellten Führerscheins – und damit auch die Erfüllung jedenfalls des objektiven Straftatbestandes des Fahrens ohne Fahrerlaubnis (§ 21a StVG) – allein auf eine abstrakt- generelle Rechtsnorm wie § 28 Abs. 4 FeV zu gründen. Anderenfalls bliebe die Geltung der ausländischen Fahrerlaubnis in der Schwebe, bis eine ihre Gültigkeit auch im Inland bestätigende oder versagende Einzelfallentscheidung getroffen worden ist. Für den Betroffenen würde sich gegebenenfalls erst geraume Zeit nach dem Erwerb der ausländischen Fahrerlaubnis herausstellen, dass dieser von Anfang an keine Wirkung für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zukam. Eine derartige Rechtsunsicherheit wäre weder mit rechtsstaatlichen Erwägungen noch mit den Intentionen bei der Schaffung europaweit geltender Fahrerlaubnisse zu vereinbaren, zumal einem solchen Rechtsverständnis kein Zuwachs an Verkehrssicherheit gegenüberstünde.

Ermächtigungsgrundlage für die Entziehung der polnischen Fahrerlaubnis des Antragstellers sind die §§ 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und 46 Abs. 1 Satz 1 FeV. Nach diesen Vorschriften hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere, wenn bei dem Betreffenden Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV vorliegen. Eine solche Entziehung hat nach den §§ 3 Abs. 1 Satz 2 StVG, 46 Abs. 5 Satz 2 FeV bei ausländischen Fahrerlaubnissen zur Folge, dass das Recht erlischt, von diesen im Inland Gebrauch zu machen. Dass die Voraussetzungen des nationalen Rechts für eine Entziehung der Fahrerlaubnis im Fall des Antragstellers vorliegen, unterliegt keinen Zweifeln und wird auch mit der Beschwerde nicht in Abrede gestellt.

Der Anwendung dieser nationalen Vorschriften auf den Fall des Antragstellers steht Europäisches Gemeinschaftsrecht, namentlich die Richtlinie 91/439/EWG, nicht entgegen. Dabei lässt der Senat dahinstehen, ob ein Fall vorliegt, in dem auch nach der Rechtsprechung des EuGH vom so bezeichneten Aufnahmestaat eine Maßnahme nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG („Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung“) im Hinblick auf eine in einem anderen Mitgliedstaat erteilte Fahrerlaubnis getroffen werden darf. Diese Befugnis setzt ein Verhalten des Fahrerlaubnisinhabers nach der Ausstellung des ausländischen Führerscheins voraus.

Vgl. zuletzt EuGH, Urteile vom 26. Juni 2008 – C 329/06 und C-343/06 (Wiedemann u.a.) -, Rn. 59 und 66, sowie C-334/06 bis C-336/06 (Zerche u.a.), Rn. 56 und 63, jeweils aaO.

Anknüpfungspunkt für ein solches Verhalten des Antragstellers könnten hier das negative Ergebnis seiner nach der Erteilung der ausländischen Fahrerlaubnis vorgenommenen medizinisch-psychologischen Begutachtung vom Mai 2006 sowie einzelne darin enthaltene Zustandsbeschreibungen sein. Zweifel, ob dies Maßnahmen des Abs. 2 des Art. 8 der Richtlinie 91/439/EWG des „Aufnahmestaates“ rechtfertigt, sind mit Blick auf die Wortwahl des EuGH angezeigt. Die Wörter „Verhalten“ bzw. englisch „conduct“ und französisch „comportement“ deuten eher auf ein aktuelles Tun denn auf einen fortbestehenden Zustand hin. Gegen ein solches enges Begriffsverständnis spricht aber, dass viele Eignungsmängel – insbesondere gesundheitlich bedingte Minderungen der Fahrtauglichkeit – typischerweise nicht verhaltensbezogen sind und dass zuweilen auch Eignungsmängel wie etwa eine Alkoholproblematik sowohl Verhaltenselemente (häufiger übermäßiger Konsum, mangelnde Trennung vom Führen von Kraftfahrzeugen) als auch Zustandselemente (Abhängigkeit, dauerhafte alkoholtoxische Leistungseinbußen) aufweisen, die nicht isoliert betrachtet werden können.

