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Infektionsschutzrechtliche Verordnung – Fitnessstudios – vorläufiger Rechtsschutz

OVG Lüneburg – Az.: 13 MN 547/20 – Beschluss vom 09.12.2020

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert des Verfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I. Der sinngemäß gestellte Antrag der Antragstellerin (Schriftsatz v. 3. Dezember 2020, S. 2),

die Niedersächsische Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus SARS-CoV-2 (Niedersächsische Corona-Verordnung) vom 30. Oktober 2020 (Nds. GVBl. S. 368) in der zuletzt durch Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung und der Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung vom 27. November 2020 (Nds. GVBl. S. 408) geänderten Fassung vorläufig außer Vollzug zu setzen, soweit deren § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 Fitnessstudios für den Publikumsverkehr und Besuche schließt, bleibt ohne Erfolg.

Diese Entscheidung, die nicht den prozessrechtlichen Vorgaben des § 47 Abs. 5 VwGO unterliegt (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 607; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 110 ff.), trifft der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 12.6.2009 – 1 MN 172/08 -, juris Rn. 4 m.w.N.) und gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 NJG ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter.

Infektionsschutzrechtliche Verordnung - Fitnessstudios - vorläufiger Rechtsschutz
(Symbolfoto: Von theskaman306/Shutterstock.com)

Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht in Normenkontrollverfahren auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind zunächst die Erfolgsaussichten eines Normenkontrollantrages im Hauptsacheverfahren, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag voraussichtlich Erfolg haben wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind im Rahmen der sog. „Doppelhypothese“ die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe müssen die gegenläufigen Interessen deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache – dringend geboten ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.4.2019 – BVerwG 4 VR 3.19 -, juris Rn. 4 (zur Normenkontrolle eines Bebauungsplans); OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 22.10.2019 – 6 B 11533/19 -, juris Rn. 5 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung über die Freigabe eines verkaufsoffenen Sonntags); Sächsisches OVG, Beschl. v. 10.7.2019 – 4 B 170/19 -, juris Rn. 20 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung zur Bildung und Arbeit des Integrationsbeirats); Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 11.5.2018 – 12 MN 40/18 -, juris Rn. 24 ff. (zur Normenkontrolle gegen die Ausschlusswirkung im Flächennutzungsplan) jeweils m.w.N.).

Die hiernach bestehenden Voraussetzungen für eine vorläufige Außervollzugsetzung der streitgegenständlichen Verordnungsregelung sind nicht erfüllt. Der Senat vermag den Erfolg des in der Hauptsache gestellten Normenkontrollantrags derzeit nicht verlässlich abzuschätzen (1.). Die danach gebotene Folgenabwägung führt nicht dazu, dass die von der Antragstellerin geltend gemachten Gründe für die einstweilige Außervollzugsetzung die für den weiteren Vollzug der Verordnung sprechenden Gründe überwiegen (2.).

1. Derzeit ist offen, ob die streitgegenständliche Verordnungsregelung in einem Hauptsacheverfahren für unwirksam zu erklären ist.

a. Der Senat hat bereits in zahlreichen Verfahren entschieden, dass die Betriebsverbote und – beschränkungen in § 10 Abs. 1 und 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 30. Oktober 2020 auf einer tragfähigen Rechtsgrundlage beruhen, formell rechtmäßig sind und hinsichtlich der materiellen Rechtmäßigkeit im Hinblick auf das „Ob“ eines staatlichen Handelns und die Notwendigkeit der infektionsschutzrechtlichen Maßnahme als solcher keine durchgreifenden Zweifel bestehen (vgl. hierzu im Einzelnen und mit näherer Begründung etwa die Senatsbeschlüsse

– v. 6.11.2020 – 13 MN 433/20 – (zur Schließung von Fitnessstudios nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),

– v. 6.11.2020 – 13 MN 411/20 – (zur Schließung von Gastronomiebetrieben nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),

– v. 9.11.2020 – 13 MN 472/20 – (zur Schließung von Spielhallen, Spielbanken, Wettannahmestellen und ähnlichen Einrichtungen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),

– v. 10.11.2020 – 13 MN 412/20 – (zur Schließung von Kosmetikstudios nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),

– v. 10.11.2020 – 13 MN 479/20 – (zur Schließung von Tattoostudios nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),

