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Fahrzeugkaufvertrag – Rücktritt bei Aufnahme des Fahrzeugs in das Schengener Informationssystem

OLG Köln – Az.: 18 U 183/16 – Urteil vom 09.11.2017

Auf die Berufung des Klägers wird das am 26.10.2016 verkündete Urteil des Landgerichts Köln – 12 O 254/14 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 29.137,01 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basissatz seit dem 28.03.2014 zu zahlen.

Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insgesamt zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1) Der Kläger kaufte vom Beklagten mit Kaufvertrag vom 12.07.2011 (Bl. 7) den Personenkraftwagen A zu einem Kaufpreis von 36.250 EUR. Das Vertragsformular enthält eine Regelung über die Verschaffung der Intec-Garantie für ein Jahr und im Übrigen einen Ausschluss jeglicher Gewährleistung für „sichtbare und unsichtbare Mängel“. Der Beklagte übergab dem Kläger eine Zulassungsbescheinigung II (Fahrzeugbrief), die unter dem 29.03.2011 vom Amt für Öffentliche Ordnung der Stadt B ausgestellt worden und in welcher er als Eigentümer eingetragen war. Das Ordnungsamt der Stadt C schrieb das Dokument am 13.07.2011 auf den Namen des Klägers um. Der Kaufpreis wurde sofort bar bezahlt. Der Kläger vereinbarte für das Fahrzeug eine Verlängerung der Intec-Garantie für ein weiteres Jahr zum Preis von 445,60 EUR (Bl. 9).

Am 06.03.2013 wurde der Kläger bei der Rückkehr aus der Türkei an der serbischen Grenze angehalten und das Fahrzeug mit der Begründung beschlagnahmt, es werde in Rumänien als Gegenstand einer Straftat gesucht; diese Meldung sei von den rumänischen Strafverfolgungsbehörden an Interpol weitergeleitet worden. Ausweislich einer Amtsnotiz der Polizeiverwaltung von Pirot/Serbien, datierend vom 02.03.2014 (Bl. 14, 17) ist das Fahrzeug am 02.04.2013 auf der Grundlage von strafverfahrensrechtlichen Vorschriften der rumänischen Republik eingezogen worden. Unter demselben Datum hat die bezeichnete Behörde vermerkt, das Fahrzeug sei aufgrund einer Straftat seitens der Republik Rumänien zur internationalen Fahndung ausgeschrieben worden; das Dokument enthält außerdem die Wiedergabe einer Erklärung, die der Kläger hierzu gegenüber der Behörde abgegeben hat (Bl. 11, 19).

Das Ordnungsamt der Stadt C hat unter dem 05.03.2014 bescheinigt, daß das Fahrzeug in Deutschland zu keiner Zeit als gestohlen gemeldet worden ist (Bl. 22).

Das Polizeipräsidium D teilte dem Kläger am 12.03.2014 mit, dass in Rumänien seit dem 22.12.2008 als Fahrzeughalter die Fa. E SRL in F und als Fahrzeugbesitzer die G in H eingetragen sei. Das Fahrzeug sei als gestohlen gemeldet worden, konkrete Angaben zur Straftat seien im Datensatz allerdings nicht vermerkt (Bl. 23). In einem weiteren Schreiben vom 16.07.2014 (Bl. 26) wurde dem Bevollmächtigten des Klägers mitgeteilt, der Wagen sei aus Italien nach Deutschland eingeführt worden, es liege ein Kaufvertrag vom 04.01.2011 vor. Seit dem 22.05.2014 bestehe für das Fahrzeug eine SIS-Ausschreibung. Der Beklagte hat einen Kaufvertrag vom 04.01.2011 (Bl. 65) sowie ein Fahrzeugpapier vorgelegt, das von einer Behörde der Italienischen Republik ausgestellt ist und der Ausstellung des Fahrzeugbriefs zugrunde gelegen hat (Bl. 44, 66). Beide Dokumente weisen einen Herrn I als Voreigentümer aus.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 13.03.2014 forderte der Kläger vom Beklagten die Rückzahlung des Kaufpreises bis zum 27.03.2014. Er sieht hierin eine Rücktrittserklärung, die er im Rechtsstreit selbst wiederholt hat.

