Haftung des Grundstücksbesitzers bei Mängeln an Leitersprosse eines Hochsitzes
Das Landgericht Waldshut-Tiengen hatte über einen Streit zwischen einer Forstverwaltung als Arbeitgeberin und dem Land Baden-Württemberg als Eigentümer eines Jagdreviers zu entscheiden.
Ein Forstbeamter der Klägerin hatte bei der Nutzung eines Hochsitzes im Jagdrevier des beklagten Landes einen Unfall erlitten, als unter ihm eine Leitersprosse aufgrund von Fäulnis brach. Die Klägerin machte gegenüber dem beklagten Land Ansprüche auf Schadensersatz wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht geltend. Sie war der Ansicht, das Land habe den Hochsitz nicht ordnungsgemäß gewartet und dadurch den Unfall verursacht.
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Übersicht:
✔ Das Wichtigste in Kürze
- Klage auf Schadenersatz abgewiesen
- Verkehrssicherungspflicht des Grundstücksbesitzers nicht verletzt
- Leitersprossen ausreichend kontrolliert
- Mangel an Sprosse äußerlich nicht erkennbar
- Mitverantwortung des Nutzers
- Jagd birgt generelle Risiken
- Angemessene Sorgfalt des Eigentümers
Urteil: Klage auf Schadensersatz abgewiesen
Das Gericht wies die Klage ab. Zwar traf das beklagte Land als Eigentümer des Jagdreviers grundsätzlich eine Verkehrssicherungspflicht. Diese wurde jedoch nicht verletzt. Das Land hatte die Leitersprossen regelmäßig kontrolliert. Dazu genügte es, sie jährlich einer Sichtkontrolle zu unterziehen und sie einer Belastungsprobe zu unterwerfen. Weitergehende Maßnahmen wie häufigere Kontrollen, Einschnitte oder das vollständige Durchsägen der Leitersprossen waren nicht erforderlich.
Begründung: Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt
Auch war die innere Fäulnis der gebrochenen Sprosse von außen nicht erkennbar gewesen. Zudem konnte schon der Nutzer des Hochsitzes die Sprossen vor der Benutzung auf Mängel prüfen. Angesichts der Gefahren, die mit der Jagd und der Benutzung von Hochsitzen generell verbunden sind, war das Risiko eines solchen Unfalls hinzunehmen. Insgesamt genügte die Sorgfalt, die das beklagte Land als zuständiger Grundstücksbesitzer an den Tag gelegt hatte.
Fazit: Angemessene Sorgfalt beachtet
Das Urteil stellt klar, dass bei der Verkehrssicherung von Hochsitzen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet werden muss. Überzogene Anforderungen an die Kontrolle von Leitersprossen sind nicht gerechtfertigt. Die Entscheidung konkretisiert die Pflichten von Jagdausübungsberechtigten als Eigentümern oder Pächtern bei der Unterhaltung ihrer Jagdeinrichtungen. Sie ist für die Abgrenzung von Haftungsrisiken in der jagdlichen Praxis von Bedeutung.
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✔ Sorgfaltspflicht des Grundstücksbesitzers – kurz erklärt
Die Sorgfaltspflicht des Grundstücksbesitzers ist eine rechtliche Verpflichtung, die in Deutschland im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt ist. Nach § 823 BGB ist der Eigentümer eines Grundstücks für den Zustand seines Grundstücks verantwortlich. Dies bedeutet, dass er dafür haftet, dass von seinem Grundstück keine Gefahren für andere ausgehen. Wenn er den Verkehr auf dem Grundstück zulässt, trägt er auch die Verantwortung für mögliche Gefahren, die sich daraus ergeben. Diese Pflicht wird als „Verkehrssicherungspflicht“ bezeichnet.
Die Verkehrssicherungspflicht umfasst die Verantwortung dafür, dass das Grundstück in einem sicheren Zustand gehalten wird, um Unfälle oder Schäden zu verhindern. Dies beinhaltet die regelmäßige Überprüfung und Instandhaltung von Wegen, Gebäuden und anderen Einrichtungen auf dem Grundstück. Der Grundstücksbesitzer muss sicherstellen, dass potenzielle Gefahrenquellen, wie lose Gehwegplatten oder herabfallende Äste, beseitigt werden.