– v. 11.11.2020 – 13 MN 485/20 – (zur Schließung von Prostitutionsstätten nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),

– v. 11.11.2020 – 13 MN 436/20 – (zu der gegenüber gewerblichen oder privaten Vermietern einer Ferienwohnung oder eines Ferienhauses in § 10 Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung getroffenen Untersagung, Übernachtungsangebote zu touristischen Zwecken zu unterbreiten und das Übernachten zu touristischen Zwecken zu gestatten) und

– v. 20.11.2020 – 13 MN 516/20 – (zur Schließung von Sportanlagen für den Freizeit- und Amateursport nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 der Niedersächsischen Corona-Verordnung)

alle veröffentlicht in juris oder der kostenfrei zugänglichen Rechtsprechungsdatenbank der niedersächsischen Justiz unter www.rechtsprechung.niedersachsen.de).

An dieser Bewertung hält der Senat auch für die mit Art. 1 Nr. 13 der Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung und der Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung vom 27. November 2020 (Nds. GVBl. S. 408) vorgenommene Verlängerung der in § 10 Abs. 1 und 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung angeordneten Betriebsverbote und – beschränkungen für den Zeitraum vom 1. bis zum 20. Dezember 2020 fest. Gegen die vom Antragsgegner als Verordnungsgeber schon bisher herangezogenen Rechtsgrundlagen aus §§ 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2, 29, 30 Abs. 1 Satz 2, 32 Satz 1 IfSG hat der Senat – insbesondere unter dem Aspekt des Parlamentsvorbehalts – keine Bedenken gehegt. Dass der Bundesgesetzgeber diese Normen mit Schaffung des § 28a IfSG („Besondere Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19)“) durch das Dritte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 18. November 2020 (BGBl. I S. 2397) mit Wirkung vom 19. November 2020 lediglich ergänzt und weiter konkretisiert hat, ändert bei im Normenkontrolleilverfahren gebotener summarischer Prüfung hieran nichts.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen der genannten Rechtsgrundlagen sind (unverändert) erfüllt. Der Senat verkennt nicht, dass sich die im Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung vom 30. Oktober 2020 gegebene Dynamik des Infektionsgeschehens reduziert hat. Die Zahl der täglich Neuinfizierten im Bundesgebiet und auch im Land Niedersachsen ist aber unverändert auf einem hohen Niveau und die Inanspruchnahme der Kapazitäten des Gesundheitssystems, insbesondere der intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten, steigt weiterhin (vgl. hierzu im Einzelnen den aktuellen täglichen Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), veröffentlicht unter: www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/, die tagesaktuellen Angaben des Niedersächsischen Landesgesundheitsamtes, veröffentlicht unter: www.niedersachsen.de/Coronavirus/aktuelle_lage_in_niedersachsen/ und die Angaben in der Begründung der Niedersächsischen Corona-Verordnung, Nds. GVBl. 2020, 411 ff.). Die zugrundeliegende Gefährdungseinschätzung des RKI als nationaler Behörde nach § 4 Abs. 1 IfSG wird nach dem Dafürhalten des Senats durch vereinzelt – so auch von der Antragstellerin des vorliegenden Verfahrens – geäußerte Zweifel an der Zuverlässigkeit der zum Nachweis von SARS-CoV-2 verwendeten sog. PCR-Tests nicht erschüttert (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt Senatsbeschl. v. 30.11.2020 – 13 MN 519/20 -, juris Rn. 48; vgl. hierzu auch Bayerischer VGH, Beschl. v. 8.9.2020 – 20 NE 20.2001 -, juris Rn. 28).

Angesichts dieser Situation ist das vom Verordnungsgeber verfolgte legitime Ziel (vgl. hierzu etwa den Senatsbeschl. v. 6.11.2020 – 13 MN 411/20 -, juris Rn. 43: „Der Verordnungsgeber verfolgt mit der Verordnungsregelung das legitime Ziel, die Bevölkerung vor der Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus zu schützen, die Verbreitung der Krankheit COVID-19 zu verhindern und eine Überlastung des Gesundheitssystems infolge eines ungebremsten Anstiegs von Ansteckungen und Krankheitsfällen zu vermeiden. Zur Vorbeugung einer akuten nationalen Gesundheitsnotlage sollen die Kontakte in der Bevölkerung drastisch reduziert werden, um das Infektionsgeschehen insgesamt zu verlangsamen und die Zahl der Neuinfektionen wieder in durch den öffentlichen Gesundheitsdienst nachverfolgbare Größenordnungen zu senken.“, und die Angaben in der Begründung der Niedersächsischen Corona-Verordnung, Nds. GVBl. 2020, 411 ff. und 421 f.) noch nicht erreicht, und die angeordneten Betriebsverbote und – beschränkungen sind weiterhin als notwendige und auch als angemessene Infektionsschutzmaßnahmen anzusehen.

