„Unterhaltspflichtige Kinder können sich bei guten Einkommensverhältnissen nicht auf vollen Selbstbehalt berufen!“
BGH
Az.: XII ZR 69/01
Urteil vom 14.01.2004
Leitsatz – nicht amtlich:
Finanziell leistungsfähige Kinder sind gegenüber ihren bedürftigen Eltern zum Unterhalt verpflichtet. Bei der Höhe des einzusetzenden Einkommens bleibt eine Steuerbelastung des Kindes auf Grund der Wahl der Lohnsteuerklasse V unberücksichtigt. Anstatt dessen ist die Höhe des Einkommens des Kindes unter Berücksichtigung der Lohnsteuerklasse I zu schätzen.
Wenn ein unterhaltspflichtiges Kind im Verhältnis zu seinem Ehegatten (dieser hatte im Fall Lohnsteuerklasse III) die ungünstigere Lohnsteuerklasse V wählt, ist die damit verbundene Verschiebung der Steuerbelastung auf ihn durch einen richterlich zu schätzenden Abschlag von der entrichteten Lohnsteuer zu korrigieren. Dies geschieht in der Art und Weise, dass man von einer Besteuerung nach Lohnsteuerklasse I ausgeht und sich so das bei der Unterhaltsberechnung anzusetzende Einkommen erhöht. Im vorliegenden Fall wurde so das Einkommen der unterhaltspflichtigen Tochter von 1.800 bis 1.900 DM netto auf 2.422 DM erhöht. Bei einem damaligen Selbstbehalt vom Einkommen in Höhe von 2.250 DM monatlich konnte sie mithin 172 DM für den Unterhalt der Mutter zahlen.
Die Leistungsfähigkeit eines Unterhaltspflichtigen ist jedoch nicht unbedingt auf den übersteigenden Teil seines (angemessenen) Selbstbehalts beschränkt. Der Selbstbehalt kann nämlich bereits dadurch gewahrt sein, daß der Unterhaltspflichtige im Rahmen des Familienunterhalts sein Auskommen findet (durch das Einkommen des Ehegatten). Wird das Einkommen des Unterhaltspflichtigen nicht zum angemessenen Familienunterhalt benötigt, so steht es dem Unterhaltspflichtigen selbst zur Verfügung. Dieses kann dann für Unterhaltszwecke eingesetzt werden, sofern der angemessene Selbstbehalt gewahrt ist.
Der Unterhaltspflichtige muss nur soviel zum Familienunterhalt beitragen, wie es dem Verhältnis der beiderseitigen Einkünfte entspricht.
Es muss daher zunächst immer geprüft werden, wie der angemessene Familienunterhalt der zu bemessen ist, und zum anderen, inwieweit der Unterhaltspflichtige hierzu beizutragen hat. Soweit das Einkommen eines Ehegatten aber nicht in den Familienunterhalt fließt, sondern einer Vermögensbildung zugeführt wird (dies sind im Bundesdurchschnitt ca. 10 % des Einkommens), steht es grundsätzlich für Unterhaltszwecke zur Verfügung.