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Fahrzeugbeschädigung durch losen Randstein – Verkehrssicherungspflichtverletzung

Der Fall des losen Randsteins: Eine Frage der Verkehrssicherungspflicht

Eine Begebenheit, wie sie jeden Autofahrer betreffen könnte, hat ihren Weg in die Gerichtssäle gefunden. Am 8. Mai 2019 parkte ein Mann sein Firmenfahrzeug auf einem Bürgersteigparkplatz vor seinem Haus. Alles verlief wie gewohnt, bis sich beim Ausparken ein unerwartetes Problem offenbarte: Ein Kantstein der Bordsteinbegrenzung hatte sich gelöst und war zur Seite weggerutscht. Dies führte zu einer erheblichen Beschädigung an Felge und Reifen des Fahrzeugs. Der Mann sah die Schuld bei der Stadt als Trägerin der Straßenbaulast und forderte Schadensersatz. Doch wer trägt wirklich die Verantwortung für einen losen Randstein und wer muss im Schadensfall haften? Diese Frage musste das Landgericht Bonn klären.

Direkt zum Urteil Az.: 1 O 161/20 springen.

Eine Frage der Verantwortung

Die Verantwortlichkeit der Stadt ergibt sich aus ihrer Verkehrssicherungspflicht. Als Trägerin der Straßenbaulast obliegt ihr die Aufgabe, Verkehrsteilnehmer vor Gefahren zu schützen. Doch ob die Stadt dieser Pflicht auch in Bezug auf den losen Kantstein nachgekommen ist, war Gegenstand der gerichtlichen Prüfung. Der Fahrzeughalter behauptete, dass die Stadt die Gefahr eines lockeren Kantsteins hätte erkennen und beseitigen müssen. Dieser Auffassung widersprach die Stadt und führte aus, dass sie eine solche Gefahr nicht hätte vorhersehen können.

Die Interpretation der Beweislage

Die Beweislage in diesem Fall war schwierig. Die Stadt führte an, dass ein Schaden dieser Art nur bei schnellem Anfahren möglich gewesen wäre. Darüber hinaus hatte der Fahrzeughalter den losen Randstein nicht bemerkt, nachdem er sein Fahrzeug abgestellt hatte. Letztlich stand Aussage gegen Aussage und das Gericht musste eine Entscheidung auf Basis der vorliegenden Beweise treffen.

Die gerichtliche Entscheidung

Die Entscheidung des Gerichts fiel zugunsten der Stadt aus. Der Fahrzeughalter konnte nicht nachweisen, dass der Schaden ausschließlich auf den losen Kantstein zurückzuführen war. Darüber hinaus war die Stadt ihrer Verkehrssicherungspflicht nachgekommen, indem sie den betroffenen Bereich regelmäßig kontrollierte. Daher wurde die Klage abgewiesen und der Kläger musste die Kosten des Rechtsstreits tragen.

Der Fall des losen Randsteins zeigt, dass das Thema Verkehrssicherungspflicht und Schadenshaftung eine komplexe Angelegenheit sein kann. Die jeweilige Verantwortung hängt dabei immer von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab.

[…]


Das vorliegende Urteil

LG Bonn – Az.: 1 O 161/20 – Urteil vom 02.12.2020

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger macht gegenüber der beklagten Stadt Ansprüche wegen Verletzung einer Amtspflicht geltend. Hierzu trägt er vor, sein Fahrzeug sei beim Ausparken beschädigt worden.

Loser Randstein beschädigt Fahrzeug
Das LG Bonn wies die Klage eines Fahrzeughalters ab, der die Stadt wegen eines losen Kantsteins, der sein Fahrzeug beschädigte, haftbar machte. (Symbolfoto: Lisa F. Young /Shutterstock.com)

Der Kläger parkte am 08.05.2019 sein Firmenfahrzeug, einen X $# mit dem amtlichen Kennzeichen $$-&& ###, auf einem Parkstreifen vor dem Haus I-Straße in ##### Y. Die hier zugewiesenen Parkplätze befinden sich auf dem Bürgersteig, das heißt der Einparkende muss die Bürgersteigkante hoch fahren, um sein Fahrzeug sodann parallel zur Fahrbahn abparken zu können. Zwischen den Parkbuchten befinden sich ältere Bäume. Die Gehwegplatten in diesem Bereich weisen geringe Höhenunterschiede auf, insbesondere durch Wurzelwachstum der Straßenbäume bedingt.

