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Regress des Kfz-Haftpflichtversicherers bei unerlaubtem Entfernen vom Unfallort

AG Eschweiler – Az.: 23 C 146/08 – Urteil vom 14.04.2011

1. Das Versäumnisurteil des Amtsgerichtes Eschweiler vom 10.12.2009 wird mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 2.175,83 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.09.2007 sowie weitere 3,00 € zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Der Beklagten werden auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur gegen Leistung dieser Sicherheit fortgesetzt werden.

Tatbestand

Die Klägerin als Haftpflichtversicherer des Fahrzeuges der Beklagten, amtliches Kennzeichen XY, zahlte aufgrund eines Unfallereignisses vom 04.03.2007 in T., P-straße in Höhe Hausnummer 11 an den Unfallgegner 2.175,83 €. Die Beklagte hatte seinerzeit beim Versuch des Einparkens einen Sachschaden an dem Fahrzeug Typ T, amtliches Kennzeichen AB, verursacht. Dabei wurde das Fahrzeug des Unfallgegners an der vorderen linken Fahrzeugseite beschädigt, das Fahrzeug der Beklagten an der hinteren rechten Tür, der B-Säule, und des Radlaufes.

Nachdem die Beklagte durch rechtkräftigen Strafbefehl des Amtsgerichtes Eschweiler AZ: CD vom 00.00.0000 wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe verurteilt worden ist und ihr zudem die Fahrerlaubnis mit einer Sperrfrist von 8 Monaten entzogen worden ist, macht die Klägerin Regressansprüche wegen Obliegenheitsverletzung geltend.

Mit Schreiben vom 01.08.2007 forderte sie die Beklagte vergebens zur Zahlung bis zum 16.08.2007 auf, ein weiteres Mahnschreiben datiert vom 05.09.2007.

Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe ihre Aufklärungsobliegenheit im Sinne von § 7 Abs. 5 AKB verletzt, weil sie sich vorsätzlich und unerlaubt vom Unfallort entfernt habe. Das Kollisionsgeräusch sei als lauter Knall für die Beklagte ebenso wie für die Unfallzeugin T. hörbar gewesen. Am Fahrzeug des Unfallgegners sei ausweislich des diesbezüglich vorgelegten Gutachtens ein Schaden in Höhe von 2.175,83 € entstanden. Dieser Betrag sei zur Schadensbeseitigung angemessen und notwendig gewesen. Sie habe den Schaden gegenüber dem Unfallgegner auch ersetzt.

Nachdem für die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 10.12.2009 niemand aufgetreten ist, hat das Gericht am gleichen Tag auf den Antrag der Klägerin, die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.175,83 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.09.2007 sowie weitere 4,00 € zu zahlen, antragsgemäß Versäumnisurteil erlassen. Gegen dieses am 17.12.2009 zugestelltes Urteil hat die Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit Fax-Schriftsatz vom 23.12.2009 rechtzeitig Einspruch eingelegt.

Die Klägerin beantragt nunmehr, das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.

Die Beklagte beantragt, das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, sie habe den Unfall nicht bemerkt. Eine leichte Erschütterung des Fahrzeuges habe sie dem Überfahren von auf der Straße nach einem Sturm liegenden Baumästen zugeordnet. Zudem habe ihr zum Zeitpunkt des Unfallereignisses im Auto befindlicher Sohn für eine „Geräuschkulisse“ gesorgt. Sie habe auch nachträglich unverzüglich die Feststellung ihrer Person ermöglicht. Als sie den Schaden bei Abholung eines Kindes ihrer Freundin dort nach dem Aussteigen bemerkt habe, habe sie sofort ihren Ehemann angerufen und ihn gefragt, ob er einen Unfall gehabt habe. Als er verneint habe, habe sie nur kurz ihren Sohn zu Hause absetzen wollen, um dann zur Unfallstelle zurückzukehren, um nachzuschauen, ob sie einen Unfall verursacht habe.

