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Gebrauchtwagenkauf – Beschaffenheitsvereinbarung Unfallfreiheit

LG Bonn – Az.: 1 O 394/15 – Urteil vom 25.11.2016

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12.583,69 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 10.890,53 EUR seit dem 13.11.2015 sowie weiterer Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 1.693,56 EUR seit dem 09.09.2016 Zug um Zug gegen Übergabe des Pkw D mit der Fahrzeugidentifizierungsnummer … zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeuges gemäß Ziffer 1. in Annahmeverzug befindet.

3. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger außergerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 958,19 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.11.2015 zu zahlen.

4. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

5. Die Kosten des Rechtsstreites werden der Beklagten auferlegt.

6. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Mit schriftlichem Vertrag vom 27.04.2015 (Anlage B1 = Bl…. d.A.) kaufte der Kläger das im Urteilstenor beschriebene Gebrauchtfahrzeug von der Beklagten zum Preis von 7.900,00 EUR. Das Fahrzeug war im April 2015 von der Beklagten in einem über das Internetportal „N2.de“ geschalteten Internetinserat als „unfallfrei“ beschrieben worden. Die Beklagte hatte das Fahrzeug zuvor als Tageszulassungsfahrzeug von der inzwischen insolventen J GmbH & Co. KG erworben (Zulassungsbescheinigung Teil II = Bl…. d.A.; Sitzungsprotokoll vom 22.01.2016, S.3 = Bl…. d.A.).

Während der Nutzung durch die Beklagte erlitt das Fahrzeug einen Heckschaden (Lichtbildkopien Bl…. d.A.). Die Rechnung über die Reparaturkosten dieses Schadens weist einen Betrag von 1.766,04 EUR brutto aus (vgl. S.2 des Sitzungsprotokolls vom 22.10.2016). Darüber hinaus erlitt das Fahrzeug einen in seinem Umfang zwischen den Parteien im Einzelnen streitigen Schaden an der Motorhaube, zu dessen Beseitigung jedenfalls die Motorhaube in Kenntnis der Beklagten ausgebessert worden ist.

Das Fahrzeug wurde dem Kläger mit einem Kilometerstand von 62.744 km übergeben, der Kaufpreis gezahlt. Der Kläger hat mit dem Fahrzeug zwischenzeitlich 13.702 km zurück gelegt.

Mit Werkstattrechnung vom 01.06.2015 (Bl…. – … d.A.) berechnete die S GmbH & Co. KG dem Kläger für Wartungs- und Erneuerungsarbeiten am dem Fahrzeug 3.327,51 EUR, mit Rechnung vom 05.08.2015 für ein Ersatzteil „Zündspule“ (Bl…. d.A.) 136,99 EUR, mit Rechnung vom 10.08.2015 für ein Ersatzteil „Gasdruck. Motor“ (Bl…. d.A.) 38.38 EUR und mit Rechnung vom 18.08.2015 für ein Ersatzteil „Unterdruckanzeiger“ (Bl…. d.A.) 7,03 EUR. Der Kläger ließ ferner die Sommerreifen des Fahrzeuges auswechseln. Hierbei gab er die Kompletträder seines vorherigen Autos in Zahlung, so dass ihm die S2 GmbH hierfür auf den Verkaufspreis der Reifen von 450,00 EUR einen Betrag von 200,00 EUR gutschrieb (Rechnung vom 10.09.2015 = Bl…. d.A.).

Am 05.07.2015 kam es am Wohnort des Klägers zu einem schweren Unwetter mit Hagel. Hierbei erlitt das streitgegenständliche Fahrzeug einen erheblichen Schaden, den der Kläger reparieren ließ.

Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 08.10.2015 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten den Rücktritt vom Vertrag und forderte diese zur Zahlung eines Betrages von 11.634,45 EUR Zug um Zug gegen Rückübereignung des Wagens auf, der sich wie folgt berechnet:

  • Kaufpreis 7.900,00 EUR
  • Reparatur- und Inspektionskosten 3.327,71 EUR
  • Ersatzteil Unterdruckanzeiger 7,03 EUR
  • Ersatzteil Zündspule 136,89 EUR
  • Reifen 450,00 EUR
  • Ersatzteil Gasdruckmotor 38,38 EUR
  • Selbstbeteiligung Beseitigung Hagelschaden 150,00 EUR
  • Abzüglich Nutzungsvergütung – 375,36 EUR.

Diese Ansprüche wiesen die Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit Schreiben vom 16.10.2015 (Bl…. – … d.A.) zurück, in dem es unter anderem heißt:

Unter Zeugen wurde Ihrer Mandantschaft mitgeteilt, dass das Fahrzeug einen leichten Lackschaden davongetragen hätte, welcher jedoch ordnungsgemäß repariert worden ist. ( … ) Durch das fehlerhafte Schließen der Motorhaube in einer Werkstatt ist zuvor die Motorhaubenstütze in das Blech gestoßen worden, so dass eine Außenwölbung aufgetreten war. Auch diese Außenwölbung wurde fachmännisch behoben. Diese beiden Umstände wurden Ihrer Mandantschaft unter Zeugen vor Abschluss des Kaufvertrages mitgeteilt.

Der Kläger behauptet, für die Beseitigung des Hagelschadens seien ihm Kosten in Höhe einer Selbstbeteiligung von 150,00 EUR bei seiner Teilkaskoversicherung entstanden. Nach Abschluss der Reparatur des Hagelschadens sei festgestellt worden, dass der Wagen einen größeren Schaden gehabt haben müsse, da die gesamte Motorhaube, der linke Kotflügel und die linke Tür nachlackiert worden seien. Dabei weise die Motorhaube bereits Risse in dem Bereich auf, in dem diese gespachtelt und nachlackiert worden sei. Der Schaden sei unfachmännisch repariert. Eine fachmännische Reparatur koste 1.261,83 EUR (Reparaturkostenkalkulation Bl…. d.A.). Weder auf diesen Schaden noch auf den ihm erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 22.01.2016 durch die Beklagte offenbarten Heckschaden sei er vor Abschluss des Kaufvertrages hingewiesen worden. Die in den eingereichten Rechnungen ausgewiesenen Ersatzteile, Wartungs- und Erneuerungsarbeiten seien wegen entsprechender Defekte erforderlich geworden.

Mit der Beklagten am 12.11.2015 zugestellter Klageschrift hat der Kläger unter anderem die Zahlung des vorgerichtlich auf 11.634,45 EUR bezifferten Betrages geltend gemacht. Mit der Beklagten am 06.01.2016 zugestelltem Schriftsatz hat der Kläger diesen Betrag um 113,05 EUR aus einer Werkstattrechnung der S vom 22.12.2015 (Bl…. d.A.) und mit der Beklagten am 08.09.2016 zugestelltem Schriftsatz vom 30.08.2016 um 1.282,69 EUR aus einer Rechnung der S vom 08.04.2016 (Bl…. d.A.) sowie um 150,00 EUR für eine neue Batterie (Rechnung Bl…. d.A.) abzüglich einer Nutzungsentschädigung von 822,06 EUR erhöht.

Ferner hat der Kläger mit dem Schriftsatz vom 30.08.2016 die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung erklärt.

Der Kläger beantragt,

1. Die Beklagte zu verurteilen, an ihn 12.734,04 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 10.890,53 EUR seit Klagezustellung sowie weiterer Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 1.693,56 EUR seit Zustellung des Schriftsatzes vom 30.08.2016 Zug um Zug gegen Übergabe des Pkw D mit der Fahrzeugidentifizierungsnummer … zu zahlen;

2. festzustellen, dass sich die Beklagte in Annahmeverzug befindet;