Die Verkehrssicherungspflicht erstreckt sich auch auf vermietete Objekte. Selbst wenn das Grundstück vermietet ist, bleibt der Eigentümer für die Einhaltung dieser Pflicht verantwortlich. In einigen Fällen können bestimmte Pflichten auf die Mieter übertragen werden, aber die letztendliche Verantwortung liegt beim Eigentümer.
Bei Verletzung der Verkehrssicherungspflicht kann der Grundstücksbesitzer haftbar gemacht werden, wenn durch den Zustand des Grundstücks Schäden oder Verletzungen bei Dritten verursacht werden. Daher ist es für Grundstücksbesitzer wichtig, ihre Verkehrssicherungspflicht ernst zu nehmen und angemessene Maßnahmen zur Sicherheit auf ihrem Grundstück zu ergreifen.
Relevante Rechtsbereiche in diesem Urteil:
- Haftung des Grundstücksbesitzers (Grundstücksbesitzerhaftung): Dieser Rechtsbereich betrifft die rechtliche Verantwortung eines Grundstücksbesitzers für Schäden, die auf seinem Grundstück entstehen. Im vorliegenden Fall geht es um die Haftung des Landes als Eigentümer des Jagdreviers für den Unfall eines Forstbeamten aufgrund einer defekten Leitersprosse an einem Hochsitz.
- Verkehrssicherungspflicht: Die Verkehrssicherungspflicht ist ein Rechtskonzept, das besagt, dass Personen oder Organisationen die Pflicht haben, angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um die Sicherheit von Dritten zu gewährleisten. Im Zusammenhang mit dem Urteil geht es darum, ob das Land als Grundstücksbesitzer seine Verkehrssicherungspflicht erfüllt hat, indem es die Leitersprossen des Hochsitzes kontrolliert hat.
- Beweislast (insbesondere § 836 BGB): Die Beweislastregelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), insbesondere § 836 BGB, regeln, wer in einem Rechtsstreit die Beweislast trägt. Hier ist von Bedeutung, ob der Grundstücksbesitzer die Möglichkeit hatte, den Schaden zu verhindern, und ob er diese Möglichkeit genutzt hat, um seine Haftung zu begrenzen. In diesem Fall könnte dies eine Rolle bei der Verteilung der Haftung spielen.
Das vorliegende Urteil
LG Waldshut-Tiengen – Az.: 1 O 163/13 – Urteil vom 14.08.2015
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von dem beklagten Land aus gemäß § 76 BBG übergegangenem Recht Schadensersatz wegen eines Jagdunfalls.
Am 3. August 2012 erlitt Herr Dr. P., Forstverwaltungsbeamter in Diensten der Klägerin, in dem dem beklagten Land gehörenden Forstrevier E. bei B. einen Unfall. Herrn Dr. P. war erlaubt, dort als Jagdgast zu jagen. Als er gegen 13.30 Uhr vom Hochsitz „K.“ herunterstieg, brach infolge innerer Fäulnis eine der hölzernen Leitersprossen, und Herr Dr. P. stürzte rückwärts etwa 2,50 m zu Boden. Durch den Sturz erlitt er unterschiedliche Verletzungen, unter anderem an einem Brustwirbel sowie an der Bandscheibe. Infolgedessen wurde er am 5. August 2012 und am 12. April 2013 operiert und war er bis Ende des Jahres 2012 sowie in der Zeit vom 10. bis zum 24. April 2013 arbeitsunfähig krank. Die Höhe der Herrn Dr. P. für diese Zeiträume geleisteten Dienstbezüge betrugen 34.265,07 Euro sowie 3.490,59 Euro. Die im Zusammenhang mit den Unfallverletzungen erbrA. Beihilfeleistungen mA. weitere 25.545,03 Euro aus.