Die zu erwartende Gesamtleistung des Fahrzeugs, das beim Kauf einen Kilometerstand von 55.000 km und bei Beschlagnahme von ca. 101.000 km aufwies, beträgt nach der Einschätzung des Klägers 300.000 km. Auf dieser Grundlage berechnet er den Nutzungsvorteil auf 6.889,78 EUR (Bl. 6).

Mit der Klage hat der Kläger vom Beklagten in der Hauptsache die Verschaffung von Eigentum und Besitz an dem gegenständlichen Fahrzeug nebst Zulassungsbescheinigung verlangt, hilfsweise die Rückzahlung des Kaufpreises.

Er hat die Ansicht vertreten, nicht Eigentümer des Fahrzeugs geworden zu sein. Zur Begründung seines Anspruchs hat er behauptet, das verkaufte Fahrzeug sei in Rumänien gestohlen worden und damit, wie er meint, abhandengekommen im Sinne von § 935 BGB. Das Fahrzeug sei nach der Beschlagnahme an die J (ehemals G) in Rumänien übergeben worden. Ein gutgläubiger Erwerb sei unabhängig vom Abhandenkommen des Fahrzeugs nach den Vorschriften des rumänischen, serbischen oder italienischen Rechts ohnehin nicht in Betracht gekommen.

Hilfsweise stehe ihm ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises zuzüglich der Kosten für den Einbau der Verlängerung und abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 6.889,78 EUR zu.

Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, ihm Eigentum und Besitz an dem KFZ A mit der Fahrgestellnummer K, Zulassungsbescheinigung L zu verschaffen, hilfsweise an ihn 29.805,82 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Zinspunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 28.03.2014 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat die Ansicht vertreten, dass jedenfalls ein gutgläubiger Erwerb des Fahrzeugs durch ihn  und später durch den Kläger stattgefunden habe. Er hat behauptet, dass ihm das streitgegenständliche Fahrzeug von einem Herrn M verkauft und übereignet worden sei.

Die Kammer hat aufgrund des Beweisbeschlusses vom 09.09.2015 (Bl. 116) Beweis erhoben durch Verwertung der schriftlichen Angaben der Zeugen N (Bl. 218 d.A.), O (Bl. 239 d.A.) und P (Bl. 180 d.A.), auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

Der Rechtsanwalt  P hat dem Landgericht unter dem 10.02.2016 mitgeteilt (Bl. 180), einem Schreiben des serbischen Innenministeriums vom 20.05.2015 (Bl. 182) sei zu entnehmen, daß das Fahrzeug am 23.02.2015 an einen Bevollmächtigten der Fa. Q zurückgegeben worden sei. In dem Schreiben wird das genannte, in H ansässige Unternehmen als der gesetzliche Eigentümer bezeichnet.

Unter dem 15.02.2016 hat Frau  O R am Sitz der Fa. Q in H die Erklärung abgegeben, das Fahrzeug sei seit dem 12.12.2008 Eigentum des genannten Unternehmens. Es sei Gegenstand eines Leasingvertrages mit einer Fa. E gewesen, die es nicht zurückgegeben habe. Daher habe ein Vertreter der Fa. Q Strafanzeige erstattet, woraufhin die Ausschreibung über Interpol erfolgt sei. Das Fahrzeug befinde sich nunmehr wieder beim rechtmäßigen Eigentümer (Bl. 218). Unter dem 03.03.2016 (Bl. 238) hat der Polizeibeamte  N eine mit der Aussage der Zeugin R identische Erklärung abgegeben. Die Polizeiverwaltung von Pirot/Serbien hat unter dem 18./19.01.2016 (Bl. 227) im Wesentlichen den vorstehend bereits geschilderten Sachverhalt mitgeteilt.

