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Clubmitgliedschaft – Anfechtung wegen psychischer Ausnahmesituation

AG Alsfeld, Az.: 30 C 343/16 (73), Urteil vom 07.03.2017

Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts … vom 24.06.2016 (Az.: …) wird dahingehend aufrechterhalten, dass der Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 1.820,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 25.05.2016 sowie 20,00 € Auskunftskosten nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 24.06.2016 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Vollstreckung aus dem Vollstreckungsbescheid darf nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages fortgesetzt werden.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt vom Beklagten Zahlung rückständiger Mitgliedschaftsbeiträge.

Am 19.03.2013 Unterzeichnete der Beklagte einen Aufnahmevertrag für … der Klägerin. Nach diesem Vertrag war für die Aufnahme in den Club eine Aufnahmegebühr in Höhe von 252,10 € zuzüglich 19 % Mehrwertsteuer (47,90 €), d. h. insgesamt 300,00 € zu zahlen. Die Jahresgebühr für die Mitgliedschaft im Freizeitclub betrug 586,55 € zuzüglich 19 % Mehrwertsteuer (111,45 €), mithin insgesamt 698,00 €. Außerdem beantragte der Beklagte die zusätzliche Teilnahme an der Freizeitkontaktbörse, wofür ein Jahresbeitrag von 757,98 € zuzüglich 19 % Mehrwertsteuer (144,02 €), insgesamt 902,00 € vereinbart wurde. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Aufnahmevertrages wird auf die Anlage K 1 (Bl. 21 d. A.) Bezug genommen.

Neben dem Aufnahmevertrag erhielt der Beklagte die Vertragsbedingungen/Preisliste der Klägerin (Anlage K 2 = Bl. 22 ff. d. A.). In diesem waren die Leistungen der Klägerin detailliert aufgeführt. Außerdem einigte man sich in einem Zahlungsplan (Anlage K 3 = Bl. 24 d. A.), dass der Gesamtbetrag in 23 Raten zu jeweils 80,00 € zu zahlen ist. Die Raten sollten jeweils zum 01. eines jeden Monats, beginnend mit dem 01.04.2013 fällig werden. Im Zahlungsplan hieß es zudem: „Kommt das Clubmitglied mit einer vollen Rate in Zahlungsverzug, wird die Restforderung auf einmal fällig.“

Der Beklagte leistete auf die vereinbarte Vergütung von insgesamt 1.900,00 € einen Betrag von 80,00 €. Weitere Zahlungen erfolgten nicht.

Bei Vertragsabschluss übergab die Abschlussvertreterin der Klägerin dem Beklagten ferner den Veranstaltungskalender für März/April 2013. Unter dem 02.05.2013 erhielt der Beklagte seinen Mitgliedsausweis nebst dem aktuellen Veranstaltungskalender für Mai/Juni 2013 per Einwurfeinschreiben.

Im weiteren Verlauf sandte die Klägerin dem Beklagten mit Hilfe eines computergestützten Versandverfahrens regelmäßig den Veranstaltungskalender zu.

Da über den Betrag von 80,00 € hinaus keine weiteren Zahlungen erfolgten, leitete die Klägerin das Mahnverfahren vor dem Amtsgericht … ein. Dieses erließ am 23.05.2016 einen Mahnbescheid, der dem Beklagten am 25.05.2016 zugestellt worden ist. Etwa einen Monat später, am 24.06.2016, hat das Amtsgericht … einen Vollstreckungsbescheid erlassen, der dem Beklagten am 28.06.2016 zugestellt worden ist. Der Beklagte hat gegen den Vollstreckungsbescheid am 30.06.2016 Einspruch eingelegt. Im Vollstreckungsbescheid selbst sind neben der Hauptforderung in Höhe von 1.880,00 Auskunftskosten in Höhe von € 20,00 € sowie Zinsen tituliert worden.

