BUNDESGERICHTSHOF
Az: 3 StR 218/03
Urteil vom 04.03.2004
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung vom 29. Januar 2004 in der Sitzung vom 4. März 2004 für Recht erkannt:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 19. Februar 2003 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an einen anderen Strafsenat des Oberlandesgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten im Zusammenhang mit den Anschlägen vom 11. September 2001 in den Vereinigten Staaten von Amerika wegen „Beihilfe zum Mord in 3.066 Fällen sowie zum versuchten Mord und zur gefährlichen Körperverletzung in fünf Fällen in Tateinheit mit Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg, so daß es eines Eingehens auf die verfahrensrechtlichen Beanstandungen nicht bedarf.
I. Das Oberlandesgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Der Angeklagte studierte ab dem Wintersemester 1995 Elektrotechnik an der Technischen Universität Hamburg-Harburg. Dort lernte er im Verlauf des Jahres 1996 die bei den Anschlägen vom 11. September 2001 ums Leben gekommenen Mohamed El Amir Atta, Marwan Alshehhi und Ziad Jarrah sowie die anderweitig verfolgten Ramzi Binalshib, Zakariya Essabar und Said Bahaji kennen. In der Folgezeit kam es zu regelmäßigen Treffen dieses Personenkreises, bei denen die Beteiligten vor dem Hintergrund ihrer gemeinsamen islamistischen Einstellung religiöse und politische Themen diskutierten. Sie waren sich einig in der Ablehnung der Politik der USA und Israels. Gegen Ende des Jahres 1998 wurde ihre politisch-religiöse Einstellung immer radikaler. Sie befaßten sich zunächst gedanklich mit der Vorbereitung gewaltsamer Aktionen gegen die USA und faßten spätestens im Frühjahr 1999 den Entschluß, der ihnen verhaßten Regierung der USA durch Attentate einen schweren Schlag zu versetzen. Durch möglichst gleichzeitig herbeigeführte gezielte Abstürze entführter Flugzeuge in das World Trade Center in New York und andere symbolträchtige Gebäude in den USA sollte eine Vielzahl von US-Bürgern – auch jüdischen Glaubens – getötet werden.
Den Beteiligten war klar, daß für die Verwirklichung eines derartigen Vorhabens weitere Mittäter und Geldgeber gewonnen werden mußten, insbesondere um die erforderlichen Pilotenausbildungen finanzieren zu können. Ihnen war auch bewußt, daß ihre Pläne nur dann umgesetzt werden konnten, wenn sie sich gegenseitig bedingungslos vertrauten und nach außen abgeschottet, konspirativ, arbeitsteilig und abgestimmt vorgingen. Die jeweiligen Schritte sollten durch Atta koordiniert werden. Auch der Angeklagte erklärte sich bereit, Beiträge zur Umsetzung des Vorhabens zu leisten.
Mit Zustimmung des Angeklagten und Bahajis entschlossen sich Atta, Alshehhi, Jarrah, Binalshib und Essabar im November 1999 nach Afghanistan zu reisen, um dort ihre Pläne Usama Bin Laden als Mitbegründer und Mitfinanzierer der Terrororganisation Al Qaida zu unterbreiten und so die für das Vorhaben erforderlichen Gelder zu erlangen sowie die benötigten weiteren Mittäter zu gewinnen. Man kam überein, daß der Angeklagte und Bahaji während des Afghanistanaufenthalts Attas, Alshehhis, Jarrahs und Binalshibs deren persönliche Angelegenheiten in Deutschland betreuen, verwalten und gegebenenfalls abwickeln sollten, um deren Abreise und Abwesenheit möglichst nicht auffallen zu lassen. Entsprechend dieser Abrede verschaffte sich der Angeklagte unter Vorlage einer ihm von Alshehhi bereits im Juli 1998 erteilten Generalvollmacht eine Vollmacht für dessen Girokonto und wickelte, nachdem Alshehhi Ende November 1999 nach Afghanistan abgereist war, fällige Zahlungen Alshehhis für Wohnungsmiete und Verbrauchskosten über dieses Konto ab. Absprachegemäß kündigte er außerdem den Mietvertrag sowie einen Vertrag mit einem Mobilfunkunternehmen, wobei er den Anschein erweckte, die Kündigungsschreiben stammten von Alshehhi.
Nachdem ihnen in Afghanistan die erforderliche finanzielle und personelle Hilfe zugesagt worden war (die Einzelheiten hierzu blieben ungeklärt), kehrten Atta, Alshehhi, Jarrah und Binalshib zwischen Anfang Januar und März 2000 nach Deutschland zurück. Sie unterrichteten den Angeklagten sowie Bahaji und bereiteten ihre Weiterreise in die USA vor, wo sie die Pilotenausbildung absolvieren wollten. Alshehhi war bemüht, in der Zwischenzeit möglichst wenig in Erscheinung zu treten, um Fragen nach seinem vorherigen Auslandsaufenthalt zu entgehen und damit das Entdeckungsrisiko zu verringern. Daher nahm der Angeklagte auch weiterhin dessen Angelegenheiten wahr. So kümmerte er sich um die Abwicklung des Mietvertrages und nahm weitere Zahlungen über Alshehhis Konto vor. Unter anderem überwies er dessen Semesterbeitrag für das Sommersemester 2000, was ebenfalls der Verschleierung des geplanten USA-Aufenthalts dienen sollte.