3. die Beklagte zu verurteilen, ihm außergerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 958,19 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, sie habe dem Kläger vor Abschluss des Kaufvertrages mitgeteilt, dass das Fahrzeug einen leichten Lackschaden gehabt habe, der ordnungsgemäß repariert worden sei. Dabei habe es sich jedoch nicht um einen Unfallschaden gehandelt. Sie habe dem Kläger zudem mitgeteilt, dass eine „Macke an der Motorhaube“ bestand. Dabei habe es sich um eine leichte, kaum sichtbare Ausbeulung nach oben gehandelt. Durch ein fehlerhaftes Schießen in einer Werkstatt sei die Motorhaubenstütze bzw. der Ölstab in das Blech gerammt worden, so dass die gleichfalls fachmännisch behobene Wölbung aufgetreten sei.

In der mündlichen Verhandlung vom 22.01.2016 hat die Beklagte ferner unwidersprochen vorgetragen, dass sie mit dem Fahrzeug gegen einen Poller aus Waschbeton gefahren sei. Sie behauptet, dass sie den Kläger hierauf hingewiesen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die zu den Akten gereichten Unterlagen und Lichtbilder Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Zeugenvernehmung, ergänzende Anhörung der Parteien sowie die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Inhaltes und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll der mündlichen Verhandlung vom 22.01.2016 (Bl…. – …R d.A.) sowie auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. V vom 27.07.2016 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 12.583,69 EUR aus den §§ 346 Abs.1, 347 Abs.2, 437 Ziffer 2. BGB und den §§ 280 Abs.1 und Abs.3, 281 Abs.1, 437 Ziffer 3. BGB sowie auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 958,19 EUR aus den §§ 280 Abs.1, 437 Ziffer 3., 249f. BGB.

1. Gewährleistungsansprüche des Klägers auf Rückzahlung des Kaufpreises sowie auf Aufwendungsersatz folgen daraus, dass das streitgegenständliche Fahrzeug bei der Übergabe (§§ 434 Abs.1 Satz 1, 446 Satz 1 BGB) und noch zur Zeit der Abgabe der Rücktrittserklärung (vgl. nur Palandt/Weidenkaff, BGB, 75. Aufl. 2016, § 437 Rd.22 m.w.N.) im Sinne der §§ 434 Abs.1, 437 BGB mangelhaft gewesen ist. Der Kläger ist deshalb mit Schreiben vom 08.10.2015 berechtigterweise und deshalb wirksam von dem Kaufvertrag zurückgetreten (§ 349 BGB).

a) Zu diesen Anspruchsvoraussetzungen hat das erkennende Gericht mit Hinweisbeschluss vom 11.02.2016 (dort unter II.1.) folgendes ausgeführt:

Die von dem Zeugen N bestätigte Anpreisung des verkauften Fahrzeuges in dem (unstreitigen) Internetinserat als „unfallfrei“ dürfte als öffentliche Äußerung im Sinne von § 434 Abs.1 Satz 3 BGB (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 12. Aufl. 2014, Rd.3275) noch keine Garantie der Beklagten begründen, die nach § 444 BGB zu einer Unwirksamkeit des im Kaufvertrag (Bl…. d.A.) vereinbarten Gewährleistungsausschlusses führen würde. Denn bei einem Privatverkauf ist mit der Annahme einer derartigen Garantie grundsätzlich Zurückhaltung geboten (vgl. LG Kiel, Urteil vom 13.08.2014 – 9 O 262/13 = BeckRS 2014, 23001 – für Laufzeitangaben; Reinking/Eggert, aaO., Rd.3274 – 3276 mit weiteren Beispielen).

Allerdings hat der Zeuge N im Termin vom 22.01.2016 erklärt, dass das Fahrzeug dem Kläger ausdrücklich als „unfallfrei“ verkauft worden ist (S.5 des Sitzungsprotokolls). Hinzu kommt der Hinweis der Klägerseite im Termin auf die Stellung der Beklagten als Erstbesitzerin des Fahrzeuges.

