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Haftung einer Gemeinde für Grünanlagen

Oberlandesgericht Thüringen – Az.: 4 W 322/12 – Beschluss vom 11.07.2012

Die Beschwerde (der Klägerin) wird aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung/Nichtabhilfe zurückgewiesen.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Gründe

I.

Haftung einer Gemeinde für Grünanlagen
Symbolfoto: Von sirtravelalot/Shutterstock.com

Die am 08.11.2002 geborene Klägerin begehrt Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen eine Unfalls am 31.07.2011 im Bereich einer städtischen Grünanlage (Herrenteich) der Beklagten. Die Klägerin hat behauptet, beim Laufen über die Grünfläche über ein aus dem Boden herausragendes Metallteil gestürzt zu sein und sich dabei erheblich verletzt zu haben. Sie meint, bei dem Metallteil habe es sich um eine für ihr Alter (sie war zum Unfallzeitpunkt knapp 9 Jahre alt) unvorhersehbare Gefahrenquelle gehandelt, für die die Beklagte – unabhängig von einer Kenntnis – verkehrssicherungspflichtig sei.

Die Beklagte hat sich dahingehend eingelassen, von der verbliebenen Bodenhülse – Rest eines Schildes – nichts gewusst zu haben; das Schild sei nicht von ihr aufgestellt worden. Im Übrigen sei die verbliebene Bodenhülse, wie sich aus den vorgelegten Lichtbildern (s. Anlagenheftung) ergebe, zum Unfallzeitpunkt (Hochsommer nachmittags gegen 17.00 Uhr) deutlich sichtbar gewesen. Der Benutzer einer Grünanlage müsse sich bei naturbelassenen Grünflächen auf etwaige Hindernisse einstellen und mit ihnen rechnen; das gelte auch für Kinder (dieses Alters). Fehle diesen die hierfür notwendige Einsicht, obläge den Erziehungsberechtigten eine gesteigerte Aufsichtspflicht.

Das Landgericht hat den PKH-Antrag der Klägerin zurückgewiesen. Eine Verkehrssicherung, die jegliche Gefahren ausschlösse, sei nicht erreichbar. Ein Dritter sei nur von solchen Gefahren zu schützen, die er bei Anwendung der geboten Eigensorgfalt nicht rechtzeitig erkennen und beherrschen (meistern) könne. Auch wenn das Wasser und die Enten (auf dem Herrenteich) eine große Anziehungskraft auf Kinder – wie die Klägerin – ausübten, bestünden keine gesteigerten Sorgfaltspflichten. Es habe sich nicht um einen Spielplatz gehandelt, sondern eine naturbelassene Grünfläche, auf der mit Bodenunebenheiten und ähnlichen Hindernissen gerechnet werden müsse. Entscheidend sei, dass die (verbliebene) Bodenhülse deutlich aus dem Boden aufragte und auch für die damals fast neunjährige Klägerin gut erkennbar gewesen sei.

Hiergegen richtete sich die rechtzeitig erhobene Beschwerde der Klägerin, mit der sie ihre Ansicht aufrecht erhält. Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die zulässig erhobene Beschwerde (§§ 127 Abs. 2, 567, 569 ZPO) ist unbegründet. Gegen die Ausführungen des Landgerichts gibt es nichts zu erinnern; die Gründe entsprechen der ständigen Rechtsprechung des Senats, so dass hierauf im Wesentlichen Bezug genommen werden kann.

Der (beabsichtigten) Klage fehlt die Erfolgsaussicht, weil der Unfall allein durch die eigene Unachtsamkeit der Klägerin oder die mangelnde Aufsicht der Großmutter (der Klägerin) verursacht wurde und schon aus diesem Grund eine eventuelle Pflichtverletzung der Antragsgegnerin dahinter zurücktritt.

Unterstellt, die Beklagte hatte – vor dem streitgegenständlichen Unfall – überhaupt Kenntnis von der (verbliebenen) Bodenhülse, wäre zwar davon auszugehen, dass die Beklagte sich nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des 4. Zivilsenats, die mit der übrigen obergerichtlichen Praxis übereinstimmt, bei Belassen einer solchen Gefahrenquelle in ihrer frei zugänglichen Grünanlage einer schuldhaften Sicherungspflichtverletzung haftbar gemacht hätte. Denn die aus der Grünfläche herausragende Bodenhülse stellt evident eine Gefahrenquelle insbesondere für spielende und herumtollende Kinder dar. Andererseits ist, wie die von der Beklagten vorgelegten Lichtbilder (s. Anlagenheftung) ausweisen, die im Boden (der Grünfläche) verbliebene Bodenhülse so deutlich sichtbar, dass diese Stolperfalle auch bei nur geringer Sorgfalt deutlich erkennbar, mithin die Gefahrenstelle für den/die (jeweiligen) Benutzer der Grünfläche durchweg leicht beherrschbar war.

Der Senat hat hierzu in einer Vielzahl von Einzelfällen ausgeführt, dass letztlich nicht entschieden werden müsse, wie weit die Pflichten (einer Gemeinde) für die Wegesicherheit tätig zu werden, gingen, wenn es sich bei der inkriminierten Gefahrenstelle um eine so deutlich sichtbare und daher von jedem Benutzer meisterbare Gefahrensituation handelte, auf die er sich bei der gebotenen Eigensorgfalt einzurichten vermag (vgl. grds. Beschluss des Senats v. 19.03.2009 – 4 U 688/08; ferner bereits Urteil v. 08.08.2000 in NJW 1998, 247; zuletzt Beschluss v. 21.02.2012 – 4 U 840/11 m.w.Nw.; ebenso OLG Brandenburg NJW-RR 2008, 1614; BGH VersR 1979, 1055).

