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Geschwindigkeitsüberschreitung: Fahrverbot und wirtschaftliche Existenz

 OLG Brandenburg

Az.: 2 Ss (OWi) 126 B/02

Beschluss vom: 13.03.2003


In dem Bußgeldverfahren wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit,
hat der 2. Strafsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts als Senat für Bußgeldsachen am 13. März 2003 beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Bad Liebenwerda vom 24. April 2002 im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Bad Liebenwerda zurückverwiesen.

Gründe:

I.
Das Amtsgericht setzte gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften eine Geldbuße von 500,00 € fest. Nach den Feststellungen fuhr der Betroffene am 15. August 2001 mit einem Pkw auf der Bundesstraße … in der Ortschaft H… mit einer Geschwindigkeit von 93 km/h, obwohl dort nur eine Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h zugelassen war. Obwohl somit nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BKatV die Verhängung eines Fahrverbots von einem Monat indiziert war, sah das Amtsgericht mit folgender Begründung davon ab: „Ein Fahrverbot würde jedoch die wirtschaftliche Existenz des Betroffenen vernichten und mithin gegen das Übermaßverbot verstoßen. Der Geschäftsführer der Arbeitgeberin des Betroffenen, der Zeuge Ha…, hat nämlich bekundet, er würde dem Betroffenen kündigen, wenn ein Fahrverbot gegen ihn verhängt würde. Der ständige Besitz einer Fahrerlaubnis sei Inhalt des Arbeitsvertrages mit dem Betroffenen und schon aus Gründen der Gleichbehandlung sei er gezwungen, dem Betroffenen, wie auch allen anderen Angestellten, im Falle eines Fahrverbots zu kündigen. Er sei auch nicht bereit, dem Betroffenen die Möglichkeit einzuräumen, das Fahrverbot in die Zeit eines Urlaubs zu legen. Auch werde er nicht gestatten, dass der Betroffene sich mit dem Firmenfahrzeug von anderen fahren lasse.“ (UA Seite 3).

Der Betroffene ist nach den Feststellungen Vertriebsleiter eines Wärmemessdienstes für die gesamten neuen Bundesländer; er ist bereits mehrfach im Verkehrszentralregister eingetragen. Zuletzt wurde mit Bescheid vom 29. Juni 2001 – rechtskräftig seit dem 19. Juli 2001 – wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 31 km/h eine Geldbuße von 300,00 DM festgesetzt.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, die sie auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat und mit der sie sich dagegen wendet, dass das Amtsgericht kein Fahrverbot gegen den Betroffenen angeordnet, hat.

II.
Das Rechtsmittel ist begründet. Die Entscheidung des Amtsgerichts, von der Verhängung eines Fahrverbotes abzusehen, wird von den Feststellungen nicht getragen.

1. Ist – wie hier (Nr. 11.3.7 der Tabelle 1 im Anhang zur Bußgeldkatalogverordnung) – ein Tatbestand erfüllt, bei dem ein Fahrverbot nach § 4 Abs. 1 oder 2 BKatV in der Regel in Betracht kommt, sieht aber das Amtsgericht gleichwohl davon ab, weil dem Betroffenen eine Kündigung drohe und das Fahrverbot deshalb mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unvereinbar sei, so ist es zwar nicht erforderlich, dass das Amtsgericht überprüft, ob die angedrohte Kündigung arbeitsrechtlich auch durchsetzbar wäre; denn eine Härte, die es rechtfertigt, von einem – nach der Bußgeldkatalogverordnung indizierten – Fahrverbot abzusehen, kann schon darin bestehen, dass der Betroffene das Risiko eines Arbeitsplatzverlustes zu tragen hat. Es reicht danach bereits die Gefahr des Arbeitsplatzverlustes, um ein Fahrverbot als unverhältnismäßige Härte bewerten zu können (vgl. OLG Celle NStZ-RR 1996, 182). Doch dies bedeutet nicht, dass der Amtsrichter seiner Entscheidung, kein (indiziertes) Fahrverbot zu verhängen, jede Kündigungsdrohung zu Grunde legen darf, ohne zu prüfen, ob sie rechtlichen Bestand hätte, falls sie verwirklicht wird. Ist es offensichtlich, dass die angedrohte Kündigung rechtswidrig wäre, darf er nicht wegen dieser Drohung auf ein Fahrverbot verzichten. Denn bei einer offensichtlich rechtswidrigen Kündigung trägt der Betroffene, gegen den trotz Kündigungsdrohung ein Fahrverbot verhängt wird, in Wirklichkeit kein Risiko des Arbeitsplatzverlustes oder aber dieses Risiko ist so gering, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt. Diese Grundsätze hat das Amtsgericht nicht beachtet, indem es seinen Verzicht auf ein Fahrverbot auch auf die Feststellung stützt, der Arbeitgeber sei nicht bereit, dem Betroffenen die Möglichkeit einzuräumen, das Fahrverbot in die Zeit eines Urlaubs zu legen. Die Kündigung des Betroffenen mit der Begründung, er habe von der rechtlichen Möglichkeit des § 25 Abs. 2 a StVG Gebrauch gemacht und das Fahrverbot in seine Urlaubszeit verlegt, wäre offenbar rechtswidrig. Nur in Ausnahmefällen erscheint es denkbar, dass sich ein Arbeitnehmer wirksam dazu verpflichtet, auf seine Fahrerlaubnis während seines Urlaubs nicht zu verzichten, so dass ein Kündigungsgrund bestehen könnte, falls er von der Möglichkeit des § 25 Abs. 2 a StVG Gebrauch macht. Für solch eine Ausnahmesituation ergeben die Feststellungen keine Anhaltspunkte.

Entsprechendes würde im Übrigen gelten, wenn die Feststellungen so zu verstehen sind, dass sich der Arbeitgeber nur deshalb weigern würde, dem Betroffenen einen zusammenhängenden Urlaub zu gewähren, um ihm die Möglichkeit zu nehmen, in diese Urlaubszeit das Fahrverbot zu legen. Solch eine Weigerung wäre offensichtlich rechtswidrig.

2. Das Amtsgericht hat, worauf die Generalstaatsanwaltschaft zu Recht hinweist, bei seiner Entscheidung über das Fahrverbot nicht berücksichtigt, dass dem Betroffenen nicht nur eine grobe, sondern – auf Grund der letzten Voreintragung in dem Verkehrszentralregister – auch eine beharrliche Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers (§ 25 Abs. 1 StVG) vorzuwerfen ist. Ein Regelfahrverbot, das für den Betroffenen eine außergewöhnliche Härte bedeutet, kann nämlich dadurch gerechtfertigt sein, dass ihm eine ungewöhnliche Verantwortungslosigkeit vorzuwerfen ist (vgl. die Senatsentscheidung vom 20. März 1996 – 2 Ss (OWi) 19 B/96 -, Bbg.JMBl. 1996, 59).

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