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Verkehrsunfall – Unterschied (Schuld-)Anerkenntnis und beweiserhebliches Schuldbekenntnis

Schuld oder Schuldbekenntnis? Verkehrsunfall im Fokus

Das Oberlandesgericht Hamm hat die Berufung der Klägerin im Fall eines Fahrradunfalls abgewiesen. Ein Anspruch auf Schmerzensgeld und Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten wurde verneint, da weder ein wirksames Schuldanerkenntnis noch eine Sorgfaltspflichtverletzung der Beklagten festgestellt werden konnte. Die Äußerungen der Beklagten am Unfallort wurden nicht als rechtsverbindliche Anerkenntniserklärung gewertet.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: I-7 U 121/22   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Berufung abgewiesen: Die Klage der Klägerin fand beim OLG Hamm keinen Erfolg.
  2. Kein Anspruch auf Schmerzensgeld: Ein rechtlicher Anspruch der Klägerin auf Schmerzensgeld wurde verneint.
  3. Fehlendes Schuldanerkenntnis: Die Äußerungen der Beklagten am Unfallort stellen kein wirksames Schuldanerkenntnis dar.
  4. Keine Sorgfaltspflichtverletzung: Ein Sorgfaltspflichtverstoß der Beklagten konnte nicht nachgewiesen werden.
  5. Wertung der Äußerungen: Äußerungen direkt nach dem Unfall wurden nicht als rechtsverbindlich betrachtet.
  6. Persönliche Angaben nicht gleich Schuldeingeständnis: Die Angabe von Personalien durch die Beklagte bedeutet kein Eingeständnis der Schuld.
  7. Beweislast: Die Beweislast für eine Sorgfaltspflichtverletzung lag bei der Klägerin.
  8. Bindung an erstinstanzliche Feststellungen: Das Berufungsgericht ist an die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts gebunden, solange keine konkreten Anhaltspunkte dagegen sprechen.

Verkehrsrecht: Schuldfrage bei Unfällen

Verkehrsunfall: Schuld- und Schuldbekenntnis im Vergleich
(Symbolfoto: Freedomz /Shutterstock.com)

Im Bereich des Verkehrsrechts stellt die Klärung von Schuldfragen bei Verkehrsunfällen eine zentrale Herausforderung dar. Insbesondere die Unterscheidung zwischen einem (Schuld-)Anerkenntnis und einem beweiserheblichen Schuldbekenntnis spielt dabei eine entscheidende Rolle. Diese Begriffe sind von großer Bedeutung, da sie maßgeblich über rechtliche Ansprüche wie Schmerzensgeld oder Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten entscheiden können.

In der rechtlichen Praxis kommt es häufig zu Situationen, in denen die Interpretation von Äußerungen und Verhaltensweisen an Unfallorten rechtlich bewertet werden muss. Dabei ist insbesondere die Frage relevant, inwieweit solche Äußerungen als verbindliche Schuldeingeständnisse gewertet werden können. Die Details eines solchen Falles, verhandelt vor dem OLG Hamm, bieten interessante Einblicke in die juristische Bewertung dieser Thematik. Begleiten Sie uns in die Welt des Verkehrsrechts, um zu erfahren, wie das Gericht in einem spezifischen Fall zwischen Anerkenntnis und Schuldbekenntnis differenziert und welche Auswirkungen dies auf die beteiligten Parteien hat.

Der Fall des Fahrradunfalls und seine juristischen Wendungen

Am Oberlandesgericht Hamm wurde der Fall eines Fahrradunfalls verhandelt, bei dem es um die Frage des Schadensersatzanspruchs ging. Ausgangspunkt war der Unfall vom 22. September 2020, bei dem die Klägerin behauptete, die Beklagte sei schuld an ihren Verletzungen. Die Besonderheit dieses Falles lag in der Unterscheidung zwischen einem (Schuld-)Anerkenntnis und einem beweiserheblichen Schuldbekenntnis. Die Klägerin stützte ihre Forderung auf Schmerzensgeld und Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten auf die Aussage der Beklagten am Unfallort.