Die Klägerin behauptet, das beklagte Land habe den Hochsitz zu gegebener Zeit nicht hinreichend sorgfältig geprüft. Es habe nicht einmal eine – ohnedies ungenügende – Prüfung gemäß § 7 UVV Jagd unmittelbar vor der Jagd vorgenommen. Hätte das beklagte Land den Hochsitz in gehöriger Weise einer regelmäßigen Prüfung unterzogen, so hätte sie die ungenügende Stabilität der Trittsprossen offenbart.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Haftung des beklagten Landes ergebe sich aus § 836 Abs. 1 Satz 1 BGB sowie – wegen Verkehrssicherungspflichtverletzung – aus § 823 Abs. 1 BGB. Der erste Anschein spreche dafür, dass das beklagte Land seine Verkehrssicherungspflicht verletzt habe, indem es den Hochstand nicht hinreichend kontrolliert und gewartet habe. Das zum Bau des Hochsitzes verwendete Holz müsse mehr als einmal jährlich, nämlich innerhalb kürzerer Prüffristen sowie im Rahmen einer genauen Prüfung auf Fäulnis untersucht werden. Hierzu reiche eine bloße Sichtprüfung, insbesondere eine Sichtprüfung an den Schnittkanten der Trittsprossen, nicht aus. Vielmehr sei erforderlich, die Oberseiten der Sprossen im belasteten Bereich mittels eines Messers, eines Spitzhammers oder eines ähnlichen Werkzeugs auf Fäulnis hin zu überprüfen, indem auf die Trittsprosse geklopft und indem sie angedrückt oder auch eingeschnitten werde. Hierzu gehöre gegebenenfalls auch, im Sinne stichprobenartiger Kontrolle eine der Trittsprossen durchzusägen.
Die Klägerin beantragt, das beklagte Land zu verurteilen, an die Klägerin 63.300,64 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 7.191,89 Euro seit dem 19.12.2012 und aus weiteren 56.108,75 Euro ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Das beklagte Land beantragt, die Klage abzuweisen.
Es behauptet, seit der Errichtung im Jahr 2012 sei der Hochsitz im Mai jeden Jahres regelmäßig durch den Revierleiter, P. R., sowie den mithelfenden Jäger, B. A., überprüft worden. Herr A. habe den Hochsitz von Mai bis Ende Juli 2012 etwa zehn Mal benutzt, zuletzt am 29. Juli 2012. Herr R. habe den Hochsitz Anfang Mai 2012 überprüft, auch dessen Trittstufen. Noch Ende Mai 2012 habe sich Herr R. zwei Mal auf dem Hochsitz befunden und sich über dessen Zustand vergewissert. Im Rahmen der Sichtprüfung seien keine Anzeichen für Pilzbefall zu erkennen gewesen. Auch sei die Nagelung der Trittsprossen überprüft worden, ohne dass irgendwelche Beschädigungen festgestellt worden wären. Herr Dr. P., als Forstamtsleiter selbst forstlicher Fachmann, habe am 29. Juli und beim Aufstieg am 3. August 2012 keinen Anhaltspunkt für einen Schaden am Tritt gefunden. Er selbst habe sich unmittelbar vor dem Unfall vom gefahrlosen Zustand des Hochsitzes vergewissert und sei nach eigener Prüfung von dessen sicherer Begehbarkeit ausgegangen. Die verwendeten Trittstufen seien aus feinringigem zwischenständigem Holz gefertigt, sie seien darum langlebig, sicher, für Fäulnisbefall im Inneren nicht prädestiniert und für die Verwendung als Aufstieg zu einem Hochsitz am besten geeignet.
Das beklagte Land ist der Meinung, die Anforderungen an die Verkehrssicherung, die die Klägerin stellen wolle, seien überzogen, unzumutbar und nicht zu leisten. Mehrfache Untersuchungsbohrungen und Probeschnitte pro Jahr an zahlreichen Stellen des Hochsitzes, ja sogar an verschiedenen Stellen eines jeden Tritts, wie die Klägerin sie fordere, führten ihrerseits zur mangelnden Tragfähigkeit der Tritte. Allerdings dürfte selbst bei einem solch großen Kontrollaufwand die Chance, einen vergleichbaren Fäulnisschaden zu entdecken, äußerst gering sein. Der eingetretene Schaden hätte zuverlässig nur dadurch verhindert werden können, dass im Zuge jeder Überprüfung sämtliche Tritte erneuert worden wären. Im Übrigen dürfe nicht übersehen werden, dass der Jagdbogen des Jagdreviers, in dem der fragliche Hochsitz stehe, seit Jahren nur durch den Revierleiter, den mithelfenden Jäger und Herrn Dr. P. als Jagdgast genutzt worden sei.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11. Juni 2015 (AS 181) verwiesen. Das Gericht hat durch Vernehmung der Zeugen Dr. M. P., P. R. und B. A. Beweis erhoben.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
II.
