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Insolvenzanfechtung: Kenntnis eines Gläubigers vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners

AG Hoyerswerda, Az.: 1 C 394/13

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 575,40 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 1.8.2012 zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 575,40 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Der Tatbestand entfällt gemäß § 313a ZPO.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist begründet.

1.

Der Kläger hat einen Anspruch gegenüber der Beklagten auf Rückzahlung der streitgegenständlichen Hauptforderung aus §§ 143 Abs. 1 Satz 1, 133 Abs. 1 InsO.

Insolvenzanfechtung: Kenntnis eines Gläubigers vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners
Symbolfoto: aruba200/Bigstock

Zwischen den Parteien ist strittig, ob der Kläger gegenüber der Beklagten einen Anspruch gemäß § 143 Abs. 1 S. 1 InsO in Verbindung mit § 133 Abs. 1 InsO auf Rückzahlung zur Insolvenzmasse hat. Nach den vorgenannten Vorschriften ist eine Rechtshandlung u.a. dann anfechtbar, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vorgenommen hat, sofern der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Dies war hier der Fall. Im Einzelnen:

a) Im vorliegenden Falle hatte die Insolvenzschuldnerin die strittigen Zahlungen zur Abwendung der Zwangsvollstreckung an den Gerichtsvollzieher erbracht. Durch diese Zahlungen wurden die übrigen Gläubiger objektiv benachteiligt, § 129 Abs. 1 InsO, da die Insolvenzmasse hierdurch vermindert wurde.

b) Voraussetzung der wirksamen Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO ist weiterhin ein Benachteiligungsvorsatz des Schuldners. Nach der überzeugenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hat der Schuldner eine Zahlung mit Benachteiligungsvorsatz vorgenommen, wenn er zur fraglichen Zeit zahlungsunfähig, also nicht in der Lage war, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Im vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger substanziiert dargelegt und durch die Insolvenztabelle (Anlage K 5 – Bl. 33 ff d.A.) auch hinreichend belegt, dass die Schuldnerin zwischen Januar 2010 und dem Eröffnungsbeschluss vom August 2012 durchgehend zahlungsunfähig war und damit unter Zugrundelegung des Maßstabes des Bundesgerichtshofes die angefochtenen Teilzahlungen mit Benachteiligungsvorsatz vorgenommen hat.

c) Entscheidungserheblich ist danach, ob die Beklagte Kenntnis von einem Vorsatz der Schuldnerin hatte. Die Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Vorsatz des Schuldners wird gemäß § 133 Abs. 1 S. 2 InsO vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Der Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hinweisen. Es genügt daher, dass der Anfechtungsgegner die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Beurteilung die drohende Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt (BGH, Urteil vom 8.10.2009 – IX ZR 173/07 m.w.N. – zitiert aus JURIS). Weiß der Anfechtungsgegner, dass ihm eine inkongruente Deckung gewährt wird, liegt darin ein starkes Beweisanzeichen dafür, dass er den Benachteiligungsvorsatz kennt (Kreft, InsO, 5. Aufl. §133 Rnrn. 17 u. 23 m.w.N.). Letzteres war vorliegend zunächst der Fall, denn Zahlungen unter dem Druck einer Zwangsvollstreckung sind inkongruent (Kreft, a.a.O., §131 Rn. 9 m.w.N.) und die Beklagte wusste, dass die Teilzahlungen im Wege der Zwangsvollstreckung erfolgten. Darüber hinaus kannte die Beklagte auch weitere tatsächliche Umstände, aus denen bei zutreffender rechtlicher Beurteilung die drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zweifelsfrei zu schlussfolgern war. Zunächst erfolgte bereits die Titulierung der relativ geringfügigen Gesamtforderung von 762,04 EUR nebst einigen Nebenforderungen im Wege des Versäumnisurteils vom 16.06.2011, nachdem sich die Schuldnerin mit der Zahlung der Hauptforderung gem. Rechnung vom 08.06.2010 bereits seit dem 16.06.2010 in Zahlungsverzug befunden hatte. Inhaltliche Einwendungen gegen die Forderungen gab es offenbar nicht. Die Beklagte musste gleichwohl die Zwangsvollstreckung gegenüber der Schuldnerin betreiben. Der von der Beklagten beauftragte Gerichtsvollzieher konnte ausweislich des Vollstreckungsprotokolls vom 02.08.2011 die Gesamtforderung nicht beitreiben, sondern lediglich einen (ersten) Barbetrag i.H.v. 75,40 EUR einnehmen. Der Geschäftsführer der Schuldnerin erklärte in diesem Zusammenhang ausweislich des Vollstreckungsprotokolls, keine weiteren Zahlungen leisten zu können, und kündigte monatliche Ratenzahlungen an. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten kann man aus dem Schweigen des Vollstreckungsprotokolls zu anderen Gläubigern nicht die Schlussfolgerung ziehen, dass diese nicht existierten. Bei der Insolvenzschuldnerin handelt es sich um eine GmbH, sodass die Beklagte vielmehr ohne Weiteres mit weiteren Gläubigern rechnen musste. In der Folgezeit zahlte die Insolvenzschuldnerin die angekündigten Raten auch nicht regelmäßig monatlich, sondern ausweislich der in der Sache unbestritten gebliebenen Aufstellung in der Anspruchsbegründung in unterschiedlicher Höhe sowie in unregelmäßigen Zeiträumen. Auch soweit diese Teilzahlungen jeweils nach vorherigen Absprachen zwischen dem Gerichtsvollzieher und der Schuldnerin erfolgt wären, ließe dies auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit schließen, denn anderenfalls hätte der Gerichtsvollzieherin durchaus jederzeit, auf Grund der Ankündigung der Schuldnerin zumindest regelmäßig monatlich zu Vollstreckungsversuchen vor Ort erscheinen können. Nach alldem sind die Einwendungen der Beklagten nicht geeignet, die Vermutung aus § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO zu widerlegen.

d) Nach alldem hat die Beklagte die seitens der Schuldnerin im Rahmen der Zwangsvollstreckung in dem streitgegenständlichen Zeitraum geleisteten Zahlungen an die Insolvenzmasse zurückzugewähren. Dies betrifft nicht nur die tatsächlich seitens der Beklagten vereinnahmten Beträge i.H.v. 370,40 EUR, sondern auch die im Rahmen der Teilzahlungen seitens des Gerichtsvollziehers eingezogenen Vollstreckungskosten, da auch diese Insolvenzmasse durch inkongruente Deckung entzogen wurden.

2.

Der auf die Hauptforderung geltend gemachte Zinsanspruch hat seine Rechtsgrundlage in §§ 143 Abs. 1 Satz 2, 819 Abs. 1, 818 Abs. 4 BGB in Verbindung mit §§ 291, 288 Abs. 1 BGB (Prozesszinsen ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens).

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Beklagte hat als Unterliegende die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO. Es bestand kein Anlass, die Berufung zuzulassen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO i.V.m. §§ 43 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG. Maßgeblich ist der Betrag der eingeklagten Hauptforderung.

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