Entscheidend in der derzeitigen Situation ist eine drastische Reduzierung körperlicher Kontakte, nicht die Aufstellung noch so ausgefeilter Hygienekonzepte. Die bereits zuvor aufgestellten Hygienekonzepte haben den deutlichen Anstieg der Infektionszahlen im Herbst nicht verhindern können. Hygienekonzepte können daher erst dann wieder als zur Eindämmung der Infektionen ausreichend angesehen werden, wenn die Gesundheitsämter erneut zur Nachverfolgung dennoch auftretender Infektionen in der Lage sind.

b. Unverändert nicht verlässlich zu klären ist aber, ob die streitgegenständliche Verordnungsregelung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu vereinbaren ist.

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.2.2012 – 1 BvL 14/07 -, BVerfGE 130, 240, 252 – juris Rn. 40; Beschl. v. 15.7.1998 – 1 BvR 1554/89 u.a. -, BVerfGE 98, 365, 385 – juris Rn. 63). Es sind nicht jegliche Differenzierungen verwehrt, allerdings bedürfen sie der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen reichen die Grenzen für die Normsetzung vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse. Insoweit gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.7.2012 – 1 BvL 16/11 -, BVerfGE 132, 179, 188 – juris Rn. 30; Beschl. v. 21.6.2011 – 1 BvR 2035/07, BVerfGE 129, 49, 69 – juris Rn. 65; Beschl. v. 21.7.2010 – 1 BvR 611/07 u.a. -, BVerfGE 126, 400, 416 – juris Rn. 79).

Hiernach sind die sich aus dem Gleichheitssatz ergebenden Grenzen für die Infektionsschutzbehörde weniger streng (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.4.2020

– OVG 11 S 22/20 -, juris Rn. 25). Auch kann die strikte Beachtung des Gebots innerer Folgerichtigkeit nicht eingefordert werden (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 26.3.2020 – 5 Bs 48/20 -, juris Rn. 13). Zudem ist die sachliche Rechtfertigung nicht allein anhand des infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrades der betroffenen Tätigkeit zu beurteilen. Vielmehr sind auch alle sonstigen relevanten Belange zu berücksichtigen, etwa die Auswirkungen der Ge- und Verbote für die betroffenen Unternehmen und Dritte und auch öffentliche Interessen an der uneingeschränkten Aufrechterhaltung bestimmter unternehmerischer Tätigkeiten (vgl. Senatsbeschl. v. 14.4.2020 – 13 MN 63/20 -, juris Rn. 62). Auch die Überprüfbarkeit der Einhaltung von Ge- und Verboten kann berücksichtigt werden (vgl. Senatsbeschl. v. 9.6.2020 – 13 MN 211/20 -, juris Rn. 41).

Dies zugrunde gelegt, vermag der Senat im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes nur einen Verstoß der streitgegenständlichen Verordnungsregelung gegen das Willkürverbot zu verneinen. Die in § 10 Abs. 1 und 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung angeordneten Betriebsverbote und -beschränkungen beruhen auf der jedenfalls nicht schlichtweg sachfremden Erwägung, dass ein ganz erheblicher Teil der für das Infektionsgeschehen relevanten sozialen Kontakte von vorneherein verhindert werden muss, und dass diese Verhinderung neben den ganz erheblichen Beschränkungen von Kontakten im privaten Bereich am gemeinwohlverträglichsten durch Verbote und Beschränkungen in den Bereichen Freizeit, Sport, Unterhaltung und körpernaher Dienstleistungen erreicht werden kann. Ausgenommen sind grundrechtlich besonders geschützte Bereiche wie die Religionsausübung und öffentliche Versammlungen.