Unabhängig davon war der Antragsgegner jedenfalls nicht gehindert, auf der europarechtlichen Grundlage des Abs. 4 des Art. 8 Richtlinie 91/439/EWG dem Antragsteller die Befugnis abzuerkennen, von seiner polnischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen. Nach der genannten Bestimmung kann es die Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedstaat, in dem der Antragsteller seinen ständigen Wohnsitz hat, ablehnen, die Gültigkeit eines Führerscheins anzuerkennen, der von einem anderen Mitgliedstaat einer Person ausgestellt wurde, gegen die zuvor in Deutschland eine Maßnahme nach Art. 8 Abs. 2 Richtlinie 91/439/EWG („Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung der Fahrerlaubnis“) angewandt wurde.

Die Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 4 Richtlinie 91/439/EWG für eine solche Ablehnung liegen vor, da dem Antragsteller durch Ordnungsverfügung des Oberbürgermeisters der Stadt E. vom 5. September 2002 die Fahrerlaubnis entzogen worden war und nachfolgende Bemühungen des Antragstellers um eine Neuerteilung in Deutschland zu Recht ohne Erfolg geblieben sind.

Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist nicht aufgrund der vom EuGH in ständiger Rechtsprechung vorgegebenen engen Auslegung von Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 91/439/EWG unzulässig. Der EuGH hat insoweit nach Jahren der Rechtsunsicherheit und unter teilweiser Abkehr von seiner vormaligen Rechtsprechung klargestellt, dass das Wohnsitzerfordernis nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 91/439/EWG (auch) die Funktion hat, den verbreiteten sog. Führerscheintourismus zu bekämpfen, und dass die Sicherheit des Straßenverkehrs gefährdet werden könnte, wenn die Wohnsitzvoraussetzung in Bezug auf eine Person, auf die vormals eine Maßnahme nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG angewandt worden ist, nicht beachtet würde.

Vgl. EuGH, Urteile vom 26. Juni 2008 – C 329/06 und C-343/06 (Wiedemann u.a.) -, Rn. 69 und 71, sowie C-334/06 bis C-336/06 (Zerche u.a.), Rn. 66 und 68, jeweils aaO.; enger noch Urteil vom 29. April 2004 – C-476/01 (Kapper) -, aaO.

Die oben genannten Vorabentscheidungsverfahren betrafen jeweils tschechische Fahrerlaubnisse und waren jedenfalls in der Mehrzahl dadurch geprägt, dass dieser Ausstellerstaat zumindest bis zum Sommer 2006 das Wohnsitzerfordernis nicht geprüft und in die Kartenführerscheine den deutschen Wohnsitz der Führerscheinerwerber eingetragen hat. Der EuGH hat – unter nochmaliger Betonung der grundsätzlichen Anerkennungspflicht – entschieden, dass die Bestimmungen der Richtlinie 91/439/EWG einen Mitgliedstaat nicht zur

Anerkennung einer ausländischen Fahrerlaubnis verpflichten, wenn auf der Grundlage von Angaben im Führerschein oder anderen vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen feststeht, dass zum Zeitpunkt der Ausstellung dieses Führerscheins dessen Inhaber, auf den im Hoheitsgebiet des ersten Mitgliedstaates eine Maßnahme des Entzugs einer früheren Fahrerlaubnis angewendet worden ist, seinen ordentlichen Wohnsitz nicht im Hoheitsgebiet des Ausstellermitgliedstaates hatte.

Das gleiche gilt zur Überzeugung des Senats jedenfalls auch dann, wenn aufgrund eines Eingeständnisses des Fahrerlaubnisinhabers oder aufgrund von ihm als eigene Verlautbarung zurechenbarer und trotz Kenntnis der Problemlage nicht substanziiert bestrittener Angaben mit derselben Sicherheit wie in den vom EuGH jüngst entschiedenen Fällen auf einen Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 91/439/EWG geschlossen werden kann.