Das Gericht hat die Beklagte persönlich angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin T., der Einholung eines Sachverständigengutachtens sowie der mündlichen Anhörung des Sachverständigen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 25.03.2010, das Gutachten des Sachverständigen Dr.-Ing. N. vom 05.05.2010, sein Ergänzungsgutachten vom 14.07.2010 und seine mündlichen Ausführungen vom 03.02.2011 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst der von ihnen in Bezug genommenen Urkunden verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist bis auf 1,00 € geltend gemachte Mahnkosten vollumfänglich begründet und das Versäumnisurteil vom 10.12.2009 entsprechend in diesem Umfange aufrechtzuerhalten.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Ausgleichsanspruch gemäß § 426 Abs. 2 BGB auf Zahlung der Beträge, die sie zum Ausgleich der Haftung der Beklagten erbracht hat.

Zunächst hafteten Klägerin und Beklagte dem Unfallgegner gemäß § 115 Abs. 1 Satz 4 VVG (§ 3 Nr. 2 PflVG a.F) als Gesamtschuldner. Da die Klägerin indes nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nach § 7 V AKB leistungsfrei ist, haftet die Beklagte im Ergebnis nach § 116 Abs. 1 Satz 2 VVG (§ 3 Nr. 9 Abs. 2 PflVG a.F.) allein.

Die Klägerin ist leistungsfrei, weil die Beklagte nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme die ihr nach § 7 I Abs. 2 Satz 2 AKB auferlegte Aufklärungsobliegenheit verletzt hat. Sie hat nämlich den objektiven und subjektiven Tatbestand einer Unfallflucht nach § 142 StGB erfüllt und damit die Obliegenheit verletzt, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes, das heißt des Versicherungsfalles, dienlich sein kann (vgl. BGH Urteil vom 01.12.1999 – IV ZR 71/99 -).

Entgegen der Behauptung der Beklagten hat sie am 04.03.2007 objektiv und subjektiv eine Unfallflucht im Sinne von § 142 StGB begangen.

Denn sie hat an diesem Tag gegen 16.12 Uhr mit ihrem Pkw Marke XY beim Versuch des Einparkens den Pkw Marke AB beschädigt. Dabei wurde das Fahrzeug des Unfallgegners an der linken Flanke des vorderen Stoßfängers, der unteren Spitze des linken vorderen Kotflügels, sowie der hinteren Unterkante des linken Scheinwerfers beschädigt, während sich die Beschädigungen am Fahrzeug der Beklagten über die rechte vordere Tür, die rechte hintere Tür und das rechte Kniestück bis zur Hinterkante des rechten hinteren Radlaufs erstreckten. Nach dem Gutachten des Sachverständigen N. vom 05.05.2010 ist vollständige Schadenskompatibilität festzustellen, die Verursachung des Schadens beim Unfallgegner durch das Beklagtenfahrzeug wurde überdies von der Beklagten auch nicht bestritten.

Nach dem Unfall ist die Beklagte nicht etwa am Unfallort verblieben, sondern hat diesen unstreitig – ohne ihrer Wartepflicht nachzukommen – unverzüglich verlassen.

Entgegen der Behauptung der Beklagten war sie wartepflichtig, denn sie hat den Unfall bemerkt. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Gerichtes eindeutig aus den überzeugenden und widerspruchsfreien Ausführungen des Sachverständigen N. in seinem Gutachten und Ergänzungsgutachten sowie seinen mündlichen Ausführungen in der Verhandlung vom 03.02.2011. Er hat insoweit nachvollziehbar ausgeführt, dass aufgrund der Beschädigungen an beiden Fahrzeugen ein massiver Energieaustausch zwischen den Fahrzeugen stattgefunden hat. Angesichts der Blechverformungen in gekröpften Bauteilen mussten deutliche Knick- und Schürfgeräusche entstanden sein, die sich über den relativ großen Resonanzkörper des linken Seitenteils verstärkt auf die gesamte Karosserie und das Fahrzeuginnere übertragen haben. Der akustische Reiz war deutlich zu unterscheiden von einem etwaigen Überfahren eines Astes. Selbst wenn im Fahrzeug andere Geräusche durch Kinder oder laute Musik geherrscht haben sollten, was nicht bewiesen ist, wäre das Anstoßgeräusch dennoch deutlich erkennbar wahrnehmbar gewesen. Zudem bestand eine taktile Wahrnehmungsmöglichkeit, wie auch eine visuelle Wahrnehmungsmöglichkeit über den rechten Außenspiegel des Fahrzeugs der Beklagten.