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Aus diesen fortgeltenden Erwägungen folgt, dass die Parteien eine konkrete Beschaffenheit des streitgegenständlichen Fahrzeuges im Sinne von § 434 Abs.1 Satz 1 BGB betreffend die Unfallfreiheit vereinbart haben. Denn ungeachtet einer fehlenden Erwähnung der Unfallfreiheit in dem Kaufvertragsformular folgt aus den mündlichen Angaben bei den Vertragsverhandlungen, den Erklärungswirkungen des Inserates sowie der Stellung der Beklagten als Ersterwerberin des Fahrzeuges nach einer Tageszulassung eine mindestens konkludente Beschaffenheitsvereinbarung dieses Inhaltes (§§ 133, 157, 242 BGB; vgl. dazu Palandt/Weidenkaff, aaO., § 434 Rd.17).

b) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht auch zur Überzeugung des erkennenden Gerichts (§ 286 Abs.1 ZPO) fest, dass das streitgegenständliche Fahrzeug nicht unfallfrei ist und damit in für den Kläger nachteiliger Weise von der vereinbarten Beschaffenheit abweicht.

Zu dem Begriff eines Unfallschadens hat das Gericht mit Hinweisbeschluss vom 11.02.2016 (dort unter II.3.) folgendes ausgeführt:

Anschließend an die Ausführungen zu 2. wird die Beklagte auf den Rechtsbegriff eines (offenbarungspflichtigen) Unfallschadens hingewiesen. Dieser liegt vor, wenn das verkaufte Fahrzeug mehr als nur Bagatellschäden, also nicht nur ganz geringfügige Lackschäden, erlitten hat (BGH NJW 2008, 1517, 1518 Rd.18 und 19; BGH NJW 2008, 53, 54 Rd.20; Vuia NJW 2015, 1047, 1048). Liegen demgegenüber Blechschäden vor, so kann nicht mehr von einem Bagatellschaden gesprochen werden (BGH, aaO.; vgl. auch zur Abgrenzung reiner Lackschäden von einem „Unfallfahrzeug“: BGH NJW 2009, 2807, 2808).

Dies führt zu folgender rechtlicher Prüfung:

a) Der in der Klageschrift (S.3) behauptete Frontschaden wäre ein Unfallschaden. Hierüber wäre gegebenenfalls ein Sachverständigengutachten einzuholen.

b) Der von der Beklagten eingeräumte und nach der Aussage des Zeugen N sogar Spachtelarbeiten erfordernde Schaden an der Motorhaube wäre nach der oben genannten Diskussion auch ein offenbarungspflichtiger Unfallschaden. Indes setzt der Begriff Unfallschaden voraus, dass sich dieser im Straßenverkehr ereignet haben muss (vgl. MüKo/Westermann, BGB, 7. Aufl. 2016, § 434 Rd.67 m.w.N. zum Streitstand), was hier nicht der Fall ist.

c) Der offenbar erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Heckschaden war, insbesondere mit dem beschriebenen Reparaturaufwand, als Unfallschaden offenbarungspflichtig. Ob sich der Kläger diesen Vortrag zu eigen machen will, ist infolge der unterschiedlichen Äußerungen im Termin bislang unklar.

Im Anschluss an diese Hinweise hat der Kläger mit der Beklagten am 18.03.2016 zugestelltem Schriftsatz vom 10.03.2016 ausdrücklich erklärt, er berufe sich für sein Rücktrittsrecht nunmehr auch auf den erst in der mündlichen Verhandlung vom 22.01.2016 zur Sprache gekommenen Heckschaden (Bl…. d.A.).