Die Klägerin hat gegenüber dem beklagten Land keinen Anspruch auf Schadensersatz.
1.
Ein Anspruch der Klägerin aus übergegangenem Recht gemäß § 836 Abs. 1 Satz 1 BGB besteht nicht. Dessen objektive Voraussetzungen sind zwar erfüllt. Insbesondere spricht der erste Anschein dafür, dass der Grund für das Durchbrechen der Leitersprosse Folge mangelhafter Unterhaltung des Hochsitzes war (dazu unter a). Doch tritt die Ersatzpflicht nicht ein, da das beklagte Land die zum Zwecke der Abwendung der Gefahr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat (dazu unter b).
a) Die objektiven Voraussetzungen des § 836 Abs. 1 Satz 1 BGB sind erfüllt. Indem die Leitersprosse unter der Belastung durch Herrn Dr. P. beim Abstieg vom Hochsitz brach, löste sich ein Teil des Hochsitzes als eines mit dem Grundstück des beklagten Landes verbundenen Werkes. Dadurch wurden Körper und Gesundheit eines Menschen verletzt. Auch spricht der erste Anschein dafür, dass der Grund für das Durchbrechen der Leitersprosse Folge mangelhafter Unterhaltung des Hochsitzes war. Hierfür reicht aus, dass sich der Hochsitz insofern in einem objektiv mangelhaften Zustand befand, als eine der Leitersprossen unstreitig in ihrem Inneren verfault war, und dass es Möglichkeiten gegeben hätte, eine solche Teilablösung durch irgendeine Unterhaltungsmaßnahme zu vermeiden (vgl. Luckey, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Handbuch der Beweislast, 3. Aufl. 2010, § 836 BGB Rn. 6, 7; MK/Wagner, BGB, 6. Aufl. 2013, § 836 Rn. 14).
b) Indessen tritt die Ersatzpflicht des § 836 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht ein. Denn das beklagte Land hat die zum Zwecke der Abwendung der Gefahr erforderliche Sorgfalt beobachtet (vgl. § 836 Abs. 1 Satz 2 BGB).
aa) Wenn auch grundsätzlich hohe Anforderungen an den Entlastungsbeweis des Grundstücksbesitzers zu stellen sind, so dürfen diese doch nicht überspannt werden, weil ein Übermaß die Haftung aus widerleglichem Verschulden leicht in eine Gefährdungshaftung umschlagen ließe (vgl. Luckey, aaO., § 836 BGB Rn. 15; ähnlich Staudinger/Belling, BGB, Neubearb. 2012, § 836 Rn. 118). Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls. Der Sache nach geht es um dieselben Anforderungen, die im Zusammenhang mit der Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht gestellt werden (vgl. BGH, NJW-RR 1990, 1423, 1425; OLG Stuttgart, Urt. v. 12. November 1976, 2 U 117/76, VersR 1977, 384; MK/Wagner, § 836 BGB Rn. 20; Haag, in: Geigel, Der Haftpflichtprozess, 27. Aufl. 2015, Kap. 19 Rn. 14).
Insoweit gilt wiederum, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes derjenige, der eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schafft, grundsätzlich verpflichtet ist, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Daher reicht es anerkannter Maßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise – hier der Revierleiter eines staatlichen Forstreviers – für ausreichend halten darf, um andere Personen – hier einen Jagdgast – vor Schäden zu bewahren, und die den Umständen nach zuzumuten sind (vgl. BGH, NJW 2010, 1967 Rn. 5).