Am 22. Mai 2000 flog der Angeklagte in Absprache mit den anderen Beteiligten nach Afghanistan und informierte dort die Verantwortlichen der Al Qaida über die Fortschritte der Anschlagsvorbereitungen in Hamburg. Er kehrte am 1. August 2000 nach Hamburg zurück.
Atta, Alshehhi und Jarrah flogen zwischen dem 29. Mai und 27. Juni 2000 in die USA und nahmen dort ihre Pilotenausbildung auf. Binalshib war das Einreisevisum verweigert worden. Auch dem daraufhin als Ersatz für Binalshib vorgesehenen Essabar, der Mitte August 2000 nach Hamburg zurückgekehrt war, wurde kein Visum für die USA erteilt. Die Kosten für den Aufenthalt und die Pilotenausbildung Attas und Alshehhis in den USA wurden mit Geldern bestritten, die durch Überweisungen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bareinzahlungen und per Transferschecks auf einem von beiden in den USA eröffneten Konto eingingen. Eine der Transferscheckzahlungen nahm Binalshib am 25. September 2000 in Höhe von 10.000 DM über die Reisebank im Hamburger Hauptbahnhof vor. Er hatte zuvor am 4. September 2000 den Angeklagten aus dem Jemen per Telefax aufgefordert, 5.000 DM vom Konto Alshehhis auf sein – Binalshibs – Konto zu überweisen, da Alshehhi dieses Geld haben wolle. Daraufhin hatte der Angeklagte, der wußte, für welche Zwecke das Geld verwendet werden sollte, die entsprechende Überweisung vorgenommen.
Nachdem die Pilotenausbildungen und die sonstigen notwendigen Vorbereitungen abgeschlossen worden waren, stand spätestens am 22. August 2001 fest, daß die Anschläge am 11. September 2001 durchgeführt werden sollten. Binalshib, Essabar und Bahaji setzten sich daraufhin aus der Bundesrepublik ab. Der Angeklagte dagegen entschied sich mit Rücksicht auf seine kleine Tochter und seine schwangere Frau, zu bleiben und das für gering erachtete Risiko einer Entdeckung und Verhaftung einzugehen.
Am Vormittag des 11. September 2001 setzten Atta, Alshehhi und Jarrah unter Mitwirkung von Hani Hanjour, der durch Vermittlung der Al Qaida für die Tatbeteiligung gewonnen worden war, sowie 15 weiteren Mittätern das Vorhaben um. Auf Inlandsflügen in den USA brachte die Tätergruppe vier Passagierflugzeuge in ihre Gewalt. Zwei der Maschinen wurden von Atta bzw. Alshehhi gezielt in die Türme des World Trade Center in New York geflogen. Das dritte Flugzeug, das mit hoher Wahrscheinlichkeit Hanjour steuerte, wurde in das amerikanische Verteidigungsministerium „Pentagon“ gelenkt. Die vierte Maschine – gesteuert von Jarrah – wurde, nachdem die Passagiere Widerstand leisteten, vor Erreichen ihres eigentlichen Ziels in Stoney Creek Township zum Absturz gebracht, um den Widerstand der Passagiere zu beenden. Bei diesen Anschlägen kamen neben den Entführern alle 246 Insassen der Flugzeuge, mindestens 120 Mitarbeiter des Pentagon und mindestens 2.700 Personen im World Trade Center ums Leben. Außerdem wurde eine nicht bekannte Vielzahl von Menschen verletzt, darunter fünf der Nebenkläger.
II. Die den Feststellungen des Oberlandesgerichts zugrunde liegende Beweiswürdigung zur Einbindung des Angeklagten in die Anschlagsplanung und -vorbereitung hält revisionsgerichtlicher Prüfung aufgrund der Sachrüge nicht stand.
1. Der Angeklagte hat seine Kontakte zu dem Personenkreis um Atta, sein Tätigwerden für Alshehhi, um dessen Abwesenheit zu verschleiern, seine Afghanistanreise und die Überweisung der für Alshehhi bestimmten 5.000 DM auf das Konto Binalshibs eingeräumt. Er hat jedoch in Abrede gestellt, von Planungen und Vorbereitungen für die Anschläge vom 11. September 2001 gewußt zu haben und hierin eingebunden gewesen zu sein. Atta, Alshehhi, Jarrah, Binalshib und Essabar hätten sich nach Afghanistan begeben, um sich dort für eine Teilnahme am Tschetschenienkrieg ausbilden zu lassen. Über den Aufenthalt seiner Freunde in den USA und die Pilotenausbildung sei er nicht informiert gewesen. Er selbst sei nach Afghanistan gereist, um gemäß den Geboten des Korans wenigstens das Schießen zu lernen.