Der Kläger meldete der Beklagten in der Folge einen Schaden an seinem Fahrzeug und trug hierzu vor, beim Ausparken habe er die vordere linke Felge und den dortigen Reifen beschädigt, weil sich ein Kantstein der Bordsteinbegrenzung gelöst habe und dieser zur Seite weggerutscht sei (hierzu Lichtbild Anlage 2 Bl. # d.A.). Der Kläger wandte für einen neuen Reifen und eine neue Felge 1.443,03 EUR auf. Daneben macht er 25,00 EUR Kostenpauschale geltend.

Eine Kontrolle der streitgegenständlichen Stelle fand am 16.04.2019 statt. Sie wird monatlich kontrolliert.

Unter dem 27.06.2020 lehnte die Beklagte eine Haftung ab.

Der Kläger behauptet, unfallursächlich sei der lockere Kantstein gewesen. Diese Gefahr sei für ihn nicht erkennbar gewesen. Er ist aber der Ansicht, die Beklagte hätte diese Gefahr erkennen müssen.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.468,03 EUR nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 28.06.2019 sowie 169,59 EUR vorprozessuale Nebenkosten zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,  die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet den Unfallhergang mit Nichtwissen. Alternativ macht sie sich aber den Vortrag des Klägers zu eigen und meint, ein Schaden dieser Art sei nur bei schnellem Anfahren möglich gewesen. Sie ist der Ansicht, die Gefahr eines lockeren Kantsteins habe sie nicht voraussehen können. Selbst der Kläger habe diesen ja nach dem Verlassen des Fahrzeuges nach dem Einparken nicht bemerkt.

Für den weiteren Sach- und Streitstand wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Dem Kläger steht kein Schadensersatz nach der allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage des § 839 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m Art. 34 S.1 GG zu.

1.

Grundsätzlich obliegt der Beklagten für die I-Straße als Trägerin der Straßenbaulast gemäß § 9a Abs. 1 S. 2 Straßen- und Wegegesetz NRW (StrWG NRW) die Verkehrssicherungspflicht. Daraus folgt, dass die Beklagte dafür Sorge zu tragen hat, dass sich die öffentlichen Verkehrsflächen – zu denen auch der Gehweg und der ihn begrenzende Bordstein gehört – in einem Zustand befinden, der eine gefahrlose Nutzung dieser Verkehrsflächen gewährleistet. Vorliegend geht es um eine Nutzung durch parkende Kraftfahrzeuge, da dieser Bereich für eben diese Nutzung durch die Beklagte freigegeben ist.

2.

Die Beklagte hat ihre der Verkehrssicherungspflicht vorliegend nicht verletzt.

Denn es lag zum einen schon keine Gefahrenquelle vor.

Der Verkehrssicherungspflichtige schuldet nämlich nicht den optimalen Zustand von Straßen und Gehwegen. Grundsätzlich muss der Benutzer die Straße vielmehr so hinnehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbietet und sein Verhalten den gegebenen Verhältnissen anpassen (vgl. BGH VersR 2005, 660). Der Verkehrssicherungspflichtige hat nur diejenigen Vorkehrungen zu treffen, für die ein echtes Sicherungsbedürfnis besteht und die im Rahmen der berechtigten Sicherheitserwartungen des in Betracht kommenden Verkehrs im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren geeignet sind, Gefahren von den Verkehrsteilnehmern abzuwehren. Die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht dürfen dabei nicht überspannt werden, da im praktischen Leben nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ist vielmehr genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält (vgl. BGH NJW 2007, 1683).

Vorliegend handelt es sich um einen Gehweg mit nicht optimaler glatter Oberfläche, sondern leicht schiefen Platten. Zudem sind die älteren Bäume in diesem Bereich gut erkennbar und es ist allgemein bekannt, dass durch Wurzelwachstum von Straßenbäumen Unebenheiten leicht entstehen können.

Hinzu kommt, dass sich der Vorfall beim Ausparken – den streitigen Vortrag des Klägers als wahr unterstellt – ereignet haben soll, der Kläger also beim Einparken  und anschließendem Weggehen die Stelle gut in Augenschein nehmen konnte. Er war dadurch in der Lage, die Besonderheiten der Örtlichkeit zu erkennen und sich beim Einparken auf diese Situation einzustellen.

