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Kapitalanlage – Schadenersatzklage – Schlüssigkeit bei nicht dargelegter Höhe von Steuervorteilen

LG Hamburg – Az.: 326 O 47/12 – Urteil vom 21.12.2012

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 47.529,09 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte, Emittentin eines Blind-Pool-Kapitalanlagefonds, aus Schadenersatzansprüchen aus Prospekthaftung in weiterem Sinne in Anspruch. Hilfsweise begehrt er die Rückabwicklung des Vertrages. Insoweit beruft er sich auf ein vertraglich vereinbartes Widerrufsrecht in Bezug auf die von ihm mit der Beklagten geschlossenen, streitgegenständlichen Gesellschaftsbeteiligungen gemäß Beitrittserklärung vom 03.03.04 (K1).

Kapitalanlage - Schadenersatzklage - Schlüssigkeit bei nicht dargelegter Höhe von Steuervorteilen
Symbolfoto: Von Alexander Raths /Shutterstock.com

Der Kläger hat einen Zeichnungsschein für atypisch stille Gesellschaftsbeteiligungen an der Beklagten

a) in der Variante „Classic“ in Höhe von 18.000 € zzgl. 1.080,00 € Agio, Laufzeit 12 Jahre, Vertragsnummer 6…5 und

b) in der Variante „Sprint“ in Höhe von 15.600,00 € zzgl. 936,00 € Agio, Laufzeit 13 Jahre, Vertragsnummer 6…7, Anfangsrate 3.600 € und monatliche Folgeraten 100,00 €

unterzeichnet. Anlass war ein Anlagegespräch mit dem Zeugen W.. Gesprächsgrundlage war der Emissionsprospekt der Beklagten aus dem Jahr 2003.

Der Zeichnungsschein enthält folgende Widerrufsbelehrung:

„Sie können Ihre Beitrittserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (zB Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt einen Tag, nachdem Sie diese Belehrung, eine Abschrift ihrer Beitrittserklärung sowie den atypisch stillen Gesellschaftsvertrag (im Emissionsprospekt/Prospektnachtrag enthalten) erhalten haben. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. (…)“

Die Parteien streiten darüber, ob der Prospekt die erforderlichen Risikohinweise (zB bzgl. Totalverlustrisiko, Nachschusspflichten, Fremdfinanzierungsrisiko, personelle Verflechtungen, Weichkostendarstellung usw.) in ausreichend klarer Weise enthält, ob im Rahmen des Beratungsgespräches Aufklärungspflichtverletzungen begangen wurden und ob sich die Beklagte diese ggf. zurechnen lassen muss.

Der Kläger hat im Prozess ferner den Widerruf seiner Beitrittserklärung erklärt. Er vertritt die Auffassung, die Widerrufsbelehrung sei fehlerhaft. Sie entspreche nicht den gesetzlichen Anforderungen und habe daher den Lauf der Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt. Dauer und Beginn der Widerrufsfrist seien nicht ausreichend deutlich gefasst. Die Belehrung beziehe sich auf den Zugang verschiedener Dokumente, der sich zeitlich auf verschiedene Tage verteilen könne. Da somit ein konkreter Tag nicht bestimmbar sei, könne der Anleger nicht sicher erkennen, wann die Widerrufsfrist zu laufen beginne.

Der Kläger beantragt,

I. a) Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger €13.725,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB p.a. seit Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Übertragung aller Rechte des Klägers aus seiner Beteiligung als atypisch stiller Gesellschafter der G.. L.. AG, Vertragsnummer 6…5, in Höhe von € 18.000 zu zahlen.

b) Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 12.000,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB p.a. seit Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Übertragung aller Rechte des Klägers aus seiner Beteiligung als atypisch stiller Gesellschafter der G.. L.. AG, Vertragsnummer 6…7, in Höhe von € 15.600 zu zahlen.

II. a) Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen weiteren Betrag in Höhe von 9.110,70 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB p.a. seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

b) Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen weiteren Betrag in Höhe von 3.100,59 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB p.a. seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

III. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der in Ziffer I. bezeichneten Zug-um-Zug-Leistungen in Verzug befindet.

IV. a) Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von seiner Haftung als atypisch stiller Gesellschafter aus seiner Beteiligung mit der Vertragsnummer 6…5 nach § 236 HGB iVm § 4 des Gesellschaftsvertrages im Falle einer Insolvenz der Beklagten freizustellen und dass der Beklagten keine Ansprüche gegen den Kläger aus diesem Gesellschaftsverhältnis zustehen.

b) Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von seiner monatlichen Ratenzahlungsverpflichtung aus der Beteiligung mit der Vertragsnummer 6…7 freizustellen und dass der Beklagten keine Ansprüche gegen den Kläger aus diesem Gesellschaftsverhältnis zustehen.

V. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche finanziellen Schaden zu ersetzen, der über die unter Ziffer I. bezifferten Schäden und den unter Ziffer IV. bezeichneten Freistellungsantrag hinausgeht und der in der Zeichnung der in Ziffer I. näher bezeichneten Beteiligungen seine Ursache hat.

VI. Die Beklagte wird verurteilt, die außergerichtlichen Kosten der anwaltlichen Vertretung in Höhe von € 2.513,28 an den Kläger zu zahlen.

hilfsweise:

I. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die Höhe des Auseinandersetzungsguthabens aus der atypisch stillen Gesellschaftsbeteiligung des Klägers mit der Vertragsnummer 6…5 und 6…7 zum Stichtag 09.07.2012 mitzuteilen.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an Eides Statt zu versichern, dass sie das Auseinandersetzungsguthaben gemäß Ziffer i. nach bestem Wissen entsprechend den Regelungen des atypisch stillen Gesellschaftsvertrages ermittelt hat.