Das Oberlandesgericht hat seine Überzeugung, daß Planung und Vorbereitung der Anschläge unter Mitwirkung des Angeklagten so wie festgestellt durchgeführt wurden, wesentlich darauf gestützt, daß der Angeklagte und Alshehhi – wie von Zeugen bekundet – bereits in der ersten Hälfte des Jahres 1999 Äußerungen von sich gaben, die darauf schließen ließen, daß der konkrete Plan bereits zu diesem Zeitpunkt bestand und beide darin eingeweiht waren. So habe Alshehhi im Frühjahr 1999 in der Bibliothek des Rechenzentrums der Universität Hamburg-Harburg erregt die USA und deren Präsidenten beschimpft und dabei wörtlich erklärt: „Ihr werdet noch sehen, es wird Tausende von Toten geben, ihr werdet noch an mich denken.“ Hierbei erwähnte er das World Trade Center. Der Angeklagte äußerte sich im ersten Halbjahr 1999: „Sie machen wieder etwas, es wird etwas Großes sein.“ Auf Nachfrage ergänzte er: „Ja, sie bringen es dorthin, es wird etwas Größeres sein. Am Ende werden wir auf ihren Gräbern, den Gräbern der Juden tanzen.“ Bei anderer Gelegenheit stellte er einem Mitbewohner des Studentenwohnheims einen Besucher mit den Worten vor: „Das ist unser Pilot.“ Er bestätigte auf Nachfrage, daß ein Flugzeugpilot gemeint sei.
2. Die aus diesen Äußerungen vom Oberlandesgericht in Verbindung mit dem übrigen Beweisergebnis gezogenen Schlüsse auf die Tatbeteiligung des Angeklagten mögen für sich gesehen zwar tragfähig und damit revisionsrechtlich nicht zu beanstanden sein. Indes hat das Oberlandesgericht einen wesentlichen Umstand, der seine Überzeugungsbildung hätte beeinflussen können, bei der Beweiswürdigung nicht berücksichtigt. Es hat der Tatsache nicht Rechnung getragen, daß seine Möglichkeit der Wahrheitsfindung eingeschränkt war, weil durch Maßnahmen der US-amerikanischen und der deutschen Regierung der Tatbeteiligte Binalshib weder in der Hauptverhandlung vernommen noch der Inhalt von Protokollen über dessen anderweitige Vernehmungen in die Beweisaufnahme eingeführt werden konnte.
Das Oberlandesgericht stellt dazu fest: Binalshib sei im September 2002 festgenommen worden und befinde sich im Gewahrsam von Behörden der USA. Es habe nicht geklärt werden können, ob er Angaben zur Tatbeteiligung des Angeklagten gemacht habe. Der Zeuge W. – ein FBI-Beamter, den das Oberlandesgericht zu den Ermittlungen in den USA vernommen hat und auf dessen Aussage es seine Feststellungen zu den Anschlägen in den USA und deren Folgen maßgeblich stützt – habe in Bezug auf etwaige Angaben Binalshibs zur Tatbeteiligung des Angeklagten keine Aussagegenehmigung gehabt. Das Bundeskanzleramt und das Bundesministerium des Innern hätten Auskünfte zum Inhalt von Unterlagen über „geheimdienstliche Befragungen“
Binalshibs verweigert, die dem Bundesnachrichtendienst und dem Bundeskriminalamt durch „Stellen der USA“ zur Verfügung gestellt worden seien.
Diese Ausführungen belegen, daß sich das Oberlandesgericht um eine Aussage Binalshibs bzw. um Aufklärung der Ergebnisse seiner Vernehmungen in den USA bemüht hat, diese Bemühungen jedoch gescheitert sind, weil die Regierung der USA die hierfür notwendige Mitwirkung verweigert und die deutsche Regierung hinsichtlich der von den USA überlassenen Vernehmungsunterlagen Sperrerklärungen gemäß § 96 StPO abgegeben hat. Dem entspricht auch der Sachvortrag der Revision zu verschiedenen Verfahrensrügen, die sie in diesem Zusammenhang erhoben hat.
