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Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten als Verzugsschaden

LG Oldenburg, Az.: 5 S 445/16, Urteil vom 08.03.2017

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 03.08.2016 verkündete Urteil des Amtsgerichtes Vechta zum Geschäftszeichen 11 C 803/15 abgeändert und der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 70,20 € zu zahlen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreites.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 70,20 € festgesetzt.

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Beklagten mit Versäumnisurteil zur Zahlung von rückständiger Vergütung aus einem Fitnessstudio-Vertrag antragsgemäß verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage hinsichtlich der Nebenkosten abgewiesen.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 17.08.2016 zugestellte Urteil des Amtsgerichts Vechta mit am 16.09.2016 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese Berufung mit bei Gericht am 17.11.2016 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihren Antrag auf Zahlung vorgerichtlicher Inkassokosten in Höhe von 70,20 € weiter.

Sie ist der Ansicht, die vorgerichtliche Beauftragung eines Inkassounternehmens stelle nach Verzugseintritt eine sachgerechte Rechtsverfolgungsmaßnahme dar. Auch in rechtlich einfach gelagerten Fällen könne ein umfassendes außergerichtliches Inkassomandat mit der Folge erteilt werden, dass der Gläubiger die Erstattung der Inkassokosten als Verzugsschaden verlangen könne.

Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten als Verzugsschaden
Symbolfoto: marchmeena/Bigstock

Das gelte insbesondere auch dann, wenn der Schuldner auf Mahnungen nicht reagiere. Die Beauftragung zu einer solchen außergerichtlichen Vertretung sei demnach erforderlich und zweckmäßig. Auch daraus, dass das Inkassounternehmen erfolgreich eine Teilsumme in Höhe von 270,00 € vom Beklagten habe einziehen können – was unstreitig ist -, ergebe sich, dass dies die sachgerechte Maßnahme gewesen sei, um den Beklagten zu einer Zahlung zu bewegen.

Hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit vorgerichtlicher Kosten könne auch nicht zwischen der Vertretung durch einen Rechtsanwalt oder einem Inkassounternehmen differenziert werden. Solange keine Anhaltspunkte dafür vorhanden seien, dass ein Gerichtsverfahren unausweichlich oder der Schuldner zahlungsunfähig sei, sei es einem Gläubiger auch nicht verwehrt, außergerichtlich ein Inkassounternehmen zu beauftragen.

Das Inkassounternehmen habe auch nicht lediglich ein einfaches Mahnschreiben verfasst. Vielmehr habe es sich durch mehrfache Schreiben eingehend mit den Einwänden des Beklagten auseinandergesetzt, was den Anspruch auch der Höhe nach rechtfertige.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Vechta vom 03.08.2016 teilweise aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin weitere 70,20 € zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, nachdem das Amtsgericht die Berufung gegen sein Urteil ausdrücklich zugelassen hat, insbesondere ist die Berufung auch form- und fristgerecht eingelegt worden. In der Sache hat sie ebenfalls Erfolg.

Der Klägerin steht unter dem Gesichtspunkt des Zahlungsverzugs gem. §§ 286, 249 BGB ein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Inkassokosten in Höhe des gesamten geltend gemachten Netto-Betrages von 70,20 € zu.

