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Grundstücksübertragungsvertrag – Sittenwidrigkeit des Vertrages

LG Oldenburg – Urteil vom 03.07.2012 

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 30.06.2010 verkündete Urteil des Einzelrichters der 16. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.

Grundstücksübertragungsvertrag - Sittenwidrigkeit des Vertrages
Symbolfoto: Von Friends Stock /Shutterstock.com

Der Kläger ist der Sohn des Beklagten. Er verlangt vom Beklagten die Übereignung eines Hausgrundstücks.

Am 18.12.2001 schlossen die Parteien bei dem Notar J…. R …. (dem Streitverkündeten) einen Vertrag, in dem der Beklagte sich verpflichtete, den in seinem Eigentum stehenden Grundbesitz, eingetragen im Grundbuch von ……… Blatt …., Flur .., Flurstück …., Gebäude- und Freifläche, ……………….an den Kläger zu übertragen. Eine Gegenleistung sollte nicht geschuldet sein (§ 3). Der bis dahin zwischen den Parteien bestehende Mietvertrag wurde zum vereinbarten Übergabezeitpunkt aufgehoben (§ 4). Die Parteien erklärten zugleich die Auflassung und bewilligten und beantragten die Eintragung des Eigentumsübergangs im Grundbuch (§ 6 Ziffer 1). Auf die Eintragung einer Auflassungsvormerkung verzichteten die Parteien (§ 6 Ziffer 2). Sie beauftragten und bevollmächtigten den Notar mit dem weiteren Vertragsvollzug und wiesen ihn unwiderruflich an, den Umschreibungsantrag beim Grundbuchamt einzureichen, wenn sämtliche erforderlichen Genehmigungen vorliegen (§ 6 Ziffer 3).

Am 20.12.2001 trafen die Parteien eine weitere von dem Notar entworfene, aber nicht beurkundete schriftliche Vereinbarung. Darin widerriefen sie den dem Notar erteilten Auftrag und die entsprechende Bevollmächtigung zum Vertragsvollzug. Sie wiesen ihn an, den Vollzug des Übertragungsvertrages zunächst, das heißt bis auf eine erneute gemeinsame Anweisung, zurückzustellen und den Vertrag zur Zeit nicht zu vollziehen, insbesondere nicht die erforderlichen Eintragungsanträge beim Grundbuchamt zu stellen. Überdies wiesen sie ihn an, den Vertrag erst auf erneute gemeinsame Weisung eines jeden von ihnen zu vollziehen.

Hintergrund des Grundstücksübertragungsvertrags vom 18.12.2001 war ein zu dieser Zeit anhängiges Scheidungs- und Unterhaltsverfahren zwischen dem Beklagten und seiner Ehefrau bzw. Mutter des Klägers, in dem unklar war, ob und inwieweit der Grundbesitz bzw. Mieteinnahmen hieraus für Zugewinn- und Unterhaltsansprüche von Bedeutung waren.

Der Kläger meint, nach dem Abschluss dieses Verfahrens stehe der Durchführung des Grundstücksübertragungsvertrags nichts mehr im Wege. Der Beklagte ist der Ansicht, dass der Grundstücksübertragungsvertrag nichtig sei. Es sei zwischen den Parteien klar gewesen, dass das Grundstück nicht auf Dauer auf den Kläger übertragen und nur aus ehegattenunterhalts- und zugewinnausgleichsrechtlichen Gesichtspunkten für die Dauer des Scheidungsverfahrens bei ihm “geparkt” bzw. „pro forma“ auf ihn übertragen werden sollte. Die Vereinbarung vom 20.12.2001 sei nicht wegen fehlender notarieller Beurkundung gemäß § 311 b Abs. 1 BGB unwirksam.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen.