Die rechtliche Bewertung der Aussagen am Unfallort

Das Gericht setzte sich intensiv mit den am Unfallort getätigten Äußerungen der Beklagten auseinander. Die Beklagte hatte ihre Personalien angegeben und geäußert, „Es tut mir leid. Das habe ich nicht gewollt.“ Die Klägerin sah darin ein Schuldanerkenntnis. Das Gericht prüfte, ob diese Aussage als abstraktes Schuldanerkenntnis im Sinne des § 781 BGB gewertet werden könnte, was jedoch aufgrund fehlender Schriftform verneint wurde. Weiterhin wurde geprüft, ob es sich um ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis handelte, das ein bestehendes Schuldverhältnis bestätigt. Auch hier verneinte das Gericht, da kein entsprechender Rechtsbindungswille der Beklagten erkennbar war.

Beweislast und ihre Auswirkungen im Verkehrsrecht

Das Gericht beschäftigte sich weiterhin mit der Frage der Beweislast. Im Verkehrsrecht ist es oft entscheidend, wer die Beweislast trägt und wie die Beweisführung erfolgt. Im vorliegenden Fall lag die Beweislast bei der Klägerin, die einen Sorgfaltspflichtverstoß der Beklagten nachweisen musste. Das Gericht stellte fest, dass weder die Äußerungen der Beklagten noch ihr weiteres Verhalten als Schuldbekenntnis gewertet werden konnten. Es wurde deutlich, dass solche Äußerungen in der ersten Aufregung nach einem Unfall häufig nicht als rechtsverbindliche Anerkenntniserklärung anzusehen sind.

Endgültiges Urteil des OLG Hamm und seine Gründe

Schließlich entschied das Oberlandesgericht Hamm, die Berufung der Klägerin gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO als unbegründet zurückzuweisen. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass die Klägerin keinen rechtlichen Anspruch auf Schmerzensgeld und Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten hatte. Es wurde auch festgestellt, dass die Aussagen und das Verhalten der Beklagten am Unfallort nicht ausreichten, um ein Schuldanerkenntnis zu begründen. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wurde auf 18.000,00 EUR festgesetzt.

In diesem Urteil spiegelt sich die Komplexität und die Wichtigkeit der genauen Betrachtung und Bewertung von Äußerungen und Verhalten an Unfallorten im Verkehrsrecht wider. Es zeigt, dass nicht jede Äußerung unmittelbar nach einem Unfall als Schuldeingeständnis gewertet werden kann und dass die Beweislast eine entscheidende Rolle in solchen Fällen spielt. Dieser Fall unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen rechtlichen Analyse in Verkehrsunfallangelegenheiten und bietet wertvolle Einsichten für ähnliche Fälle.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was ist der rechtliche Unterschied zwischen einem Schuld-Anerkenntnis und einem beweiserheblichen Schuldbekenntnis?

Ein Schuldanerkenntnis und ein beweiserhebliches Schuldbekenntnis sind zwei verschiedene rechtliche Konzepte, die sich in ihrer Wirkung und ihrem Zweck unterscheiden.

Ein Schuldanerkenntnis ist im Schuldrecht ein Anerkenntnis mittels Vertrag durch den Schuldner gegenüber seinem Gläubiger. Es hat beispielsweise den Inhalt: „Ich erkenne an, dem Gläubiger X Euro Y am Fälligkeitstag Z zu schulden“. Das Schuldanerkenntnis unterscheidet sich vom Schuldversprechen lediglich durch die sprachliche Fassung. Ein Schuldversprechen lautet: „Ich verpflichte mich, dem Gläubiger X Euro Y am Fälligkeitstag Z zu zahlen“. Ist das ursprüngliche Grundgeschäft gar nicht erwähnt, liegt stets ein abstraktes Schuldanerkenntnis vor. Das dem abstrakten Schuldanerkenntnis eng verbundene Schuldversprechen ist ein Vertrag, durch den eine Leistung in der Weise versprochen wird, dass das Versprechen die Leistung selbständig begründen soll (§ 780 BGB). Die Formvorschriften und die Rechtsfolgen sind dieselben wie beim abstrakten Schuldanerkenntnis, so dass es oftmals eine Formulierungsfrage ist, welche Art von Schuld vorliegt.