3. Diese Vorgänge und die hierzu gestellten Anträge der Verteidigung hätte das Oberlandesgericht nicht nur verfahrensrechtlich abhandeln dürfen. Kann ein zentrales Beweismittel wegen einer Sperrerklärung oder einer verweigerten Aussagegenehmigung nicht in die Hauptverhandlung eingeführt werden, obwohl ohne die Sperrerklärung oder verweigerte Aussagegenehmigung die Erhebung des Beweises ein Gebot der Aufklärungspflicht gewesen wäre (§ 244 Abs. 2 StPO) bzw. ein Beweisantrag des Angeklagten auf Erhebung des Beweises aus keinem der in § 244 Abs. 3 – 5 StPO genannten Ablehnungsgründe hätte zurückgewiesen werden können, muß der Tatrichter die hierdurch bedingte Einschränkung seiner Erkenntnismöglichkeiten sowie die Beschneidung der Verteidigungsrechte des Angeklagten bei seiner Überzeugungsbildung berücksichtigen und in den Urteilsgründen im Rahmen der Beweiswürdigung erörtern. Andernfalls ist seine Beweiswürdigung lückenhaft und der Anspruch des Angeklagten auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren (Art. 20 Abs. 3 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG; Art. 6 Abs. 1 MRK) verletzt.
a) Welche rechtlichen Folgen es nach sich zieht, wenn ein wichtiges Beweismittel nicht in das Verfahren eingeführt werden kann, weil die Exekutive dies durch die Abgabe einer Sperrerklärung oder die Verweigerung der erforderlichen Aussagegenehmigung verhindert mit der Folge, daß offen bleibt, ob die Beweiserhebung für den Angeklagten Be- oder Entlastendes erbracht hätte oder unergiebig geblieben wäre, ist noch nicht abschließend geklärt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf jedoch ein Konflikt zwischen Geheimhaltungsinteressen der Exekutive einerseits und den Verteidigungsinteressen des Angeklagten sowie der Pflicht des Gerichts zur Wahrheitsermittlung (§ 244 Abs. 2 StPO) andererseits nicht dazu führen, daß sich die Geheimhaltungsinteressen nachteilig für den Angeklagten auswirken. In derartigen Fällen muß durch eine besonders vorsichtige Beweiswürdigung und gegebenenfalls die Anwendung des Zweifelssatzes der Verkürzung der Beweisgrundlage und damit der Erkenntnismöglichkeiten des Gerichts Rechnung getragen werden (vgl. BGH NStZ 2000, 265, 266 f.; s. auch BVerfG NStZ 2000, 151, 153).
aa) Den Grundsatz, daß eine durch Maßnahmen der Exekutive bedingte Verkürzung der Beweisgrundlage dem Angeklagten nicht zum Nachteil gereichen darf und durch eine entsprechend vorsichtige Beweiswürdigung zu kompensieren ist, wendet der Bundesgerichtshof bereits in den Fällen an, in denen ein Schuldnachweis gegen den Angeklagten durch Vernehmung unmittelbarer Tatzeugen nicht möglich ist, weil es sich bei diesen um verdeckte Ermittler, Vertrauensleute der Polizei oder Informanten mit behördlicher Vertraulichkeitszusage handelt, deren Identität die Exekutive in entsprechender Anwendung des § 96 StPO nicht preisgibt oder denen sie die nach § 54 StPO in Verbindung mit den Beamtengesetzen erforderliche Aussagegenehmigung nicht erteilt. Hier ist es zwar zulässig, deren Angaben mittelbar über die Aussage von Führungsbeamten bzw. Verhörspersonen oder auch die Verlesung von Vernehmungsprotokollen in die Hauptverhandlung einzuführen. Jedoch muß sich das Gericht der dadurch seiner Überzeugungsbildung gezogenen Grenzen bewußt sein und dies in den Urteilsgründen zum Ausdruck bringen (BGHSt 17, 382, 385 f.; 33, 178, 181 f.; 34, 15, 17 f.; 36, 159, 166 f.). Dies gilt nicht nur wegen der begrenzten Zuverlässigkeit mittelbarer Beweisführung durch die Einvernahme von Zeugen vom Hörensagen oder die Verlesung von Vernehmungsprotokollen, die besondere Anforderungen an die Beweiswürdigung und an die Begründung der tatrichterlichen Entscheidung stellt, insbesondere wenn der unmittelbare Gewährsmann anonym bleibt. Die mittelbar in das Verfahren eingeführten Angaben derartiger Gewährsleute bedürfen sorgfältigster Überprüfung (BGHSt 17, 382, 386; 34, 15, 18; 46, 93, 105 f.) vielmehr auch deswegen, weil bei dieser Art der Beweisführung das Fragerecht der Verteidigung Einbußen erleidet (BGHSt 39, 141, 145 f.). Auf die mittelbar wiedergegebenen Aussagen dürfen Feststellungen daher regelmäßig nur dann gestützt werden, wenn sie durch andere wichtige Beweisanzeichen bestätigt werden (BGHSt 36, 159, 166; 45, 321, 340 m. w. N.). Es darf dabei nicht übersehen werden, daß die Exekutive eine erschöpfende Sachaufklärung verhindert.