Der Einzelrichter der 16. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg hat den Beklagten mit am 30.06.2010 verkündeten Urteil dazu verurteilt, einvernehmlich zusammen mit dem Kläger den Vertragsvollzug des notariellen Vertrags UR-Nr. 382/2001 des Notar J…. R …. in S …. vom 18.12.2001 in Auftrag zu geben und den Notar zu beauftragen, die Umschreibung im Grundbuch vorzunehmen, sowie einen Betrag von 2.118,44 € außergerichtlicher Kosten zu zahlen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass die zwischen den Parteien geschlossene Vereinbarung vom 20.12.2001 gemäß § 125 BGB formnichtig sei. Diese Vereinbarung ändere die in § 6 des notariellen Vertrages getroffene Regelung. Abändernde Vereinbarungen nach Auflassung und vor Eintragung bedürften ausnahmslos der notariellen Beurkundung.

Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten. Er meint, der Kläger könne ihn nicht aus dem Grundstücksübertragungsvertrag in Anspruch nehmen. Die Erklärung vom 20.12.001 habe die Wirkung einer Vertragsaufhebung. Sie bedürfe nicht der Form des § 311 b Abs. 1 BGB.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 30.06.2010 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger ist der Ansicht, dass der Zusatzvertrag vom 20.12.2001 eine Vertragsänderung darstelle, die notariell hätte beurkundet werden müssen.

Der Senat hat durch Urteil vom 5. 10. 2010 das angefochtene Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Dieses Senatsurteil hat der Bundesgerichtshof aufgehoben. Der Senat hat daraufhin die Parteien zu weiterem Vortrag aufgefordert und Beweis erhoben. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 24.4.2012 (Bd. III Bl. 76) und 19.6.2012 (Bd. III Bl. 107) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zur Akte gereichten wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung hat auch nach erneuter Prüfung der Sache keinen Erfolg.

Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Umschreibung des Grundbuchs aus dem Vertrag vom 18.12.2001 zu.

Der Vertrag ist allerdings nicht sittenwidrig. Soweit der Senat in seinem Urteil vom 5.10.2010 zu einem anderen Ergebnis gekommen ist, kann dies nicht aufrechterhalten werden.

Der Vertrag ist nach dem eigenen Vorbringen des Klägers (Bd. I Bl. 2) vor dem Hintergrund des seinerzeit anhängigen Scheidungsverfahrens zwischen dem Beklagten und seiner damaligen Ehefrau geschlossen worden. Der Kläger hat ausgeführt, „es sei nicht ganz klar gewesen, ob die Immobilie für den Ausspruch von Unterhaltsansprüchen der geschiedenen Ehefrau von Bedeutung war“ (Bd. I Bl. 2). Dahinter stand ersichtlich die Überlegung, dass die Mieteinkünfte des Beklagten aus dem fremdgenutzten Objekt für den Ehegattenunterhalt herangezogen werden konnten. Zwar standen diesen Mieteinkünften Belastungen für Zins- und Tilgungsleistungen gegenüber. Diese Belastungen hätten aber nach der Scheidung gemäß überwiegender Auffassung der für das Unterhaltsrecht maßgeblichen Rechtsprechung und der Literatur nicht mehr in voller Höhe einkommensmindernd angesetzt werden können.

Tilgungsleistungen für eine fremdgenutzte Immobilie dienen der Vermögensbildung, nämlich der Schaffung von schuldenfreiem Grundvermögen. Nach Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags hat der andere Ehegatte keinen Anteil mehr an dieser Vermögensbildung. Der Zugewinnausgleich endet mit Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags (§ 1384 BGB). Daher wird es als nicht gerechtfertigt angesehen, dass solche der einseitigen Vermögensbildung dienenden Aufwendungen den Unterhaltsanspruch schmälern (BGH FamRZ 1987, 36, 39; BGH FamRZ 1992, 423, 424; BGH FamRZ 2000, 950; OLG Saarbrücken FamFR 1010, 84; Palandt/Brudermüller § 1361 Rdn. 37 u. § 1577 Rdn. 10; zur aktuellen Lage in der Rechtsprechung BGH FamRZ 2007, 879, 881 = NJW 2007, 1974; BGH FamRZ 2008, 963 = NJW 2008, 1946; s. a. Margraf in Handbuch des Unterhaltsrechts, 12. Aufl. Rdn. 1272; Kalthoener/Büttner/Niepmann/Schwamb, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 11. Aufl. Rdn. 1041). Damit musste der Beklagte befürchten, dass die Mieteinkünfte teilweise für Unterhaltszwecke herangezogen werden würden. Dies galt es zu verhindern.

