Landgericht Bonn
Aktenzeichen: 2 O 495/02
Urteil vom 25.11.2003
Das Landgericht Bonn hat auf die mündliche Verhandlung vom 25.11.2003 für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 20.000,- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.6.2002 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt von der Beklagten, einem in Großbritannien ansässigen Unternehmen, die Einlösung einer sogenannten Gewinnzusage.
Die Klägerin erhielt Ende April 2002 eine Briefsendung der Beklagten. Sie enthielt eine Vielzahl von Schriftstücken, darunter ein persönlich an die Klägerin adressiertes „Proforma Gewinn-Auszahlungs-Schreiben“, in dem ihr die Auszahlung eines Gewinns in Höhe von 20.000,- EUR angekündigt wurde, einen „Kontoauszug“, der eine Einzahlung über 20.000,- EUR für sie auswies, sowie eine „interne Mitteilung“, von einem Mitglied der „Finanzdirektion“ an den „Haupt-Juror“ gerichtet, über eine zu tätigende Auszahlung von 20.000,- EUR an die Klägerin. Der Sendung beigefügt waren außerdem diverse Warenprospekte und ein als „Test-Anforderung“ bezeichnetes Bestellformular.
In dem „Gewinn-Auszahlungs-Schreiben“ heißt es unter anderem wie folgt:
„Am Freitag, den 17. Mai wollen wir EUR 20.000 an Sie ausbezahlen! Sind Sie an diesem Tag zu Hause?
Ja, liebe Frau V, ich meine es ernst! Als Termin für die Gewinnübergabe haben wir Freitag, den 17.Mai 2002 ausgesucht.
Sie werden es nicht glauben, aber manchmal ist es gar nicht so einfach, mit Hauptgewinnern einen Termin für die Gewinnübergaben zu vereinbaren. Deshalb wollte ich schon im Vorfeld abklären, wie es am 17.Mai bei Ihnen aussieht. Ich denke gerade um Pfingsten ist man ja meistens zu Hause, und einem Geldkurier, der so kurz vor den Feiertagen noch EUR 20.000 vorbeibringt, würden Sie doch bestimmt die Haustür öffnen, oder Frau V?
In den letzten Tagen wurde ich von meinen Kollegen aus der Finanzabteilung regelrecht mit Fragen bombardiert. Den Schriftwechsel sowie den Kontoauszug über EUR 20.000 habe ich Ihnen beigelegt.
Jetzt muss aber alles ganz schnell gehen, denn bis zum 17.Mai sind es ja nur noch gut 3 Wochen. Und damit Ihnen kein Cent entgeht, füllen Sie bitte sofort Ihre unwiderrufliche und persönliche Gewinn-Anforderung vollständig aus.
…
Für meine Planung wäre es daher sehr hilfreich, wenn Sie auf Ihrer Gewinn-Anforderung schon einmal ankreuzen würden, welche Uhrzeit Ihnen am liebsten wäre. Dann kann ich mich darauf einstellen.“
In der beigefügten „Gewinn-Anforderung“ heißt es über dem Platzhalter für die Unterschrift unter anderem:
„Mit meiner Unterschrift bestätige ich den Erhalt des Kontoauszuges über EUR 20.000. Gleichzeitig erteile ich mein Einverständnis zu den mir bekannten Auszahlungs-Bedingungen.“
Auf der Rückseite der „Gewinn-Anforderung“ (Bl. 69 d.A.) befindet sich linksseitig der Bericht einer ehemaligen Gewinnerin mit Foto. Neben dem Foto steht: „Frau I aus W. gewann EUR 10.225,84 (= 20.000,- DM) in bar. Auf der rechten Seite sind unter der Überschrift „Garantie/Kauf auf Probe“ ab Zeile 9 unter anderem „Auszahlungs-Bedingungen“ abgedruckt. Sie lauten auszugsweise:
„Im vorliegenden Spiel kommt ein Gewinn in Höhe von EUR 20.000 zur Auszahlung. Für diesen Preis wurde im Rahmen einer Vorabziehung eine Nummer ermittelt. Der Gewinn wird ausbezahlt, wenn der rechtmäßige Gewinner seine Gewinn-Anforderung vor dem Einsendeschluss zurückschickt und seine Gewinn-Nummer mit der vorab ermittelten Gewinn-Nummer übereinstimmt.“
Wegen der weiteren Einzelheiten der Briefsendung wird auf die Schreiben der Beklagten Bezug genommen (Hülle Bl. 81 und Schreiben Bl. 69 d.A).