bb) Hier geht es allerdings nicht um die Würdigung einer den Angeklagten belastenden Aussage, die wegen der Sperrung des unmittelbaren Zeugen lediglich durch Erhebung mittelbarer Beweise in die Hauptverhandlung eingeführt werden kann. Vielmehr wird ein für die Wahrheitsfindung potentiell bedeutsamer Zeuge der Beweisaufnahme völlig entzogen, so daß offen bleibt, welches Beweisergebnis durch seine Vernehmung hätte erzielt werden können. Auch in diesem Falle muß der genannte Grundsatz Anwendung finden, da durch die Sperrung des Beweismittels nicht nur die Beweisgrundlage des Gerichts verkürzt, sondern dem Angeklagten auch eine Möglichkeit der Entlastung entzogen wird. Dies gebietet der Anspruch des Angeklagten auf ein faires rechtsstaatliches Verfahren, an dem solche Beschränkungen seiner Rechte zu messen sind, die von den speziellen grundrechtlichen Verfahrensgarantien (etwa dem Anspruch auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG) nicht erfaßt werden.
Vor dem Hintergrund des dem Strafprozeß von der Verfassung vorgegebenen Prinzips, daß keine Strafe ohne – entsprechende – Schuld verhängt werden darf, sichert dieser Anspruch das zentrale Anliegen des Strafprozesses, nämlich die Ermittlung des wahren Sachverhalts, ohne die das materielle Schuldprinzip nicht verwirklicht werden kann. Verfahrensrechtliche Gestaltungen, die der Ermittlung der Wahrheit und somit einem gerechten Urteil entgegenstehen, können daher den Anspruch des Angeklagten auf ein faires Verfahren beeinträchtigen (BVerfGE 57, 250, 274 f. m. w. N.). Zu diesen Beschränkungen zählen die behördliche Verweigerung von Aussagegenehmigungen (§ 54 StPO i. V. m. den Beamtengesetzen) sowie die Abgabe von Sperrerklärungen nach § 96 StPO. Diese Maßnahmen können, auch wenn sie verfahrensmäßig und inhaltlich rechtsfehlerfrei ergangen sind, zu erheblichen Einschränkungen der Verteidigungsinteressen des Angeklagten führen. Verschlechtern sie dessen Beweissituation, fordert der Grundsatz fairer Verfahrensgestaltung ein Regulativ. Ein solches hält das Strafprozeßrecht mit dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 261 StPO) sowie dem Prinzip „Im Zweifel für den Angeklagten“ bereit. Deren sachgerechte Anwendung ist grundsätzlich geeignet, die besonderen Gefahren der beweisrechtlichen Lage für den Angeklagten aufzufangen und seinem Anspruch auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren Genüge zu tun (BVerfGE 57, 250, 292 f.). Dies gilt auch im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 MRK, der – im Range eines einfachen Bundesgesetzes (BVerfGE 74, 358, 370) – ebenfalls das Recht des Angeklagten auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren verbürgt, namentlich den Anspruch des Angeklagten, Belastungszeugen zu befragen oder befragen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie das bei Belastungszeugen der Fall ist (Art. 6 Abs. 3 Buchst. d MRK). Durch die vorsichtige Beweiswürdigung und gegebenenfalls die Anwendung des Zweifelssatzes wird in aller Regel gewährleistet, daß sich das Strafverfahren trotz der Verkürzung der Beweisgrundlage in seiner Gesamtheit als rechtstaatlich und fair erweist.
cc) Entsprechendes ist für die Fälle eines Lockspitzeleinsatzes polizeilicher V-Leute anerkannt. Behauptet der Angeklagte etwa, durch den Lockspitzeleinsatz polizeilicher V-Leute in die Tat verstrickt worden zu sein und ist die Vernehmung der V-Leute nicht möglich, weil die zuständige Innenbehörde deren Identität in entsprechender Anwendung des § 96 StPO nicht preisgibt, ist eine besonders vorsichtige Beweiswürdigung geboten, bei der der Tatrichter nicht übersehen darf, daß es die Exekutive ist, die eine erschöpfende Sachaufklärung verhindert und es der Verteidigung – und dem Gericht – unmöglich macht, dieser Behauptung nachzugehen (BGH NStZ 1982, 433; BGH StV 1983, 403; vgl. auch BGH StV 1989, 284 f.).
b) Die Anwendung des Grundsatzes vorsichtiger Beweiswürdigung und gegebenenfalls des Zweifelssatzes bedarf für die hier in Rede stehenden Fälle der Präzisierung:
Die gebotene Kompensation der durch Maßnahmen der Exekutive bedingten Verkürzung der Beweisgrundlage ist im Rahmen der Beweiswürdigung nicht in der Weise vorzunehmen, daß Verteidigungsvorbringen des Angeklagten, dessen Richtigkeit durch Erhebung des gesperrten Beweises hätte geprüft werden können, in unmittelbarer Anwendung des Zweifelssatzes als zutreffend zu behandeln ist.
