Bundesgerichtshof
Az: VIII ZR 192/06
Urteil vom 24.09.2008
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 24. September 2008 für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 9. Mai 2006 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 16. September 2005 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die unter der Bezeichnung „Fussbodenbau Salur GmbH“ firmierende Beklagte auf Bezahlung von Warenlieferungen nach den Grundsätzen der Haftung für eine Firmenfortführung in Anspruch.
Die Klägerin stand mehrere Jahre lang mit der Industrie-Böden Salur GmbH (im Folgenden: IB) in Geschäftsbeziehung. Nach Gründung der Beklagten im August 2003 unterhielt die Klägerin auch Geschäftsbeziehungen zu dieser. Sowohl die Beklagte als auch die IB stellen bzw. stellten Industrieböden her. Beide Unternehmen waren unter derselben Adresse ansässig und hatten dieselben Telefon- und Faxnummern sowie denselben Geschäftsführer und Gründungsgesellschafter, Herrn S. . Ferner waren mindestens drei Mitarbeiter der IB für die Beklagte tätig. Beide Unternehmen unterhielten jedoch eigene Bankverbindungen.
Die IB kaufte von der Klägerin in den Jahren 2003 und 2004 mehrere Tonnen Stahldrahtfaser im Gesamtwert von 20.995,63 EUR. Eine Bezahlung der Waren erfolgte nicht. Die IB stellte ihre Geschäfte zum 30. Juni 2004 ein. Über ihr Vermögen ist durch Beschluss vom 15. November 2004 das Insolvenzverfahren eröffnet worden.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte hafte für ihre Forderungen gegen die IB gemäß § 25 Abs. 1 HGB, da sie deren Handelsgeschäft fortführe. Die Beklagte habe die IB vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten „ausbluten“ lassen und dann sukzessive übernommen. Die Beklagte ist der Ansicht, es fehle an einer Fortführung des Handelsgeschäfts. Beide Unternehmen seien – was unstrittig ist – fast eineinhalb Jahre parallel nebeneinander am Markt werbend tätig gewesen und hätten eigene Aufträge gehabt.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von 20.995,63 EUR nebst Zinsen an die Klägerin verurteilt. Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
Die Beklagte hafte nicht für die Forderung der Klägerin gegen die IB gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB, da die Beklagte weder das Handelsgeschäft noch die Firma der IB fortgeführt habe.
Der Erwerber eines Handelsgeschäfts hafte gemäß § 25 HGB, wenn es trotz des Erwerbs nach außen so wirke, als ob ein Unternehmen kontinuierlich am Markt bleibe. Dies sei hier nicht der Fall, da beide Unternehmen zeitweilig ihre Geschäftstätigkeit parallel ausgeübt hätten. Entscheidend sei, dass die IB seit Gründung der Beklagten im August 2003 auf demselben Geschäftsfeld werbend tätig geblieben sei und auch nicht unerhebliche Umsätze, wenn auch geringere als zuvor, erzielt habe. Der Rechtsverkehr habe von zwei konkurrierenden Unternehmen ausgehen müssen.
Auch fehle es an der Fortführung der Firma der IB. Der Rechtsverkehr habe über ein Jahr beide Firmen parallel am Markt gekannt, was der Fortführung einer einzigen Firma widerspreche. Im Übrigen seien die benutzten Worte zu unterschiedlich, als dass von einer einzigen Firma ausgegangen werden könne.
II.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises von 20.995,63 EUR gemäß § 433 BGB i.V.m. § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB aus den Warenlieferungen an die IB zu. Zu Unrecht verneint das Berufungsgericht die Haftung der Beklagten für die Forderung der Klägerin gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB. Die Beklagte hat das Handelsgeschäft der IB unter Lebenden erworben und es unter deren Firma fortgeführt.
Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs greift die Haftung gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB ein, wenn zwar der Unternehmensträger wechselt, das Unternehmen selbst aus der Sicht des maßgeblichen Verkehrs aber im Wesentlichen unverändert unter der alten Firmenbezeichnung fortgeführt wird (BGH, Urteil vom 28. November 2005 – II ZR 355/03, NJW 2006, 1002, Tz. 7 m.w.N.). So ist es hier.
1. Von einer Unternehmensfortführung geht der maßgebliche Verkehr aus, wenn ein Betrieb von einem neuen Inhaber in seinem wesentlichen Bestand unverändert weitergeführt wird, der Tätigkeitsbereich, die innere Organisation und die Räumlichkeiten ebenso wie Kunden- und Lieferantenbeziehungen jedenfalls im Kern beibehalten und/oder Teile des Personals übernommen werden (BGH, aaO, Tz. 9 m.w.N.). Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es für den Erwerb im Sinne von § 25 Abs. 1 HGB auch nicht darauf an, ob ein rechtsgeschäftlicher, derivativer Erwerb zugrunde liegt. Erforderlich ist nur die bloße Tatsache der Geschäftsfortführung (BGH, aaO, Tz. 9; BGH, Urteil vom 4. November 1991 – II ZR 85/91, NJW 1992, 911, unter III 2). Die Beklagte hat das Handelsgeschäft der IB im vorgenannten Sinne übernommen und fortgeführt.
a) Nach den insoweit unangegriffenen Tatsachenfeststellungen des Landgerichts, auf die sich das Berufungsgericht beruft, haben die Beklagte und die IB denselben Unternehmensgegenstand, nämlich die Herstellung von Industrieböden; sie benutzten dieselben Betriebsräumlichkeiten (inklusive der Büroorganisation) und Fax- und Telefonanschlüsse, ferner hat die Beklagte zumindest drei Angestellte der IB übernommen. Darüber hinaus warb die Beklagte, obwohl sie selbst erst im August 2003 gegründet wurde, auch gegenüber Kunden der IB mit ihrer langjährigen Fachkompetenz und verwies auf Referenzobjekte, die die IB erstellt hatte.