Eine Pflicht der Beklagten, den Verkehr dadurch zu sichern, dass Randsteine regelmäßig auf ihre Standsicherheit überprüft werden, besteht zudem nicht. Denn wer verkehrssicherungspflichtig ist, ist nicht verpflichtet, alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintrittes vorherzusehen und entsprechende vorbeugende Maßnahmen zu treffen, sondern eine Kontrollpflicht richtet sich immer nur an dem aus, was als Gefahrenquelle erwartbar und hinreichend gefährlich erscheint. Insbesondere muss eine Kontrollpflicht zumutbar bleiben. Absolute Sicherheit hat der Straßenverkehrssicherungspflichtige nicht zu gewährleisten, sondern er ist nur zu solchen Maßnahmen verpflichtet, deren Nutzen in Gestalt der Verhinderung zukünftiger Schäden nicht außer Verhältnis zu ihren Kosten steht (MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl. 2020, BGB § 823  Rn. 634).

Wollte Vorfällen wie dem streitgegenständlichen vorgebeugt werden, müsste die Beklagte verpflichtet sein, sämtliche Randsteine ihrer Verkehrsflächen regelmäßig auf Standfestigkeit und -sicherheit zur prüfen – etwa durch Rütteln der Steine. Dies wäre aber angesichts der Vielzahl dieser Anlagen einerseits und der geringen Gefahrträchtigkeit sowie Gefahrintensität möglicher Schäden der Steine nicht mehr zumutbar. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass es sich bei Parkflächen um solche handelt, die weniger häufig befahren werden als Straßen selbst und dies auch mit nur geringen Geschwindigkeiten. Dies schließt zum einen schwerere Schäden, gerade auch für Personen, weitgehend aus, ermöglicht zudem zugleich eine (Sicht-)Kontrolle des Nutzers auf mögliche schadhafte Zustände.

Auch fehlt  es auch an einem Verschulden der Beklagten.

Die Durchführung einer Kontrolle etwa drei Wochen vor dem Unfall ist unstreitig. Dieses Intervall ist auch ausreichend, da sich Schäden, die durch Wurzelwachstum entstehen, in der Regel nicht „von heute auf morgen“ bilden.

Zudem trägt die Beklagte nachvollziehbar vor, dass ein Schaden wie der vorliegende bei gehöriger Kontrolle  – also ohne Rüttelprobe – auch nicht bemerkt worden wäre. Hiergegen hat sich der Kläger nicht gewandt.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

Streitwert: 1.468,03 EUR


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant

  1. Versicherungsrecht: Das Versicherungsrecht ist in diesem Fall relevant, da der Kläger einen Schaden an seinem Fahrzeug gemeldet hat, der theoretisch von seiner Kfz-Versicherung abgedeckt sein könnte. Der Schaden resultierte aus einem losen Kantstein, was in der Regel als „unvorhersehbares Ereignis“ betrachtet werden könnte und daher unter den Versicherungsschutz fallen könnte. Im vorliegenden Fall wurde jedoch festgestellt, dass der Fahrer den Zustand der Straße so akzeptieren muss, wie er sich ihm präsentiert, was dazu führte, dass der Schaden nicht als versichert angesehen wurde.
  2. Öffentliches Recht / Straßen- und Wegegesetz NRW (StrWG NRW): Das Straßen- und Wegegesetz NRW regelt die Verkehrssicherungspflicht und ist daher in diesem Fall von zentraler Bedeutung. Laut § 1 Abs. 2 StrWG NRW ist die Stadt (Beklagte) verpflichtet dafür zu sorgen, dass die öffentlichen Verkehrsflächen, einschließlich der Gehwege und Bordsteine, sich in einem Zustand befinden, der eine sichere Nutzung dieser Flächen gewährleistet. Im vorliegenden Fall wurde jedoch entschieden, dass der Schaden durch den losen Randstein nicht auf eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Stadt zurückzuführen ist.
  3. Zivilrecht / Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) § 823 Schadensersatzpflicht: Nach § 823 BGB ist jemand verpflichtet, Schadensersatz zu leisten, wenn er vorsätzlich oder fahrlässig das Eigentum eines anderen beschädigt. In diesem Fall hat der Kläger versucht, die Stadt aufgrund von Sachschäden an seinem Fahrzeug haftbar zu machen. Der Kläger konnte jedoch nicht nachweisen, dass der Schaden ausschließlich auf den losen Kantstein zurückzuführen war, und die Stadt hatte nach Ansicht des Gerichts ihrer Verkehrssicherungspflicht Genüge getan.
  4. Verkehrsrecht: Das Verkehrsrecht spielt in diesem Fall eine Rolle, da es sich um einen Schaden handelt, der durch eine Fahrt auf der Straße entstanden ist. Das Verkehrsrecht umfasst alle Normen und Gesetze, die das Verhalten von Verkehrsteilnehmern auf öffentlichen Straßen regeln. Insbesondere die Verkehrssicherungspflicht und die damit verbundenen Verpflichtungen sind hier von Bedeutung.

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