III. Die Beklagte wird verurteilt, den Betrag des gemäß Ziffer I. mitgeteilten Auseinandersetzungsguthabens aus der atypisch stillen Gesellschaftsbeteiligung des Klägers mit der Vertragsnummer 6…5 und 6…7 an den Kläger zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie vertritt unter anderem die Auffassung, die Klage sei unschlüssig, da der Kläger im Rahmen der Schadensberechnung nicht berücksichtigt habe, dass er anlagebedingte Steuervorteile abzuziehen habe. Der Beklagten fehle insoweit die Möglichkeit zu substantiiertem Vortrag, da sie keinerlei Kenntnis über die steuerlichen Verhältnisse des Klägers habe. Diesen träfen sekundäre Darlegungslasten. Kommt er diesen nicht nach, sei die Klage unschlüssig.

Die Beklagte macht ferner die Einrede der Verjährung geltend, bestreitet das Vorliegen einer Haustürsituation und hält die Widerrufsbelehrung für ordnungsgemäß.

Hinsichtlich des weiteren Sachvortrages wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und deren Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 23.10.12 ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig aber unbegründet.

In Hinblick auf die geltend gemachten Schadenersatzansprüche ist die Klage unschlüssig (I.). Ein Rückabwicklungsanspruch des Klägers aufgrund seiner im Prozess erhobenen Widerrufserklärung besteht nicht (II.)

I.

Die Schadenersatzklage des Klägers ist unschlüssig. Trotz richterlichen Hinweises im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 23.10.12 und daraufhin eingeräumter Schriftsatzfrist hat der Kläger zur Schadenshöhe nicht vollständig vorgetragen. Er hat die Höhe der Steuervorteile, die er durch die streitgegenständliche Anlageentscheidung erzielt hat, in keiner Weise dargelegt. Das Gericht hat seinen Prozessbevollmächtigten insoweit darauf hingewiesen (vgl. Protokoll S. 2), dass Steuervorteile anzurechnen sind und den Kläger insoweit die Darlegungslast trifft, da die Beklagte über die steuerlichen Verhältnisse des Klägers keine Kenntnis haben kann (BGH, 25.01.11,II ZR 171/09). Das Gericht hat insoweit auch deutlich gemacht, dass ein Schadenersatzanspruch anderenfalls als unschlüssig abzuweisen wäre, da die Anspruchshöhe nicht durch das Gericht bestimmt werden kann. Anhaltspunkte für eine Schätzung lägen nicht vor. Der Kläger hat nachfolgend seinen Vortrag dennoch nicht in Hinblick auf die Höhe seiner Steuervorteile ergänzt.

II.

Auch der hilfsweise beantragte Rückabwicklungsanspruch des Klägers ist unbegründet.

Die Widerrufsbelehrung in der Beitrittserklärung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Sie hat die zweiwöchige Widerrufsfrist damit wirksam in Gang gesetzt, nachdem der Kläger die Widerrufsbelehrung am 03.03.04 gesondert unterzeichnet, den Prospekt mit Gesellschaftsvertrag vorliegen und eine Abschrift seiner Beitrittserklärung erhalten hatte. Der mit der Klagschrift erklärte Widerruf, 9 Jahre nach der Beitrittserklärung erfolgte damit – auch für den Kläger unzweifelhaft erkennbar – lange nach Ablauf der Widerrufsfrist und ist somit unbeachtlich. Eine Rückabwicklungspflicht der Beklagten kann er nicht begründen.

Soweit der Kläger hinsichtlich der Unwirksamkeit der Widerrufsbelehrung auf eine Entscheidung des Landgerichts Halle (K8) Bezug nimmt, ist die dortige Widerrufsbelehrung mit der hiesigen nicht vergleichbar. Im dortigen Fall ist das Datum des Fristbeginns tatsächlich nicht ausreichend sicher bestimmbar, da dort lediglich der Zeitpunkt genannt wird, wann die Frist „frühestens“ zu laufen beginnt.

Im hier vorliegenden Fall ist die Widerrufsbelehrung anders gefasst. Sie nennt nicht lediglich nur den frühestmöglichen Beginn. Sie macht den Beginn der Frist vielmehr von konkret bezeichneten Bedingungen, nämlich davon abhängig, dass der Beitretende drei Dinge zur Kenntnis erhält: die Widerrufsbelehrung, den Gesellschaftsvertrag (mit dem Hinweis, dass dieser im Prospekt enthalten ist) und eine Abschrift der Beitrittserklärung. Es handelt sich um drei Voraussetzungen, die im eigenen Wahrnehmungsbereich des Beitretenden liegen und von ihm zeitlich unzweifelhaft festgestellt werden können. Die Formulierung ist auch unmissverständlich dahingehend gefasst, dass diese Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssen, die Frist mithin erst an dem Folgetag des Tages zu laufen beginnt, an dem auch die letzte der drei Voraussetzungen erfüllt ist. Eine fehlende Bestimmbarkeit für den Fristbeginn sieht das erkennende Gericht hier daher nicht. Die Klausel genügte den damals gültigen gesetzlichen Anforderungen.

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Die Klage war daher sowohl hinsichtlich der Haupt- als auch der Hilfsanträge in vollem Umfang als unbegründet zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

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