Ein beweiserhebliches Schuldbekenntnis hingegen ist ein Begriff, der in der Regel im Kontext von Strafverfahren verwendet wird. Es handelt sich dabei um eine Aussage oder ein Geständnis, das als Beweis für eine bestimmte Tathandlung oder Schuld verwendet werden kann. Im Gegensatz zum Schuldanerkenntnis, das eine vertragliche Verpflichtung begründet, dient das beweiserhebliche Schuldbekenntnis vor allem dazu, Beweise in einem Gerichtsverfahren zu liefern.

Es ist zu betonen, dass diese beiden Begriffe in verschiedenen rechtlichen Kontexten verwendet werden und unterschiedliche Auswirkungen haben. Ein Schuldanerkenntnis ist ein zivilrechtliches Konzept, das eine Schuld begründet und zur Zahlung verpflichtet, während ein beweiserhebliches Schuldbekenntnis ein strafrechtliches Konzept ist, das als Beweis in einem Gerichtsverfahren dient.

Inwiefern beeinflusst die Schriftform die Gültigkeit eines abstrakten Schuldanerkenntnisses?

Die Schriftform beeinflusst die Gültigkeit eines abstrakten Schuldanerkenntnisses insofern, als sie gemäß § 781 BGB für die Wirksamkeit des Vertrags erforderlich ist. Das bedeutet, dass die Anerkennungserklärung des Schuldners schriftlich erteilt werden muss, um ein gültiges abstraktes Schuldanerkenntnis zu begründen. Die elektronische Form ist dabei ausgeschlossen. Wenn die Schriftform nicht eingehalten wird, ist das abstrakte Schuldanerkenntnis unwirksam.

Es ist zu erwähnen, dass das Schriftformerfordernis des § 781 BGB für Kaufleute nicht gilt. Sie können eine solche Erklärung gemäß § 350 Handelsgesetzbuch (HGB) auch in anderer Form abgeben.

Was bedeutet ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis in Bezug auf bestehende Schuldverhältnisse?

Ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis, auch kausales Schuldanerkenntnis genannt, ist eine rechtliche Handlung, bei der eine Partei eine bereits bestehende Schuld bestätigt. Es hat seine Grundlage in der Vertragsfreiheit (§ 311 Abs. 1 BGB) und ist ein vertragliches kausales Anerkenntnis, mit dem eine bestehende Schuld lediglich bestätigt wird.

Der Zweck eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses besteht darin, das Schuldverhältnis insgesamt oder in einzelnen Punkten dem Streit oder der Ungewissheit der Parteien zu entziehen und es insoweit endgültig festzulegen. Es setzt voraus, dass die Vertragsparteien das Schuldverhältnis ganz oder teilweise dem Streit oder der Ungewissheit der Parteien entziehen und es endgültig festlegen wollen.

Im Gegensatz zum abstrakten Schuldanerkenntnis, bei dem eine neue Verbindlichkeit begründet wird, bestätigt ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis lediglich eine bestehende Schuld. Es dient häufig dem Zweck, einen rechtlichen Streit abzuwenden oder Unklarheiten zu beseitigen.

Es ist zu beachten, dass das deklaratorische Schuldanerkenntnis formlos gültig ist und nicht kondizierbar ist. Es führt zur Umkehr der Beweislast und schließt den Schuldner mit allen Einwendungen und Einreden aus.

Ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis ist nur gerechtfertigt, wenn die Beteiligten dafür unter den konkreten Umständen einen besonderen Anlass hatten, weil zuvor Streit oder zumindest eine (subjektive) Ungewissheit über das Bestehen der Schuld oder über einzelne rechtliche Punkte herrschte.

