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Gebrauchtwagenkauf – vertragliche Verjährungsverkürzung Gewährleistungsrechte

OLG Zweibrücken – Az.: 4 U 198/19 – Urteil vom 19.03.2020

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 21.08.2019, Az. 3 O 70/19, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist ebenso wie die angefochtene Entscheidung ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des nach diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zur Vollstreckung gelangenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird entsprechend der Festsetzung in erster Instanz auf einen Betrag in der Gebührenstufe bis zu 25.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche nach einem erklärten Rücktritt vom Kauf eines Gebrauchtfahrzeuges BMW X6 geltend.

Er erwarb das Fahrzeug von der Beklagten am 31.03.2017 zum Preis von 24.750,00 €. In den zwischen den Parteien vereinbarten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten heißt es:

„VII. Haftung für Sachmängel

1. Ansprüche des Käufers wegen Sachmängeln verjähren in einem Jahr ab Ablieferung des Kaufgegenstandes an den Kunden.“

Gebrauchtwagenkauf - vertragliche Verjährungsverkürzung Gewährleistungsrechte
(Symbolfoto: Von magico110/Shutterstock.com)

Der Kläger rügte nach Übergabe des Fahrzeuges am 31.03.2017 zunächst einen zu hohen Ölverbrauch des Fahrzeuges, einen Defekt des Klimakompressors und einen Defekt des Luftfahrwerks hinten links (Schreiben vom 01.09.2017, Anlage K2, Blatt 8 der Akte). Über diese Mängel erfolgte zunächst eine Korrespondenz zwischen den Parteien. Am 05.02.2018 beantragte der Kläger ein selbstständiges Beweisverfahren, in dem er die Feststellung begehrte, das streitgegenständliche Fahrzeug sei an dem Luftfahrwerk hinten rechts defekt und das Fahrzeug habe hierdurch bedingt an Höhe verloren (Beiakte Landgericht Landau in der Pfalz, Az. 2 OH 3/18, vormals Amtsgericht Neustadt an der Weinstraße, Az. 2 H 1/18). Mit Antrag vom 03.04.2018, eingegangen beim Amtsgericht Neustadt an der Weinstraße am 04.05.2018, beantragte der Kläger die Feststellung, die Steuerkette am streitgegenständlichen Fahrzeug habe sich verlängert und müsse deshalb ausgetauscht werden. Eine weitere Antragsergänzung erfolgte unter dem 17.08.2018 dahingehend, dass auch die Ursache eines eingetretenen Motorschadens von dem Sachverständigen begutachtet werden solle.

Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, er sei zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt. Im Rahmen des selbstständigen Beweisverfahrens sei der Sachverständige zu dem Ergebnis gekommen, für die Mangelsymptome seien eine Verlängerung der Steuerkette sowie ein Defekt im neuen Lager verantwortlich. Die durch AGB vereinbarte einjährige Verjährungsfrist gelte nicht. Auf sie könne sich die Beklagte aufgrund eines Verstoßes von § 476 Abs. 2 BGB gegen Art. 8 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 1999/44/EG nicht berufen.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, die Beklagte zu verurteilen, Zug um Zug gegen Rückübereignung des Pkw BMW X6 5.0 l, Fahrgestellnummer wie XXX, an den Kläger 24.750,00 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30.10.2018 zu zahlen, festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1) beschriebenen Fahrzeuges im Annahmeverzug befinde, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger vorgerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.242,84 € zu zahlen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat erstinstanzlich vorgetragen: Die Verjährungsfrist sei abgelaufen. Hinsichtlich der streitgegenständlichen Mängel sei ein Antrag im selbstständigen Beweisverfahren erst nach Ablauf der Verjährungsfrist eingereicht worden. Auch eine etwaige Europarechtswidrigkeit der nationalen Regelung stünde der Anwendung des § 476 Abs. 2 BGB nicht entgegen.

Das Landgericht Frankenthal (Pfalz) hat durch das angefochtene Urteil des Einzelrichters, auf das wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. Mit Ablauf des 30.03.2017 seien die streitgegenständlichen Mängel verjährt. Eine Unterbrechung oder Hemmung der Verjährung vor Fristablauf sei nicht eingetreten. Die in dem selbstständigen Beweisverfahren vor dem Amtsgericht Neustadt an der Weinstraße, Az. 2 H 1/18, behaupteten Mängel am hinteren rechten Luftfahrtwerk bezögen sich nicht auf die später, nämlich erst am 03.04.2019, eingegangen beim Amtsgericht am 04.05.2019, behaupteten Mängel durch eine Verlängerung der Steuerkette. Die Regelung des § 476 Abs. 2 BGB sei zwar EU – richtlinienwidrig. Dies führe jedoch nicht zur Nichtanwendung der Norm.

Gegen das Urteil hat der Kläger form- und fristwahrend Berufung eingelegt.