Diese Überzeugung wird durch die jüngsten Entscheidungen des EuGH getragen. Wenn überhaupt, können Zweifel nur wegen einer – allerdings nicht in den abschließenden Tenor übernommenen – Formulierung in den Gründen der Urteile vom 26. Juni 2008 (Rn. 72 der Rechtssache X. u.a., bzw. Rn. 69 der Rechtssache A. u.a.) aufkommen. So hat der EuGH ausgeführt, der sog. Aufnahmemitgliedstaat sei zu fahrerlaubnisrechtlichen Maßnahmen berechtigt, wenn ein Verstoß gegen die Wohnsitzvoraussetzung „zwar nicht anhand von vom Aufnahmemitgliedstaat stammenden Informationen, aber auf der Grundlage von Angaben im Führerschein selbst oder anderen vom Ausstellerstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen“ festzustellen sei. Dies kann so verstanden werden, dass Grundlage einer die Geltung der Fahrerlaubnis verneinenden Entscheidung des sog. Aufnahmemitgliedstaates nur vom Ausstellerstaat herrührende Informationen sein dürfen, nicht aber sonstige Informationen, auch wenn sie zu demselben klaren Schluss auf einen Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis führen. Ein derart enges Verständnis der Entscheidungsgründe würde aber nur dem Umstand Rechnung tragen, dass der EuGH die von ihm entschiedenen Verfahren als Ausschnitt einer Gruppe von Verfahren ansieht, in denen sich die Verletzung des Wohnsitzprinzips auf der Grundlage von vom Ausstellerstaat herrührenden Informationen ergibt. Als weiteres Kriterium hat der EuGH jedoch die „Unbestreitbarkeit“ der Informationen

als maßgeblich erachtet. Er hat dieses Kriterium nicht etwa als nachrangig im Verhältnis zur Herkunft der Informationen aus dem Ausstellerstaat angesehen. In Konsequenz daraus müssen aber auch bzw. erst Recht bestimmte „unbestrittene“ Informationen verwertet werden dürfen, um einen Wohnsitzverstoß festzustellen.

Das sind jedenfalls vom Inhaber der ausländischen Fahrerlaubnis zugestandene oder ihm als eigene Verlautbarung zurechenbare und trotz Kenntnis der Problemlage von ihm nicht substanziiert bestrittene Angaben.

Ähnlich VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 16. September 2008 – 10 S 2925/06 -, Juris, für den Fall, dass auch dem Ausstellerstaat die vom Betroffenen angegebenen, gegen die Einhaltung des Wohnsitzerfordernisses sprechenden Erkenntnisse vorgelegen haben bzw. ihm bekannt waren oder bei ordnungsgemäßer Prüfung hätten bekannt sein müssen; vgl. auch den Vorlagebeschluss des VGH Baden-Württemberg vom 23. September 2008 – 10 S 1037/08 -, Juris; VG Kassel, Urteil vom 3. November 2008 – 2 K 991/08.KS -, veröffentlicht unter www.fahrerlaubnisrecht.de; in erster Linie auf die Einlassungen des Fahrerlaubnisinhabers stellt auch der BGH im Urteil vom 11. September 2008 – III ZR 212/07 -, NJW 2008, 3558 = Blutalkohol 45 (2008), 395, ab; anderer Ansicht OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 31. Oktober 2008 – 10 A 10851/08 -, Juris.

Es gibt keinen Grund, in Fällen offenkundiger Verstöße gegen die Wohnsitzvoraussetzung danach zu differenzieren, ob sich die Offenkundigkeit aus einem Dokument des Ausstellerstaates oder aus Verlautbarungen oder Verhaltensweisen des Fahrerlaubnisinhabers ergibt. Das Wohnsitzerfordernis und seine strikte Beachtung tragen mangels einer vollständigen Harmonisierung der materiellen Bestimmungen über die Fahrerlaubniserteilung zur Bekämpfung des auch vom EuGH als Missstand wahrgenommenen Führerscheintourismus bei. Der EuGH weist in diesem Zusammenhang unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Generalanwalts in dessen Schlussanträgen ausdrücklich auf die Bedeutung des Wohnsitzerfordernisses für die Einhaltung der materiellen Standards bei der Führerscheinausstellung und damit für die Sicherheit des Straßenverkehrs hin.