Auf die hierauf mit Beweisbeschluss vom 06.04.2016 (Bl…. d.A.) angeordnete Fortsetzung der Beweisaufnahme hat der Sachverständige V mit schriftlichem Gutachten vom 27.07.2016 sorgfältig und in allen Punkten überzeugend festgestellt, dass die Motorhaube des Fahrzeuges umfangreich innen und außen instandgesetzt und neu lackiert worden ist, dass der Kotflügel vorne links und die linke Türe nachlackiert worden sind und dass die Stoßstande vorne links unten angestoßen worden ist, so dass dort die Spaltmaße nicht mehr korrekt sind (S.6 des Gutachtens). Dass dieses Schadensbild (allein) nicht auf den beklagtenseits behaupteten Vorfall mit einer Motorhaubenstütze oder einem Ölstab zurückzuführen sein kann, liegt auf der Hand. Den dementsprechenden Ausführungen des Sachverständigen auf Seite 7 seines Gutachtens ist nichts hinzuzufügen. Darüber hinaus hat der Sachverständige einleuchtend dargestellt, dass die Reparatur des beklagtenseits eingeräumten Heckschadens nicht fachgerecht erfolgt ist und deshalb die Stoßstange mit einem Kostenaufwand von 892,66 EUR zzgl. Mehrwertsteuer zu erneuern ist. Rechnet man zu diesem Betrag die von dem Sachverständigen kalkulierten Reparaturkosten für den noch nicht ordnungsgemäß beseitigten Frontschaden des Fahrzeuges von 1.153,50 EUR zzgl. Mehrwertsteuer hinzu, so begründet dieses Ergebnis der Beweisaufnahme das Vorliegen eines erheblichen Unfallschadens des Fahrzeuges.

In Anbetracht der Relation dieser Kosten zu dem vereinbarten Kaufpreis liegt damit zugleich eine erhebliche Vertragspflichtverletzung der Beklagten im Sinne von § 323 Abs.5 Satz 2 BGB vor (vgl. dazu auch Reinking/Eggert, Der Autokauf, 12. Aufl. 2014, Rd.3517 m.w.N.).

c) Weder der in dem schriftlichen Formularkaufvertrag der Parteien enthaltene Gewährleistungsausschluss, noch ergänzende mündliche Angaben der Beklagten im Rahmen der Kaufvertragsverhandlungen der Parteien stehen einem Gewährleistungsanspruch des Klägers entgegen.

Zu dieser Fragestellung hat das Gericht bereits mit Hinweisbeschluss vom 11.02.2016 (dort unter II.2.) folgendes ausgeführt:

Die nach § 444 BGB außerdem zur Unwirksamkeit eines Gewährleistungsausschlusses führende Voraussetzung des arglistigen Verschweigens eines Mangels kann nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht von vornherein verneint werden. Denn die Aussage des Zeugen N ist in ihrer nur schlagwortartig den Beklagtenvortrag wiederholenden, unpräzisen und detailarmen Schilderung des streitigen Verlaufs des Verkaufsgespräches nicht glaubhaft. Zudem weist der Aussageinhalt, wonach man einerseits auf Heck- und Motorhaubenschäden hingewiesen haben will, andererseits diese Schäden nicht als Unfallschäden eingestuft und deshalb das Fahrzeug als „unfallfrei“ verkauft habe, einen logischen Bruch auf. Die Beklagte ist damit für eine Offenlegung ihr bekannter Vorschäden gegenüber dem Kläger beweisfällig geblieben.

Diese Erwägungen gelten fort und sind durch das Ergebnis der Sachverständigenbeweisaufnahme sogar noch bestätigt worden.

Die Aussage des Zeugen N, die Beklagte habe dem Kläger gesagt, dass das Fahrzeug rückwärts gegen einen Poller gefahren sei, ist nicht glaubhaft. Dies folgt schon aus der unpräzisen Beschreibung der entsprechenden Reaktion des Klägers hierauf. Denn die Schilderung des Zeugen wonach er einerseits nicht wisse, wie der Kläger reagiert habe, andererseits der Kläger das aber so hingenommen habe, ist inhaltlich widersprüchlich. Diese Angaben sind zudem nicht plausibel, da die Offenbarung eines derartigen Schadens regelmäßig zu einer Nachfrage über die Art und den Umfang des dadurch erlittenen Fahrzeugschadens durch den Käufer führt. Auch hierzu konnte der Zeuge aber mit Ausnahme des Satzes, man habe gesagt, dass der Schaden behoben worden sei (S.5 des Sitzungsprotokolls vom 22.01.2016), keine überprüfbaren Angaben machen. Das sich nach alledem im Wesentlichen in einer sehr pauschalen Wiedergabe von für die Beklagte prozessual günstig erscheinenden Hinweisen erschöpfende Aussageverhalten des Zeugen N offenbart zudem eine deutliche Begünstigungstendenz zugunsten seiner Ehefrau und spricht gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen.