Die Klägerin füllte die beigefügte „Gewinn-Anforderung“ anleitungsgemäß aus und sandte diese an das Servicebüro der Beklagten in N. Die Gewinn-Anforderung ging der Beklagten vor dem angegebenen Einsendeschluss zu. Eine Auszahlung an die Klägerin erfolgte weder zum 17. Mai noch zu einem späteren Zeitpunkt. Mit Schreiben vom 5.6.2002 forderte die Klägerin die Beklagte zur Auszahlung des Gewinns von 20.000.-EUR auf und setzte ihr eine Frist zum 20.6.2002. Die Beklagte gab der Klägerin am 16.07.2002 bekannt, sie habe nicht gewonnen, weil ihre Gewinn-Nummer nicht mit der vorab ermittelten Gewinn-Nummer für den Hauptpreis identisch sei.
Die Klägerin meint, die Beklagte habe ihr eine Gewinnzusage gemäß § 661 a BGB gemacht und verlangt deren Einlösung.
Sie beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 20.000,-EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.6.2002 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig.
Die in Großbritannien ansässige Beklagte kann vor einem deutschen Gericht verklagt werden. Es kann dahin stehen, ob sich dies aus der internationalen Zuständigkeit für Verbrauchersachen ergibt (Art. 15, 16 EuGVVO). Die internationale und örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Bonn folgt jedenfalls aus Art. 5 Nr. 3 der am 1.3.2002 in Kraft getretenen Verordnung des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO/ entspricht Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ).
Gemäß Art. 3 I i.V.m. Art. 5 Nr. 3 EuGGVO können in einem Vertragsstaat ansässige (natürliche oder juristische) Personen auch vor Gerichten eines anderen Vertragsstaats verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, und zwar vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist (Art. 3 I i.V.mit Art. 5 Nr. 3; Art. 53 I 1 EuGGVO). Die Haftung wegen Gewinnzusage ist als eine Haftung wegen unerlaubter Handlung im Sinne des Art.5 Nr.3 EuGVÜ zu sehen (BGH NJW 2003, 427, 428). Der Unternehmer wird für sein – in der Regel vorsätzlich abgegebenes – täuschendes Versprechen „bestraft“, indem er gemäß § 661 a BGB dem Verbraucher hierfür auf Erfüllung haftet (BGH NJW 2003, 427, 428).
Der gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ maßgebliche Ort, „an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“, liegt sowohl an dem Ort, an dem der Schaden eingetreten ist, als auch an dem Ort des ursächlichen Geschehens. Dementsprechend konnte die Beklagte an dem für den Wohnsitz der Klägerin zuständigen Gericht verklagt werden. Dort trat mit dem Empfang des scheinbaren Gewinnversprechens der Erfolg der unerlaubten Handlung ein (vgl. BGH NJW 2003, 427, 428).
Die Klage ist auch begründet.
Die Klägerin kann nach § 661 a BGB Zahlung des ihr von der Beklagten versprochenen Gewinnes verlangen.
Die aus der Gewinnzusage entstandenen Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien beurteilen sich nach deutschem Recht. Die Klägerin hat von ihrem Wahlrecht nach Art. 40 Abs.1 EGBGB Gebrauch gemacht, indem sie die Klage auf § 661 a BGB gestützt hat.
Die Voraussetzungen des § 661 a BGB liegen vor. Danach hat der Unternehmer, der Gewinnzusagen oder vergleichbare Mitteilungen an Verbraucher sendet und durch die Gestaltung dieser Zusendungen den Eindruck erweckt, dass der Verbraucher einen Preis gewonnen hat, dem Verbraucher diesen Preis zu leisten. Die Beklagte ist Unternehmerin im Sinne des § 14 BGB, sie ist ein juristische Person, deren Unternehmensgegenstand der Versandhandel ist. Die Klägerin ist Verbraucherin im Sinne des § 13 BGB. Sie hat die Briefsendung der Beklagten als Privatkundin erhalten.