Nachdem die Klägerin die Klage in Höhe von 60,00 € zurückgenommen hat, stellt sie nunmehr folgenden Antrag:

Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts … vom 24.06.2016, Az.: … bleibt dahingehend aufrechterhalten, dass der Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 1.820,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 02.05.2013 fortlaufend, nebst 20,00 € Nebenforderungen für Auskünfte und 48,70 € für Kosten des Mahnverfahrens, verzinslich in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 24.06.2016 fortlaufend, zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, er habe sich zu der Zeit des Vertragsschlusses in einer psychischen Ausnahmesituation befunden. Er ist der Auffassung, der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag sei gemäß § 138 BGB sittenwidrig. Außerdem erhebt der Beklagte (hilfsweise) die Einrede des nichterfüllten Vertrages.

Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze – nebst Anlagen – der Klägerseite vom 18.07.2016 (Bl. 18 ff. d. A.) und 01.09.2016 (Bl. 50 ff. d. A.) sowie der Beklagtenseite vom 09.08.2016 (Bl. 31 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Einspruch des Beklagten gegen den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts … vom 24.06.2016 (Az.: …) ist zulässig, aber überwiegend unbegründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung rückständiger Mitgliedschaftsbeiträge in Höhe von insgesamt 1.820,00 € (§ 611 Abs. 1 BGB).

Der Beklagte hat sich durch Unterzeichnung des Aufnahmevertrages vom 19.03.2013 dazu verpflichtet, eine Aufnahmegebühr in Höhe von 300,00 € brutto, eine Jahresgebühr für die Mitgliedschaft im … in Höhe von 698,00 € brutto sowie eine Jahresgebühr für die Teilnahme an der Freizeitkontaktbörse in Höhe von 902,00 € brutto, mithin insgesamt 1.900,00 € zu zahlen. Auf diese vereinbarte Gesamtsumme von 1.900,00 € hat der Beklagte jedoch lediglich 80,00 € gezahlt, so dass der tenorierte Betrag in Höhe von 1.820,00 € verbleibt.

Der Vertrag ist nicht wegen Geschäftsunfähigkeit des Beklagten nichtig (§§ 104, 105 BGB). Der Vortrag des Beklagten, er habe sich zur Zeit des Vertragsschlusses in einer „psychischen Ausnahmesituation“ befunden, ist zu pauschal, um einen die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit anzunehmen (§ 104 Nr. 2 BGB). Aus dem ärztlichen Attest vom 04.08.2016 ergibt sich lediglich, dass der Beklagte am 04.04.2013 (mithin 2 Wochen nach Vertragsabschluss) wegen einer akuten Belastungsreaktion im Rahmen einer Trennungssituation in der Praxis des … war. Gemäß dem Attest erhielt er wegen „Erregungszustand und Schlafstörung“ ein Beruhigungsmittel zur Nacht. Ein die freie Willensbestimmung ausschließender Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit bei Vertragsabschluss lässt sich dem Attest und einer entsprechenden Aussage des behandelnden Arztes damit gerade nicht entnehmen, zumal in der mündlichen Verhandlung deutlich geworden ist, dass sich der Beklagte relativ schnell aufregt.

Gegen eine Geschäftsunfähigkeit des Beklagten bei Vertragsabschluss spricht zudem, dass er sich gemäß dem (unbestrittenen) Klägervortrag im Schriftsatz vom 01.09.2016 zunächst telefonisch bei der Klägerin meldete und nach den Leistungen erkundigte. Erst danach vereinbarte man einen Termin zur Vertragsunterzeichnung, in dem alles nochmals ausführlich besprochen worden ist.

Der streitgegenständliche Vertrag fällt auch nicht unter § 656 BGB (Heiratsvermittlungsvertrag). Er ist nämlich nicht auf die Vermittlung eines Lebenspartners oder einer Lebenspartnerin gerichtet.

Das Rechtsgeschäft verstößt ferner nicht gegen die guten Sitten (§ 138 BGB), insbesondere liegt kein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor.

Durch die Aufnahmegebühr in Höhe von 258,62 € (netto) wird gemäß (unbestrittenen) Beklagtenvortrag im Schriftsatz vom 01.09.2016 die Verwaltung des Kundenkontos des Beklagten im Freizeitclub der Klägerin, das Buchhaltungswesen/Mahnwesen sowie der diesbezügliche Personalaufwand finanziert.