Auf den näheren Inhalt der bezeichneten Dokumente wird Bezug genommen. Die Parteien streiten nicht über die tatsächliche Richtigkeit dieser Bekundungen.

Das Landgericht hat die Klage mit beiden Anträgen abgewiesen, da der Kläger gutgläubig Eigentum erworben habe und der Vertrag damit erfüllt sei. Auf den Inhalt der Entscheidungsgründe wird verwiesen.

2) Gegen das Urteil hat der Kläger form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Er verfolgt sein Klageziel weiter. Zur Begründung trägt er vor:

Die Eintragung in die SIS-Liste stelle einen erheblichen Rechtsmangel dar, welcher dem Fahrzeug bereits bei Übergabe angehaftet habe. Nach rumänischem Recht habe die ursprüngliche Eigentümerin ihr Eigentum nie verloren. Zumindest der Hilfsantrag sei begründet.

Der Kläger beantragt, den Beklagten unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils zu verurteilen, ihm Eigentum und Besitz an dem KFZ A mit der Fahrgestellnummer K, Zulassungsbescheinigung L zu verschaffen, hilfsweise an ihn 29.805,82 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Zinspunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 28.03.2014 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er bringt vor: Der Wagen sei vor Erstattung der Anzeige und der Ausschreibung veräußert worden, so daß bei Eigentumsübergang ein Rechtsmangel nicht vorgelegen habe. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Übertragung der Kaufsache frei von Rechten Dritter sei der Zeitpunkt des Eigentumsübergangs. Der Kläger habe angesichts der unstreitigen Unterschlagung nach dem maßgeblichen deutschen Recht gutgläubig Eigentum erworben. Auch der Beklagte sei zuvor gutgläubig Eigentümer geworden. Er bestreitet, daß der Wagen sich nunmehr beim rechtmäßigen Eigentümer befinde. Es dürfe auf die Beurteilung des Falles keinen Einfluss haben, daß die Beschlagnahme in Rumänien wirksam geworden sei. Nach deutschem Recht hätte gegen den gutgläubigen Erwerb des Klägers eine dahingehende Maßnahme nicht durchgeführt werden können.

Der Kläger habe den Wagen bei 55.000 km übernommen und sei 48.074 km gefahren. Das ergebe bei einer Gesamtlaufleistung von 200.000 km einen Nutzungsvorteil von 8.708,52 EUR.

In der Ladungsverfügung vom 07.09.2017 (Bl. 355) hat der Vorsitzende darauf hingewiesen, daß die Berufung im Lichte der jüngeren Rechtsprechung des BGH Erfolg haben könne.

Dazu hat der Beklagte mehrfach Stellung genommen. Seiner Auffassung nach hat der Kläger wirksam Eigentum erworben. Es komme damit allenfalls auf den Hilfsantrag an. Für dessen Begründetheit sei erforderlich, dass das Fahrzeug bei Gefahrübergang mit einem Mangel behaftet gewesen sei. Dieser Mangel müsse zumindest „im Keim“, jedenfalls aber innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 476 BGB vorhanden gewesen sein. Als ein solcher Mangel komme allenfalls die Unterschlagung in Rumänien in Betracht. Eine solche könne aber den gutgläubigen Erwerb nicht hindern. Die jüngeren Entscheidungen des BGH zum vorliegenden Fragenkreis stünden dem nicht entgegen. Auch hiernach sei entscheidend, dass der Mangel bei Übergabe vorhanden war. Darauf sei durchgehend abgestellt worden. Nur dieses Ergebnis sei sachgerecht. Im Falle einer Unterschlagung auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland hätte der Kläger auch bei Ausschreibungen zur Fahndung das Fahrzeug zurückerhalten, weil er nun einmal Eigentümer geworden sei. Hieran könne sich infolge einer Beschlagnahme in Serbien nichts ändern. Es sei dem Kläger zuzumuten gewesen, sich bereits in Serbien gegen die Beschlagnahme zu wehren. Eine Belastung des Klägers mit dem hier verwirklichten Risiko sei sachgerecht.