bb) Nach diesem Maßstab reichte es zur Abwendung der hier verwirklichten Unfallgefahr aus, zumindest einmal jährlich die Leitersprossen des Hochsitzes einer Sichtkontrolle zu unterziehen und sie einer Belastungsprobe zu unterwerfen. Für die Belastungsprobe genügte es, die Leitersprossen mit festem Tritt zu betreten und sie so auf ihre Trittfestigkeit und Tragfähigkeit hin zu überprüfen. Hingegen bedurfte es in Hinsicht auf den zeitlichen Abstand und die Art der Erprobung keiner weitergehenden Kontrollmaßnahmen. Insbesondere war nicht erforderlich, mehrmals jährlich die Leitersprossen je einzeln mithilfe eines Messers, eines Spitzhammers oder eines anderen Werkzeugs anzuschneiden, anzustechen oder anzudrücken, die Leitersprossen je einzeln auf Fäulnis hin abzuklopfen und regelmäßig zumindest eine der Leitersprossen stichprobenhalber durchzusägen.
Zu dieser Beurteilung gelangt das Gericht aufgrund folgender Erwägungen:
(1) Mit Ausnahme von § 7 Abs. 1 Nr. 3 der Unfallverhütungsvorschrift „Jagd“ der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft (VSG 4.4), wonach Hochsitze vor jeder Benutzung, mindestens jedoch einmal im Jahr, zu prüfen sind, existiert keine Regel, in welchem zeitlichen Abstand eine solche Überprüfung stattzufinden hätte. Für ein kürzeres zeitliches Intervall als die Frist von einem Jahr gibt es keinen Grund (ähnlich OLG Hamburg, Urt. v. 5. Juli 1979, 13 U 51/79, VersR 1982, 561; ebenso Falz, DJZ 3/2000, Anl. K 11).
(2) Für die Anforderungen an Umfang und Intensität der Verkehrssicherungspflichten kommt es entscheidend darauf an, ob der eröffnete Verkehr einer unbestimmten Zahl von Personen oder nur einem kleinen Kreis Berechtigter offensteht. Der Hochsitz, um den es hier geht, wurde allenfalls gelegentlich von nur drei Personen genutzt, vom Revierleiter, von dessen mithelfendem Jäger und, einmal jährlich innerhalb eines Zeitraums von etwa zwei Wochen, von einem ganz bestimmten Jagdgast, dem Unfallgeschädigten.
(3) Aus der bereits zitierten Unfallverhütungsvorschrift geht hervor, dass jeder Nutzer vor jeder Benutzung den Hochsitz prüfen muss. Mit anderen Worten wird ohnehin vorausgesetzt, dass zunächst einmal jeder Berechtigte, der einen Hochsitz besteigt, sich mit der gebotenen Sorgfalt darüber vergewissert, ob sich der Hochsitz in einem für den Benutzer gefahrlosen Zustand befindet. Die Verkehrssicherungspflicht des Grundstückseigentümers steht mithin nicht isoliert da, sondern sie findet ihre Ergänzung insoweit in der Unfallverhütungslast des Grundstücksbenutzers.
(4) Auch kann vorausgesetzt werden, dass der berechtigte Nutzer eines Hochsitzes aufgrund seiner jagdlichen Ausbildung und Erfahrung über die Sach- und Fachkunde verfügt, die mit der Benutzung des Hochsitzes verbundenen Gefahren zuverlässig einzuschätzen. Dies gilt erst recht im Falle des durch den Unfall Geschädigten, der als Forstdirektor einem Bundesforstbetrieb vorsteht.
(5) Darüber hinaus kann der Benutzer die Leitersprossen ohne weiteres vor und bei dem Aufstieg überprüfen. Ab der Höhe von etwa 1,60 hat er sie bereits vor Augen, wenn er vor der Leiter steht. Alle weiteren in größerer Höhe angebrachten Sprossen kommen ihm vor Augen, je weiter er die Leiter hochsteigt. Zugleich ist der Benutzer imstande, beim Aufstieg sowohl mit den Händen die Sprossen ab einer Höhe von etwa 1,60 m zu begreifen und so auf ihre Festigkeit hin zu überprüfen als auch mit den beschuhten Füßen sämtliche Leitersprossen darauf hin zu prüfen, ob sie etwa glatt und rutschig sind und ob sie wackelig oder nachgiebig wirken.