Außerdem ist der hoheitliche Träger der Straßenbaulast nicht dazu verpflichtet, Straßen und Wege in einen völlig gefahrlosen Zustand zu versetzen. Das gilt auch für frei begehbare Grünflächen. Denn eine völlige Gefahrlosigkeit solcher Flächen ist mit zumutbaren Mitteln nicht zu erreichen und kann deshalb von dem verkehrssicherungspflichtigen Hoheitsträger/Eigentümer nicht verlangt werden. Grundsätzlich muss sich der Straßenbenutzer den gegebenen Verhältnissen anpassen und die Wege (und Grünflächen) so hinnehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbieten. Der Verkehrssicherungspflichtige muss in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren ausräumen und/oder erforderlichenfalls vor ihnen warnen, die für den die erforderliche Eigensorgfalt walten lassenden Benutzer nicht erkennbar sind und auf die er sich nicht einzurichten vermag (ebenso BGH VersR 1979, 1055; BGH NJW 1989, 2808; BGH NJW 2006, 2326).

Diese Grundsätze gelten auch im vorliegenden Fall. Die im Boden verbliebene Hülse war – auch bei hohem Gras – deutlich sichtbar, wie sich anhand der vorgelegten Lichtbilder erkennen lässt. Zwar mag die Klägerin durch die Enten auf dem Wasser (des Herrenteichs) in ihrer Aufmerksamkeit abgelenkt gewesen sein. Das entschuldigt ihre fehlende Aufmerksamkeit aber nicht. Auch ein neunjähriges Kind verfügt bereits über die Einsichtsfähigkeit, sich auf solche Gefahren (Hindernisse) einzustellen. Unterlässt ein Kind dieses Alters die insoweit gebotene Eigensorgfalt, so verschiebt dies nicht den Haftungsmaßstab, wie er auch in anderen Fällen – bei einem Erwachsenen – anzulegen wäre.

Zwar privilegiert die Rechtsprechung seit jeher Kinder und Jugendliche, die aus Neugier, Spieltrieb oder fehlendem Gefahrbewusstsein dazu neigen, Vorschriften und Anordnungen nicht zu beachten, so dass im Grundsatz jeder Grundstückseigentümer wirksame und auf Dauer angelegte Schutzmaßnahmen ergreifen muss, um Kinder vor den Folgen ihrer Unerfahrenheit und Unbesonnenheit zu schützen (BGH VersR 1973, 621; BGH VersR 1975, 286). Das kann jedoch nur gelten, wenn es sich um solche vorhersehbare Gefahren handelt, die sich bei Nutzung – hier der Grünfläche – durch unbesonnene Kinder erfahrungsgemäß verwirklichen. Das setzt voraus, dass der Grundstückseigentümer die Gefahrenquelle kennt. Hier hatte die Beklagte sicherlich Kenntnis davon, dass die auf dem Teich schwimmenden Enten eine Ablenkung für Kinder und Jugendliche darstellen können. Dies macht die Benutzung der Grünfläche aber noch nicht gefährlich. Daher führt die Privilegierung solcher Nutzer noch nicht ausnahmslos zu einer Haftung (des Grundstückseigentümers) für einen Schaden, den ein Kind beim Spiel oder Herumtollen auf einer Grünfläche dieser Art erleidet.

Eine darüber hinaus gehende Verkehrssicherungspflicht ohne Kenntnis des Gefahr erhöhenden Umstands – hier die Bodenhülse – besteht nach Auffassung des Senats aber nicht. Dies würde den Grundsatz einer Anknüpfung der Haftung an ein Verschulden des Sicherungspflichtigen obsolet machen. Eine gesteigerte Verkehrssicherungspflicht besteht grundsätzlich nur dort, wo der Gefahrverantwortliche mit der Möglichkeit rechnen muss, dass Kinder eine von anderen Nutzern im Allgemeinen beachtete Gefahrenquelle ignorieren. Das erfordert jedoch Kenntnis von einer solchen Gefahrenquelle. Dass die Beklagte von der (verbliebenen) Bodenhülse aber bereits Kenntnis – vor dem Unfall am 31.07.2011 hatte, trägt die Klägerin nicht einmal vor. Nicht das Hinzutreten der Kinder (als Nutzer) muss für den Gefahrverantwortlichen vorhersehbar sein, sondern, dass sich (hier) auf der Grünanlage eine Gefahrenquelle befand, die eine Gefahr für spielende Kinder darstellt; das setzt notwendigerweise voraus, dass die Beklagte von der Bodenhülse Kenntnis hatte.

Ist daher auch aus diesem Grund die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage zu verneinen, konnte dem PKH-Gesuch der Klägerin nicht stattgegeben werden.

Einer Kostenentscheidung bedarf es (auch) im Beschwerdeverfahren nicht. Der Klägerin fällt als Unterliegende die Gebühr aus GKG-KV 1812 von Gesetzes wegen zur Last, eine Erstattung außergerichtlicher Kosten sieht das Gesetz nicht vor (§ 127 Abs. 4 ZPO).

 

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