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Klage gegen Zwangseinziehung eines GmbH-Geschäftsanteils – Fortsetzung der Zusammenarbeit

Klage gegen Zwangseinziehung eines GmbH-Geschäftsanteils: Weiterführung der Partnerschaft

Das OLG München hat im Fall der Klage gegen die Zwangseinziehung von Geschäftsanteilen einer GmbH und der damit verbundenen nominellen Aufstockung der Anteile anderer Gesellschafter entschieden. Das Urteil erklärte die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung für nichtig, da kein ausreichender Grund für die Zwangseinziehung vorlag. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte, und das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 7 U 4346/21   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Nichtigkeit der Beschlüsse: Die in der Gesellschafterversammlung gefassten Beschlüsse zur Zwangseinziehung der Anteile und deren Aufstockung wurden für nichtig erklärt.
  2. Fehlende Gründe für Einziehung: Es lagen keine ausreichenden Gründe vor, die eine Einziehung der Anteile rechtfertigen würden.
  3. Kostenentscheidung: Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
  4. Vorläufige Vollstreckbarkeit: Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
  5. Keine Revision zugelassen: Gegen dieses Urteil wurde keine Revision zugelassen.
  6. Prozessfähigkeit der Klägerin: Trotz anfänglicher Führungslosigkeit wurde die Klage als wirksam erachtet.
  7. Keine Beeinträchtigung der Gesellschafterinteressen: Die Führungslosigkeit der Klägerin hatte keine nachteiligen Auswirkungen auf die Gesellschafter der Beklagten.
  8. Gewerbeuntersagung irrelevant: Die Gewerbeuntersagung gegen den Alleingesellschafter der Klägerin war für die Entscheidung nicht ausschlaggebend.

Gesellschafterstreitigkeiten und Zwangseinziehung von GmbH-Anteilen

In der Unternehmenswelt sind Auseinandersetzungen zwischen Gesellschaftern nicht ungewöhnlich, besonders brisant wird es jedoch, wenn es um die Zwangseinziehung von Geschäftsanteilen geht. Ein solcher Fall liegt vor, wenn ein Gesellschafter gegen seinen Willen aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden soll. Dies kann weitreichende Konsequenzen für die betroffenen Parteien und die Gesellschaft selbst haben. Die Zwangseinziehung von GmbH-Geschäftsanteilen stellt ein komplexes Rechtsthema dar, das sowohl handelsrechtliche als auch gesellschaftsrechtliche Aspekte berührt.

Besonders interessant wird es, wenn solche Fälle vor Gericht landen. Hier sind nicht nur die rechtlichen Grundlagen, sondern auch die individuellen Umstände des Einzelfalls entscheidend. Das Oberlandesgericht München hat sich in einem aktuellen Urteil mit dieser Thematik auseinandergesetzt. Der Streit um die Rechtmäßigkeit einer Zwangseinziehung und die daraus resultierenden Fragen zur Fortsetzung der Zusammenarbeit zwischen den Gesellschaftern führt uns in die Tiefen des Handels- und Gesellschaftsrechts.

Begleiten Sie uns auf eine spannende Reise durch die juristischen Feinheiten dieses Falles, der wichtige Impulse für die Rechtspraxis im Bereich der Unternehmensbeteiligungen geben könnte.

Spannungsfeld Zwangseinziehung: Klage um GmbH-Geschäftsanteile

Die juristische Landschaft ist oft Schauplatz komplexer Auseinandersetzungen, und das OLG München hatte kürzlich über einen solchen Fall zu entscheiden. Im Kern ging es um die Klage gegen die Zwangseinziehung eines GmbH-Geschäftsanteils. Die Klägerin, Teilhaberin der betroffenen GmbH, stand im Mittelpunkt dieses Rechtsstreits. Ihre Geschäftsanteile sollten zwangsweise eingezogen werden, was sie dazu veranlasste, rechtliche Schritte einzuleiten.

Juristische Verwicklungen im Gesellschaftsrecht

Im Mittelpunkt des Streits stand eine außerordentliche Gesellschafterversammlung, in der Beschlüsse gefasst wurden, die die Klägerin direkt betrafen. Diese Beschlüsse sahen die Einziehung der Geschäftsanteile der Klägerin vor, angeblich aus einem wichtigen Grund gemäß § 11 Abs. 2 lit. d) der Satzung der Gesellschaft. Zusätzlich wurde beschlossen, die Anteile der verbleibenden Gesellschafter verhältniswahrend aufzustocken. Die Klägerin behauptete, erst nachträglich von der Versammlung und den gefassten Beschlüssen Kenntnis erlangt zu haben.

Die rechtliche Bewertung durch das OLG München

Das OLG München widersprach in seinem Urteil vom 01.02.2023 der erstinstanzlichen Entscheidung des Landgerichts München I. Das Gericht erklärte die in der Gesellschafterversammlung gefassten Beschlüsse für nichtig. Grundlegend für diese Entscheidung war die Feststellung, dass die Voraussetzungen für eine rechtmäßige Zwangseinziehung der Geschäftsanteile der Klägerin nicht vorlagen. Interessanterweise berief sich das Gericht dabei auf die Rechtsprechung des BGH, die besagt, dass die Ausschließung eines Gesellschafters nur zulässig ist, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Dieser wichtige Grund müsste die gedeihliche Fortführung des Unternehmens in Frage stellen oder für die anderen Gesellschafter unzumutbar sein.

Hintergründe und Auslegungen des Urteils

In seinem Urteil setzte sich das OLG München ausführlich mit den einzelnen Argumenten und Voraussetzungen auseinander. So wurde beispielsweise das Argument, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Beschlussfassung keinen Geschäftsführer hatte und somit führungslos war, nicht als ausreichender Grund für die Einziehung ihrer Geschäftsanteile angesehen. Auch die von der Beklagten vorgebrachten Gründe, wie die Gewerbeuntersagung gegen den Alleingesellschafter der Klägerin und das Bestreben, die Liquidation der GmbH in Ruhe durchzuführen, wurden vom Gericht nicht als stichhaltig erachtet.

Dieses Urteil des OLG München liefert wichtige Erkenntnisse für das Handels- und Gesellschaftsrecht, insbesondere im Hinblick auf die Zwangseinziehung von GmbH-Geschäftsanteilen. Es unterstreicht die Notwendigkeit, dass bei solchen gravierenden Entscheidungen wie der Zwangseinziehung von Geschäftsanteilen alle rechtlichen Voraussetzungen sorgfältig geprüft und erfüllt sein müssen.

Das Urteil des OLG München setzt damit einen klaren Rahmen für ähnliche Fälle in der Zukunft und bietet wichtige Orientierungspunkte für Gesellschafter, Geschäftsführer und juristische Berater in vergleichbaren Situationen. Es bleibt abzuwarten, welche weiteren Entwicklungen und Diskussionen sich aus dieser Entscheidung ergeben werden.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was bedeutet die Zwangseinziehung eines GmbH-Geschäftsanteils?

Die Zwangseinziehung eines GmbH-Geschäftsanteils bezieht sich auf den Prozess, bei dem ein Gesellschafter gegen seinen Willen aus der Gesellschaft ausgeschlossen wird und sein Geschäftsanteil vernichtet wird. Dieser Prozess wird in der Regel durch einen Beschluss der verbleibenden Gesellschafter mit einfacher Mehrheit gemäß § 47 Abs. 1 GmbHG eingeleitet.

Die Zwangseinziehung ist in § 34 GmbHG geregelt und kann nur durchgeführt werden, wenn der Gesellschaftsvertrag dies vorsieht. Es gibt zwei Arten der Einziehung: die freiwillige und die unfreiwillige Einziehung. Die unfreiwillige Einziehung, auch als Zwangseinziehung bekannt, wird durchgeführt, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.

Ein wichtiger Grund könnte beispielsweise eine schwere Pflichtverletzung oder Insolvenz des Gesellschafters sein. Es könnte auch eine Einziehung bei Tod des Gesellschafters oder ein Verstoß gegen Sonderpflichten gemäß der Satzung sein.

Die Zwangseinziehung führt zur Vernichtung des Geschäftsanteils und der entsprechenden Mitgliedschaftsrechte an der GmbH. Der ausscheidende Gesellschafter hat einen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung, die nicht ausgeschlossen werden kann.

Eine wirksame Zwangseinziehung setzt voraus, dass der Geschäftsanteil vollständig einbezahlt ist und die Zahlung der Abfindung aus ungebundenem Gesellschaftsvermögen möglich ist. Wenn bereits bei der Beschlussfassung feststeht, dass die Abfindung nicht aus freiem Vermögen der Gesellschaft gezahlt werden kann, ohne dadurch das Stammkapital zu beeinträchtigen, können die Gesellschafter einer GmbH die Zwangseinziehung eines Geschäftsanteils nicht wirksam beschließen.

Die Zwangseinziehung hat eine besondere praktische Bedeutung, da sie oft dazu dient, erbrechtliche Fragen zu klären oder Probleme bei der drohenden Verwertung eines Gesellschaftsanteils durch Gläubiger eines Gesellschafters zu lösen. Sie bietet auch der Gesellschaftermehrheit die Möglichkeit, sich von untragbaren Mitgesellschaftern zu trennen.

Wie definiert sich ein wichtiger Grund für die Einziehung von Geschäftsanteilen gemäß § 11 Abs. 2 lit. d) einer GmbH-Satzung?

Ein „wichtiger Grund“ für die Einziehung von Geschäftsanteilen gemäß § 11 Abs. 2 lit. d) einer GmbH-Satzung ist nicht gesetzlich definiert und kann daher je nach Satzung variieren. Allerdings muss dieser Grund in der Satzung normiert und sachlich gerechtfertigt sein.

Ein wichtiger Grund könnte beispielsweise eine nachhaltig grobe Pflichtverletzung, die Pfändung des Geschäftsanteils, die Insolvenz des Gesellschafters, der Verlust bestimmter Eigenschaften, die Niederlegung der Mitarbeit oder ein schwerer Verstoß gegen das gesellschaftsrechtliche Wettbewerbsverbot sein.

Es ist auch möglich, dass ein „wichtiger Grund“ im Sinne der §§ 61 Abs. 1 GmbHG, 133, 140 HGB als Grund für die Einziehung von Geschäftsanteilen in der Satzung festgelegt wird.

Die genaue Definition und Auslegung eines „wichtigen Grundes“ kann jedoch von Fall zu Fall unterschiedlich sein und hängt von den spezifischen Umständen und der Auslegung der Satzung durch das Gericht ab.

Die Einziehung von Geschäftsanteilen ist ein schwerwiegender Schritt, der den Ausschluss eines Gesellschafters aus der Gesellschaft und die Vernichtung seines Geschäftsanteils zur Folge hat. Daher ist es unerlässlich, dass die Gründe für eine solche Maßnahme klar und eindeutig in der Satzung festgelegt sind und dass sie sachlich gerechtfertigt sind.

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Inwiefern sind Gewerbeuntersagungen relevant für die Beurteilung der Zuverlässigkeit eines GmbH-Gesellschafters?

Gewerbeuntersagungen sind relevant für die Beurteilung der Zuverlässigkeit eines GmbH-Gesellschafters, da sie auf eine gewerbliche Unzuverlässigkeit hinweisen können. Eine Gewerbeuntersagung bedeutet, dass ein Unternehmer sein Gewerbe wegen Unzuverlässigkeit nicht mehr ausüben darf. Unzuverlässigkeit kann durch Überschuldung, wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit oder Missachtung öffentlicher Pflichten, wie beispielsweise steuerrechtlicher Pflichten, begründet sein.

Im Kontext einer GmbH kann die Unzuverlässigkeit eines Gesellschafters oder Geschäftsführers auf die gesamte Gesellschaft übertragen werden. Eine GmbH, die rechtlich oder tatsächlich so strukturiert ist, dass der unzuverlässige Alleingesellschafter maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung hat, wird als gewerberechtlich unzuverlässig angesehen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Geschäftsführer selbst unzuverlässig ist, da er diesen Einfluss nicht verhindert hat.

Darüber hinaus kann eine Gewerbeuntersagung auch Auswirkungen auf die Fähigkeit einer Person haben, als Geschäftsführer einer GmbH zu fungieren. Wenn die Tätigkeit als Geschäftsführer genau dieselbe Tätigkeit wie ein bestimmtes Gewerbe umfasst, dessen Ausübung dem Betroffenen zuvor untersagt wurde, darf er auch nicht Geschäftsführer einer GmbH mit diesem Unternehmensgegenstand sein.

Es ist daher klar, dass Gewerbeuntersagungen eine wichtige Rolle bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit eines GmbH-Gesellschafters spielen können. Sie können sowohl die Fähigkeit des Gesellschafters, seine Rolle innerhalb der GmbH effektiv auszuüben, als auch die allgemeine Zuverlässigkeit der GmbH selbst beeinflussen.


Das vorliegende Urteil

OLG München – Az.: 7 U 4346/21 – Urteil vom 01.02.2023

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 10.06.2021, Az. 8 HK O 7552/20, in seiner Ziffer 1 dahingehend abgeändert, dass die in der außerordentlichen Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 20.05.2020 gefasste Beschlüsse zu TOP 1 über die Einziehung der Geschäftsanteile der Klägerin an der Beklagten mit den laufenden Nrn. … bis … aus wichtigem Grund gemäß § 11 Abs. 2 lit. d) der Satzung der Gesellschaft gegen Zahlung eines Verkehrswertes dieser Geschäftsanteile und zu TOP 3 über die verhältniswahrende nominelle Aufstockung der Geschäftsanteile der weiteren Gesellschafter für nichtig erklärt werden.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3. Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleitung vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Die Parteien streiten um die Gesellschafterstellung der Klägerin in der Beklagten.

Die Beklagte ist eine GmbH mit Sitz in …, die sich seit Mitte 2022 in Liquidation befindet. Ihr Geschäftsgegenstand war laut § 2 Abs. 2 ihres Gesellschaftsvertrages (Anl. K 3, im Folgenden mit GV abgekürzt) „die Tätigkeit einer verwaltenden Holding-Gesellschaft, insbesondere der Erwerb, das Halten und die Verwaltung von Beteiligungen an anderen Unternehmen, sowie die Durchführung sämtlicher Maßnahmen und Erledigung sämtlicher Geschäfte, die mittelbar oder unmittelbar dem vorgenannten Unternehmensgegenstand dienen oder diesen zu fördern geeignet und bestimmt sind mit Ausnahme solcher Tätigkeiten, die eine gesetzliche Genehmigung oder eine besondere Gewerbeerlaubnis erfordern.“

Das 25.000 € betragende Stammkapital der Beklagten ist in 25.000 Geschäftsanteile mit einem Nennbetrag von jeweils 1,00 € eingeteilt. Jedenfalls bis zum 20.05.2020 waren Inhaber der Geschäftsanteile Nrn … bis … Herr …, der Geschäftsanteile Nrn … bis … Herr … und der Geschäftsanteile Nrn … bis … die Klägerin.

Geschäftsführer der Beklagten ist Herr …

Der Gesellschaftsvertrag lautet auszugsweise wie folgt:

㤠11

Einziehung von Geschäftsanteilen

1. (…)

2. Die Einziehung des Geschäftsanteils eines Gesellschafters ohne dessen Zustimmung ist zulässig, wenn:

a. von Seiten eines Gläubigers eines Gesellschafters Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in dessen Geschäftsanteil vorgenommen werden und es dem Inhaber des Geschäftsanteils nicht binnen 3 Monaten seit Beginn dieser Maßnahme gelungen ist, ihre Aufhebung zu erreichen;

b. über das Vermögen des Gesellschafters das Insolvenzverfahren eröffnet wurde und nicht innerhalb von 24 Wochen wieder aufgehoben wird;

c. die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gesellschafters mangels Masse abgelehnt wird;

d. in der Person des Gesellschafters ein seine Ausschließung rechtfertigender Grund vorliegt. Ein solcher Grund ist insbesondere gegeben, wenn der Gesellschafter eine Verpflichtung, die ihm nach dem Gesellschaftsvertrag oder einer anderen zwischen den Gesellschaftern mit Rücksicht auf die Gesellschaft getroffenen Vereinbarung obliegt, vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat.

(…)

6. Die Einziehung oder Abtretung von Geschäftsanteilen kann von der Gesellschafterversammlung nur mit einer Mehrheit von 3/4 der abgegebenen Stimmen beschlossen werden. Bei der Beschlussfassung steht dem betroffenen Gesellschafter kein Stimmrecht zu, seine Stimmen bleiben bei der Berechnung der Mehrheit außer Betracht.“

Alleingesellschafter der Klägerin ist Herr ….

Am 25.10.2018 fand eine außerordentliche Gesellschafterversammlung der Beklagten statt, auf deren Tagesordnung laut Anl. K 10 die Einziehung der Geschäftsanteile der Klägerin wegen eines gegen den Alleingesellschafter der Klägerin laufenden Ermittlungsverfahrens stand, in dessen Verlauf die gesamten Vermögenswerte des Herrn … arrestiert wurden. Eine Einziehung der Geschäftsanteile der Klägerin wurde in der außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 25.10.2018 nicht beschlossen.

Mit Bescheid vom 19.09.2019 (Anl. BK 5) untersagte die Stadt … Herrn … „(d)ie Ausübung der Gewerbetätigkeiten: Beratungsdienstleistungen, Unternehmensberatung, Beratungsdienstleistungen im In- und Ausland im Bereich der koordinierenden Unterstützung bei der Strukturierung von Produkten, Unternehmensberatung von fremden und gruppennahen Unternehmen sowie Beratung bei der regelmäßigen fachlichen und personellen Unterstützung von Preisberechnungen, administrative Dienstleistungen bei der Kundenbetreuung von fremden und gruppennahen Unternehmen sowie im Bereich der Koordination von Marketingmaßnahmen.“ Gleichzeitig wurde die Gewerbeuntersagung auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden und als mit der Leistung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person sowie auf alle Gewerbe erstreckt. Der Untersagungsbescheid vom 19.09.2019 wurde am 22.10.2019 bestandskräftig.

Am 14.01.2020 wurde die Eintragung des Herrn … als Geschäftsführer der Klägerin im Handelsregister von Amtswegen gelöscht (vgl. den Handelsregisterauszug).

Die Gesellschafter der Beklagten beabsichtigten bereits im Jahr 2020 deren Liquidation. Diese konnte jedoch im Jahr 2020 wegen eines ungelösten Steuerproblems bei der … Immobilien Holding GmbH, einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft der Beklagten, noch nicht durchgeführt werden. Hinsichtlich dieses Steuerproblems war nämlich noch ein Verfahren beim BFH anhängig.

Mit Einladungsschreiben vom 08.05.2020 laut Anl. K 1, das an „… Capital Consulting GmbH vertreten durch den Gesellschafter Herrn …“ gerichtet war und am 11.05.2020 an die Geschäftsadresse der Klägerin zugestellt wurde, lud Herr … als Geschäftsführer der Beklagten zu einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung am 20.05.2020 in den Räumlichkeiten der Beklagten ein. In der Einladung war (soweit für das Verfahren relevant) folgende Tagesordnung enthalten:

„TOP 1:

Beratung und Beschlussfassung über die Einziehung der Geschäftsanteile der … Capital Consulting GmbH (nachfolgend „… GmbH“) an der Gesellschaft mit den lfd. Nrn. … bis … aus wichtigem Grund gemäß § 11 Abs. 2 lit. d) der Satzung der Gesellschaft gegen Zahlung des Verkehrswertes dieser Geschäftsanteile.

(…)

TOP 3:

Beratung und Beschlussfassung über die verhältniswahrende nominelle Aufstockung des Geschäftsanteils des Gesellschafters … um EUR 9.205 auf EUR 20.455 und des Gesellschafters … um EUR 2.045 auf EUR 4.545.“

An der außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 20.05.2020 nahm ein Vertreter der Klägerin nicht teil. Von den beiden weiteren Gesellschaftern der Beklagten wurden die Beschlüsse zu TOP 1 und 3 einstimmig gefasst.

Mit Beschluss der Gesellschafterversammlung der Klägerin vom 12.08.2020 wurde Herr … zum Geschäftsführer der Klägerin bestellt und am 07.09.2020 in das Handelsregister eingetragen (Anl. K 4). Nach dem Tod des Herrn … wurde am 04.01.2023 Herr … als Geschäftsführer der Klägerin in das Handelsregister eingetragen.

Mit Schreiben vom 09.12.2020 (Anl. K 5) teilte der damalige Geschäftsführer der Klägerin, Herr …, mit, dass mit der Klageeinreichung Einverständnis bestehe und die Klageerhebung vorsorglich genehmigt werde.

Die Klägerin trug vor, dass sie von der Einladung zur Gesellschafterversammlung vom 20.05.2020 erst nach dem 20.05.2020 Kenntnis erlangt habe. Auf die schriftliche Bitte des Klägervertreters vom 10.06.2020 sowie auf dessen telefonische Nachfrage am 17.06.2020, ob am 20.05.2020 tatsächlich eine Gesellschafterversammlung stattgefunden habe und ob der Beschluss zu TOP 1 gefasst worden sei, habe die Beklagte nicht reagiert. Die Klägerin habe erst durch Einsicht in die Gesellschafterliste am 17.06.2020 festgestellt, dass die Beschlüsse zu TOP 1 und 3 wohl gefasst worden seien. Ein Beschlussprotokoll läge der Klägerin nicht vor. Auch sei ihr die Einziehung nicht bekanntgemacht worden.

Im Übrigen lägen die satzungsmäßigen Voraussetzungen für eine Einziehung der Geschäftsanteile der Klägerin gegen deren Willen nicht vor. Ein die Ausschließung rechtfertigender Grund in der Person der Klägerin bestehe nicht. Die Klägerin sei für die Beklagte weder untragbar noch läge in ihrem Verhalten ein wichtiger Grund vor. Dass die Klägerin derzeit (18.06.2020) keinen Geschäftsführer habe, stelle keinen Einziehungsgrund dar, da die Klägerin damit gegen keine Gesellschaftsrechte verstoße und auch bis heute keine wichtigen Beschlussfassungen blockiert habe. Das gegen den Alleingesellschafter der Klägerin geführte Ermittlungsverfahren stehe kurz vor der Einstellung. Im Übrigen seien bereits in der außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 25.10.2018 das Ermittlungsverfahren und die in dessen Verlauf erfolgte Arrestierung des Vermögens des Herrn … erörtert worden. Die schon damals beabsichtigte Einziehung sei aber gerade nicht beschlossen worden (was unstreitig ist), sodass das Ermittlungsverfahren und die Arrestierung nunmehr nicht mehr erneut als Grund für eine Einziehung der Geschäftsanteile der Klägerin herangezogen werden könnten.

Ein wichtiger Grund für die Einziehung sei auch schon deswegen ausgeschlossen, da die verbleibenden Gesellschafter selbst ein gesellschaftswidriges Verhalten an den Tag gelegt hätten. Denn der Klägervertreter habe bereits im August 2019 gegenüber dem Geschäftsführer und Gesellschafter der Beklagten, Herrn …, Auskunfts- und Einsichtsrechte gemäß § 51a GmbHG geltend gemacht. Hierauf habe die Beklagte zwar eine Stellungnahme bis November 2019 zugesagt. Weiter sei aber nichts passiert.

Es sei zu bestreiten, dass die an die Klägerin zu zahlende Abfindung aus ungebundenem Vermögen der Beklagten geleistet werden könne. Die zu erwartende hohe Abfindungszahlung würde zu einer Unterbilanz der Beklagten führen.

Die Klageschrift, in der eine Streitwertangabe enthalten war, ging am 18.06.2020 beim Landgericht München I ein. Mit Verfügung vom 22.06.2020 (Bl. 11 d.A.), der Klägerin zugestellt am 29.06.2020 (Bl. zu 11 d.A.), wurde der Klägerin vom Landgericht zum Zwecke der Streitwertfestsetzung aufgegeben, innerhalb von zwei Wochen zum Wert der streitgegenständlichen Geschäftsanteile vorzutragen. Nach antragsgemäßer Verlängerung der Stellungnahmefrist um zwei Wochen trug der Klägervertreter mit Schriftsatz vom 27.07.2020 (Bl. 14 d.A.), eingegangen beim Landgericht am selben Tag, zum Wert der Anteile vor, woraufhin das Landgericht mit Beschluss vom 28.07.2020 (Bl. 15/16 d.A.) den Streitwert festsetzte und die Landesjustizkasse Bamberg mit Schreiben vom 29.07.2020, das beim Klägervertreter am 05.08.2020 einging (vgl. Anl. K 8), den Kostenvorschuss bei der Klägerin anforderte. Der Kostenvorschuss ging am 07.08.2020 auf dem Konto der Landesjustizkasse ein. Da eine Mitteilung der Landesjustizkasse über den Zahlungseingang zunächst nicht einging, wurde die Klage der Beklagten erst am 06.10.2020 zugestellt.

Die Klägerin kündigte in der Klageschrift an, den folgenden Antrag stellen zu wollen:

Es wird festgestellt, dass die in der außerordentlichen Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 20. Mai 2020 gefassten Beschlüsse, mit welchen zu TOP 1 die Geschäftsanteile der Klägerin an der Beklagten mit den laufenden Nrn. … bis … aus wichtigem Grund gemäß § 11 Abs. 2 lit. d) der Satzung der Gesellschaft gegen Zahlung eines Verkehrswertes dieser Geschäftsanteile eingezogen worden sind und zu TOP 3 nach beschlossener Einziehung die verhältniswahrende nominelle Aufstockung der Geschäftsanteile der weiteren Gesellschafter beschlossen wurde, nichtig sind.

Alternativ:

Die in der außerordentlichen Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 20. Mai 2020 gefassten Beschlüsse, mit welchen zu TOP 1 die Geschäftsanteile der Klägerin an der Beklagten mit den laufenden Nrn. … bis … aus wichtigem Grund gemäß § 11 Abs. 2 lit. d) der Satzung der Gesellschaft gegen Zahlung eines Verkehrswertes dieser Geschäftsanteile eingezogen worden sind und mit Beschluss zu TOP 3 nach beschlossener Einziehung die verhältniswahrende nominelle Aufstockung der Geschäftsanteile der weiteren Gesellschafter beschlossen wurde, werden für nichtig erklärt.

Die Beklagte kündigte mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 16.10.2020 an, den folgenden Antrag stellen zu wollen:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte erwiderte, dass die Klage unzulässig sei, da die Klägerin zum Zeitpunkt der Klageerhebung in Ermangelung eines Geschäftsführers nicht prozessfähig gewesen sei.

Die Anfechtungsklage sei auch nicht innerhalb eines Monats nach Beschlussfassung erhoben worden (§ 246 AktG). Das Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 20.05.2020 einschließlich des Beschlusses der Gesellschafterversammlung sei der Klägerin am 23.05.2020 per Einwurf-Einschreiben zugestellt worden.

Ausschließungsgrund sei die Unzuverlässigkeit des Alleingesellschafters der Klägerin gewesen, dem sämtliche Gewerbetätigkeiten untersagt worden seien. Die Beklagte müsse auch bis zur Vornahme der Liquidation handlungsfähig bleiben. Eine Auszahlung des Abfindungsguthabens an die Klägerin sei zum Zeitpunkt der Beschlussfassung selbstverständlich möglich gewesen. Der diesbezügliche Vortag der Klägerin sei unsubstanziiert.

Das Landgericht München I hat am 05.05.2021 mündlich verhandelt. In der mündlichen Verhandlung wurde der Geschäftsführer der Beklagten informatorisch angehört. Die Stellung von Anträgen in der mündlichen Verhandlung unterblieb versehentlich.

Mit Endurteil vom 10.06.2021, Az. 8 HK O 7552/20, wies das Landgericht München I die Klage ab. Zur Begründung seiner Entscheidung führte es aus, dass die Klage wirksam erhoben sei, da der nunmehrige Geschäftsführer der Klägerin die Klageerhebung rückwirkend genehmigt habe (LGU S. 6).

Die Klägerin sei infolge der zwischenzeitlichen Bestellung eines Geschäftsführers auch prozessfähig. Der bislang bestehende Vollmachtsmangel sei durch die Genehmigung der Prozessführung durch den nunmehrigen Geschäftsführer nach § 89 ZPO geheilt worden (LGU S. 6 letzter Absatz und S. 7 erster Absatz).

Die angefochtenen Beschlüsse seien weder nichtig noch anfechtbar.

Eine Nichtigkeit sei nicht ersichtlich. Es liege kein Einberufungsmangel vor, da die Einladungsfrist nach § 9 Ziffer 4 GV eingehalten sei. Dass der Geschäftsführer der Klägerin keine Kenntnis von der Einladung gehabt habe, stelle keinen Einberufungsmangel dar (LGU S. 7 dritter Absatz). Ob die Beklagte zum Zeitpunkt der Fassung des Einziehungsbeschlusses über genügend freies Kapital verfügt habe, um das Abfindungsguthaben der Klägerin auszuzahlen, sei unerheblich, da dies nach der neueren Rechtsprechung, derzufolge die anderen Gesellschafter, die die Einziehung herbeigeführt hätten, anteilig für die Abfindung haften würden, keine Rolle mehr spiele. Im Übrigen habe die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Klägerin nicht ausreichend vorgetragen.

Die Beschlüsse seien aber auch nicht für nichtig zu erklären. Die Anfechtungsfrist dürfte gewahrt sein, da die Klageeinreichung innerhalb eines Monats ab Beschlussfassung erfolgt sei. Die Zustellung der Klage sei eine alsbaldige iSd. § 167 ZPO gewesen, da die Verzögerung der Zustellung dadurch bedingt gewesen sei, dass die Landesjustizkasse die Einzahlung des Kostenvorschusses durch die Klägerin verspätet an das Landgericht mitgeteilt habe (LGU S. 8 oben).

Letztendlich könne dies aber dahinstehen, da jedenfalls ein wichtiger Grund für die Einziehung vorgelegen habe. Zwar könne das gegen den Alleingesellschafter der Klägerin gerichtete Ermittlungsverfahren nicht als Einziehungsgrund herangezogen werden, da das Ermittlungsverfahren bereits auf der Tagesordnung der außerordentlichen Gesellschafterversammlung 2018 gestanden habe und damals eine Einziehung von den Gesellschaftern nicht beschlossen worden sei. Dass sich zwischenzeitlich in diesem Ermittlungsverfahren neue, alles verändernde Umstände ergeben hätten, habe die Beklagte nicht substanziiert dargetan (LGU S. 8 letzter Absatz).

Ein wichtiger Grund für eine Einziehung sei aber in der Gewerbeuntersagung zu erblicken, da dadurch das Vertrauen in die Klägerin weiter beschädigt worden sei (LGU S. 9 zweiter Absatz). Erschwerend komme hinzu, dass die Klägerin infolge der Gewerbeuntersagung ihr Vertretungsorgan verloren habe und wegen unterlassener Neubestellung eines Geschäftsführers bis zur Zeit der Beschlussfassung führungslos gewesen sei. Da ein führungsloser Gesellschafter handlungsunfähig sei, sei die Zusammenarbeit mit ihm unzumutbar (LGU S. 9 dritter Absatz). Schließlich habe es die Klägerin nicht einmal für notwendig erachtet, ihre Mitgesellschafter vom Verlust ihres Vertretungsorgans zu informieren (LGU S. 9 vierter Absatz).

Selbst unter Berücksichtigung, dass die Liquidation der Beklagten beabsichtigt sei, müsse jedenfalls bis dahin die weitere Handlungsfähigkeit der Beklagten sichergestellt sein, weshalb auch bei einer Gesamtabwägung von einer Unzumutbarkeit eines weiteren Verbleibs der Klägerin in der Beklagten auszugehen sei (LGU S. 9 vorletzter Absatz).

Schließlich stünden auch die von der Klägerin erhobenen Vorwürfe gesellschaftswidrigen Verhaltens der Gesellschafter einer Einziehung nicht entgegen, da sich diese lediglich auf die Tätigkeit des Geschäftsführers der Beklagten bezögen und auch nur von untergeordneter Bedeutung seien (LGU S. 10 erster Absatz).

Im Übrigen wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vortrags nur ihren erstinstanzlichen „Alternativ“ antrag und diesen nur insoweit weiter, als das Landgericht einen Grund für die Einziehung der klägerischen Geschäftsanteile an der Beklagten bejaht hat. Die Verneinung eines Einladungsmangels sowie die Annahme hinreichenden freien Kapitals bei der Beklagten zur Zahlung einer Abfindung und die damit einhergehende Abweisung ihres Feststellungsantrags, die Beschlüsse zu TOP 1 und 3 vom 20.05.2020 seien nichtig, nimmt die Klägerin dagegen hin.

Die Klägerin rügt daher nur noch, dass das Landgericht bei der Beurteilung, ob ein Einziehungsgrund vorliege, nicht berücksichtigt habe, dass die Gewerbeuntersagung auf der Nichtbegleichung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen durch Herrn … beruhe, diese wiederum aber auf die Arrestierung des Vermögens des Herrn … zurückzuführen sei. Nicht berücksichtigt habe das Landgericht auch, dass nach der Einlassung des Geschäftsführers der Beklagten nicht die Gewerbeuntersagung, sondern vielmehr das Bestreben, die beabsichtigte Liquidation der Beklagten in Ruhe abwickeln zu können, Grund für die Einziehung gewesen sei. Die Beklagte habe auch nicht darlegen könne, warum die Beklagte nicht handlungsfähig sei, wenn die Klägerin weiterhin Gesellschafterin bleibe. Ferner habe die Beklagte nichts zu den nachteiligen Folgen des Ermittlungsverfahrens vorgetragen. Nachdem die Beklagte lediglich noch in Ruhe abgewickelt werden solle, könne auch die Gefahr eines weiteren Reputationsverlustes durch die Gewerbeuntersagung nicht als Einziehungsgrund herangezogen werden. Schließlich gebe es keine Forderungen von Behörden, insbesondere der BAFIN, die Gesellschafterstellung der Klägerin zu beenden. Übergangen habe das Landgericht (auch) den Vortrag der Klägerin zu den Pflichtverletzungen der übrigen Gesellschafter.

Das Landgericht habe auch nicht Beweis erhoben zur Behauptung der Klägerin, zum Zeitpunkt der Beschlussfassung habe das Ermittlungsverfahren gegen Herrn … kurz vor der Einstellung gestanden.

Die Klägerin beantragt daher, unter Abänderung des am 10. Juni 2021 verkündeten Urteils des Landgerichts München I, Az. 8 HKO 7552/20 die in der außerordentlichen Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 20. Mai 2020 gefassten Beschlüsse, wonach zu TOP 1 die Geschäftsanteile der Klägerin an der Beklagten mit den laufenden Nrn. … bis … aus wichtigem Grund gemäß § 11 Abs. 2 lit. d) der Satzung der Gesellschaft gegen Zahlung eines Verkehrswertes dieser Geschäftsanteile eingezogen worden sind und mit Beschluss zu TOP 3 nach beschlossener Einziehung die verhältniswahrende nominelle Aufstockung der Geschäftsanteile der weiteren Gesellschafter beschlossen wurde, für nichtig zu erklären.

Hilfsweise beantragt die Klägerin: Das Urteil des Landgerichts München I, Az. 8 HKO 7552/20 wird aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht München I zurückverwiesen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil.

Der Senat hat am 01.02.2023 mündlich verhandelt. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung, die zwischen den Prozessbevollmächtigten gewechselten Schriftsätze und den übrigen Akteninhalt wird Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet, da das Landgericht zwar zutreffend von einer Zulässigkeit der Beschlussmängelklage ausging (I.), aber zu Unrecht annahm, es lägen hinreichende Gründe für eine Einziehung der Geschäftsanteile der Klägerin an der Beklagten vor (II.).

Dass in der ersten Instanz von den Parteien (versehentlich) keine Anträge gestellt wurden, hindert den Senat nicht an einer Entscheidung. Denn dadurch, dass die Klägerin nunmehr in der Berufung die Nichtigerklärung der Beschlüsse beantragt, liegt eine auch in der zweiten Instanz mögliche Klageänderung bzw. -erweiterung vor.

I.

Die Klage ist zulässig.

Zwar wurde die Klägerin mit Bestandskraft der gegen ihren damaligen Alleingeschäftsführer Herrn … gerichteten Gewerbeuntersagung vom 19.09.2019 laut Anl. BK 5 am 22.10.2019 führungslos iSd. § 35 Abs. 1 S. 2 GmbHG, da in der Person des damaligen Geschäftsführers … ein Ausschlusstatbestand nach § 6 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 GmbHG vorlag. Infolge dieser Führungslosigkeit war die Klägerin bis zur Bestellung des Herrn … als neuem Geschäftsführer am 12.08.2020 nicht prozessfähig. Da der neue Geschäftsführer aber mit Schreiben vom 09.12.2020 laut Anl. K 5 die Klageeinreichung genehmigte, wurde die Klage wirksam erhoben.

II.

Die Klage ist auch begründet.

1. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Klage rechtzeitig erhoben wurde und nicht schon deshalb unbegründet ist.

In der Satzung der Beklagten ist eine Frist, binnen derer Beschlüsse der Gesellschafterversammlung anzufechten sind, nicht enthalten, sodass die Klage innerhalb einer angemessenen Frist zu erheben ist. Da die Klage binnen eines Monats erhoben wurde und eine kürzere Anfechtungsfrist als die in § 246 Abs. 1 AktG statuierte jedenfalls nicht in Betracht kommt, kann dahinstehen, wie lange eine angemessene Anfechtungsfrist ist.

Zwischen der Fassung der angefochtenen Beschlüsse am 20.05.2020 und der Klageeinreichung am 18.06.2020 lag weniger als ein Monat. Zwar wurde die Klage der Beklagten erst am 06.10.2020 zugestellt, jedoch war dies immer noch „demnächst“ iSd. § 167 ZPO, sodass die Zustellung auf den Zeitpunkt der Einreichung zurückwirkte.

Eine Zustellung „demnächst“ nach Eingang des Antrags oder der Erklärung bedeutet eine Zustellung innerhalb einer nach den Umständen angemessenen, selbst längeren Frist, wenn die Partei oder ihr Prozessbevollmächtigter unter Berücksichtigung der Gesamtsituation alles Zumutbare für die alsbaldige Zustellung getan hat. Die Zustellung ist dagegen nicht mehr „demnächst“ erfolgt, wenn die Partei, der die Fristwahrung obliegt, oder ihr Prozessbevollmächtigter durch nachlässiges – auch leicht fahrlässiges – Verhalten zu einer nicht bloß geringfügigen Zustellungsverzögerung beigetragen hat. Hat der Veranlasser die Zustellung nicht vorwerfbar verzögert oder fällt ihm nur eine geringfügige Verzögerung zur Last, überwiegen regelmäßig seine Interessen gegenüber den Belangen des Zustellungsadressaten. Bei der Bemessung einer Verzögerung ist auf die Zeitspanne abzustellen, um die sich der ohnehin erforderliche Zeitraum für die Zustellung der Klage als Folge der Nachlässigkeit des Klägers verzögert. Dem Zustellungsveranlasser zuzurechnende Verzögerungen von bis zu 14 Tagen gelten regelmäßig als geringfügig und sind deshalb hinzunehmen (BGH, Urteil vom 10.12.2019 – II ZR 281/18, Rdnr. 8).

Nachdem ein Kläger den Gerichtskostenvorschuss nicht von sich aus mit der Klage einzureichen braucht, sondern vielmehr die Anforderung des Gerichts abwarten kann, und die Klägerin überdies in ihre Klageschrift auch bereits eine Streitwertangabe aufgenommen hatte (was im Rahmen des § 167 ZPO nach § 253 Abs. 3 Nr. 2 ZPO noch nicht einmal erforderlich gewesen wäre), stellt die Ausnutzung der ihr mit Verfügung vom 22.06.2020 vom Landgericht gesetzten Frist von zwei Wochen ab Zustellung der Verfügung, weitere Ausführungen zum Streitwert zu machen, keine der Klägerin zuzurechnende Verzögerung der Zustellung dar. Es kann insoweit auch dahinstehen, ob die mit Schriftsatz des Klägervertreters vom 13.07.2020 (Bl. 12/13 d.A.), eingegangen beim Landgericht per beA am selben Tag, beantragte und vom Landgericht gewährte Fristverlängerung um zwei Wochen eine der Klägerin zuzurechnende Verzögerung bewirkt hat. Denn selbst wenn man diesbezüglich von einer der Klägerin zuzurechnenden Verzögerung ausgehen sollte, hätte diese jedenfalls nur vierzehn Tage und damit nicht mehr als vierzehn Tage betragen und wäre deshalb für eine Rückwirkung nach § 167 ZPO noch unschädlich gewesen. Eine weitere Verzögerung ist der Klägerin nämlich nicht mehr zuzurechnen, da der Kostenvorschuss am 07.08.2020 auf dem Konto der Landesjustizkasse eingegangen war, nachdem das Landgericht den Streitwert mit Beschluss vom 28.07.2020 festgesetzt und die Landesjustizkasse den Vorschuss mit Schreiben vom 29.07.2020, das beim Klägervertreter am 05.08.2020 eingegangen war, angefordert hatte. Die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs BGH (vgl. Urteil vom 10.12.2019 – II ZR 281/18, Rdnrn 10 und 11) einem Kläger zuzubilligenden Handlungszeiträume sind damit ohne weiteres eingehalten. Dass sich nach Einzahlung des Vorschusses durch die Klägerin am 07.08.2020 die Zustellung der Klage noch bis 06.10.2020 hinzog, ist nicht der Klägerin zuzurechnen, sondern allein darauf zurückzuführen, dass die Landesjustizkasse dem Landgericht den Zahlungseingang verspätet meldete. Mangels einer der Klägerin zuzurechnenden Verzögerung der Zustellung um mehr als vierzehn Tage, ist deshalb für die Rückwirkung nach § 167 ZPO ohne Bedeutung, dass zwischen der Beschlussfassung am 20.05.2020 und der Zustellung am 06.10.2020 insgesamt mehr als viereinhalb Monate lagen.

2. Entgegen der Ansicht des Landgerichts liegt ein Einziehungsgrund iSd. § 11 Abs. 2 GV nicht vor, sodass der Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 20.05.2020 zu TOP 1 anfechtbar ist.

Nachdem in die Geschäftsanteile der Klägerin an der Beklagten unstreitig keine Zwangsvollstreckung erfolgte (§ 11 Abs. 2 lit a GV), kommt von den in § 11 Abs. 2 GV aufgeführten Einziehungstatbeständen allein § 11 Abs. 2 lit d S. 1 GV in Betracht, wonach für eine Einziehung ein „in der Person des Gesellschafters ein seine Ausschließung rechtfertigender Grund“ vorliegen muss. § 11 Abs. 2 lit d S. 2 GV nennt als Beispiel für einen solchen Grund („insbesondere“) die vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung einer Verpflichtung, die dem Gesellschafter, dessen Geschäftsanteil eingezogen werden soll, nach dem Gesellschaftsvertrag oder einer anderen zwischen den Gesellschaftern mit Rücksicht auf die Gesellschaft getroffenen Vereinbarung obliegt.

Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Ausschließung eines Gesellschafters, auf die § 11 Abs. 2 lit d S. 1 GV Bezug nimmt, nur zulässig, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, was wiederum dann der Fall ist, wenn ein Verbleiben des Gesellschafters in der Gesellschaft die gedeihliche Fortführung des Unternehmens in Frage stellen würde oder wenn aus sonstigen Gründen die Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses mit ihm für die übrigen Gesellschafter unzumutbar ist (vgl. die Nachweise aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei Strohn in Münchener Kommentar zum GmbHG, 4. Auflage, München 2022, Rdnr. 134 zu § 34 GmbHG).

Ein solcher wichtiger Grund liegt jedoch nicht vor.

a. Das gegen den Alleingesellschafter und Geschäftsführer zum Zeitpunkt der Beschlussfassung noch laufende Ermittlungsverfahren sowie die Arrestierung aller seiner Vermögenswerte einschließlich seiner Anteile an der Klägerin im Zuge dieses Ermittlungsverfahrens können einen Einziehungsgrund nicht (mehr) begründen. Zwar gilt für die Zwangseinziehung § 626 Abs. 2 BGB nicht analog; sie scheidet aber aus, wenn die übrigen Gesellschafter durch längere Fortsetzung der Zusammenarbeit zu erkennen gegeben haben, dass sie dem Einziehungsgrund keine Bedeutung mehr beimessen (vgl. Görner in Rowedder/Pentz, GmbHG, 7. Auflage, München 2022, Rdnr. 30 zu § 34 GmbHG). Sowohl das Ermittlungsverfahren gegen Herrn … als auch die Arrestierung aller seiner Vermögenswerte war – wie sich der Tagesordnung der außerordentlichen Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 25.10.2018 laut Anl. K 10 entnehmen lässt – bereits im Jahr 2018 Grund für die anderen Gesellschafter, die Einziehung der Geschäftsanteile der Klägerin auf die Tagesordnung zu setzen. In dem damaligen Beschlussvorschlag wurde auch der durch das Ermittlungsverfahren gegen Herrn … der Beklagten drohende Verlust ihres Geschäfts angeführt. Die Beklagte sei nämlich als Holdinggesellschaft tätig gewesen und habe ihre Erlöse über ihre Tochtergesellschaften generiert, die bestimmte Funktionen in verschiedenen Fondsstrukturen ausübten, die durch die … AG (…AG) als externe Kapitalverwaltungsgesellschaft aufgesetzt und verwaltet würden. Zu diesen von der …AG aufgesetzten Investmentfonds gehöre auch der „…“-Fonds. Infolge des Ermittlungsverfahrens gegen Herrn … hätten zwei Großinvestoren des …-Fonds angedroht, ihre Beteiligungen an dem Fonds zu kündigen, wenn nicht die Beteiligung des Herrn … an der Beklagten bis Ende 2018 beendet würde. Aufgrund der mittelbaren Beteiligung des Herrn … an der Beklagten hätte auch die BAFIN angekündigt, dass die …AG keine Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb als … erhalten würde. Durch die Betrugsvorwürfe gegen Herrn … hätte die Beklagte auch einen „erheblichen, irreparablen Reputationsverlust“ erlitten, sodass die Beklagte kein Neugeschäft mehr akquirieren könne. Auch hätten potentielle Fremdkapitalgeber der Beklagten mitgeteilt, dass aufgrund der Beteiligung von Herrn … die Gesellschaften der …-Gruppe zukünftig kein weiteres Fremdkapital erhalten würden.

Da die Gesellschafter in der außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 25.10.2018 zwar eine Neustrukturierung des …-Fonds und der an dessen „Administration beteiligten Einheiten“ beschlossen, von der Einziehung der Geschäftsanteile des Herrn … an der Beklagten, die TOP 2 der Tagesordnung vom 25.10.2018 bildete, jedoch absahen, waren die Gesellschafter der Beklagten schon im Oktober 2018 der Ansicht, dass das Ermittlungsverfahren, die Arrestierung der Vermögenswerte des Herrn … und die Auswirkungen dieser Umstände auf das Geschäft der Beklagten keinen hinreichenden Grund für eine Einziehung bildeten.

Zwar hat die Beklagte in erster Instanz vortragen lassen, dass das Strafverfahren gegen Herrn … „weder von Ausmaß und Dauer noch vom Inhalt her im Jahr 2018 vollumfänglich bekannt“ gewesen sei (Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 27.04.2021, S. 2 letzter Absatz, Bl. 46 d.A.). Es ist jedoch nicht ersichtlich, inwiefern dies eine Unzumutbarkeit des Verbleibens der Klägerin in der Beklagten für die anderen Gesellschafter begründen soll, nachdem der Geschäftsführer der Beklagten in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt hat, dass im Jahr 2018 die Anteile der Klägerin nicht eingezogen worden seien, weil Herr … sich damit einverstanden erklärt habe, dass das Immobiliengeschäft abgespalten werde und die Motivation für die Beschlüsse im Mai 2020 vielmehr gewesen sei, dass die Beklagte keine Zukunft mehr habe und deshalb in Ruhe abgewickelt werden solle (vgl. S. 3 Mitte des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 05.05.2021, B. 58 d.A.). Durch die aufgrund der Gesellschafterbeschlüsse zu TOP 1 und 3 in der Versammlung vom 25.10.2018 erfolgte Umstrukturierung der Unternehmensgruppe war demnach die Gefährdung der Geschäftsinteressen der Gesellschafter infolge des Ermittlungsverfahrens gegen Herrn … behoben. Dass diese Gefahrausräumung auch endgültig war, folgt daraus, dass die Beklagte nach den Angaben ihres Geschäftsführers … in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 05.05.2021 zumindest seit dem Jahr 2020 gar kein nennenswertes Geschäft mehr hatte und deshalb schon seinerzeit liquidiert werden sollte (was zwischenzeitlich auch tatsächlich erfolgte).