Diese schlichte Beachtung des Willkürverbots ist angesichts des Umfangs der angeordneten Betriebsverbote und -beschränkungen und der damit verbundenen erheblichen Eingriffe in Grundrechte der Betriebsinhaber aber nicht ausreichend, um eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes verneinen zu können. Die vielmehr erforderliche Beurteilung, ob der Verordnungsgeber mit der getroffenen Auswahl von zu schließenden oder zu beschränkenden Betrieben unter Berücksichtigung des infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrades der betroffenen Tätigkeiten und aller sonstigen relevanten Belange eine auf hinreichenden Sachgründen beruhende und angemessene Differenzierung tatsächlich erreicht hat, ist schon angesichts der Vielzahl und Vielgestaltigkeit von Fallkonstellationen aber in einem Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes nicht zu leisten. Sie muss vielmehr an dieser Stelle offenbleiben.

Klarstellend weist der Senat darauf hin, dass eine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung sich nicht daraus ergeben kann, dass andere Länder von den niedersächsischen Anordnungen abweichende Schutzmaßnahmen getroffen haben. Voraussetzung für eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG ist, dass die Vergleichsfälle der gleichen Stelle zuzurechnen sind. Daran fehlt es, wenn die beiden Sachverhalte von zwei verschiedenen Trägern öffentlicher Gewalt gestaltet werden; der Gleichheitssatz bindet jeden Träger öffentlicher Gewalt allein in dessen Zuständigkeitsbereich (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.5.1987 – 2 BvR 1226/83 -, BVerfGE 76, 1, 73 – juris Rn. 151 m.w.N.). Ein Land verletzt daher den Gleichheitssatz nicht deshalb, weil ein anderes Land den gleichen Sachverhalt anders behandelt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 8.5.2008 – 1 BvR 645/08 -, juris Rn. 22 m.w.N.).

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2. Die wegen der danach offenen Erfolgsaussichten gebotene Folgenabwägung führt dazu, dass die von der Antragstellerin geltend gemachten Gründe für die vorläufige Außervollzugsetzung die für den weiteren Vollzug der Verordnung sprechenden Gründe nicht überwiegen.

Würde der Senat die in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 der Niedersächsischen Corona-Verordnung angeordnete Schließung von Fitnessstudios für den Publikumsverkehr und Besuche vollständig (vgl. zur Unzulässigkeit von Normergänzungen im Normenkontrollverfahren: Senatsbeschl. v. 14.5.2020 – 13 MN 156/20 -, juris Rn. 5 m.w.N.) außer Vollzug setzen, bliebe der Normenkontrollantrag in der Hauptsache aber ohne Erfolg, könnte die Antragstellerin zwar vorübergehend die mit der Schutzmaßnahme verbundene Schließung vermeiden. Ein durchaus wesentlicher Baustein der komplexen Pandemiebekämpfungsstrategie des Antragsgegners würde aber in seiner Wirkung deutlich reduziert (vgl. zur Berücksichtigung dieses Aspekts in der Folgenabwägung: BVerfG, Beschl. v. 1.5.2020 – 1 BvQ 42/20 -, juris Rn. 10), und dies in einem Zeitpunkt eines weiterhin dynamischen und ernst zu nehmenden Infektionsgeschehens. Die Möglichkeit, eine geeignete und erforderliche Schutzmaßnahme zu ergreifen und so die Verbreitung der Infektionskrankheit zum Schutze der Gesundheit der Bevölkerung, einem auch mit Blick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG überragend wichtigen Gemeinwohlbelang (vgl. BVerfG, Urt. v. 30.7.2008 – 1 BvR 3262/07 u.a. -, BVerfGE 121, 317, 350 – juris Rn. 119 m.w.N.), effektiver zu verhindern, bliebe hingegen zumindest zeitweise bis zu einer Reaktion des Verordnungsgebers (irreversibel) ungenutzt.