Zwar wird teilweise die Ansicht vertreten, eine vom Angeklagten durch Antrag auf Zuziehung des gesperrten Beweismittels unter Beweis gestellte entlastende Tatsache sei im selben Umfang zu berücksichtigen wie bei einer Wahrunterstellung im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO (Müller, Behördliche Geheimhaltung und Entlastungsvorbringen des Angeklagten, Diss. Berlin 1992 S. 80 ff.). Andere leiten ein solches Ergebnis unmittelbar aus dem Zweifelssatz ab. Dieser gebiete es, entlastendes Vorbringen des Angeklagten, das wegen der Beweismittelsperrung nicht aufgeklärt werden kann, als wahr zu unterstellen (so uneingeschränkt Schneider, Die Pflicht der Behörden zur Aktenvorlage im Strafprozeß, Diss. Freiburg 1970 S. 125; vgl. auch BGHSt 20, 189, 191 – nicht entscheidungstragend – und im Anschluß hieran LG Münster StV 1983, 97, 98; LG Berlin StV 1986, 96, 97). Nach anderer Ansicht ist die Wahrunterstellung jedenfalls dann geboten, wenn das Verteidigungsvorbringen nicht widerlegt werden kann (Lüderssen in FS Klug Bd. II [1983] S. 527, 538; ähnlich J. Meyer ZStW 95 [1983], 834, 859; Arloth, Geheimhaltung von V-Personen und Wahrheitsfindung im Strafprozeß, Diss. Augsburg 1986 S. 185 sowie – für den Fall rechtswidriger Sperrerklärung bzw. fehlerhafter Verweigerung der Aussagegenehmigung – Schlüchter, Das Strafverfahren 2. Aufl. Rdn. 551.1 Fn. 522a und Weider StV 1983, 227, 228; vgl. auch Plähn StV 1981, 216, 217; K. Meyer JR 1981, 478, 480).
Diese Betrachtung wird der Funktion und Bedeutung des Zweifelssatzes jedoch nicht gerecht. Aus ihm läßt sich nichts dafür ableiten, ob die Aussage etwa detailreich oder detailarm bzw. durch Verknüpfung plausibler Tatsachenelemente nachvollziehbar oder eindimensional auf eine bestimmte Kernaussage verkürzt gewesen wäre. Außerdem ist der Zweifelssatz keine Beweis-, sondern eine Entscheidungsregel, die das Gericht erst dann zu befolgen hat, wenn es nach abgeschlossener Beweiswürdigung nicht die volle Überzeugung vom Vorliegen einer für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch unmittelbar entscheidungsrelevanten Tatsache zu gewinnen vermag. Es ist daher verfehlt, ihn isoliert auf einzelne Elemente der Beweiswürdigung anzuwenden, statt das weitere Ergebnis der Beweisaufnahme zu dem entscheidungserheblichen Punkt in einer Gesamtwürdigung des Beweisstoffs mit in Betracht zu ziehen (BGH NStZ 2001, 609 m. w. N.). Die Wahrunterstellung würde in vielen Fällen zum Freispruch oder zu einer den Angeklagten unangemessen begünstigenden Verurteilung führen, weil dieser es in der Hand hätte, durch die Behauptung entlastender Tatsachen, die durch das gesperrte Beweismittel potentiell aufklärbar wären, bzw. die Aufstellung von Beweisbehauptungen im Rahmen von Anträgen auf Erhebung des gesperrten Beweises dem Gericht eine entsprechende Entscheidungsgrundlage aufzunötigen (vgl. Arzt in FS Peters [1974] S. 223, 226 f.; Herdegen NStZ 1984, 97, 101).
Die Sperrung von Beweismitteln seitens der Exekutive ist erst bei der abschließenden Würdigung des gesamten Beweisergebnisses mitzuberücksichtigen. Hierbei hat der Tatrichter in seine Erwägungen die Möglichkeit einzubeziehen, daß das gesperrte Beweismittel, wäre es in die Hauptverhandlung eingeführt worden, das Entlastungsvorbringen bzw. die entlastende Beweisbehauptung des Angeklagten bestätigt hätte. Diese Möglichkeit hat er dem übrigen Beweisergebnis gegenüberzustellen und auf dieser Grundlage unter Beachtung des Zweifelssatzes zu entscheiden, ob das potentiell entlastende Ergebnis der unterbliebenen Beweiserhebung durch die verwertbaren sonstigen Beweismittel so weit entkräftet wird, daß trotz der geschmälerten Erkenntnisgrundlage der Inbegriff der Hauptverhandlung die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten trägt (vgl. Schäfer in LR 24. Aufl. § 96 Rdn. 54; s. auch Herdegen NStZ 1984, 97, 101). Je mehr sich das Ergebnis der Beweisaufnahme mit dem Entlastungsvorbringen des Angeklagten in Einklang bringen lassen könnte, je näher das gesperrte Beweismittel zu der Tat steht und je stärker es daher potentiell zu deren Aufklärung hätte beitragen können, um so höhere Anforderungen sind dabei an den argumentativen Aufwand des Tatrichters zur Begründung seiner Überzeugung von der Schuld des Angeklagten zu stellen, insbesondere wenn die Beweise, auf die er diese Überzeugung stützt, nur indiziell auf die Schuld des Angeklagten hindeuten.