Dem ist einschränkungslos beizupflichten. Die in Rede stehenden Rechtsgüter – nicht nur das Abstraktum „Sicherheit des Straßenverkehrs“, sondern Leib, Leben und Gesundheit einer nicht eingrenzbaren Vielzahl anderer Verkehrsteilnehmer – sind so gewichtig, dass in derartigen Fällen der Anerkennungsgrundsatz nach Art. 1 Abs. 2 Richtlinie 91/439/EWG dahinter zurücktritt. Der unabdingbare Schutz dieser Rechtsgüter schließt es aber auch aus, bei jeweils übereinstimmendem Gefährdungspotenzial Zufälligkeiten wie der Herkunft der Informationen, aus denen zweifelsfrei die Europarechtswidrigkeit der ausländischen Fahrerlaubnis folgt, entscheidenden Raum zu geben. Die individuelle Schutzwürdigkeit von „Führerscheintouristen“, die einen Scheinwohnsitz angeben und insoweit die ausländischen Fahrerlaubnisbehörden täuschen, ist nicht höher, sondern im Gegenteil geringer als die derjenigen Fahrerlaubnisbewerber, die wie die Kläger der Ausgangsverfahren zu den EuGH-Urteilen vom 26. Juni 2008 im Hinblick auf den Wohnsitz ehrlich gegenüber den ausländischen Behörden waren und deshalb (nur) einen Führerschein mit deutscher Wohnsitzangabe erhalten haben. Belange des Schutzes der Freizügigkeit von Unionsbürgern stehen ohnehin nicht zur Diskussion, wenn sich die Beziehungen des Betroffenen zum Ausstellerstaat auf die Schaffung eines Scheinwohnsitzes und die Erlangung einer europarechtswidrigen Fahrerlaubnis beschränkt haben. Schließlich vermag auch der dem Anerkennungsgrundsatz des Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG innewohnende Aspekt der gegenseitigen Respektierung von Rechtsakten anderer Mitgliedstaaten keine Differenzierung nach den für den unbestreitbaren Nachweis des Verstoßes gegen das Wohnsitzerfordernis heranzuziehenden Beweistatsachen oder Beweismitteln zu rechtfertigen. Denn der EuGH hat in den Urteilen vom 26. Juni 2008 zugelassen, dass die jeweiligen Fahrerlaubnisse wegen ihres rechtsfehlerhaften Zustandekommens aberkannt werden können; mit anderen Worten durfte die räumliche Geltung ausländischer Fahrerlaubnisse beschränkt werden, weil die betreffenden ausländischen Behörden das europäische Führerscheinrecht unrichtig angewandt hatten. Im Vergleich zu einem solchen Verdikt der flagranten Missachtung des Europarechts greift eine nachträgliche Geltungsbeschränkung von Fahrerlaubnissen weniger empfindlich in die Befugnisse und Verantwortlichkeiten des Ausstellerstaates ein, wenn dessen Fahrerlaubnisbehörde vom betreffenden Fahrerlaubnisbewerber über dessen Aufenthaltsverhältnisse getäuscht worden ist und davon ausgegangen werden kann, dass die Behörde ohne diese Täuschung selbst von der Fahrerlaubniserteilung Abstand genommen hätte.

Im Falle des Antragstellers liegt der Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis aufgrund eigener Einlassungen bzw. eigenen Verhaltens deutlich zutage. Der Antragsgegner hat den Antragsteller im Verwaltungsverfahren mit Schreiben vom 5. Dezember 2007 zunächst mit dem Verdacht eines solchen Verstoßes konfrontiert und um nähere Darlegungen gebeten. Darauf ließ der Antragsteller durch seinen Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 10. Januar 2008 antworten, er „stelle anheim, über das KBA eine entsprechende Mitteilung an den Ausstellerstaat zu machen“. Damit hat er zugestanden, dass ein polnischer Wohnsitz nie bestanden hat. Überdies hat der Antragsteller weder auf die genannte Anfrage vom 5. Dezember 2007 noch auf ein weiteres Schreiben des Antragsgegners vom 24. Januar 2008 hin auch nur ansatzweise substanziiert, dass er sich über einen längeren Zeitraum als für den Erwerb der Fahrerlaubnis erforderlich in Polen aufgehalten hätte. Auch im gerichtlichen Verfahren hat der Antragsteller zu keinem Zeitpunkt einen solchen Aufenthalt behauptet, geschweige denn nähere Angaben hierzu gemacht. Schließlich sind dem Antragsteller auch die melderechtlichen Erkenntnisse, die ganz wesentlich auf seinen eigenen Angaben gegenüber den Meldebehörden beruhen und ihm daher zuzurechnen sind, entgegenzuhalten. Sie schließen einen anderen Wohnsitz des Antragstellers als den in E. und später in H. aus. Der lediglich kurze Polenaufenthalt des Antragstellers beim Erwerb des Führerscheins kann – neben dem fortwährenden Wohnsitz in Deutschland – keinen weiteren den Anforderungen der Richtlinie 91/439/EWG genügenden Wohnsitz in Polen begründen. Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 91/439/EWG präzisiert den Begriff des ordentlichen Wohnsitzes dahingehend, dass er während mindestens 185 Tagen im Jahr – also mehr als der Hälfte des Jahres – bestehen muss. Daraus folgt, dass die innereuropäische Zuständigkeit für die Erteilung von Fahrerlaubnissen jeweils nur einem Staat zukommen kann und keine konkurrierenden Zuständigkeiten anerkannt werden.

Dem entspricht, dass nach Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 91/439/EWG jede Person nur Inhaber eines einzigen von einem Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins sein kann.

Es ist schließlich nichts dafür ersichtlich, dass der Antragsteller inzwischen seine Fahreignung wiedererlangt hat. Dagegen spricht bereits die für den Antragsteller negative Begutachtung vom Mai 2006. Neuere Nachweise, die eine stabile und von einer entsprechenden dauerhaften Motivation getragene Drogenabstinenz belegen, sind nicht ersichtlich. Zu zusätzlichen Zweifeln trägt bei, dass der Antragsteller zu der medizinisch- psychologischen Begutachtung im Mai 2006 mit gebleichten Haaren erschienen ist und deshalb keine Haaranalyse durchgeführt werden konnte. Dieser Umstand hat vor dem Hintergrund besonderes Gewicht, dass dem Antragsteller bei einer früheren medizinisch- psychologischen Untersuchung im Dezember 2001 (Gutachten vom 7. Februar 2002) der fortgesetzte Konsum verschiedenster Drogen nur durch eine Haaranalyse hatte nachgewiesen werden können, nachdem er bei der Befragung mit einiger Überzeugungskraft vorgegeben hatte, seinen Drogenkonsum schrittweise eingestellt zu haben.

Erweist sich mithin die angefochtene Ordnungsverfügung als offensichtlich rechtmäßig, führt die vom Senat vorzunehmende Interessenabwägung zu einem eindeutigen Überwiegen der öffentlichen Belange. Die sofortige Vollziehung des angefochtenen Bescheids dient, wie ausgeführt, dem überragenden Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit des Straßenverkehrs und dem Schutz höchstrangiger Rechtsgüter anderer Verkehrsteilnehmer. Demgegenüber muss das private Interesse des Antragstellers, vorläufig am motorisierten Straßenverkehr teilnehmen zu können, zurückstehen, zumal er den ihm im medizinischpsychologischen Gutachten vom 13. Juni 2006 gegebenen Empfehlungen zum Nachweis einer (weiteren) Abstinenz nicht Folge geleistet hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 2 sowie 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

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