(6) Bei den Anforderungen an Wartung und Unterhaltung von Bauteilen eines Hochsitzes ist zwischen Bauteilen zu unterscheiden, deren Festigkeit der Benutzer zwingend voraussetzen muss, weil er sie freihändig betritt und freihändig darauf steht, und bei deren Benutzung er sich nicht der Gefahr versieht, das Bauteil könnte unter ihm einbrechen, und Bauteilen, die er nicht freihändig betritt, da er sich ohnehin im eigenen Interesse dagegen absichert, davon abzurutschen. Zu letzterer Gruppe von Bauteilen gehören insbesondere die Sprossen der Hochsitz-Leiter.
Insoweit unterscheidet sich dieser Fall von dem Fall, den das Oberlandesgericht Hamm in seinem Urteil vom 12. Oktober 2011 zu entscheiden hatte (I-13 U 52/11, BeckRS 2012, 14621). Dort ging es um die Anforderungen, die zu stellen sind, um die Standsicherheit eines Hochsitzes zu gewährleisten und akuter Einsturzgefahr zuverlässig zu begegnen. In dem Zusammenhang hat das Oberlandesgericht Hamm eine nähere Überprüfung der Oberseiten und Verbindungsstellen von Querbalken verlangt, die der aus Holzbohlen bestehenden Plattform als Auflage dienten, welche Plattform vor der Kanzel des Hochsitzes angebracht war (zu Maßnahmen, die der Überprüfung der Standsicherheit dienen, s.a. OLG Braunschweig, Urt. v. 25. September 1991, 13 U 106/90, r + s 1993, 339; zum Vorgehen, mit dem der Gefahr eines Ein- oder Umstürzens des Hochsitzes zuverlässig vorgebeugt werden kann, s.a. S. 15 f. der Publikation „Leitfaden zur Verkehrssicherungspflicht“ des Landesbetriebes ForstBW, Stuttgart, Stand: September 2014, www.forstbw.de).
Im Unterschied dazu, war im hier zu entscheidenden Fall die Standsicherheit des Hochsitzes gewährleistet. Es bestand auch keine akute Einsturzgefahr.
(7) Wie der vorliegende Fall zeigt, können aus Holz gefertigte Leitersprossen innerlich verfaulen und dadurch ihre Festigkeit verlieren, ohne dass dies äußerlich erkennbar wäre. Ein noch so umfangreiches Kontrollprogramm ist nicht geeignet, zu gewährleisten, dass stets jede Leitersprosse ihre Festigkeit bewahrt, und – umgekehrt – auszuschließen, dass eine im Inneren verfaulte Leitersprosse übersehen und an der Hochsitz-Leiter belassen wird.
(8) Im Übrigen ginge die Überprüfung der Leitersprossen, wie sie die Klägerin für angezeigt erachtet, durch Einritzen, Einstechen, Eindrücken oder Anbohren mit einer regelmäßig wiederholten Beschädigung der Oberfläche der verwendeten Hölzer einher. Dadurch würde die Fäulnisgefahr, der begegnet werden soll, noch begünstigt.
(9) Die Leiter eines Hochsitzes zu benutzen, ist stets eine gefährliche Angelegenheit. Die Gefahr, die dem Benutzer eines Hochsitzes aus einer brüchig gewordenen Leitersprosse erwächst, ist insoweit mit der Gefahr vergleichbar, die damit verbunden ist, dass solche Sprossen je nach Witterung und Standort rutschig, ja glitschig sein können (zu typischen Hochsitz-Unfällen vgl. S. 3 der Publikation „Sichere Hochsitzkonstruktion“ der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau, Kassel, Stand: 2013, www.svlfg.de). Die Gefahr aber, von einer Hochsitz-Leiter abzurutschen, ist ihren möglichen Folgen nach nicht minder groß und dürfte ihrem Verwirklichungsrisiko nach sogar deutlich größer sein. Solche Gefahr wird man niemals ausschließen können.
Auch mit Rücksicht darauf erscheint als nicht geboten, jede Leitersprosse eines jeden Hochsitzes mit Messer oder Spitzhammer durchzuprüfen und abzuklopfen und so gleichsam „unter die Lupe“ zu nehmen. Solche Maßnahmen liegen außerhalb dessen, was ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Revierleiter für notwendig und ausreichend halten darf, um andere Benutzer der Hochsitze vor Schäden zu bewahren.