In der mündlichen Verhandlung hat der Senat darauf hingewiesen, dass er an seinem Rechtsstandpunkt festhalte.

Im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 27.10.2017 (Bl. 381) kommt der Beklagte erneut auf seinen Rechtsstandpunkt zurück. Er hebt hervor, dass das Fahrzeug im Zeitpunkt der Veräußerung nicht zur Fahndung ausgeschrieben war. Die vom Senat vertretene Auffassung, es reiche aus, dass der für die Ausschreibung maßgebliche Sachverhalt bereits bei Gefahrübergang festgestanden habe, finde in der Rechtsprechung des BGH keine Stütze. In der einschlägigen Entscheidung des BGH vom 26.4.2017 (VIII ZR 233/15) habe eine Eintragung bei Gefahrübergang vorgelegen. In der hier zu entscheidenden Sache sei das Fahrzeug jedoch erst zweieinhalb Jahre nach Übergabe in die Ausschreibung gegeben worden. Darin liege ein völlig anderer Fall. Rechte Dritter, seien sie zivilrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur, hätten bei Übergabe des Fahrzeugs eben nicht bestanden. Alleine aus der Unterschlagung in Rumänien ergeben sich Rechte Dritter nicht.

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Hilfsweise hat sich der Beklagte auf ein vermeintliches Zurückbehaltungsrecht berufen, da der Kläger den Wagen Zug um Zug zurückgeben oder Herausgabeansprüche an ihn abtreten müsse. In der mündlichen Verhandlung haben die Parteien eine durch die vom Kläger angestrebte Verurteilung des Beklagten bedingte Vereinbarung dahin getroffen, daß der Kläger sein Eigentum an dem gegenständlichen Kraftfahrzeug auf den Beklagten überträgt, dies dergestalt, daß er einen von ihm behaupteten Herausgabeanspruch gegen den gegenwärtigen Besitzer des Fahrzeugs an den Beklagten abtritt. Der Beklagte hat unter Wahrung seiner Rechtsposition diese Erklärung angenommen.

II.

Die Berufung hat mit dem Hilfsantrag ganz überwiegend Erfolg.

1) Hinsichtlich des Hauptantrags ist das Rechtsmittel zurückzuweisen, weil der Kläger nach den zutreffenden, zuletzt nicht mehr sonderlich in Zweifel gezogenen Erwägungen des Landgerichts an dem Fahrzeug Eigentum erworben und er dieses Eigentum unter der Bedingung eines Zahlungsanspruchs, der ihm mit vorliegendem Urteil zuerkannt wird, auf den Beklagten übertragen hat. Im Übrigen bestünde, wie nachfolgend darzulegen sein wird, aufgrund des wirksam erklärten Rücktritts ohnehin kein Erfüllungs- oder sonstwie zu begründender Übereignungsanspruch mehr.

2) Der Hilfsantrag ist dem Grunde nach aus § 346 Abs. 1 BGB gerechtfertigt. Der Kläger ist von dem Kaufvertrag wirksam zurückgetreten.

a) Das veräußerte Fahrzeug litt bei Übergabe im Sinne des § 435 S. 1 BGB an einem Rechtsmangel, der sich in der späteren Aufnahme in das SIS-System manifestierte.