Nur wenn die Beweiswürdigung auf diese Weise vorsichtig und unter Beachtung des Zweifelssatzes vorgenommen wird, ist dem Umstand in hinreichendem Umfang Rechnung getragen, daß gerade die die Strafverfolgung betreibende Exekutive – und nicht etwa ein Zeuge durch die Wahrnehmung eines Zeugnis- bzw. Aussageverweigerungsrechts (z. B. gemäß §§ 52, 53, 53 a oder 55 StPO) oder ein objektiver Umstand (z. B. die tatsächliche Unerreichbarkeit eines Zeugen) – die Beweisgrundlage in einem aufklärungsbedürftigen Punkt verkürzt und hierdurch zumindest potentiell dem Angeklagten eine Entlastungsmöglichkeit nimmt.
4. Nach alledem hätte sich das Oberlandesgericht hier nicht mit der Feststellung begnügen dürfen, daß der Tatbeteiligte Binalshib für eine Vernehmung nicht zur Verfügung stand und auch nicht geklärt werden konnte, ob und gegebenenfalls welche Angaben er bei seinen Vernehmungen durch US-amerikanische Stellen über die Einbindung des Angeklagten in Planung und Vorbereitung der Anschläge vom 11. September 2001 machte.
Etwas anderes ergibt sich hier nicht daraus, daß die Unmöglichkeit der persönlichen Vernehmung Binalshibs in der Hauptverhandlung maßgeblich auf die Weigerung der US-Regierung und nicht auf Maßnahmen der Bundesregierung beruhte. Wird die Vernehmung eines Auslandszeugen dadurch verhindert, daß der fremde Staat, in dem sich der Zeuge aufhält, die für die Vernehmung erforderliche Rechtshilfe verweigert, ist der Zeuge unerreichbar im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO. Die Unerreichbarkeit eines Beweismittels hat zwar grundsätzlich bei der Würdigung der erhobenen Beweise außer Betracht zu bleiben. Insbesondere ist der Tatrichter in aller Regel nicht gehalten, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, welches Ergebnis die Vernehmung eines mangels Rechtshilfe eines fremden Staates unerreichbaren Zeugen möglicherweise hätte erbringen können.
Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt jedoch dann, wenn der um Rechtshilfe ersuchte Staat ein erhebliches eigenes Interesse an dem Ausgang des Strafverfahrens hat, etwa weil – wie hier – die angeklagten Straftaten und deren Folgen maßgeblich auch seine eigene Sicherheit sowie die Rechtsgüter seiner Bürger verletzten und die Bundesrepublik Deutschland daher in einer Art stellvertretenden Strafrechtspflege auch für ihn tätig wird. Insbesondere wenn er in einem derartigen Fall selbst Beweismittel – hier in Person des Zeugen W. – für den Tatnachweis zur Verfügung stellt, darf es nicht unberücksichtigt bleiben, wenn er andere, für die Tataufklärung zentrale Beweismittel, die potentiell zur Entlastung des Angeklagten geeignet sein könnten, dem deutschen Strafgericht vorenthält. Die andernfalls nicht auszuschließende Gefahr, daß der ausländische Staat durch die selektive Gewährung von Rechtshilfe den Ausgang des in Deutschland geführten Strafverfahrens in seinem Sinne steuert, kann im Hinblick auf das Recht des Angeklagten auf eine faire Verfahrensgestaltung nicht hingenommen werden. Von Bedeutung ist auch, ob sich der ausländische Staat – wie hier durch die UN-Übereinkommen zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Zivilluftfahrt von 1971 und das Übereinkommen zur Unterdrückung terroristischer Bombenanschläge von 1997 – durch internationale Abkommen gegenüber der Bundesrepublik Deutschland im Grundsatz bereit erklärt hat, in Strafverfahren wegen entsprechender – terroristischer – Straftaten so weit wie möglich die erforderliche (Rechts-)Hilfe zu leisten.
Binalshib war nach den Urteilsfeststellungen in zentraler Position in das Tatgeschehen eingebunden. Er hätte aus unmittelbarem Erleben vom Ablauf der Anschlagsplanung und -vorbereitung sowie über den Kenntnisstand des Angeklagten berichten können. Seinen etwaigen Angaben kam daher zur Ermittlung des wahren Sachverhalts potentiell eine erheblich größere Bedeutung zu als dem indiziellen Gewicht der Äußerungen des Angeklagten und Alshehhis aus dem ersten Halbjahr 1999, auf die das Oberlandesgericht seine Überzeugung vom Ablauf der Tatplanung und der Einbindung des Angeklagten in wesentlichem Umfang stützt, die sich jedoch nicht eindeutig unmittelbar auf die Anschläge vom 11. September 2001 beziehen und auch andere Deutungen zulassen, als sie das Oberlandesgericht vorgenommen hat. Die Vernehmung Binalshibs oder zumindest die Einführung des Inhalts der Unterlagen über seine Vernehmungen in den USA war daher von der Aufklärungspflicht geboten.