Der Senat hat bei der rechtlichen Bewertung des Übertragungsvertrages in seinem Urteil vom 5. 10. 2010 und dem Ergebnis, dass der Vertrag sittenwidrig sei, die bis dahin vom Bundesgerichtshof und einem Teil des Schrifttums zu vergleichbaren Konstellationen vertretene Rechtsauffassung zugrunde gelegt, dass ein Vertrag, der zu dem Zweck abgeschlossen wird, das Forderungsrecht eines Dritten zu vereiteln, allein wegen der nicht zu billigenden und den redlichen Rechtsverkehr störenden Zweckrichtung sittenwidrig ist (RGZ 62, 137, 139; RGZ 81, 86; BGH NJW 1962, 1099; BGHZ 60, 102, 104 = NJW 1973, 465; BGH NJW 1973, 363 = MDR 1973, 384; BGH NJW 1981, 2184, 2185; BGHZ 103, 235, 24; BGH NJW 1988, 902; BGH NJW-RR 1996, 869; BGH NJW-RR 1999. 1186; OLG Düsseldorf NJW-RR 2001, 1025, 1026; OLG München NJW 2011, 80, 81; Medicus, AT Rdn. 706; Münch-Komm/Armbrüster § 138 Rdn. 96; Soergel/Hefermehl Rdn. 184; Staudinger/Sack/Fischinger § 138 Rdn. 447). Darauf, ob es tatsächlich zu einer Schädigung des Dritten gekommen ist, kam es hiernach nicht an (ausdrücklich BGH NJW 1973, 363 = MDR 1973, 384). Demgemäß hat der Senat nicht geprüft, ob es tatsächlich zu einer Verkürzung des Unterhaltsanspruchs der geschiedenen Ehefrau  gekommen ist. Nachdem der Bundesgerichtshof nunmehr unter Hinweis auf eine abweichende Stelle im Schrifttum entschieden hat, dass eine Sittenwidrigkeit nur dann gegeben ist, wenn es auch gelingt, dem Dritten den beabsichtigten Schaden zuzufügen, war diese Frage aufzuklären. Der Senat hat daher den Parteien aufgegeben, die für die Unterhaltsberechnung maßgeblichen Tatsachen vorzutragen. Allerdings haben sich die hiermit in Verbindung stehenden Fragen sodann erübrigt. Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 11.4.2012 (Bd. III 68)  vorgetragen, die Mieteinnahmen hätten „objektiv keine das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen des Beklagten erhöhende Wirkung“ gehabt. Damit hat der Beklagte unstreitig gestellt, dass der geschiedenen Ehefrau kein Schaden entstanden ist.

Vor diesem Hintergrund kam es im zweiten Schritt darauf an, welche Bedeutung die privatschriftliche Vereinbarung der Parteien vom 20.12.2001 hat.