b. Die Gewerbeuntersagung vom 19.09.2019, die zum Zeitpunkt der Gesellschafterversammlung vom 25.10.2018 noch nicht ergangen war und deshalb auch nicht berücksichtigt werden konnte, bildet ebenfalls keinen wichtigen Grund für eine Ausschließung der Klägerin.

aa. Die gegenüber Herrn … ausgesprochene Gewerbeuntersagung vom 19.09.2019 stützt sich nämlich ausweislich des Untersagungsbescheids laut Anl. BK 5 ausschließlich auf die Nichtbegleichung von Verbindlichkeiten der … (DE) GmbH, deren Geschäftsführer Herr … war, gegenüber u.a dem Steuerfiskus und Sozialversicherungsträgern. Diese Nichtbegleichung wiederum stand unstreitig in unmittelbarem Zusammenhang mit der Arrestierung des Vermögens im Zuge des gegen Herrn … gerichteten Ermittlungsverfahrens. Diese führte nämlich dazu, dass Herr … gegen ihn sowie gegen Gesellschaften, an denen er beteiligt war, gerichtete Forderungen nicht mehr bedienen konnte (den diesbezüglichen Vortrag der Klägerin im Schriftsatz des Klägervertreters vom 07.01.2021, S. 11 dritter Absatz, Bl. 40 d.A. und in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht, vgl. S. 2, vorletzter Absatz des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 05.05.2021, Bl. 57 d.A., hat die Beklagte nicht bestritten). Die Arrestierung war den anderen Gesellschaftern jedoch bereits seit 2018 bekannt und auch Gegenstand der außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 25.10.2018, ohne dass die anderen Gesellschafter deswegen eine Einziehung der Geschäftsanteile der Klägerin für notwendig erachtet hätten, sodass der der Gewerbeuntersagung zugrunde liegenden Sachverhalt jedenfalls bei Fassung der streitgegenständlichen Beschlüsse aus den oben dargelegten Gründen nicht mehr als Einziehungsgrund dienen konnte.

bb. Auch aus der Wirkung der Gewerbeuntersagung für Herrn …, nämlich dem Verbot gemäß § 35 Abs. 1 GewO, Beratungsdienstleistungen auszuüben und gemäß § 35 Abs. 1 und 7 a GewO als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden tätig zu werden, folgt im Verhältnis zu den anderen Gesellschaftern der Beklagten kein Grund für die Einziehung der Anteile der Klägerin an der Beklagten. Denn Herr … war für die Beklagte nicht als Geschäftsführer tätig und sollte dies bis zum Beschlussfassungszeitpunkt auch nicht werden.

cc. Der Senat verkennt nicht, dass es sich bei der Klägerin um eine Einpersonengesellschaft mit Herrn … als Alleingesellschafter handelt, sodass die Willensbildung in der Klägerin ausschließlich durch Entschluss des Herrn … erfolgt und deshalb – auch wenn mittlerweile ein neuer Geschäftsführer der Klägerin bestellt ist – Herr … weiter allein die Geschäfte der Klägerin bestimmen kann. Gegen die Klägerin, die als juristische Person selbst Gewerbetreibende iSd. § 35 Abs. 1 GewO ist (vgl. Ennuschat in ders./Wank/Winkler, Gewerbeordnung, 9. Auflage, München 2020, Rdnr. 94 zu § 35 GewO), wurde jedoch – anders als gegen die … (DE) GmbH – keine Gewerbeuntersagung angeordnet, sodass die Klägerin unbeschadet der Gewerbeuntersagungen gegen die … (DE) GmbH und gegen Herrn … weiterhin ihr Gewerbe betreiben kann. Da der Gesellschafter einer GmbH aber nicht aufgrund seiner Gesellschafterstellung zum Gewerbetreibenden wird (dies ist nur der Fall, wenn die GmbH dem Gesellschafter als Strohmann dient, vgl. Ennuschat, aaO, wofür es streitgegenständlich jedoch keine Anhaltspunkte gibt), ist Herrn … die Verwaltung seiner Anteile an der Klägerin als Ausfluss seiner Gesellschafterstellung nicht untersagt. Da die Klägerin selbst gewerberechtlich nicht als unzuverlässig gilt, ist den anderen Gesellschaftern der Beklagten die Zusammenarbeit mit ihr weiterhin zumutbar.

c. Die Einziehung der Geschäftsanteile der Klägerin lässt sich auch nicht auf die seit 22.10.2019 eingetretene und bis zur Beschlussfassung am 20.05.2020 fortbestehende Führungslosigkeit der Klägerin stützen. Denn es ist nicht ersichtlich, inwiefern dadurch die Interessen der anderen Gesellschafter der Beklagten beeinträchtigt worden sein sollen. Die Beklagte hat insoweit nicht einmal behauptet, dass die Führungslosigkeit der Klägerin die Fassung von Beschlüssen in der Beklagten gehindert hätte. Im Übrigen hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 05.05.2021 selbst vorgetragen, dass die Beklagte abgewickelt werden solle (vgl. S. 3 Mitte des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht, Bl. 58 d.A.).

d. Schließlich begründet auch der in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht gehaltene Vortrag der Beklagten (vgl. S. 3 Mitte des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht, Bl. 58 d.A.), wonach die BAFIN gefordert habe, alle gesellschaftsrechtlichen Beziehungen zu Herrn … zu beenden, keine Einziehung. Denn diese Forderung betraf nicht die Beklagte, sondern die … AG, bei der Herr … die Hälfte der Aktien hält und die mit der Beklagten „unmittelbar nichts zu tun hat“.

Auch in der Gesamtschau und -abwägung der Umstände gibt es daher keinen wichtigen Grund, der eine Ausschließung der Klägerin und damit gemäß § 11 Abs. 2 lit d GV eine Einziehung der Geschäftsanteile der Klägerin ohne deren Zustimmung rechtfertigen würde.

3. Da der Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 20.05.2020 zu TOP 3 unmittelbare Folge der unter TOP 1 beschlossenen Einziehung der Geschäftsanteile der Klägerin an der Beklagten ist, diese Einziehung aber rechtswidrig war, kann auch die unter TOP 3 erfolgte Beschlussfassung keinen Bestand haben.

Nach alledem waren daher auf die Berufung der Klägerin unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung vom 20.05.2020 zu TOP 1 und 3 für nichtig zu erklären.

C.

Der Ausspruch zu den Kosten beruht auf 91 § ZPO, da die Beklagte zur Gänze unterlag.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da ein Zulassungsgrund nicht besteht.

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