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Frachtführerhaftung für Temperaturschaden

LG Bielefeld – Az.: 15 O 60/20 – Urteil vom 09.03.2021

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 32.406,26 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.10.2019 sowie 1.239,40 EUR vorgerichtliche Anwaltskosten zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche aus einem Frachtvertrag geltend.

Mit Transportauftrag vom 02.08.2019 (im Einzelnen Anlage K 1; Bl. 10 d.eA.) beauftragte die Klägerin die Beklagte mit der Beförderung einer Lkw-Ladung Tiefkühlpizza von Z. nach U. zu einer dortigen S.-Filiale. In Ausführung dieses Frachtauftrages übernahm die Beklagte sodann am 02.08.2019 mit ihrem Fahrzeug „Autokennzeichen01“ bei der A.1 KG 34 Paletten mit Tiefkühlware. Der Fahrer der Beklagten bestätigte die Übernahme der Ware durch Unterschrift auf dem Frachtbrief (Anlage K 2) sowie auf dem Lieferschein (Anlage K 3). Auf beide Dokumente wird im Einzelnen Bezug genommen.

Frachtführerhaftung für Temperaturschaden
(Symbolfoto: Baloncici/Shutterstock.com)

Bei Anlieferung der Ware bei der Empfängerin wurden von der Empfängerin Temperaturen der Ware von maximal -11o Celsius festgestellt. Daraufhin verweigerte die Empfängerin die Annahme der Ware und vermerkte dies auf dem Lieferschein. Im Einzelnen wird auf den Inhalt des Lieferscheins Anlage K 4 (Bl. 22 d.eA.) Bezug genommen.

Die Klägerin hat die Beklagte wegen dieses Temperaturschadens am 05.08.2019 haftbar gehalten. Im Übrigen beauftragte sie das Sachverständigenbüro O. & Co. damit, die zurückgewiesene Ware zu begutachten. Das Sachverständigenbüro nahm sowohl am 05.08.2019 als auch am 06.08.2019 eine Besichtigung der Ware vor. Der Sachverständige M. kam dabei zu dem Ergebnis, dass die tiefgekühlte Ware in unzulässiger Weise erwärmt war und dadurch einen Totalschaden erlitten hat. Den Warenwert der tiefgekühlten Ware ermittelte er mit 29.831,14 EUR. Im Einzelnen wird auf den Inhalt des privaten Sachverständigengutachtens vom 14.10.2019 (Anlage K 5; Bl. 25 d.eA.) Bezug genommen. Unter dem 25.09.2019 (im Einzelnen Anlage K 7; Bl. 90 d.eA.) stellte die Klägerin der Beklagten einen Schaden in Höhe von 30.789,48 EUR netto in Rechnung.

Die Klägerin behauptet, bis hin zur Übernahme der Ware durch den Fahrer der Beklagten die Vorgaben der Verordnung über tiefgefrorene Lebensmittel (TLMV) eingehalten zu haben und dabei insbesondere die notwendige Mindesttemperatur von -18o Celsius eingehalten und noch deutlich unterschritten zu haben. Der Fahrer der Beklagten habe die Ware an der Produktionsstätte der Tiefkühlpizzen übernommen. Dort sei durch den Produktionsprozess und die anschließende Lagerung eine konstante Tiefkühlung gewährleistet. Bei den übernommenen Paletten mit Tiefkühlpizzen habe es sich um Vollpaletten mit jeweils einer Sorte gehandelt. Ein Umpacken sei nicht erforderlich gewesen. Letzten Endes habe der Fahrer durch seine Unterschriften sowohl auf dem Frachtbrief als auch auf dem Lieferschein bestätigt, Tiefkühlwaren mit den dort vorgegebenen Temperaturen übernommen zu haben. Darüber hinaus umfasse seine Unterschrift auf dem Lieferschein Anlage K 3 auch die dort handschriftlich fixierten stichprobenartigen Temperaturmessergebnisse von -22,4o Celsius, -22,5o Celsius sowie -22,6o Celsius. Mit den Messergebnissen bei der Empfängerin sowie den Erkenntnissen des Privatsachverständigen stehe fest, dass die erforderliche Transporttemperatur von -24o Celsius nicht eingehalten worden war. Insoweit verweist die Klägerin auch auf den Umstand, dass die Beklagte bislang kein Kühlprotokoll für den Lkw vorgelegt habe.