Der Bundesgerichtshof hat die Rechtsauffassung des Senats gebilligt, dass diese Vereinbarung nicht an der erforderlichen Form scheitert. Gerügt hat er, dass der Senat der Behauptung des Klägers nicht nachgegangen ist, dass der Vollzug des notariellen Vertrages nur für eine absehbare Zeit zurückgestellt werden sollte. Der Kläger hatte hierzu in seiner Klageschrift vorgetragen, „die Überschreibung wurde zurückgestellt, weil man meinte, dass das Haus nicht in das Geschäftsrisiko geraten sollte“. Behauptet werden sollte hiermit offenbar eine ausdrücklich oder stillschweigend getroffene Nebenabrede zu dem schriftlichen Vertrag vom 20.12.2001, und zwar eine Bedingung, die den Kläger berechtigten sollte, nach Eintritt der genannten Voraussetzung bzw. nach Wegfall des beschriebenen Risikos den Vollzug zu verlangen. Gründe, warum man diese Abrede nicht in die Vertragsurkunde aufgenommen hatte, hat der Kläger allerdings nicht vorgetragen (zur Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit der über ein Rechtsgeschäft errichteten Urkunde vergl. RGZ 52, 26; 68, 15; 88, 370; BGH VersR 1960, 812; BGH NJW 1970, 1182; BGH MDR 1978, 567; BGH NJW 1980, 1680; BGH NJW-RR 1989, 1323) . Weiterhin hatte er keine näheren Umstände dazu dargelegt, dass die von ihm behauptete Voraussetzung für das Wiederaufleben des Vollzugsanspruchs auch eingetreten sei. Er hatte bis zur ersten Entscheidung des Senats lediglich in allgemein gehaltener Form behauptet, er „sei weder zahlungsunfähig noch mit einer Insolvenz bedroht gewesen“ (Bd. I Bl. 45) bzw. „von Zahlungsunfähigkeit könne keine Rede sein“ (Bd. I Bl. 137).

Gemäß der Vorgabe des Bundesgerichtshofs ist der Senat der Behauptung des Klägers zu der mündlichen Nebenabrede und den Beweisangeboten nachgegangen. Er hat zunächst antragsgemäß die Akten des Familiengerichts Jever 3 F 57/01 S beigezogen und ausgewertet. Aufschluss darüber, ob und mit welchem Inhalt die Parteien eine Nebenabrede zu dem privatschriftlichen Vertrag vom 20.12.2001 getroffen haben, ergeben sich hieraus nicht. Der Senat hat weiterhin die Zeugin B…. vernommen. Sie hat ausgesagt, die privatschriftliche Vereinbarung der Parteien vom 20.12.2001 sei ihr nicht bekannt (Bd. III Bl. 77). Anhaltspunkte dafür, dass die Zeugin hiermit etwas Falsches gesagt hat, sieht der Senat nicht. Ihre Aussage deckt sich vielmehr mit der Schilderung der Parteien. Hiernach ist der Vertrag vom 18.12.2001 hinter dem Rücken der Zeugin geschlossen worden ist. Dazu passt es, dass ihr auch die mit diesem Vertrag korrespondierende privatschriftliche Vereinbarung vom 20.12.2001 nicht offenbart worden ist.

Der Kläger hat daher den ihm obliegenden Beweis, dass eine mündliche Nebenabrede zu dem privatschriftlichen Vertrag getroffen worden ist, nach der er unter bestimmten Bedingungen berechtigt sein sollte, einseitig den Vollzug zu verlangen, nicht geführt.

Daneben hat der Senat versucht zu klären, ob wenigstens die vom Kläger behauptete Bedingung für das Wiederaufleben des Vollzugsanspruchs eintreten ist (Revisionsurteil S. 9). Er hat dem Kläger mit Verfügungen vom 16.11.2011 (Bd. III Bl. 2), 24.4.2012 (Bd. III Bl. 78) und 8.5.2011 (Bd. III Bl. 89) aufgegeben, dazu vorzutragen, wie seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse einschließlich der Schulden beschaffen waren bzw. sind (Einkommen, Verbindlichkeiten, monatliche Belastungen, Vermögenswerte), und zwar rückgreifend bis einschließlich 2009. Hierzu waren aussagekräftige Unterlagen vorzulegen, und zwar die betrieblichen Bilanzen, Erklärungen zur Einkommens- und Umsatzsteuer, vorhandene Steuerbescheide und die jeweiligen Einnahmen/Überschussrechnungen. Diese Auflage hat der Kläger dergestalt erfüllt, dass er den Jahresabschluss 2009 einschließlich Gewinn- und Verlustrechnung, die Einkommenssteuererklärung 2009, die Umsatzsteuererklärung 2009, eine kurzfristige Erfolgsrechnung für Dezember 2010, die Summen- und Saldenlisten für Dezember 2010 und Februar 2012 (jeweils Anlagenband), die Summen- und Saldenlisten von Oktober 2011 bis Dezember 2011 (Bd. III Bl. 95) sowie Kontoauszüge vom 23.4.2012 (Anlagenband) eingereicht hat. Die erwünschte Aufstellung über seine Vermögensverhältnisse – also eine Auflistung von Einkünften, monatlichen Belastungen, Schulden und etwaigen Vermögenswerten in dem fraglichen Zeitraum – hat er dem Senat nicht vorgelegt. Der Senat hat den Kläger nochmals im Termin vom 19.6.2012 darauf hingewiesen, dass er diese Aufstellung zur Beurteilung der Rechts- und Tatfragen, die nach den Vorgaben des Bundesgerichtshofs zu klären sind, benötige und dass die eingereichten Schriftstücke nur einen teilweisen Einblick in seine Vermögensverhältnisse ermöglichen. Der Kläger hat hierauf sinngemäß entgegnet, er habe alle erforderlichen Unterlagen eingereicht, er könne doch nicht jeden Kassenzettel vorlegen.