Die hierdurch eröffnete Zugriffsmöglichkeit staatlicher Behörden führt zu einer den Käufer unmittelbar treffenden, individuellen Belastung und damit zu einem Mangel des an der Kaufsache erworbenen Eigentumsrechts (BGH, Urteil vom 18.01.2017 – VIII ZR 234/15, NJW 2017, 1666 Rn. 28). Für die dahingehende Feststellung kommt es auf die Frage, ob der ursprünglichen Eigentümerin angesichts des gutgläubigen Erwerbs jedenfalls durch den Kläger oder möglicherweise bereits durch den Beklagten noch Rechte an dem Wagen zustanden, nicht an. Entscheidend ist alleine die Eintragung selbst, da der Verkäufer als Teil seiner Erfüllungspflicht ein Fahrzeug zu verschaffen hat, das problemlos zur Straßenverkehrszulassung gebracht und ohne Sorge vor behördlicher Beschlagnahme im In- und Ausland benutzt werden kann (BGH aaO. Rn. 29). Daran fehlte es, wie die tatsächlich vorgenommene Beschlagnahme eindrucksvoll belegt. Auf deren Vornahme kam es indes noch nicht einmal mehr entscheidend an. Ebensowenig ist es von Belang, ob ein gutgläubiger Erwerb des Wagens nach deutschem Recht dem Vorgehen der ursprünglichen Eigentümerin nach rumänischem Recht hätte hinderlich sein können. Entscheidend ist die sich aus der tatsächlichen Ausgangslage und der darauf aufbauenden Eintragung in das SIS-System ergebende, unmittelbar wirkende Risikobelastung des Fahrzeugs. Anhaltspunkte für ein nicht rechtmäßiges Vorgehen der beteiligten Behörden liegen nicht vor.

Der Umstand, daß Eintragung und Beschlagnahme erst nach Übergabe des Fahrzeugs erfolgten, ist ohne Belang. Denn es kommt nicht auf die behördlichen Maßnahmen an, sondern auf das Vorliegen einer tatsächlichen Ausgangslage, die so gestaltete Maßnahmen zur Folge haben kann (BGH aaO. Rn. 21 zu einer Beschlagnahme nach § 111b StPO). Diese Ausgangslage bestand in der seitens eines Leasingnehmers unterbliebenen Rückgabe des Fahrzeugs an die in H ansässige Eigentümerin, mithin in einem Vorgang, der notwendig zeitlich vor der für den hier zu entscheidenden Fall maßgeblichen Veräußerung gelegen haben muss.

Die vom Beklagten in den Vordergrund gestellte Entscheidung des BGH vom 26.04.2017 (VIII ZR 233/15, MDR 2017, 939) steht dem nicht entgegen. Sie behandelt in der Tat einen Fall, in dem die Aufnahme in das SIS-System bei Übergabe bereits erfolgt war. Indes lassen sich hieraus keine für die vorliegende Sache erheblichen, anderweitigen Schlüsse ziehen. Denn die oben zitierte Entscheidung des selben Revisionssenats vom 17.01.2017 wird in dem jüngeren Urteil ausdrücklich in Bezug genommen; ihre Grundaussage zur potentiellen Gefahr einer Beschlagnahme findet sich schon in früheren Entscheidungen (BGH NJW 2004, 1802; OLG Hamm NJW-RR 2016, 120; OLG Düsseldorf 20.02.2015 – 22 U 159/14), so daß von gefestigter Rechtsprechung auszugehen ist. Die Veröffentlichung von Jerger/Bühler (NJW 2017, 1639), auf die im Schriftsatz vom 07.11.2017 hingewiesen wird, mag den Standpunkt des BGH zwar kritisieren, nimmt ihm aber nicht die Überzeugungskraft. Der weitere Beitrag auf Seite 2789 der selben Zeitschrift ist nicht einschlägig.