Der Beklagte befand sich im Zeitpunkt der Einschaltung des Inkassobüros unstreitig in Verzug, denn vorausgegangen waren mehrere eigene Mahnungen der Klägerin.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH hat der Schädiger nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsverfolgungskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren. Maßgeblich ist die ex-ante-Sicht einer vernünftigen, wirtschaftlich denkenden Person. Dabei sind keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Es kommt darauf an, wie sich die voraussichtliche Abwicklung des Schadensfalls aus der Sicht des Geschädigten darstellt (BGH, NJW 2015, 3793). Grundsätzlich stellen auch die Kosten eines Inkassobüros regelmäßig einen vom Schuldner zu ersetzenden Verzugsschaden dar (BVerfG, Beschl. vom 07.09.2011 – 1 BvR 1012/11 -; OLG Oldenburg, VU vom 24.04.2006 – 11 U 8/06 -, juris; LG Oldenburg, Urt. v. 19.02.2014, 8 S 579/13). Zur Beitreibung einer fälligen Forderung ist regelmäßig selbst in einfach gelagerten Fällen die Beauftragung eines Rechtsanwalts erforderlich und zweckmäßig. Das seinerseits Erforderliche veranlasst der Gläubiger dadurch, dass er den Schuldner in Verzug setzt. Eine weitere Verzögerung der Erfüllung seiner Forderung muss er nicht hinnehmen. Vielmehr kann er seinem Erfüllungsverlangen durch Einschaltung eines Rechtsanwalts Nachdruck verleihen (vgl. BGH a.a.O. m.w.N.). Für Inkassounternehmen, die – wie das von der Klägerin eingeschaltete Inkassobüro – über erforderliche Erlaubnis gem. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. RDG zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen verfügen, gilt Entsprechendes. Das gilt umso mehr, als Inkassounternehmen nach § 79 Abs. 2 Nr. 4 ZPO nunmehr auch zur Vertretung des Gläubigers im gerichtlichen Mahnverfahren bis zum Erlass eines Vollstreckungsbescheides – mit Ausnahme des streitigen Verfahrens berechtigt sind. Der Umstand, dass der Beklagte ggfs. nicht zur Zahlung in der Lage sein würde, musste die Klägerin mit Blick auf ihre Schadensminderungspflicht gemäß § 254 BGB nicht schon dazu veranlassen, sogleich einen Rechtsanwalt anstelle des Inkassounternehmens mit der Beitreibung zu beauftragen. Vielmehr durfte die Klägerin davon ausgehen, ihre Forderung im Rahmen der außergerichtlichen Beitreibung oder aber im gerichtlichen Mahnverfahrens mithilfe des Inkassounternehmens erfolgreich gegen den Beklagten zu titulieren.

Die mit der Beauftragung des Inkassounternehmens entstandenen Kosten sind auch in voller Höhe ein erstattungsfähiger Verzugsschaden. Die Obergrenze bilden unter Berücksichtigung der Schadensminderungspflicht gemäß § 254 BGB allerdings die Sätze des RVG, d.h. die Kosten, die alternativ bei (sofortiger) Beauftragung eines Rechtsanwalts entstanden wären (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 286 Rn. 46 m.w.N; s. auch § 4 Abs. 5 RDGEG). Inkassokosten sind aber nur dann lediglich eingeschränkt bis zur Höhe des nicht anrechenbaren Teils der Geschäftsgebühr zu erstatten, wenn a) der Schuldner erkennbar zahlungsunwillig ist und b) die Einschaltung eines Rechtsanwaltes aus der maßgeblichen Gläubigersicht ex-ante die kostengünstigere Maßnahme der Rechtsverfolgung gewesen wäre.

Zumindest letzteres (b) ist hier nicht der Fall:

Abzustellen ist bei der Vergleichsberechnung mit den fiktiven außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten insoweit auf den Betrag der offenen Forderung im Zeitpunkt der Beauftragung des Inkassounternehmens, d. h. hier in Höhe von 583,73 € (vgl. die Aufstellung in der Klageschrift S. 3). Hingegen ist nicht auf den später im Klagewege geltend gemachten niedrigeren Betrag der Hauptforderung (hier 313,73 €) abzustellen. Denn erst auf das Tätigwerden des Inkassobüros leistete der Beklagte vorgerichtlich eine Teilzahlung in Höhe von 270 €. Gemessen daran, wären bei einem Gegenstandswert von 583,73 € fiktive Rechtsanwaltsgebühren für die außergerichtliche Vertretung (1,3 Geschäftsgebühr) in Höhe von 104 € abzüglich des anrechenbaren Teils der Geschäftsgebühr nach Ziff. 2300 VV-RVG (0,65), d.h. eines Betrages von 52,- € zzgl. Auslagen von 20,- €, mithin insgesamt 72,00 € netto entstanden. Der demgegenüber von der Klägerin als Kosten des Inkassounternehmens beanspruchte Betrag von 70,20 € netto unterschreitet die fiktiven Rechtsanwaltskosten.

Es bedarf demnach keiner Klärung der Frage, ob der Beklagte für die Klägerin vor dem Beauftragen des Inkassounternehmens aufgrund der vorgebrachten Einwendungen erkennbar zahlungsunwillig und mit einer streitigen gerichtlichen Auseinandersetzung zu rechnen war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Ziff. 11, 713 ZPO.

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