AG Hamburg-St. Georg – Az.: 912 C 68/20 – Zwischenurteil vom 02.03.2021
1. Die Klage ist zulässig. Das angerufene Amtsgericht Hamburg-St. Georg ist örtlich zuständig.
Tatbestand
Der Kläger ist Insolvenzverwalter der […] GmbH & Co. KG (nachfolgend die „Schuldnerin“). Die Beklagte ist als Kommanditistin an der Schuldnerin mit einem Kommanditkapitalanteil (Hafteinlage) in Höhe von 50.000 € beteiligt. Der Kläger nimmt in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter die Beklagte im Wege der Außenhaftung in Anspruch.
Der Kläger behauptet, an die Beklagte seien Ausschüttungen vorgenommen worden zu einem Zeitpunkt, zu dem ihr Kapitalkonto unter die Höhe ihrer Hafteinlage abgesunken gewesen sei. Damit gelte insoweit gemäß § 172 Abs. 4 HGB ihre Einlage als nicht geleistet. Dies habe zur Folge, dass ihre Haftung gegenüber den Gläubigern der Schuldnerin nach § 171 Abs. 1 HGB wieder auflebe.
Bei den zur Tabelle festgestellten Ansprüchen der Gläubiger würde es sich ausnahmslos um Geldschulden handeln, deren Erfüllungsort gemäß §§ 269 Abs. 1, 270 Abs. 4 BGB der Sitz der Gesellschaft sei. Im einzelnen würde es sich u.a. um folgende Ansprüche handeln:
– Rechtsanwaltshonorar in Höhe von 1613,05 €;
– Notarhonorar in Höhe von 1865,09 €;
– Beiratsvergütung in Höhe von 5236,00 €;
– Forderung aus Dienstleistungsvertrag in Höhe von 357,00 €
Der Kläger beantragt,
1) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 4568,76 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.04.2017 zu zahlen;
2) die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von den angefallenen vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 492,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 26.04.2018 freizustellen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte meint, das angerufene Gericht sei örtlich nicht zuständig. Eine Zuständigkeit ergebe sich insbesondere nicht aus § 29 Abs. 1 ZPO. Es liege vielmehr allein eine Zuständigkeit des Gerichts am Wohnsitz der Beklagten vor.
Hinsichtlich der von ihm angeführten Forderungen habe es der Kläger versäumt darzulegen und zu beweisen, dass nicht ein abweichender Erfüllungsort zwischen der Schuldnerin und den Gläubigern vereinbart worden ist.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie den übrigen Akteninhalt verwiesen.
Das Gericht hat mit Beschluss vom 16.06.2020 die abgesonderte Verhandlung über die Zulässigkeit der Klage angeordnet.
Mit Beschluss vom 01.02.2021 hat das Gericht im Einverständnis beider Parteien das schriftliche Verfahren angeordnet. Als Zeitpunkt, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht, hat es den 23.02.2021 bestimmt.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das angerufene Gericht gemäß § 29 Abs. 1 ZPO örtlich zuständig. Hiernach ist für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist.
Bei den hier geltend gemachten Ansprüchen handelt es sich nicht um Ansprüche der Kommanditgesellschaft gegen die Kommanditisten auf Einzahlung der Pflichtanlage. Vielmehr handelt es sich um eigene Haftungsansprüche der Gläubiger gegen die Kommanditisten für die Erfüllung von Ansprüchen der Gläubiger gegen die Kommanditgesellschaft. Diese Ansprüche aus §§ 172 Abs. 4, 171 Abs. 1 HGB werden nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zwar vom Insolvenzverwalter geltend gemacht (§ 171 Abs. 2 HGB). § 171 Abs. 2 HGB ändert aber nichts daran, dass der Insolvenzverwalter materiell-rechtlich (Haftungs-)Ansprüche der Gläubiger geltend macht (Bork NJW 2018, 2985).
Bei der Haftung der Kommanditisten den Gläubigern gegenüber handelt es sich um eine akzessorische Haftung. Wegen dieser Akzessorietät ist im Rahmen von § 29 ZPO der Erfüllungsort nicht am jeweiligen Haftungsanspruch der Gläubiger zu bestimmen, sondern an dem vertraglichen Anspruch des Gläubigers gegen die Gesellschaft, für den der Kommanditist haften soll. Aufgrund der Akzessorietät sind die Ansprüche aus §§ 172 Abs. 4, 171 Abs. 1 HGB auch nicht als gesetzliche Ansprüche zu qualifizieren, sondern als vertragliche Ansprüche (a.A. OLG Naumburg NZG 2000, 1218; LG Hamburg, Urteil vom 1.3.2019 – 330 O 204/17; überreicht mit Beklagtenschriftsatz vom 22.7.2020).
Damit kann die Haftungsklage gegen den Kommanditisten gem. § 29 Abs. 1 ZPO nicht in jedem Fall am Sitz der Gesellschaft erhoben werden. Das Gericht am Sitz der Gesellschaft ist nach § 29 Abs. 1 ZPO vielmehr nur dann zuständig, wenn der Erfüllungsort für den Anspruch des Gläubigers gegen die Kommanditgesellschaft, für den der Kommanditist auf Haftung in Anspruch genommen wird, ebenfalls am Sitz der Gesellschaft zu verorten ist (vgl. zum Ganzen Bork NJW 2018, 2985, 2987 m.w.N. zum Streitstand; ferner Zöller-Schultzky, 33. Aufl.; § 29 Rn. 25.27; BGH, Beschluss vom 21. Januar 2009 – Xa ARZ 273/08 –, Rn. 17, juris).
Bei Geldschulden liegt der Erfüllungsort nach §§ 270 Abs. 4, 269 Abs. 1 BGB in der Regel am Sitz des Schuldners. Die Beweislast dafür, dass sich der Erfüllungsort nicht am Sitz des Schuldners befindet, trägt derjenige, der sich auf einen abweichenden Erfüllungsort beruft (vgl. BeckOK BGB/Lorenz, 55. Ed. 1.8.2020 Rn. 46, BGB § 269 Rn. 46).
Vor diesem Hintergrund hätte die Beklagte darlegen und beweisen müssen, dass sich der Erfüllungsort für die vom Kläger angeführten Verbindlichkeiten der Schuldnerin nicht am Sitz der Schuldnerin befindet. Dies ist der Beklagten jedoch nicht gelungen. Die Beklagte hat zu dieser Frage nicht näher vorgetragen und auch keinerlei Beweis angeboten. Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass ihr entsprechender Vortrag nicht möglich wäre. Sie hat als Kommanditistin gemäß § 4 InsO iVm. § 299 Abs. 1 ZPO die Möglichkeit, Akteneinsicht in die Insolvenzakte der Schuldnerin zu nehmen.