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Der Senat hat die vom Kläger vorgelegten Unterlagen ausgewertet. Anhand dieser Unterlagen war er nicht in der Lage, festzustellen, dass das in Rede stehende Haus „nicht in das Geschäftsrisiko geraten konnte“. Die Unterlagen geben nur einen kursorischen Einblick in die finanziellen Belange des Klägers, und zwar auch nur für einen Teil des in Rede stehenden Zeitraums. Keinesfalls geben sie den erforderlichen vollständigen Aufschluss über die Schuldenlage des Klägers, und zwar insbesondere über Schulden, die nicht unmittelbar mit dem Betrieb zusammenhängen. Die Kenntnis dieser Umstände ist aber unabdingbare Voraussetzung für die Beurteilung der Beweisfrage, da der Kläger ein Einzelunternehmen betreibt und daher persönlich für betriebliche Verbindlichkeiten einzustehen hat. Entnehmen lässt sich den Unterlagen allerdings, dass der Betrieb nicht geeignet war, dem Kläger ein zum Leben ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften. Dementsprechend niedrig waren auch seine Privatentnahmen. In der Gewinn- und Verlustrechnung für 2009 werden Entnahmen von 2.283,33 €, 384,98 € und 2.427,03 € ausgewiesen. Ausweislich der Einkommenssteuererklärung 2009 sind mit dem Geschäftsbetrieb des Klägers in diesem Steuerjahr Verluste in Höhe von 14.183,- € erwirtschaftet worden. Diesen Verlusten stand ein lediglich Bruttoeinkommen der Ehefrau in Höhe von 15.401,- € gegenüber.

Die Klage scheitert daher auch deswegen, weil der Kläger nicht vorgetragen bzw. durch brauchbare Unterlagen belegt hat, dass kein Risiko bestand, dass das vom Beklagten erwünschte Haus für seine Schulden verwertet werden würde.

Darüber hinaus war die Klage ferner deswegen abzuweisen, weil der Beklagte zum Rücktritt von dem Vertrag vom 18.12.2001 berechtigt war bzw. ist.

Die Parteien haben in § 5 des Übertragungsvertrages vereinbart, dass der Kläger unter anderem dann zur Rückübereignung verpflichtet ist, wenn der Erwerber zahlungsunfähig wird oder über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Diese Bestimmung regelt zwar nur die Rechtslage nach einem etwaigen Vollzug der Urkunde. Sie regelt nicht, was gelten soll, wenn die Zahlungsunfähigkeit oder die Insolvenz bereits davor eintritt. Insoweit ist die Urkunde daher auszulegen. Der Senat gelangt zu dem Ergebnis, dass dem Beklagten für diesen Fall das Recht zustehen sollte, sich durch Rücktritt vom Vertrag zu lösen. Diese Auslegung entspricht auch dem Verständnis des Klägers. Denn auch nach seinem Vortrag sollte das Haus „nicht in das Geschäftsrisiko geraten“.