(10) Schließlich darf der Umfang der Wartungsmaßnahmen nicht außer Verhältnis zu den Hauptaufgaben der Hege und Pflege des Forstes geraten. Insoweit ist zu bedenken, dass das Forstrevier E. 65 Hochsitze umfasst. Demnach wären, legt man die Auffassung der Klägerin zugrunde, bei schätzungsweise etwa 15 Leitersprossen pro Hochsitz regelmäßig knapp 1.000 Leitersprossen abzuklopfen und „anzustechen“. Dies ist nicht zuzumuten.
Ebenso geht zu weit, für jeden einzelnen Hochsitz ein Pflichtenheft mit einer Checkliste zu fordern, die bei jeder Überprüfung abgearbeitet wird (s. beispielhaft die „Checkliste für Ansitzeinrichtungen“ als Anlage der vorgenannten Publikation „Sichere Hochsitzkonstruktion“ mit vier Positionen bei der Rüttelprobe und weiteren 16 bis 20 Positionen für die „[o]ptische und mechanische Prüfung, z.B. mit Messer oder Beil“; ferner die zuletzt von der Klägerin vorgelegte „Checkliste Hochsitzkontrolle“, Anl. K 14, AS 239). Eine solche Forderung verliert aus dem Blick, dass die Jagd ebenso wie jede andere Arbeit im Wald seit je mit Gefahren verbunden ist. Dazu gehört auch die Gefahr, die sich in dem Jagdunfall verwirklicht hat, um den es hier geht.
Ungeachtet dessen erscheint als fraglich, ob die allgemeine Entwicklung, immer weitere Lebensbereiche mit Dokumentationspflichten und -lasten zu belegen, den beteiligten Verkehrskreisen mehr Sicherheit beschert. Im Gegenteil ist zu besorgen, dass die den Verantwortlichen auferlegte Zettelwirtschaft Zeit beansprucht, die für die geforderte Prüfung oder – in anderem Zusammenhang – für die geforderte Aufklärung verloren geht.
cc) Das beklagte Land hat seine Verpflichtung zur sorgfältigen Unterhaltung des Hochsitzes erfüllt.
(1) Der zuständige Revierleiter, P. R., kontrollierte den Hochsitz beim Begang, d.h. bei der Benutzung zum Jagen, zuletzt etwa ein Viertel Jahr vor dem Unfallgeschehen. Bei drei Gelegenheiten im Mai 2012 überprüfte er die Leitersprossen, indem er sie in Augenschein nahm und mit kräftigem festen Auftritt bestieg. In keinem Fall sah er die Notwendigkeit, etwas daran zu reparieren oder näher zu kontrollieren. Für ihn ergab sich kein Anhaltspunkt dafür, dass eine der Sprossen faul oder morsch sein könnte.
Zu diesen Feststellungen ist das Gericht auf der Grundlage der Angaben des Zeugen R. gelangt (S. 4 ff. des Protokolls vom 11. Juni 2015, AS 187 ff.). Das Gericht hat keinen Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen und der Glaubhaftigkeit seiner Aussage. Der Zeuge R. hat die Dinge nüchtern und sachlich geschildert. Das Gericht hat den Eindruck gewonnen, der Zeuge gebe von ihm tatsächlich erlebtes Geschehen wieder. Soweit er sich nicht sicher gewesen ist, hat er dies klargestellt, so etwa bei der Frage des Klägervertreters danach, ob der Zeuge eine oder mehrere der Leitersprossen durch Wippen auf ihre Festigkeit hin überprüft habe. Auch hat der Zeuge nicht den Eindruck erweckt, in seiner Schilderung zu übertreiben. Im Gegenteil hat er betont, keine isolierte Überprüfung der Hochsitze zu bestimmten Stichtagen angestellt und keine Dokumentation für jede einzelne Kontrolle angefertigt zu haben, sondern sich bei Gelegenheit der Jagd die Hochsitze näher angeschaut und im Zuge der jagdlichen Benutzung auf ihre Tauglichkeit hin überprüft sowie die Kontrolle zu Jagdbeginn formlos gegenüber dem Forstamt bestätigt zu haben. Auch hat er nicht etwa das schriftsätzliche Vorbringen des beklagten Landes wortgetreu wiederholt, sondern die von ihm unternommenen Kontrollmaßnahmen mit eigenen Worten sowie inhaltlich abweichend bezeichnet. Dies spricht zusätzlich für die Glaubhaftigkeit seiner Aussage.