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Das vorliegende Urteil

OLG Hamm – Az.: I-7 U 121/22 – Beschluss vom 02.02.2023

Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

Es ist beabsichtigt, den Streitwert des Berufungsverfahrens auf 18.000,00 EUR festzusetzen.

Es wird der Klägerin Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen nach Zugang dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.

Gründe

I.

Die zulässige klägerische Berufung hat nach übereinstimmender Ansicht im Senat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg; denn der Klägerin steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld und Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten aufgrund des Fahrradunfalls vom 22.09.2020 in A, B-Straße/C, zu. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Im Einzelnen:

1.

Zunächst ergibt sich ein solcher Anspruch nicht aus einem Schuldanerkenntnis der Beklagten, die vor Ort ihre Personalien angegeben hat und nach dem Vortrag der Klägerin nach der Kollision vor Ort geäußert haben soll, „Es tut mir leid. Das habe ich nicht gewollt.“ In dieser – seitens der Beklagten bestrittenen – Aussage ist kein wirksames Schuldanerkenntnis zu sehen.

Ein wirksames abstraktes Schuldanerkenntnis im Sinne des § 781 BGB scheidet schon mangels Einhaltung der Schriftform aus.

Aber auch ein formlos mögliches deklaratorisches Schuldanerkenntnis hat die Beklagte nicht erklärt. Durch ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis wird ein bestehendes Schuldverhältnis bestätigt. Es soll ein Schuldverhältnis insgesamt oder in einzelnen Bestimmungen dem Streit oder der Ungewissheit entziehen, indem es die Berufung auf das Fehlen anspruchsbegründender Tatsachen und das Bestehen rechtshindernder wie -vernichtender Einwendungen und Einreden ausschließt, soweit sie bei Abgabe des Anerkenntnisses bestanden und dem Anerkennenden bekannt waren oder er mit ihnen rechnete (BGH Urt. v. 24.3.1976 – IV ZR 222/74, juris Rn. 17; BGH Urt. v. 1.12.1994 – VII ZR 215/93, juris Rn. 18; BGH Urt. v. 14.10.2004 – VII ZR 190/03, juris Rn. 19). Ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis muss sich nicht auf einen ziffernmäßigen Betrag beziehen, es genügt, wenn die Ersatzpflicht dem Grunde oder dem Verschulden nach anerkannt wird. Dies setzt allerdings einen entsprechenden Rechtsbindungswillen bei dem Erklärenden voraus (Senat Beschl. v. 29.12.2020 – I-7 U 90/20, juris Rn. 17; Senat Beschl. v. 26.02.2021 – I-7 U 16/20, juris Rn. 15).

Der erforderliche Rechtsbindungswille liegt vor, wenn die in der Erklärung verwendeten Formulierungen erkennen lassen, dass die Parteien ihre aus dem Haftpflichtfall folgenden Rechtsbeziehungen durch eigene Regelung verbindlich festlegen wollen (Bacher in: Geigel, Haftpflichtprozess, 28. Aufl. 2020, Kapitel 37 Rn. 11). Ein Indiz für das Vorliegen von Rechtsbindungswillen kann aus den Umständen, unter denen die Erklärung abgegeben worden ist, folgen. Mündliche Äußerungen, die in der ersten Aufregung an der Unfallstelle abgegeben werden, können im Allgemeinen nicht als rechtsverbindliche Anerkenntniserklärung gewertet werden (Rebler, Erklärungen am Unfallort, ZfS 2019, 12). Vielmehr sind solche Äußerungen zur Verursachung oder zum Verschulden des Verkehrsunfalls regelmäßig durch die Aufregung nach dem Unfall veranlasst und nicht Ausdruck des Willens, eine – zudem versicherungsvertragsrechtlich bedenkliche – rechtsverbindliche Erklärung zum Haftpflichtfall abzugeben (Senat Beschl. v. 29.12.2020 – I-7 U 90/20, juris Rn. 18; Senat Beschl. v. 26.02.2021 – I-7 U 16/20, juris Rn. 16; Walter in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand 01.01.2022, § 16 StVG Rn. 16).