Der Umstand, dass dieser mit dem klägerischen Vorwurf eines Unfallschadens in einem sachlogischen Zusammenhang stehende Heckschaden weder in dem vorgerichtlichen Antwortschreiben der Beklagtenseite vom 16.10.2015 noch in der Klageerwiderung irgendeine Erwähnung findet, unterstreicht diese Würdigung. Vielmehr ist dieser Schaden auch nach der Aktenlage erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 22.01.2016 von der Beklagten dem Kläger zur Kenntnis gebracht worden, wie auch dessen prozessuale Reaktionen zeigen.

Dem entspricht nicht zuletzt die eigene Schilderung des Zeugen N, man habe das Fahrzeug natürlich als „unfallfrei“ verkauft. Im Übrigen steht auch diese Äußerung in logischem Widerspruch zu der Behauptung, man habe dem Kläger den hier zur Diskussion stehenden erheblichen Vorschaden des Fahrzeuges offenbart.

Gleiches gilt für den Vortrag der Beklagten betreffend den Schaden an der Motorhaube. Dieser ist schon hinsichtlich seiner Ursache von der Beklagten nicht nachvollziehbar dargelegt worden. Denn ausweislich des unter Ziffer I.3. des Auflagen- und Beweisbeschlusses vom 06.04.2016 (Bl…. d.A.) zitierten Vortrages wird einerseits die Motorhaubenstütze, andererseits aber der Ölstab als Ursache für die Beschädigung genannt. Eine Dokumentation dieses Schadens einschließlich der zu seiner Beseitigung vorgenommenen konkreten Maßnahmen und Aufwendungen aber fehlt. Die an der gleichen Stelle des Fahrzeuges durch den Sachverständigen V attestierten Unfallschäden (oben unter 1.b)) widerlegen vielmehr den Beklagtenvortrag, der sich vor diesem Hintergrund deshalb als unwahr darstellt. Zugleich indizieren diese Umstände, dass der Beklagten der hier festgestellte Vorschaden des Fahrzeuges bekannt gewesen ist.

Die Aussage des Zeugen N ist schon anhand dieser Gesamtumstände nicht glaubhaft. Im Übrigen gelten die eingangs aufgezeigten Bedenken gegen die Wahrheit dieser Aussage auch zu diesem weiteren Punkt.

Der vorgerichtliche Hinweis in dem Beklagtenschreiben vom 16.10.2015, wonach eine entsprechende Information an den Kläger vor Vertragsschluss unter Zeugen erklärt worden sei, stützt diese Überlegungen. Denn entsprechende Zeugen hat die Beklagte mit Ausnahme ihres Ehemannes nicht benannt.

Die unterlassene Aufklärung des Käufers durch dem Verkäufer bekannte Vorschäden des Fahrzeuges stellen ein arglistiges Verschweigen von Fahrzeugmängeln durch den Verkäufer im Sinne von § 444 BGB dar, die ungeachtet des dadurch begründeten Anfechtungsrechtes für den Kläger (§ 123 Abs.1, 1.alt. BGB) zur Unwirksamkeit des Gewährleistungsausschlusses der Parteien führt (vgl. etwa OLG Köln NJW-RR 1995, 51; Palandt/Weidenkaff, aaO., § 444 Rd.11 m.w.N.). Dies gilt erst Recht in Anbetracht der durch das Ergebnis der Beweisaufnahme festgestellten unzutreffenden ausdrücklichen Angaben der Beklagten und des Zeugen N, das Fahrzeug sei „unfallfrei“.