b) Der Unternehmensfortführung der IB durch die Beklagte steht auch nicht – anders als das Berufungsgericht meint – entgegen, dass die IB und die Beklagte vom Zeitpunkt der Gründung der Beklagten im August 2003 bis zur Aufgabe des Geschäftsbetriebs durch die IB zum 30. Juni 2004 etwa ein Jahr lang parallel auf dem Markt werbend tätig blieben. Auch eine sukzessiv erfolgende Unternehmensübernahme kann eine Fortführung des Handelsgeschäfts im Sinne von § 25 Abs. 1 HGB sein.
Maßgeblich dafür ist, ob sich für den Rechtsverkehr die Betätigung des übernehmenden Unternehmens als Weiterführung des ursprünglichen Unternehmens in seinem wesentlichen Bestand darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 4. November 1991, aaO, unter III 1 m.w.N.). Dies war hier, wie ausgeführt, der Fall.
Da die Beklagte unter der gleichen Anschrift und Telefonnummer wie die IB und teils mit Mitarbeitern der IB gegenüber den Kunden der IB mit deren Referenzobjekten warb, musste der Rechtsverkehr – entgegen der Beurteilung des Berufungsgerichts – gerade nicht von zwei konkurrierenden Unternehmen, sondern von einem einheitlichen Unternehmen ausgehen. Hinzu kommt, dass die von der IB einerseits und der Beklagten andererseits verwendeten Briefbögen sich in ihrer optischen Aufmachung und inhaltlichen Gestaltung so ähneln, dass auch insoweit die Kontinuität eines einzigen Unternehmens aus der maßgeblichen Sicht des Rechtsverkehrs nach außen in Erscheinung tritt. Da es dazu keiner zusätzlichen tatrichterlichen Feststellungen bedarf, kann der Senat dies selbst entscheiden. Unter Berücksichtigung dieser konkreten Verhältnisse traten die IB und die Beklagte nicht wie zwei konkurrierende Unternehmen auf, sondern wie ein einheitliches.
2. Zu Unrecht verneint das Berufungsgericht auch die Fortführung der Firma der IB durch die Beklagte.
Beim Wechsel des Inhabers ist die Firmenfortführung deshalb eine Voraussetzung für die in § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB vorgesehene Haftung, weil in ihr die Kontinuität des Unternehmens nach außen in Erscheinung tritt, welche der tragende Grund für die Erstreckung der Haftung für früher im Betrieb des Unternehmens begründete Verbindlichkeiten des Vorgängers auf seinen Nachfolger ist (BGH, Urteil vom 28. November 2005, aaO, Tz. 7; BGH, Urteil vom 4. November 1991, aaO, unter IV 1). Dabei kommt es nicht auf eine wort- und buchstabengetreue Übereinstimmung zwischen alter und neuer Firma, sondern nur darauf an, ob aus der Sicht des Verkehrs trotz vorgenommener Änderungen noch eine Fortführung der Firma vorliegt (BGH, Urteil vom 4. November 1991, aaO). Dies ist dann der Fall, wenn der prägende Teil der alten Firma in der neuen beibehalten wird (BGH, Urteil vom 15. März 2004 – II ZR 324/01, NJW-RR 2004, 1172, unter 2; BGH, Urteil vom 28. November 2005, aaO, Tz. 12).
Der prägende Teil der Firma der IB bestand in der Bezeichnung des Tätigkeitsbereichs „Industrieböden“ in Verbindung mit dem Namen „Salur“. In der Firma der Beklagten wird der annähernd gleiche Tätigkeitsbereich „Fussbodenbau“ ebenfalls mit dem Namen „Salur“ verknüpft. Dies reicht zur Annahme einer Firmenfortführung aus. Dadurch wird es dem Träger des Namens „Salur“ – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – nicht verwehrt, sich auf dem Gebiet der Herstellung von Fußböden seines Namens zu bedienen. Insoweit weist die Revision zutreffend auf die Möglichkeit eines Haftungsausschlusses gemäß § 25 Abs. 2 HGB durch eine Eintragung in das Handelsregister hin.
3. Die Insolvenz der IB schließlich ist für die Haftung der Beklagten aus § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB unerheblich.
Zutreffend weist das Berufungsgericht (BU 4) zwar darauf hin, dass der Erwerb von Vermögenswerten der IB durch die Beklagte, soweit er vom Insolvenzverwalter der IB erfolgte, keine Haftung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB auslöst (BGH, Urteil vom 4. November 1991, aaO, unter II 2 m.w.N.; vgl. auch BGH, Urteil vom 28. November 2005, aaO, Tz. 14). Hier ist das Unternehmen der IB jedoch – wie oben dargelegt – schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der IB in seinem wesentlichen Bestand unverändert von der Beklagten fortgeführt worden. Dass die IB möglicherweise auch schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens insolvent war, ist für die Haftung aus § 25 Abs. 1 HGB demgegenüber irrelevant (BGH, Urteil vom 28. November 2005, aaO, Ls. 4).
III.
Das Berufungsurteil kann somit keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil es weiterer Feststellungen nicht bedarf (§ 563 Abs. 3 ZPO). Da die Klage begründet ist, ist die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen.