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Kapitalanlageberatung – Auskunftserteilungsanspruch bei verjährten Schadensersatzansprüchen

LG Koblenz – Az.: 3 O 127/18 – Urteil vom 21.03.2019

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus Ziffer 2. vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte im Wege der Stufenklage auf Auskunft und Zahlung wegen Rückvergütungen im Zusammenhang mit einer von der Beklagten im Jahr 2001 erfolgten Anlageberatung in Anspruch.

Der Kläger beteiligte sich nach vorausgegangener Beratung durch einen Mitarbeiter der Beklagten gemäß Beitrittserklärung vom 13.12.2001 an dem geschlossenen Immobilienfonds „X GmbH & Co. KG“ mit einem Nominalbetrag in Höhe von 60.000 DM zzgl. Agio. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K 1 Bezug genommen.

Die Beklagte offenbarte gegenüber dem Kläger nicht, ob und ggf. in welcher Höhe sie eine Innenprovision bzw. eine Rückvergütung bei Zeichnung der Beteiligung erhielt.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 18.07.2017 (Anlage K 2) forderte der Kläger die Beklagte zur Auskunft über sämtliche Provisionen oder sonstige geldwerten Vorteile für die Vermittlung der streitgegenständlichen Beteiligung auf, was die Beklagte mit Schreiben vom 09.08.2017 (Anlage K 3) zurückwies.

Die Beklagte erhebt hinsichtlich der geltend gemachten Auskunfts- und Zahlungsansprüche die Einrede der Verjährung.

Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe gegenüber der Beklagten auf der ersten Stufe der geltend gemachte Auskunftsanspruch aufgrund des abgeschlossenen Anlageberatungsvertrages zu. Insbesondere bestehe an der Auskunftserteilung auch ein berechtigtes Interesse, da die Geltendmachung eines Herausgabeanspruchs (§§ 675, 667 BGB) nicht von vornherein ausgeschlossen sei.

Der Auskunftsanspruch sei – als sog. verhaltener Anspruch – auch nicht verjährt, da er erst mit dem erstmaligen Auskunftsverlangen gemäß dem Schreiben des Klägervertreters vom 18.07.2017 entstanden sei.

Der Kläger beantragt,

1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klagepartei Auskunft darüber zu erteilen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die Beklagte für die Vermittlung des Beitritts der Klagepartei zu „X GmbH & Co. KG“ am 13.12.2001 eine Vergütung erhalten hat.

2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, hilfsweise an Eides statt zu versichern, dass sie die nach Ziffer 1 zu erteilende Auskunft nach bestem Wissen so vollständig gegeben habe, als sie dazu imstande sei.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei den sich aus der Auskunft nach Ziffer 1 ergebenden Betrag nebst hieraus Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.01.2002 zu zahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere brutto 1.820,70 € an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, etwaige Auskunfts- bzw. Herausgabeansprüche seien jedenfalls verjährt, da die Ansprüche jeweils bereits mit der Ausführung des Auftrages entstanden seien. Für den Eintritt der Verjährung könne es letztlich auch dahingestellt bleiben, ob der Kläger Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen gehabt habe, da mittlerweile auch die kenntnisunabhängige 10-jährige Höchstfrist gem. § 199 Abs. 3 Nr. 1 bzw. § 199 Abs. 4 BGB abgelaufen sei.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.02.2019 (Bl. 82 f. d. GA) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Die Klage ist zulässig. Der Zuständigkeitsstreitwert beträgt entsprechend der Berechnung in der Klageschrift jedenfalls mehr als 5000 €. Denn für die Bestimmung des Zuständigkeitsstreitwertes sind die Streitwerte der im Rahmen der Stufenklage geltend gemachten Ansprüche gem. § 5 ZPO zu addieren (Herget in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 5 Rn. 7). Die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts ergibt sich zudem jedenfalls aus § 39 Satz 1 ZPO, da sich die Beklagte rügelos mündlich zur Hauptsache eingelassen hat.

II.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Auskunftserteilung aus §§ 675, 611, 666 BGB, da eine Auskunftserteilung mangels durchsetzbarer Folgeansprüche jedenfalls nicht i.S.v. § 666 BGB erforderlich ist.

1. Zwischen den Parteien ist unstreitig ein Anlageberatungsvertrag (§§ 675, 611 BGB) zustande gekommen, der als Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstvertragscharakter zu qualifizieren ist, und bei dem somit gem. § 675 Abs. 1 BGB grundsätzlich die Auskunfts- und Rechenschaftspflicht nach § 666 BGB Anwendung findet (vgl. auch OLG Frankfurt a. M. v. 25.6.2014 – 19 U 206/13, NJW-RR 2015, 306; OLG Braunschweig v. 22.12.2011 – 1 U 76/10, Anlage K 4).

2. Die geltend gemachte Auskunft ist vorliegend indes nicht erforderlich i.S.v. § 666 BGB, da keine durchsetzbaren Folgeansprüche des Klägers bestehen.

a) Gemäß § 666 BGB ist der Beauftragte verpflichtet, dem Auftraggeber die erforderlichen Nachrichten zu geben, auf Verlangen über den Stand des Geschäfts Auskunft zu erteilen und nach der Ausführung des Auftrags Rechenschaft abzulegen.

§ 666 BGB setzt zwar seinem Wortlaut nach keinen Anspruch voraus, dessen Durchsetzung die begehrte Auskunft vorbereiten soll. Es genügt vielmehr das allgemeine Interesse des Auftraggebers, die Tätigkeit des Beauftragten zu kontrollieren (BGH v. 08.02.2007 – III ZR 148/06, NJW 2007, 1528).

Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Auskunftspflicht ohne Einschränkungen besteht. Der Auskunftsanspruch nach § 666 BGB stellt lediglich eine aus dem Auftragsverhältnis folgende unselbständige Nebenpflicht dar und ist daher grundsätzlich von dem Auftrag beziehungsweise Geschäftsbesorgungsvertrag abhängig ist, dessen Absicherung er dient (BGH v. 09.11.2017 – III ZR 610/16, BeckRS 2017, 132370 Rn. 23). Inhalt und Grenzen der Auskunftspflicht müssen sich daher stets auf das konkrete Rechtsverhältnis beziehen und haben sich auf dieser Grundlage nach Treu und Glauben am Maßstab der Erforderlichkeit und Zumutbarkeit zu orientieren (BGH a.a.O.).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Erfüllung der Informationspflichten aus § 666 BGB jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn feststeht, dass der Gläubiger des Informationsanspruchs auf Grund der Auskunft und Rechenschaftslegung keinesfalls etwas fordern könnte (BGH v. 16.6.2016 – III ZR 282/14, NJW-RR 2016, 1391 Rn. 29; vgl. auch OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 25.6.2014 – 19 U 206/13, NJW-RR 2015, 306; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 10.12.2015 – 1 U 20/14, BeckRS 2016, 5596 Rn. 20; MüKoBGB/Schäfer, 7. Aufl. 2017, § 666 Rn. 9; Berger in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 666 Rn. 10). Scheidet also ein Herausgabeanspruch aus, sind auch Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung nicht gegeben, es sei denn, dass ausnahmsweise aus sonstigen Gründen ein Bedürfnis des Auftraggebers besteht, sich Klarheit über seine Rechtsstellung zu verschaffen (BGH a.a.O.). Für Letzteres ist im vorliegenden Fall nichts ersichtlich.

b) Der Kläger könnte vorliegend auf Grundlage einer Auskunftserteilung keine Folgeansprüche geltend machen, da diese jedenfalls nicht mehr durchsetzbar sind, nachdem sich die Beklagte auf die Einrede der Verjährung berufen hat, § 214 BGB.

aa) Etwaige Schadensersatzansprüche gem. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 BGB sind kenntnisunabhängig gem. § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB verjährt, da die Zeichnung bereits am 13.12.2001 erfolgte und der Anspruch daher im Jahr 2001 i.S.v. § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB entstanden war. Umstände, aus denen sich eine Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung ergeben könnte (zur Anwendbarkeit der §§ 203 ff. BGB auf Verjährungshöchstfristen vgl. BeckOGK BGB/Piekenbrock, 01.02.2019, § 199 Rn. 150), wurden nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Die Klage ist erst im Jahr 2018 erhoben worden und kann daher jedenfalls keine Verjährungshemmung gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB bewirken.

bb) Auch ein etwaiger Herausgabeanspruch gem. §§ 675, 667 BGB ist bereits kenntnisunabhängig gem. § 199 Abs. 4 BGB verjährt.

Gemäß § 199 Abs. 4 BGB verjähren andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.

Ein etwaiger Herausgabeanspruch des Klägers wäre vorliegend bereits im Jahr 2001 entstanden.

Der Anspruch aus § 667 BGB entsteht, wenn der Beauftragte „etwas“ aus der Geschäftsbesorgung erlangt hat und er wird spätestens mit der Beendigung des Auftrages fällig (BeckOK BGB/Detlev Fischer, 48. Ed., 01.11.2018, § 667 Rn. 3, 4; BeckOGK/Riesenhuber, 01.01.2019, § 667 Rn. 39). Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Anspruchsentstehung somit insbesondere nicht von der Auskunftserteilung des Auftragnehmers abhängig (vgl. auch BeckOK BGB/Detlev Fischer, 48. Ed., 01.11.2018, § 667 Rn. 4, wonach eine gem. § 666 BGB geschuldete Rechnungslegung keine Voraussetzung für die Entstehung des Herausgabeanspruchs darstellt).

Die Zeichnung der streitgegenständlichen Beteiligung erfolgte am 13.12.2001 (Anlage K 1). Mit der Zeichnung war der Auftrag bzw. die Geschäftsbesorgung – hier in Form einer Anlageberatung – beendet (vgl. auch OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 10.12.2015 – 1 U 20/14, BeckRS 2016, 5596 Rn. 20). Dem steht auch nicht entgegen, dass zwischen den Parteien auch nachfolgend eine weitere Geschäftsbeziehung bzw. ein Depotvertrag bestanden hat. Jedenfalls die von der Beklagten aus dem streitgegenständlichen Geschäftsbesorgungsvertrag geschuldete Anlageberatung, auf die der Kläger auch eine Pflicht zur Offenbarung etwaiger Rückvergütungen bzw. Innenprovisionen stützt, ist mit der Zeichnung der Beteiligung beendet gewesen. Der Anspruch war demnach bereits im Jahr 2001 i.S.d. § 199 Abs. 4 BGB entstanden.

Da die Voraussetzungen der Anspruchsentstehung im Sinne von § 199 Abs. 4 BGB im Jahr 2001 vorlagen, ist der Anspruch nach Ablauf von 10 Jahren seit Entstehung kenntnisunabhängig verjährt.

III.Da sich bereits bei der Prüfung des Auskunftsanspruchs ergibt, dass dem Hauptanspruch die materiell-rechtliche Grundlage fehlt da ein Zahlungsanspruch jedenfalls verjährt ist und die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben hat unterlag die Stufenklage insgesamt der Abweisung (BGH NJW 2002, 1042, 1044; MK/Becker-Eberhard Rn 20; Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 254 ZPO, Rn. 9) .

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IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Beschluss

Der Streitwert wird auf bis zu 5.000,00 € festgesetzt.

Ungeachtet des Zuständigkeitsstreitwerts, richtet sich der Gebührenstreitwert gem. § 44 GKG ausschließlich nach dem Wert des höchsten Anspruchs, und somit vorliegend nach dem Leistungsantrag. Eine Addition der Ansprüche findet insofern nicht statt (vgl. Dörndorfer in: Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 4. Auflage 2019, § 44 GKG Rn. 1).

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