Würde hingegen die in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 der Niedersächsischen Corona-Verordnung angeordnete Schließung von Fitnessstudios für den Publikumsverkehr und Besuche nicht vorläufig außer Vollzug gesetzt, hätte der Normenkontrollantrag aber in der Hauptsache Erfolg, wäre die Antragstellerin vorübergehend zu Unrecht zur Befolgung der – für den Fall der Nichtbefolgung bußgeldbewehrten – Schutzmaßnahme verpflichtet und müsste ihr Fitnessstudio für den Publikumsverkehr und Besuche schließen. Der damit jedenfalls verbundene Eingriff in sein Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG würde für die Dauer der Verpflichtung, längstens für die Dauer eines Hauptsacheverfahrens, verfestigt. Dieser Eingriff ist nach Einschätzung des Senats fraglos von erheblichem Gewicht. Dieses Gewicht wird aber dadurch abgemildert, dass weiterhin staatlicherseits Kompensationen für die zu erwartenden Umsatzausfälle in durchaus erheblichem Umfang in Aussicht gestellt worden sind (vgl. hierzu die Begründung der Niedersächsischen Corona-Verordnung, Nds. GVBl. 2020, 421 f. und die Angaben der Niedersächsischen Landesregierung unter www.mw.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/coronavirus_informationen_fur_unternehmen/antworten-auf-haufig-gestellte-fragen-faqs-186294.html: „Werden von den ab 2. November 2020 geltenden Regelungen betroffene Unternehmen, Betriebe und Selbstständige entschädigt? Für die von den temporären Schließungen erfassten Unternehmen, Betriebe, Selbständige, Vereine und Einrichtungen wird der Bund eine außerordentliche Wirtschaftshilfe gewähren, um sie für finanzielle Ausfälle zu entschädigen. Der Erstattungsbetrag beträgt 75 Prozent des entsprechenden Umsatzes des Vorjahresmonats für Unternehmen bis 50 Mitarbeiter, womit die Fixkosten des Unternehmens pauschaliert werden. Die Prozentsätze für größere Unternehmen werden nach Maßgabe der Obergrenzen der einschlägigen beihilferechtlichen Vorgaben ermittelt. Die Finanzhilfe wird ein Finanzvolumen von bis zu 14 Milliarden haben. Eine Antragsstellung ist seit dem 25. November 2020 möglich.“, Stand: 2.12.2020). Der hiernach verbleibende Eingriff hat hinter dem mit der Maßnahme verfolgten legitimen Ziel eines effektiven Infektionsschutzes zurückzustehen und ist von der Antragstellerin vorübergehend hinzunehmen. Denn ohne diesen würde sich die Gefahr der Ansteckung mit dem Virus, der erneuten Erkrankung vieler Personen, der Überlastung der gesundheitlichen Einrichtungen bei der Behandlung schwerwiegender Fälle und schlimmstenfalls des Todes von Menschen auch nach den derzeit nur vorliegenden Erkenntnissen erheblich erhöhen (vgl. zu dieser Gewichtung: BVerfG, Beschl. v 7.4.2020 – 1 BvR 755/20 -, juris Rn. 10; Beschl. v. 28.4.2020 – 1 BvR 899/20 -, juris Rn. 12 f.).

In diese Folgenabwägung wird auch eingestellt, dass die Verordnung gemäß ihres § 20 Abs. 1 zeitlich befristet wurde. Damit ist sichergestellt, dass die Verordnung unter Berücksichtigung neuer Entwicklungen der Corona-Pandemie fortgeschrieben werden muss. Hierbei hat der Antragsgegner – wie auch bei jeder weiteren Fortschreibung der Verordnung – hinsichtlich der im vorliegenden Verfahren relevanten Schließung zu untersuchen, ob es angesichts neuer Erkenntnisse etwa zu den Verbreitungswegen des Virus oder zur Gefahr einer Überlastung des Gesundheitssystems verantwortet werden kann, die Schließung unter – gegebenenfalls strengen – Auflagen weiter zu lockern (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.4.2020 – 1 BvQ 28/20 -, juris Rn. 16).

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

III. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Es entspricht der ständigen Praxis des Senats, in Normenkontrollverfahren in der Hauptsache nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO grundsätzlich den doppelten Auffangwert im Sinne des § 52 Abs. 2 GKG, mithin 10.000 EUR, als Streitwert anzusetzen (vgl. Senatsbeschl. v. 31.1.2019 – 13 KN 510/18 -, Nds. Rpfl. 2019, 130 f. – juris Rn. 29). Dieser Streitwert ist für das Verfahren auf sofortige Außervollzugsetzung der Verordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO zu halbieren.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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