d) Die weiteren rechtlichen Voraussetzungen für einen Rücktritt des Klägers von dem Kaufvertrag liegen vor. Auch hierzu wird auf folgende Ausführungen in dem Hinweisbeschluss des Gerichts vom 11.02.2016 (dort unter II.4.) verwiesen:

Nicht offenbarte Unfallschäden begründen grundsätzlich ein Recht des Käufers zum Vertragsrücktritt (§§ 437 Ziffer 2., 434 Abs.1 BGB). Eines vorherigen Nacherfüllungsverlangens bedarf es nicht, da der Mangel des Unfallfahrzeuges weder einer Nachbesserung zugänglich noch eine Ersatzlieferung des streitgegenständlichen Fahrzeuges möglich ist (BGH NJW 2008, 1518 Rd.21, BGH NJW 2008, 55 Rd.23).

Zu diskutieren ist unter Umständen die Frage, ob im Falle einer ordnungsgemäßen Reparatur und eines nur geringfügigen merkantilen Minderwertes eines Unfallfahrzeuges eine nur unerhebliche Pflichtverletzung des Verkäufers im Sinne von § 323 Abs.5 Satz 2 BGB vorliegt, die einen Rücktritt des Käufers ausschließt (so BGH NJW 2008, 1519 Rd.22) oder nicht (BGH NJW 2008, 53ff.; vgl. auch MüKo/Westermann, aaO., § 434 Rd.67 m.w.N.). Hierzu wäre gegebenenfalls Sachverständigenbeweis von den Parteien anzutreten.

Die von der Beklagten zu beweisende (vgl. Reinking/Eggert, aaO., Rd.3517) Unerheblichkeit der Pflichtverletzung kann in Anbetracht des oben unter 1.b) beschriebenen Wertverhältnisses zwischen Kaufpreis und Reparaturkostenaufwand nicht verneint werden, vielmehr steht die Erheblichkeit bei diesem Wertverhältnis sogar positiv fest. Im Übrigen schließen schon die eingangs unter 1.c) dargestellten arglistbegründenden Umstände den Einwand der fehlenden Erheblichkeit der Pflichtverletzung der Beklagten als Verkäuferin aus (vgl. Palandt/Weidenkaff, aaO., § 437 Rd.23 am Ende m.w.N.).

2. Die Folgen des begründeten Rücktritts des Klägers von dem Kaufvertrag richten sich nach den §§ 346ff. BGB.

a) Die Höhe des Rückzahlungsanspruches aus den §§ 346 Abs.1, und Abs.2 Ziffer 1., 348, 322 Abs.1, 437 Ziffer 2. BGB in Höhe des gezahlten Kaufpreises von 7.900,00 EUR abzüglich einer Nutzungsentschädigung von 822,06 EUR ist von dem Kläger schlüssig und hinsichtlich der tatsächlichen Voraussetzungen von der Beklagten unwidersprochen (§ 138 Abs.3 ZPO) dargelegt worden.

Die von dem Kläger auf 822,06 EUR geschätzte (§ 287 Abs.1 ZPO analog) Nutzungsvergütung ist nicht zu beanstanden. Ausgehend von der unstreitigen Laufleistung des Fahrzeuges legt der Kläger ausweislich Seite 4 der Klageschrift seiner Berechnung eine zu erwartende Gesamtlaufleistung des Fahrzeuges von 200.000 km zugrunde, die in Anbetracht der technischen Daten und des Typs des streitgegenständlichen Fahrzeuges angemessen erscheint (vgl. dazu Reinking/Eggert, aaO., Rd.3560ff., insbesondere Rd.3574).

b) Hinzu kommen folgende Verwendungen des Klägers auf das Fahrzeug, die ihm von der Beklagten als notwendige Verwendungen gemäß § 347 Abs.2 Satz 1 BGB zu ersetzen sind:

Reparatur- und Inspektionskosten 3.327,71 EUR,

Ersatzteil Unterdruckanzeiger 7,03 EUR,

Ersatzteil Zündspule 136,89 EUR,

Reifen 450,00 EUR,

Ersatzteil Gasdruckmotor 38,38 EUR,

Drosselklappenausbau / -reinigung 113,05 EUR,

Austausch Anlasser und Schwungrad 1.282,69 EUR

und

Batterie 150,00 EUR.