Die zwischenzeitliche Herausgabe an den ursprünglichen Eigentümer hat auf das anhaltende Vorliegen des Rechtsmangels keinen Einfluss. Hierin liegt lediglich eine Fortschreibung der durch die Aufnahme des Fahrzeugs in das SIS geschaffenen, den Rechtsmangel begründenden Gefahr. Dafür reicht es aus, daß die Fa. Q sich auf den Standpunkt stellt, den Wagen als rechtmäßige Eigentümerin wieder in Besitz genommen zu haben. Reicht nämlich für die Annahme des Rechtsmangels die Eintragung aus, so kann jedenfalls eine mit nachhaltigen Hindernissen für die Wiedererlangung der Sache verbundene Umsetzung des mit der Eintragung verfolgten Ziels diesen nicht beseitigen.

Das Ergebnis steht zu Erwägungen gerechter Risikoverteilung nicht in Widerspruch. Mag auch der Beklagte mit dem behördlichen Zugriff auf den Wagen genau so wenig gerechnet haben wie der Kläger, so hat er selbst doch wiederum einen Vertragspartner, bei dem er, soweit die Rechtslage es zulässt, Rückgriff nehmen kann.

b) Am Vorliegen einer wirksamen Rücktrittserklärung besteht kein Zweifel. Eine Fristsetzung war jedenfalls nach § 440 S. 1 BGB entbehrlich. Auf diesen Gesichtspunkt stellt der BGH ebenfalls tragend ab (NJW 2017, 1666 Rn. 34). Angesichts des aus den eingeholten Zeugenaussagen bzw. Stellungnahmen ersichtlichen Standpunkts der rumänischen Behörden und der Fa. Q ist es dem Kläger nicht zuzumuten, zunächst einen Rückerwerb des Fahrzeugs in Rumänien zu versuchen. Das findet in den Angaben des Zeugen P und dem beigefügten Schreiben der rumänischen Behörde eine hinreichende Stütze.

c) Der vertragliche Gewährleistungsausschluss steht dem Anspruch nicht entgegen, weil er sich nicht auf Rechtsmängel erstreckt (zu dieser Frage auch BGH MDR 2017, 939; OLG München 02.05.2016 – 21 U 3016/15, juris).

3) In der Höhe ergeben sich geringe Abstriche.

a) Zunächst muss der Beklagte dem Kläger nach allem den Kaufpreis zurückzahlen.

b) Ein Anspruch auf Ersatzleistung für die Kosten der von ihm als „Einbau“ geschilderten Verlängerung der Intec-Garantie steht dem Kläger aus der hier alleine einschlägigen Regelung des § 347 Abs. 2 S. 1 BGB nicht zu. Die Garantie erstreckte sich ausweislich der Bestätigung vom 07.06.2012 (Bl. 9) auf die Zeit vom 12.07.2012 bis zum 11.07.2013 (12 Monate). Ob es sich bei der Vereinbarung im Sinne der Norm überhaupt um eine Verwendung gehandelt hat, kann dahinstehen. Für die Zeit bis zur Beschlagnahme am 06.03.2013 kann der Kläger bereits deshalb keinen Ersatz verlangen, weil er bis dahin selbst Nutznießer der Garantie war. Für die Folgezeit ist der Aufwand nicht zu ersetzen, weil es sich jedenfalls um keine notwendige Verwendung im Sinne des § 347 Abs. 2 S. 1 BGB gehandelt hat. Notwendige Verwendungen sind die Aufwendungen, die zur Erhaltung oder zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des zurückzugebenden Gegenstands erforderlich gewesen sind und nicht nur Sonderzwecken des Rücktrittsschuldners gedient haben; maßgeblich ist, ob im Hinblick auf den vorhandenen Zustand der Sache und deren Bewirtschaftung dem Rücktrittsgläubiger Aufwendungen erspart werden, die er sonst hätte übernehmen müssen; nur dann sind die Vermögensopfer des Rücktrittsschuldners, ohne Rücksicht darauf, ob sie dem Rücktrittsgläubiger einen fortwirkenden Nutzen verschaffen oder den Wert der Sache erhöhen, zu erstatten, und es findet insoweit eine „Verlustabwälzung auf den Eigentümer“ statt (BGH NJW-RR 2013, 1318 Rn. 22). Hiervon ausgehend scheitert der Anspruch daran, daß der Beklagte im Kaufvertrag die Intec-Garantie ausdrücklich nur für das erste Jahr übernommen hatte, die Folgezeit mithin nach der von den Parteien vereinbarten Risikoverteilung alleine Angelegenheit des Klägers war. Das schließt die Notwendigkeit des Aufwandes a us.