(2) In der Vergangenheit hatte sich für den Revierleiter, dessen mithelfenden Jäger und den langjährig wiederkehrenden Jagdgast kein Anhaltspunkt dafür ergeben, dass Art und Umfang der vom Revierleiter gewählten Kontrolle ungenügend gewesen wären.
In dem Sinne hat sich nicht nur der Zeuge R. geäußert, indem er die Ursache für den Unfall als „unerklärlich“ bewertet hat. Vielmehr hat sich selbst der Unfallgeschädigte im Frühjahr 2013 gegenüber der Bundesfinanzdirektion wie folgt schriftlich geäußert: Seit etwa 15 Jahren habe er seine Sommerferien im Forstrevier E. immer gefahrlos verbracht. Niemals sei er irgendwo „durchgekracht“ (vgl. Mail-Antwort von Herrn Dr. P. auf eine Mail-Anfrage vom 18. Februar 2013, Anl. B 2). Ein ganz ähnlicher Erfahrungsbericht ergibt sich aus der Aussage des Zeugen A.: Er bejage die fraglichen Flächen etwa seit Mitte der 90er Jahre. Niemals habe er erlebt, dass eine von ihm betretene Leitersprosse gebrochen sei (S. 6 f. des Protokolls, AS 191 f.).
(3) Die Schwachstelle an einer der oberen Sprossen der Hochsitz-Leiter war äußerlich nicht zu erkennen.
Diese Feststellung beruht auf den insoweit übereinstimmenden Angaben der Zeugen R., A. und Dr. P.. Der Zeuge R. hat bekundet, die zerbrochene Sprosse im Nachhinein angeschaut zu haben. Sie sei innen verfault gewesen. Für ihn sei dies unerklärlich gewesen (S. 5 des Protokolls, AS 189). Der Zeuge A. wiederum hat ausgesagt, den Hochsitz erst wenige Tage vor dem Unfall benutzt zu haben, ohne dass ihm an den Leitersprossen etwas aufgefallen wäre, sei es eine sichtbare Rauhigkeit der Oberfläche, sei es eine fühlbare Weichheit des Holzes (S. 6 des Protokolls, AS 191). Der Aussage des Zeugen Dr. P. zufolge, bot sich ihm vor dem Unfall kein Anhaltspunkt dafür, dass der Hochsitz nicht in Ordnung war. Die Leitersprossen seien leicht vergraut sowie leicht mit Flechten besetzt gewesen und hätten ein einheitliches Bild geboten (S. 4 des Protokolls, AS 187).
(4) Das beklagte Land hatte die Wartung und Unterhaltung des Hochsitzes Herrn P. R. als dem zuständigen Revierleiter anvertraut, der über die erforderliche Fach- und Sachkunde verfügte.
Es gibt für das Gericht keinen Grund, an der hinreichenden fachlichen Eignung von Herrn P. R. zu zweifeln, der über viele Jahre für den Staatsforst im Revier E. verantwortlich war. In dem Zusammenhang ist die Einschätzung bemerkenswert, die der seinerseits fach- und sachkundige Zeuge Dr. P. bei seiner Vernehmung geäußert hat: In den Jahren zuvor habe er verschiedene Hochsitze in dem Revier kennengelernt. Sie – darunter auch der Hochsitz K. – seien allesamt konstruktiv vorbildlich gebaut worden. Der Hochsitz K. sei mit Seilen abgespannt und mit einem Edelstahlkreuz versehen gewesen (S. 3 des Protokolls, AS 185).
2.
Auch ein Anspruch der Klägerin aus übergegangenem Recht gemäß § 823 Abs. 1 BGB besteht nicht.
Aus den unter 1 genannten Gründen lässt sich eine schuldhafte Verkehrssicherungspflichtverletzung des beklagten Landes nicht feststellen. Im Ergebnis hat der Geschädigte ein „Unglück” erlitten und kann dem beklagten Land als Schädiger kein „Unrecht” vorhalten (vgl. BGH, NJW 2010, 1967 Rn. 5).
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.