Durch die Zusendung wurde der Eindruck erweckt, die Klägerin habe bereits einen Preis gewonnen. Ob eine Zusendung diesen Eindruck vermittelt, beurteilt sich nach dem objektiven Empfänger- bzw. Verbraucherhorizont (Lorenz in NJW 2000, 3305, 3306). Nach der Gesamtgestaltung der Briefsendung bestehen keine Zweifel, dass aus der Sicht des durchschnittlichen Verbrauchers der Eindruck erweckt wurde, einen Preis gewonnen zu haben. Hier sind nur zu nennen die Formulierung aus dem „Gewinn-Auszahlungsschreiben“ „Am Freitag, den 17. Mai wollen wir EUR 20.000.- an sie auszahlen. Sind Sie an dem Tag zu Hause?“, der Kontoauszug mit dem handschriftlichen Zusatz „Für V“ sowie das Schreiben an den Haupt-Juror. In letzterem heißt es „Lieber C! Anliegend der Kontoauszug über EUR 20.000 für V. Wie Du siehst, habe ich das Geld gestern eingezahlt. Der Betrag liegt ab sofort zur Auszahlung bereit … Übergibst Du dieses Mal den Gewinn eigentlich selbst oder fährt der Chef persönlich?“ Die Klägerin durfte aus diesen Erklärungen schließen, dass sie als Gewinnerin bereits fest stand, der Tag der Auszahlung festgelegt und bei der Beklagten die Zahlung an sie gebucht und für den Mitarbeiter als Termin vorgemerkt war.
Dieser Eindruck wurde nicht dadurch erschüttert, dass das Anschreiben an die Klägerin als „Proforma Gewinn-Auszahlungs-Schreiben“ bezeichnet war. Der Begriff „Proforma“ musste von der Klägerin nicht dahin verstanden werden, es handele sich um eine Scherzerklärung. Vielmehr lag auch die Auslegung nahe, dass die Beklagte Wert auf die persönliche Übergabe des Geldes legte und sich nicht mit einem Schreiben begnügen wollte.
Auch der Hinweis in der „Gewinn-Anforderung“ auf die „bekannten Auszahlungsbedingungen“ vermögen den Eindruck des Gewinn von 20.000.- EUR nicht zu widerlegen. Versteckte Einschränkungen einer Gewinnzusage, wie etwa rückseitige Hinweise, dass es sich um ein unverbindliches Gewinnspiel handele oder ähnliches, vermögen die abstrakte Eignung solcher Mitteilungen, den Eindruck eines bereits gewonnenen Preises zu erwecken, nicht zu mildern (Palandt-Sprau, 62.Aufl., § 661 a Rn. 2; Lorenz NJW 2000, 3305, 3306; Schneider BB 2002, 1653, 1655). Um eine solche versteckte Einschränkung handelt es sich im Streitfall.
Die Beklagte hat den Hinweis, dass ein Gewinn nur ausbezahlt wird, wenn die Gewinn-Nummer des Zusendungsempfängers mit der vorab ermittelten Gewinn-Nummer übereinstimmt, auf die Rückseite der Gewinn-Anforderung gesetzt. Die Auszahlungsbedingungen sind sehr klein gedruckt und ab Zeile 9 unter der irreführenden fett gedruckten Überschrift „Garantie/Kauf auf Probe“ versteckt. Der Begriff „Auszahlungs-Bedingungen“ ist im Text nicht hervorgehoben. In den Zeilen darüber sind Hinweise zu Bestellungen aufgeführt. Der unbefangene Verbraucher, der keine Bestellung beabsichtigt, wird nach der ersten Zeile nicht weiter lesen, weil er sich nicht angesprochen fühlt. Zudem lenken der linksseitige Bericht und das Foto der „Gewinnerin“ die Aufmerksamkeit auf sich und von den Auszahlungsbedingungen ab. Angesichts dieser Umstände wird der Verbraucher als „bekannte Auszahlungsbedingung“ nur die Forderung der Beklagten sehen, am Tag der Auszahlung zu Hause zu sein und den Gewinn persönlich entgegen zu nehmen.
Der Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs.1 Satz 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 Satz 1, 2 ZPO.