c) Für den Ausgleich des Nutzungsvorteils nach § 346 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB bleibt es für die Nutzungsdauer bei den Berechnungen des Klägers. Ausgangspunkt ist eine geschätzte Nutzung des Fahrzeugs für eine Laufleistung von insgesamt 300.000 km. Die dahingehende Schätzung kann der Senat aus eigener Sachkunde vornehmen. Sie beruht auf dem Qualitätsstandard des Fahrzeugs und dem Dieselantrieb. Was die Nutzung selbst angeht, ist mit den Berechnungen des Beklagten in der Berufungsbegründung vom 17.02.2017 (dort S. 5, Bl. 332) von 48.074 km auszugehen. Es errechnet sich also: 36.250,00 EUR x 48.074 / (300.000 ./. 55.000) = 7.112,99 EUR.

d) Daraus ergibt sich als Zahlungsforderung:

36.250,00 EU  ./.7.112,99 EUR Ergebnis:  29.137,01 EUR

Der Zinsanspruch folgt aufgrund der wirksamen Mahnung im Anwaltsschreiben vom 13.03.2014 (Bl. 25) aus § 288 Abs. 1 BGB.

e) Eine über die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vereinbarte Rückübereignung hinausgehende Pflicht des Klägers, dem Beklagten Zug um Zug gegen die Zahlung eine Leistung zu erbringen, besteht nicht. Dem steht § 346 Abs. 2 Nr. 3 BGB entgegen, da der Wagen im Sinne der Regelung untergegangen ist. Die Norm erfasst mit diesem Tatbestandsmerkmal alle Fälle von Unmöglichkeit der Herausgabe (Palandt-Grüneberg § 346 Rn. 9). Ein solcher Fall ist unter Berücksichtigung von § 275 Abs. 2 S. 1 BGB gegeben. Denn angesichts der eindeutigen Stellungnahmen des serbischen Innenministeriums vom 20.05.2015 (Bl. 182) und namentlich der Zeugen R und N (Bl. 218, 238) ist mit einer freiwilligen Herausgabe des Wagens an den Kläger nicht zu rechnen. Auch ist ihm angesichts des vom Beklagten zu vertretenden Rechtsmangels nicht zuzumuten, eine Zahlung an die Fa. Q vorzufinanzieren, zu welcher letztere bei verständiger Würdigung der Gegebenheiten den Wagen an ihn herausgeben würde. Ein Anspruch des Beklagten auf einen gleich wie gearteten Wertersatz kommt nach §  346 Abs. 3 Nr. 2 BGB ebenfalls nicht in Betracht, weil er im Verhältnis zum Kläger die Folgen des § 346 Abs. 2 Nr. 3 BGB zu vertreten hat. Denn sie sind unmittelbar aufgrund des Rechtsmangels eingetreten. Im Übrigen haben die Parteien diesen Punkt durch die Vereinbarung der Rückübereignung abschließend geregelt.

4) Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91, 92 Abs. 2, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Kostenbelastung des Beklagten rechtfertigt sich daraus, daß Haupt- und Hilfsantrag im Wesentlichen wirtschaftlich identisch sind und daher die Abweisung des Hauptantrags nicht ins Gewicht fallen muss.

5) Der Streitwert wird auf bis 30.000,00 EUR festgesetzt.

III.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die hier maßgeblichen Rechtsfragen sind durch den Bundesgerichtshof geklärt worden. Im Übrigen entscheidet der Senat den Fall nach dessen tatsächlichen Gegebenheiten.

 

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