Der Kläger rügt die Rechtsauffassung des Erstgerichts. Die zugrunde liegende Allgemeine Geschäftsbedingung der Beklagten sei unzulässig und verstoße gegen das Unionsrecht. Es sei nach der Richtlinie lediglich erlaubt, die Haftungsdauer zu beschränken. Die nationale Regelung des § 476 Abs. 2 BGB müsse richtlinienkonform ausgelegt werden. § 476 Abs. 2 BGB gestatte damit lediglich eine Beschränkung der Haftungsdauer, könne jedoch nicht die Verjährung verkürzen.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil zu ändern und nach seinen erstinstanzlichen Anträgen zu erkennen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen

Sie verteidigt das angefochtene Urteil gegen die Angriffe der Berufung des Klägers unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Auf die in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst dazu vorgelegten Urkunden wird zur Ergänzung der Sachdarstellung Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist in der Sache unbegründet.

Mit zutreffender Begründung hat das Erstgericht richtig dahin entschieden, dass ein auf die klagegegenständlichen Mängel gestütztes Nacherfüllungsverlangen des Klägers verjährt und ein Rücktritt vom Kaufvertrag deshalb ausgeschlossen ist. Die von § 476 Abs. 2 Alt. 2 BGB eröffnete Möglichkeit einer vertraglichen Verjährungsverkürzung bei gebrauchten Sachen ist zwar nach einhelliger Auffassung richtlinienwidrig (EUGH, Urteil vom 13.07.2017 – C-133/16 = MDR 2018, 653; BeckOK BGB/Faust, 52.Ed. 1.11.2019, BGB § 476 Rdnr. 4 mit weiteren Nachweisen). Bis zu einer Neuregelung durch den deutschen Gesetzgeber hat dies aber keine Auswirkungen auf die bestehende Rechtslage.

Der Wortlaut des Gesetzes ist derart klar und eindeutig, dass eine Auslegung der Norm im Sinne einer Regelung einer Haftungsdauer, welche dem deutschen Regelungsmodell fremd ist, die Wortlautgrenze sprengen würde (Kulke, MDR 2018, 1025, 1028 mit weiteren Nachweisen). Der deutsche Gesetzgeber hat Verjährung geschrieben und die Verjährung im Rechtssinne gemeint (Köhler, GPR 2018, 37, 41).

Auch eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung des § 476 Abs. 2 BGB im Sinne einer teleologischen Reduktion der Norm kommt nicht in Betracht, da dies zur generellen Nichtanwendbarkeit des letzten Halbsatzes führen würde (BeckOK BGB/Faust, 52. Ed. 1.11.2019, BGB § 476 RdNr. 4; MükoBGB/Lorenz, 8. Auflage, BGB, § 476 Rdnr. 26f; a.A. Leenen, JZ 2018, 284, 289). Zudem führte eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung zu einer indirekt unmittelbaren Anwendung einer Richtlinie im Verhältnis zwischen Privaten, welche in ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union abgelehnt wird (EuGH, NJW 1994, 2473 – Dori/Recreb; NJW 1986, 2178 – Marshall; vgl. auch BGHZ 201, 101; Kulke, MDR 2018, 1025, 1029). Eine Entscheidung gegen den Wortlaut der Norm und den konkreten Willen des Gesetzgebers kann selbst unter den großzügigen Maßstäben des Bundesgerichtshofes vorliegend nicht erfolgen. Es fehlt insoweit bereits an der notwendigen verdeckten Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit. Eine solche liegt vor, wenn das ausdrücklich angestrebte Ziel einer richtlinienkonformen Umsetzung durch die Regelung nicht erreicht worden ist und ausgeschlossen werden kann, dass der Gesetzgeber die Regelung in gleicher Weise erlassen hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass sie nicht richtlinienkonform ist (BGHZ 201, 101, Rdnr. 23). Sind hingegen – wie hier – mehrere Lösungen geeignet, die Vorgaben der Richtlinie zu erfüllen, so ist es Sache des Gesetzgebers – und nur des Gesetzgebers – die von ihm bevorzugte Lösung zu wählen. Auch das Bundesverfassungsgericht (NJW-RR 2016, 407 Rdnr. 42ff) betont, dass der Rahmen zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung dort überschritten ist, wo ohne hinreichende Rückbindung an gesetzliche Aussagen neue Regelungen geschaffen werden (Köhler, GPR 2018, 37, 41). So verhält es sich hier. Denn durch den Gesetzgeber könnte einerseits den Parteien die Möglichkeit eingeräumt werden, die Haftungsfrist auf ein Jahr zu verkürzen (was die dem deutschen Recht bisher fremde Einführung einer Unterscheidung von Haftungs- und Verjährungsfrist bedeutete), andererseits bestünde aber auch die Möglichkeit, die Verkürzung der Verjährungsfrist nach § 476 Abs.2 2.Alt BGB ersatzlos zu streichen (vgl. Köhler, GPR 2018, 37, 41).

Bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber ist damit die derzeitige gesetzliche Regelung anzuwenden (vgl. MükoBGB/Lorenz, 8. Auflage, BGB, § 476 Rdnr. 26f; Köhler, GPR 2018, 37, 42).

III.

Die Kostenentscheidung und der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

Die Revision wird zugelassen, da höchst- oder obergerichtliche Entscheidungen zu der streitentscheidenden Problematik, die sich über den hier zu entscheidenden Einzelfall hinaus in einer Vielzahl von Fällen stellen kann, soweit für den Senat ersichtlich, nicht vorliegen, § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

 

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