Denn die von dem Kläger vorgetragenen Maßnahmen in Form von Inspektions-, Wartungs- und Reparaturarbeiten an dem Fahrzeug stellen einschließlich der angeschafften Ersatzteile und Sommerreifen notwendige Verwendungen auf das Fahrzeug dar (vgl. Reinking/Eggert, aaO., Rd.3553 und Rd.3555 jeweils m.w.N. und Beispielen), da es sich hierbei um Investitionen und Maßnahmen handelt, die der Erhaltung, der Wiederherstellung und der Verbesserung des Fahrzeuges dienlich waren (vgl. Reinking/Eggert, aaO., Rd.1133 und Rd.3550). Da der Kläger die von ihm gezogenen Nutzungen des Fahrzeuges an die Beklagte herausgeben muss, fallen auch die gewöhnlichen Erhaltungskosten des Fahrzeuges anders als bei § 994 BGB unter den Begriff der notwendigen Verwendungen im Sinne von § 347 Abs.2 Satz 1 BGB (Reinking/Eggert, aaO., Rd.1134 und Rd.3555 m.w.N.).

Die im Einzelnen getätigten Kosten, Maßnahmen und Anschaffungen ergeben sich aus dem klaren Inhalt der zu allen eingangs aufgeführten Positionen erteilten Rechnungsbelege, die im Tatbestand dieses Urteils jeweils zitiert worden sind. Darüber hinaus hat der Kläger auf die entsprechenden Hinweise des Gerichts unter Ziffer II.5 des Beschusses vom 11.02.2016 mit Schriftsatz vom 10.03.2016 und zuletzt mit Schriftsatz vom 30.08.2016 substantiiert dargelegt, welche konkreten Symptome des Fahrzeuges welche konkreten Kosten und Maßnahmen erforderten.

Die Beklagte ist diesem Vorbringen nicht durch einen erwiderungsfähigen und auf den Fahrzeugzustand bei dem Verkauf bezogenen konkreten Sachvortrag entgegengetreten, so dass nichts gegen die inhaltliche Richtigkeit der Rechnungsbelege spricht.

Die in den Rechnungsbeträgen jeweils aufgeführten Maßnahmen sind deshalb entsprechend § 287 ZPO im Wege der Schätzung der Höhe der notwendigen Verwendungen dem Klageanspruch zugrundezulegen.

Nicht zuzusprechen waren indes die auf 150,00 EUR bezifferten Kosten einer Selbstbeteiligung. Denn der Kläger hat die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anspruches in dieser Höhe weder durch aussagekräftige Unterlagen belegt noch unter Beweis gestellt.

c) Aus der Addition der unter 2.a) und 2.b) aufgelisteten Positionen (abzüglich der Nutzungsentschädigung) resultiert der ausgeurteilte Betrag von 12.583,69 EUR.

3. Der gemäß den §§ 256 Abs.1, 756 Abs.1, 765 Ziffer 1. ZPO zulässige Feststellungsantrag ist aus den vorstehenden Erwägungen gleichsam begründet.

4. Der Anspruch auf Ersatz der dem Kläger für die Rechtsverfolgung entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ergibt sich infolge der Pflichtverletzung der Beklagten aus den §§ 280 Abs.1, 437 Ziffer 3. BGB.

Der Höhe nach sind diese Kosten von 958,19 EUR ausweislich der Kostennote vom 09.10.2015 (Bl…. d.A.) zutreffend berechnet und gemäß den §§ 249 Abs.1, 251 BGB ersatzfähig

Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 288 Abs.1, 291 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs.1, 92 Abs.2 Ziffer 1. ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

Streitwert: 12.734,04 EUR.

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