Die Klägerin begehrt den Ersatz des durch das Sachverständigenbüros O. und Co. GmbH ermittelten Warenschadens von 29.831,14 EUR. Mit ihrer unter dem 25.09.2019 (Anlage K 7; Bl. 90 d.eA.) erstellten Rechnung habe sie den Schaden weitergereicht gehabt, den die Versenderin ihr gegenüber geltend gemacht habe. Die Fa. A.2 habe ihr den Schaden an ihrer Ware unter dem 11.09.2019 mit 30.789,48 EUR netto in Rechnung gestellt. Insoweit legt die Klägerin das Schreiben der A.2 KG vom 11.09.2019 (Anlage K 6; Bl. 90), auf dessen Inhalt im Einzelnen Bezug genommen wird. Darüber hinaus begehrt die Klägerin die für die Einschaltung des Sachverständigenbüros im Umfang von netto 1.389,20 EUR erstatteten Kosten und legt die Rechnung der Fa. O. & Co. GmbH vom vor, auf deren Inhalt im Einzelnen Bezug genommen wird (Anlage K 8; Bl. 98 d.eA.). Im Übrigen nimmt sie die Beklagte auf Erstattung der von ihr bezahlten Transportkosten in Höhe von 620,92 EUR und 565,00 EUR in Anspruch. Insoweit legt sie die Rechnungen der Beklagten vom 02.08.2019 (Anlage K 10; Bl. 104 d.eA.) und vom 05.08.2019 (Anlage K 11, Bl. 107 d.eA.) vor, auf deren Inhalt im Einzelnen Bezug genommen wird.

Nachdem die Beklagte auf die vorgerichtlichen Zahlungsaufforderungen der Klägerin keine Zahlung geleistet hatte, wurde sie letztmalig durch die jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin unter dem 22.04.2020 vergeblich zur Zahlung aufgefordert (im Einzelnen Anlage K 12; Bl. 110 d.eA.).

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 32.406,26 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.10.2019 sowie 1.239,40 EUR vorgerichtliche Anwaltskosten zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet, dass der Fahrer überhaupt ordnungsgemäß heruntergekühlte Tiefkühlware übernommen habe. Dieser sei nie an einer Temperaturmessung beteiligt gewesen bzw. hinzugezogen worden. Man habe ihm schlicht die Übernahme der Ware angedient, ohne dass er die Möglichkeit gehabt hätte, die Temperatur zu überprüfen. Von daher habe seine Unterschrift auf dem Frachtbrief (Anlage K 2) auch nur einen begrenzten Erklärungswert, ebenso wie seine Unterschrift auf dem Lieferschein (Anlage K 3). Schadenstiftender Umstand werde gewesen sein, dass die Ware aus unterschiedlichen Beständen mit unterschiedlicher Kühlung zusammengestellt worden sei. Aus den Ausführungen des Sachverständigenbüros sei herauszulesen, dass die Ware wohl aus unterschiedlichen Lagerbeständen mit unklarer unterschiedlicher Behandlung stamme und die Herstellung weit vor dem Ladetermin erfolgt sei. Von daher sei nicht auszuschließen, dass die Ware bereits vor Übernahme diesen Temperaturschaden erlitten hatte. Jedenfalls sei der Schadenseintritt nicht in der Obhut der Beklagten entstanden.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze einschließlich der beigefügten Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist in vollem Umfang begründet. Der von der Klägerin geltend gemachte Zahlungsanspruch folgt aus §§ 425, 430, 432 HGB.

Der der Beklagten übertragene Transportauftrag beinhaltete den Transport von Tiefkühlware. Ausdrücklich war in diesem Auftrag die Laderaumtemperatur mit „Tiefgekühlt -25o C“ vorgegeben. Damit war klargestellt, dass die Beklagte sowohl entsprechend tiefgekühlte Ware entgegenzunehmen und sodann bei Aufrechterhaltung der vorgegebenen Tiefkühltemperatur während des Transportes diese entsprechend tiefgekühlt bei der Empfängerin abzuliefern hatte. Mit der Entgegennahme der Ware durch den Fahrer der Beklagten und überdies mit der Gegenzeichnung sowohl des Frachtbriefes als auch des Lieferscheins hat der Fahrer der Beklagten bestätigt, ordnungsgemäß heruntergekühlte Tiefkühlware übernommen zu haben. Mit Ablieferung einer nur noch bei -11o Celsius gekühlten Ware bei der Empfängerin greift der Haftungstatbestand des § 425 HGB. Die nur noch auf -11o Celsius heruntergekühlte Ware entspricht weder der Vorgabe des Frachtvertrages noch den Vorgaben des § 2 Abs. 4 TLMV mit der Folge, dass sie nicht mehr verkehrsfähig ist.

Soweit die Beklagte die Ordnungsmäßigkeit des Ladegutes bei Übernahme bestreitet, ist dieses Vorbringen unerheblich. Sie ist vielmehr an den Erklärungen und dem Verhalten ihres eigenen Fahrers festzuhalten (§ 430 HGB). Auch ihre an die Ausführung des Sachverständigenbüros anknüpfenden Überlegungen hinsichtlich unterschiedlicher Herkunft der Ware und unterschiedlicher Behandlung und Kühlung im Vorfeld zu der Verladung greifen nicht. Dieser Vortrag erfolgt erkennbar ins Blaue hinein.

Im Ergebnis ist der Klägerin folgender ersatzfähiger Schaden entstanden:

  • Warenwert 29.831,14 EUR
  • Sachverständigenkosten     1.389,20 EUR
  • Transportkosten 620,20 EUR
  • Transportkosten 565,00 EUR
  • Summe 32.406,26 EUR

Der von der Klägerin geltend gemachte Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB.

Die von der Klägerin geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.239,40 EUR sind aus §§ 280 Abs. 2, 286 BGB begründet.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 91 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

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