Der Beklagte hat bewiesen, dass die Voraussetzungen für einen Rücktritt vom Vertrag eingetreten sind. Der Rücktritt ist vom Beklagten erstmals mit Schreiben vom 21.8.2009 erklärt worden (Bd. I Bl. 7, 8). Danach hat er seinen Rücktrittswillen fortlaufend durch die Verteidigung gegen die Klage zum Ausdruck gebracht.

Im Jahr 2009 und in der Zeit danach war der Kläger „zahlungsunfähig“ im Sinne der getroffenen Vereinbarung.

Unter Zahlungsunfähigkeit versteht man allgemein eine Situation, in der eine Person nicht mehr in der Lage ist, ihre laufenden Verbindlichkeiten und ihren Lebensunterhalt durch ihre Geldeinnahmen oder vorhandenes Kapital zu decken. Ergänzend dazu, wie die Parteien diesen Begriff verstanden haben, ist ihr Prozessvortrag heranzuziehen. Die Parteien haben übereinstimmend vorgetragen, dass der Beklagte verhindern wollte, dass das Wohnhaus für Verbindlichkeiten aus der geschäftlichen Tätigkeit des Klägers verwertet wird.

Zur Klärung, ob 2009 oder danach Zahlungsunfähigkeit in diesem Sinne beim Kläger bestand, hat der Senat den Zeugen K…. vernommen. Der Zeuge ist Angestellter der Volksbank J….. Der Zeuge hat zwar nur einen teilweisen Einblick in die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers, und zwar nur deswegen und insoweit, weil der Kläger zwei Konten bei der Volksbank unterhält. Zu den sonstigen Vermögensverhältnissen konnte der Zeuge naturgemäß nichts sagen. Selbst wenn man aber zu Gunsten des Klägers unterstellt, dass weitere Verbindlichkeiten gegenüber anderen Gläubigern nicht vorhanden waren oder sind, gelangt der Senat auf der Grundlage der Aussage des Zeugen zu der Feststellung, dass der Kläger in der Zeit von 2009 bis zumindest Ende 2011 zahlungsunfähig im Sinne des Vertrages war.

Die Volksbank hat zwei Konten für den Kläger geführt, und zwar ein Darlehenskonto und ein Kontokorrentkonto. Das Darlehen beruht auf einer Umschuldung, die 2005 beim Kläger vorgenommen worden ist. Dabei hat die Volksbank auf 163.000.- € und die Kreditanstalt für Wiederaufbau auf 136.000,- € verzichtet. Der Verzicht der Volksbank stand allerdings unter dem Vorbehalt, dass keine weitere Verbesserung der Vermögensverhältnisse des Klägers eintreten würde. Zusammen mit dem Darlehen über noch 202.000,- € hatte der Kläger vor der Umschuldung damit Verbindlichkeiten in Höhe von ca. 500.000,- €. Diesen Schulden stand zwar – als einzig nennenswertes Vermögen – das Betriebsgrundstück gegenüber. Selbst wenn man aber als Wert für das Betriebsgrundstück den Ende 2011 erzielten Kaufpreis von 269.500,- € ansetzt, verbleibt ein Fehlbetrag von ca. 230.000,- €. Diese Schulden konnte der Kläger nicht ausreichend bedienen. Demgemäß hat man eine Umschuldung gemacht.

Dass bei diesen Zahlen eine Zahlungsunfähigkeit im Sinne des Vertrages bestand, bedarf keine Vertiefung. Der Kläger war vollständig auf das Wohlwollen seiner Gläubiger und die Unterstützung durch seine Ehefrau angewiesen.

Dies gilt auch für die Folgezeit. Der Kläger hatte den neu gebildeten Kredit in Höhe von 202.000,- € mit jährlichen Tilgungen von 14.000,- € abzutragen. Dieser Verpflichtung konnte der Kläger jedenfalls in der Zeit 2008/2009 nicht nachkommen. Er hat den Kredit lediglich um 7.000,- € im Jahr getilgt. Zu höheren Leistungen war er ausweislich der vorgelegten betrieblichen Unterlagen auch nicht in der Lage. Die Privatentnahmen lagen weit unter dem, was allgemein für die Lebenshaltung benötigt wird. Offenbar konnte der Kläger die Ausgaben hierfür nur über die Einnahmen seiner Ehefrau tätigen. Demgemäß konnte er seine Verbindlichkeiten auch nach der Umschuldung nicht in der geschuldeten Weise  bedienen. Dies wird auch dadurch belegt, dass gemäß der Aussage des Zeugen K…. Schulden beim Finanzamt bestanden. In Anbetracht der unzureichenden Bedienung des Darlehens hätte die Volksbank daher jederzeit Zwangsmaßnahmen gegen den Kläger einleiten können.

Dies führt zu der Feststellung, dass der Kläger 2009 zahlungsunfähig war. Dem steht nicht entgegen, dass er bis 2011 Eigentümer eines Betriebsgrundstücks war und dass für dieses Grundstück im Jahre 2011 ein Erlös erzielt werden konnte, der die Verpflichtungen aus dem Darlehens- und auch aus dem Kontokorrentkonto bei der Volksbank überstieg. Nach der Schilderung des Zeugen hatte man 2005 den Schuldenschnitt und den damit verbundenen Erlass von Forderungen unter die Bedingung gestellt, dass keine nachhaltige Verbesserung der Liquidität eintreten würde. Dies hatte man mit einem sog. Besserungsschein abgesichert. Demgemäß konnte die Volksbank den Kaufpreis für das Betriebsgrundstück nicht nur zur Ablösung der aktuellen Verbindlichkeiten, sondern auch zur teilweisen Tilgung der alten Verbindlichkeiten verwenden. In welcher Höhe dies geschah, lag in ihrem Ermessen. Die Volksbank hat sich dann mit einem Betrag von insgesamt 220.000,- € zufrieden gegeben, um dem Kläger einen Neustart nicht unmöglich zu machen. Dies hat dazu geführt, dass gegenwärtig nur noch eine Kreditverpflichtung über 19.197,- € besteht und daneben sogar ein Guthabenkonto  für den Kläger vorhanden ist. Dies beruht aber allein auf dem Entgegenkommen der Volksbank und nicht darauf, dass das Immobilienvermögen in etwa die Kreditverbindlichkeiten abdecken konnte. Zudem ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass für die Kreditverpflichtung gegenüber der Volksbank eine Grundschuld zur Verfügung steht, die auf dem streitigen Grundstück eingetragen ist. Der Beklagte haftet nach wie vor mit seinem Grundvermögen für die Verbindlichkeiten des Klägers. Auch der zweite Schuldenschnitt beim Kläger war in der vorliegenden Form nur dadurch möglich, dass das Grundstück des Beklagten nach wie vor mit in der Haft war. Zudem ist das positive Ergebnis nur dadurch erzielt worden, dass die Volksbank den Kaufpreis nur teilweise auf die Altschulden verrechnet und auf die weitergehenden Rechte aus dem Besserungsschein verzichtet hat. Dieser freiwillige Verzicht, der erst 2011 und damit zwei Jahre nach dem Rücktritt des Beklagten von dem Übertragungsvertrag erklärt worden ist, steht der Feststellung, dass der Kläger nicht in der Lage war seine Verbindlichkeiten in der geschuldeten Höhe zu erfüllen, demgemäß nicht entgegen.

Der Anspruch des Klägers scheitert daher auch an einem Rücktritt des Klägers von dem Vertrag vom 18. 12. 2001.

Vor diesem Hintergrund bedurfte die weitere vom Bundesgerichtshof aufgeworfene Frage, ob die Parteien eventuell eine Treuhandabrede getroffen haben und deswegen der Vertrag unwirksam ist, keiner weiteren Aufklärung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Der Bundesgerichtshof hat die für den vorliegenden Fall maßgeblichen Rechtsfragen entschieden. Die dort gemachten Vorgaben hat der Senat bei seiner erneuten Entscheidung zugrunde gelegt.

 

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