Gleiches gilt hier. Dass die Parteien bereits vor Ort über die Verantwortlichkeit für den Sturz stritten, haben die Parteien und Zeugen nicht berichtet. Dass die Beklagte in dieser Situation unmittelbar nach dem Vorfall mit Rechtsbindungswillen erklären wollte, der Klägerin auf Schmerzensgeld und Schadensersatz zu haften, ist ihrer Aussage nicht zu entnehmen. Eine Auslegung der behaupteten Erklärung der Beklagten nach dem Empfängerhorizont ergibt lediglich, dass sie ihr Bedauern darüber ausdrücken wollte, dass die Klägerin sich – bei einer gegebenenfalls möglichen Unfallbeteiligung der Beklagten – verletzt hatte. Dies erfolgte allein deshalb, weil die Klägerin in Gegenwart der Beklagten mit ihrem Pedelec gestürzt war und ist nicht mit der Erklärung der Beklagten, den Vorfall (allein) schuldhaft verursacht zu haben, zu verwechseln.

Auch dem Umstand, dass die Beklagte ihre Personalien angegeben hat, lässt sich kein solcher Erklärungswert beimessen. Denn hierzu war sie verpflichtet, wollte sie sich nicht des Vorwurfs des unerlaubten Entfernens vom Unfallort aussetzen. Gemäß § 142 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer sich als Unfallbeteiligter nach einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt, bevor er zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, dass er an dem Unfall beteiligt ist, ermöglicht hat. Unfallbeteiligter i. S. v. § 142 StGB ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls durch ein Verhalten in der konkreten Unfallsituation beigetragen haben kann. Die bloße Möglichkeit ursächlichen Verhaltens und der nicht ganz unbegründete Verdacht genügen (Niehaus in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 142 StGB Rn. 13 (Stand: 20.04.2022). Mit der Angaben ihrer Personalien brachte die Beklagte danach nur zum Ausdruck, als dass die bloße Möglichkeit ursächlichen Verhaltens bestand, nicht jedoch, dass sie tatsächlich einräumte, den Unfall verursacht zu haben.

Ebenso wenig kann die Klägerin aus dem Umstand, dass das gegen die Beklagte eingeleitete Ermittlungsverfahren mit deren Zustimmung gemäß § 153a StPO gegen die Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 200,00 EUR eingestellt worden ist, etwas für sich herleiten, denn in der Zustimmung liegt kein Schuldeingeständnis (BVerfG Beschluss v. 16.1.1991 – 1 BvR 1326/90, NJW 1991, 1530; Peters in: Münchener Kommentar zur StPO, 1. Aufl. 2016, § 153a Rn. 22). Zudem hat die Beklagte im Rahmen ihrer Zustimmung ausdrücklich zum Ausdruck gebracht, dass die Zustimmung allein im Erledigungsinteresse erfolge und nicht als zivilrechtliches Schuldanerkenntnis zu verstehen sei (Anlage SR 1, Bl. 38 der erstinstanzlichen elektronischen Akte).

2.

Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte folgt zudem weder aus § 823 Abs. 1 BGB, aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 229 StGB noch aus anderem Grund, denn die Klägerin hat den Nachweis einer Sorgfaltspflichtverletzung der Beklagten nicht zu führen vermocht.

a)

Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin eine unfallursächliche schuldhafte Sorgfaltspflichtverletzung darzulegen und zu beweisen hat. Denn in der von der Klägerin behaupteten Äußerung und dem weiteren unstreitigen Verhalten der Beklagten liegt auch kein zu einer Beweislastumkehr führendes Zeugnis der Beklagten gegen sich selbst.

Ein rechtlich nicht bindendes Anerkenntnis kann in der Form eines so genannten Schuldbekenntnisses erfolgen. Typisches Beispiel sind Äußerungen zu tatsächlichen Umständen an der Unfallstelle. Es kann auch in sonstiger Weise erteilt werden. Es genügt jedes tatsächliche Verhalten des Schuldners gegenüber dem Gläubiger, aus dem sich das Bewusstsein vom Bestehen der Forderung unzweideutig entnehmen lässt (Bacher in: Geigel, Haftpflichtprozess, 28. Aufl. 2020, Kapitel 37 Rn. 26 f.). Sowohl ein Schuldbekenntnis als auch ein tatsächliches Anerkenntnis können zu einer Umkehr der Beweislast führen, wenn der Anerkennende im Einzelfall ein „Zeugnis gegen sich selbst“ abgegeben hat und später davon abrücken möchte.

Auch ein solches Schuldbekenntnis hat die Beklagte jedoch nicht abgegeben. Insbesondere hat sie sich vor Ort nicht zu tatsächlichen Umständen erklärt. Sie hat nicht eingestanden, ohne Handzeichen plötzlich und unvermittelt nach rechts abgebogen und deshalb mit der Klägerin kollidiert zu sein. Einen solchen Inhalt hat die von der Klägerin behauptete Äußerung nicht. Auch dem übrigen Verhalten der Beklagten (Mitteilen der Personalien, Zustimmung zu einer Einstellung) lässt sich nach dem oben Ausgeführten das Bewusstsein vom Bestehen der Forderung nicht unzweideutig entnehmen. Mehr als die bloße Unfallbeteiligung i. S. d. § 142 StGB hat die Beklagte nicht eingestanden.

b)

Die erstinstanzliche Feststellung, dass ein – von der Klägerin zu beweisender – Sorgfaltspflichtverstoß der Beklagten nicht erwiesen ist, ist für den Senat bindend.

aa)

Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, die die in dieser Bestimmung angeordnete Bindung des Berufungsgerichts an die erstinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem erstinstanzlichen Gericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind. Ein solcher Verfahrensfehler liegt namentlich vor, wenn die Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil den Anforderungen nicht genügt, die von der Rechtsprechung zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelt worden sind. Dies ist der Fall, wenn die Beweiswürdigung unvollständig oder in sich widersprüchlich ist, oder wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BGH Urt. v. 21.6.2016 – VI ZR 403/14, juris Rn. 10).

bb)

Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen, sind vorliegend weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Die Klägerin, die sich in zweiter Instanz nur noch auf die für sie günstige Wirkung eines vermeintlichen Schuldanerkenntnisses oder Schuldbekenntnisses der Beklagten beruft, geht selbst nicht von einem ihr günstigen Ergebnis der persönlichen Anhörung der Parteien und der Vernehmung des Zeugen D im Rahmen der mündlichen Verhandlung erster Instanz aus. Fehler bei der Würdigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der Beweisaufnahme zeigt sie dementsprechend nicht auf. Solche sind auch nicht ersichtlich.

3.

Die Nebenforderungen (Zinsen und vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren) teilen das Schicksal der Hauptforderung.

4.

Mangels Einstandspflicht der Beklagten (dazu oben unter 1. und 2.), ist auch die mit dem Klageantrag zu 2. erhobene Feststellungsklage unbegründet.

II.

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Ferner erfordern weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats. Die maßgebenden Fragen sind solche des Einzelfalles.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung verspricht sich der Senat angesichts dessen, dass es keiner weiteren Beweisaufnahme bedarf, keine neuen Erkenntnisse. Auch ansonsten erscheint eine mündliche Verhandlung nach einstimmigem Votum des Senats nicht geboten.

III.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens setzt sich zusammen aus dem Streitwert für den Berufungsantrag zu 1. in Höhe von 15.000 EUR und dem Streitwert für den Berufungsantrag zu 2. in Höhe von 3.000 EUR (20 % des Wertes des Antrags zu 1.).

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