Nachdem diese Aufklärung wegen Sperrung der Beweismittel nicht möglich war, hätte das Oberlandesgericht daher in seine Beweiswürdigung die Möglichkeit einbeziehen müssen, daß Binalshib das Verteidigungsvorbringen des Angeklagten in einer – jedenfalls für sich gesehen plausiblen und nachvollziehbaren – Aussage bestätigt bzw. sich aus den Vernehmungsprotokollen eine entsprechende Bestätigung ergeben hätte. Es hätte insbesondere erwägen müssen, ob es auch dann, wenn Binalshib als ursprünglichen Grund für die Afghanistanreise der Gruppenmitglieder ebenfalls die Vorbereitung auf eine Teilnahme am Tschetschenienkrieg genannt und eine Einbeziehung des Angeklagten in erst später gefaßte Anschlagspläne verneint hätte, aufgrund der sonstigen erhobenen Beweise auch bei strikter Beachtung des Zweifelssatzes dennoch davon überzeugt gewesen wäre, daß sich das gesamte Tatgeschehen so, wie in dem angefochtenen Urteil festgestellt, abgespielt hat. Dabei wären die Glaubhaftigkeit einer derartigen potentiellen Aussage Binalshibs und dessen allgemeine Glaubwürdigkeit ebenso zu prüfen gewesen, wie zu erörtern gewesen wäre, ob sich entsprechende entlastende Angaben Binalshibs mit dem übrigen Beweisergebnis möglicherweise hätten in Einklang bringen lassen.
All dies hat das Oberlandesgericht unterlassen. Es hat den Angeklagten allein auf die Möglichkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens verwiesen, sollte der Zeuge Binalshib zu einem späteren Zeitpunkt als Zeuge zur Verfügung stehen. Sein Urteil kann nach alledem keinen Bestand haben.
Es bedarf keines näheren Eingehens auf die Frage, ob und gegebenenfalls welche sachlich-rechtlichen Konsequenzen im Revisionsverfahren daraus zu ziehen sind, daß in dem angefochtenen Urteil – unverständlicherweise – der anderweitig verfolgte Abdelghani Mzoudi mit keinem Wort erwähnt wird, obwohl dieser – wie dem Senat aus den entsprechenden Haftprüfungsverfahren bekannt ist – vom Generalbundesanwalt schon vor Beginn der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten wegen vergleichbarer Tatvorwürfe vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg angeklagt worden war und laut dieser Anklageschrift ebenfalls zu der terroristischen Vereinigung um Atta gehört haben soll.
III. Die Sperrung von Beweismitteln durch die Exekutive führt hier nicht zu einem Prozeßhindernis, das die Einstellung des Verfahrens zur Folge hätte. Zwar sind außergewöhnliche Fälle denkbar, in denen ein Verstoß gegen das Gebot fairer Verfahrensführung dem Verfahren als Ganzem die Grundlage entzieht und dessen Einstellung erzwingt (vgl. BGHSt 46, 159, 171). Dies kommt jedoch nur in Betracht, wenn ein fairer, rechtsstaatlicher Strafprozeß auch durch kompensierende Maßnahmen zu Gunsten des Angeklagten nicht mehr sichergestellt werden kann. Bei der Sperrung von Beweismitteln durch die Exekutive kann dies nur dann der Fall sein, wenn dem Tatrichter durch die Maßnahmen der Exekutive die Beweisgrundlage derart verkürzt wird, daß auch unter Beachtung der dargelegten Grundsätze vorsichtiger Beweiswürdigung und der Anwendung des Zweifelssatzes eine gerichtlich verantwortbare Überzeugungsbildung nicht mehr gewährleistet ist, die rechtsstaatlichen Anforderungen sowie der verfassungsrechtlich verbürgten Stellung der Strafgerichte genügt, den wahren Sachverhalt unbeeinflußt von Einflußnahmen der vollziehenden Gewalt zu ermitteln. So verhält es sich hier noch nicht. Trotz der Weigerung der US-Regierung, eine Vernehmung des Zeugen Binalshib zu ermöglichen sowie dem Zeugen W. eine Aussagegenehmigung zum Inhalt der Vernehmungen Binalshibs in den USA zu erteilen, und trotz der Sperrung übermittelter Protokolle über „geheimdienstliche Befragungen“ Binalshibs und des – vermeintlich in Syrien inhaftierten – Zeugen Z. durch die deutsche Regierung ist im Hinblick auf das vorhandene Beweismaterial eine eigenverantwortliche Beweiswürdigung durch den neuen Tatrichter noch möglich. Die zuständigen Stellen werden jedoch erneut zu prüfen haben, ob nicht Möglichkeiten bestehen, im Interesse der W