Mit der Jahresgebühr für die Mitgliedschaft im Freizeitclub in Höhe von netto 601,72 € (monatlich 50,14 €) wird zum einen die Organisation der Freizeitveranstaltungen (Eintrittsgelder, Speisen und Getränke für die Clubmitglieder und Leistungen Dritter für die Veranstaltungen der Klägerin) abgegolten. Zum anderen wird über diese Jahresgebühr auch die Neubewerbung von Clubmitgliedern, Betreuung im Wege der Versendung der Mitgliedspost, die Einholung und Abstimmung sowie Vermittlung der Angebote aus den verschiedenen Clubbörsen und der damit verbundene Büro- und Verwaltungsaufwand finanziert. Im Ergebnis steht somit die anfallende Jahresgebühr nicht in einem groben Missverhältnis zur Gegenleistung.

Gleiches gilt für die individuell vereinbarte Jahresgebühr für die Teilnahme an der Freizeitkontaktbörse. Hier beträgt der Nettobetrag 757,98 €, monatlich also 63,17 € netto. Diesem Beitrag steht die Leistung der Klägerin gegenüber, dem Beklagten Kontakt zu anderen Interessenten mit gleichem Hobby oder Freizeitinteressen zu ermöglichen. Die Leistung wurde optional durch die Klägerin angeboten und vom Beklagten individuell angenommen. Mit Abschluss dieser zusätzlichen Leistung stand es dem Beklagten frei, eine unbestimmte Anzahl von Freizeitkontakten bei der Klägerin abzufordern.

Der Anspruch der Klägerin ist letztlich auch fällig. Der Beklagte kann sich nicht auf die Einrede des nichterfüllten Vertrages (§ 320 BGB) berufen. Die Klägerin hat die gemäß den Vertragsbedingungen geschuldeten Leistungen erbracht. So hat sie dem Beklagten am 02.05.2013 den Mitgliedsausweis und den aktuellen Veranstaltungskalender für Mai/Juni 2013 per Einwurfeinschreiben zugesandt. Mit Hilfe eines computergestützten Versandverfahrens erhielt der Beklagte zudem die Veranstaltungskalender für Juli, August, September, Oktober, November, Dezember 2013 sowie Januar, Februar und März 2014.

Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, die Freizeitveranstaltungen hätten im Wesentlichen in den neuen Bundesländern stattgefunden. Zum einen geht dies bereits aus den vom Beklagten in Empfang genommenen Vertragsbedingungen hervor. Dort heißt es, dass die Veranstaltungen in Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen stattfinden können. Zum anderen gab es gemäß dem (unbestrittenen) Vortrag der Klägerin auch einige Veranstaltungen in den alten Bundesländern.

Hinsichtlich der gesondert vereinbarten Teilnahme an der Freizeitkontaktbörse hat der Beklagte ausweislich der Empfangsbestätigungsurkunde vom 19.03.2013 bei Vertragsabschluss Anforderungsscheine für Freizeitkontakte erhalten. Es war somit am Beklagten, im Vertragszeitraum eine zahlenmäßig unbestimmte Anzahl von Freizeitkontakten abzufordern. Soweit der Beklagte dies nicht getan hat, liegt das in seinem Risikobereich.

Der Anspruch auf Erstattung der Auskunftskosten ergibt sich unter dem Gesichtspunkt des Verzugsschadens, gleiches gilt für die Zinsen (§§ 280 Abs. 1 u. 2, 286, 288 Abs. 1 BGB). Allerdings sind die Zinsen erst ab dem 25.05.2016 (Zustellung des Mahnbescheids) zu zahlen. Allein die Fälligkeit des Gesamtbetrages begründet noch keinen Verzug. Dieser ist erst mit Zustellung des Mahnbescheides anzunehmen (§ 286 Abs. 1 S. 2 BGB).

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 269 Abs. 3 ZPO; diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus den §§ 700, 709 S. 3 ZPO.

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