Dieses Gutachtenergebnis wird gestützt durch die Aussage der Zeugin T., die aus ihrem Wohnzimmer in der dritten Etage, das im Haus gegenüber der Unfallstelle liegt, deutlich einen lauten Knall gehört hat. Dabei hat sie das Geräusch weiter so beschrieben, als wären zwei Autos aneinander geraten.

Nach allem hat das Gericht keinerlei Zweifel, dass die Beklagte den Unfall jedenfalls akustisch und taktil wahrgenommen hat.

Bei Verlassen der Unfallstelle handelte die Beklagte auch vorsätzlich. Denn das Gebot, nach einem Verkehrsunfall die Unfallaufnahme durch die Polizei an Ort und Stelle abzuwarten, stellt auch bei eindeutiger Haftungslage eine „elementare, allgemeine und jedem Versicherungsnehmer und Kraftfahrer bekannte Pflicht“ dar (vgl. BGH a. a. O.).

Ob diese Verletzung der Obliegenheit für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles ursächlich war im Sinne von § 28 Abs. 3 Satz 1 VVG ist unerheblich, da die Beklagte jedenfalls die Obliegenheit arglistig im Sinne von § 28 Abs. 3 Satz 2 VVG verletzt hat. Das Verlassen der Unfallstelle schränkt die Möglichkeit des Versicherers ein, Feststellungen zu treffen, die zur Aufklärung des Sachverhaltes oder zur Minderung des Schadens dienlich sein können und stellt deshalb bei eindeutiger Haftungslage ein vertragswidriges Verhalten des Versicherungsnehmers dar (vgl. BGH a. a. O.). Es ist vergleichbar mit dem Verschweigen maßgeblicher Umstände durch den Versicherungsnehmer, da auch hierdurch eigene Feststellungen des Versicherers erschwert oder vereitelt werden. Ein Verschweigen ist dabei bereits dann als „arglistig“ einzustufen, wenn dem Versicherungsnehmer bewusst ist, dass sein Verhalten den Versicherer bei der Schadensregulierung möglicherweise beeinflussen kann. In diesem Sinne ist auch eine Verkehrsunfallflucht als arglistig einzustufen, denn sie ist potentiell geeignet, die Aufklärung des Tatbestandes und die Ermittlung des Haftungsumfanges der Versicherung nachteilig zu beeinflussen. Aus diesem Grunde ist es auch unerheblich, dass die Beklagte noch am selben Tag von der Polizei als Unfallverursacherin festgestellt werden konnte.

Aufgrund der Verletzung der Aufklärungsobliegenheit ist die Klägerin demnach bis zu der sich aus § 6 Abs. 1 Kraftfahrzeugpflichtversicherungsverordnung ergebenden Grenze in Höhe von 2.500,00 €, die durch den Klagebetrag nicht überschritten wird, leistungsfrei. Nachdem die Beklagte auf den substantiierten Vortrag der Klägerin zur Schadenshöhe und Regulierung nicht mehr substantiiert erwidert hat, gilt der diesbezügliche Vortrag der Klägerin als zugestanden nach § 138 Abs. 3 ZPO.

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Der geltend gemachte Zinsanspruch ist gerechtfertigt aus Verzug nach §§ 286, 288 BGB seit dem 14.09.2007 aufgrund des verzugsbegründenden Schreibens der Klägerin vom 01.08.2007 mit Fristsetzung auf den 16.08.2007.

Die Kosten für das außergerichtliche Mahnschreiben vom 05.09.2007 sind ebenso aus Verzug gerechtfertigt und zu erstatten in Höhe von 3,00 € (§ 287 ZPO). Insoweit konnte das Versäumnisurteil, das insoweit 4,00 € ausspricht lediglich in Höhe von 1,00 € nicht aufrechterhalten bleiben.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 344, 709 Satz 1 und Satz 3 ZPO.

Streitwert: 2.175,83 €

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