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Kollision eines Fahrzeugs des fließenden Verkehrs mit der geöffneten Fahrzeugtür

AG Hildesheim – Az.: 46 C 18/11 – Urteil vom 14.10.2011

1.) Die Klage wird abgewiesen.

2.) Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

b.u.v.: Der Streitwert wird auf 1.746,48 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Haftungsquote aus einem Verkehrsunfall, der sich am 04.10.2010 gegen 9.00 Uhr auf der B.. Straße in Bad Salzdetfurth ereignete. Im Rahmen dieses Verkehrsunfalls wurde die geöffnete Fahrertür des klägerischen Fahrzeugs, einem VW Corrado, amtl. Kennzeichen …, durch den vorbeifahrenden, von der Beklagten zu 1) gesteuerten BMW 318i, amtl. Kennzeichen …, der bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert war, beschädigt.

Zum Unfallzeitpunkt parkte der VW Corrado in einer Parkbucht in Höhe B.. Straße .. . Die B.. Straße weist an dieser Stelle zwischen den Fahrbahnrandlinien eine Breite von 6,15 m auf. Der daneben liegende Parkstreifen hat eine Breite von 1,5 m, die sich anschließende Gosse eine Breite von 0,35 m (Lichtbilder Bl. 80 d.A.). An dem Klägerfahrzeug war die Fahrertür geöffnet, die Öffnungsweite ist zwischen den Parteien streitig. Der Zeuge …, Sohn der Klägerin, stand in der geöffneten Tür des Fahrzeugs, um Reisegepäck zu entladen. Die Beklagte zu 1) befuhr die B.. Straße aus Richtung O..straße kommend Richtung Wehrstedt. Beim Passieren des Beklagtenfahrzeugs stieß sie mit ihrer rechten vorderen Fahrzeugzone gegen die Fahrertür des Klägerfahrzeugs.

Die Klägerin verlangt von den Beklagten vollen Ersatz des entstandenen Schadens in Höhe von 3.492,96 EUR, der der Höhe nach zwischen den Parteien unstreitig ist. Die Beklagtenseite hat außergerichtlich bereits 50 % der Schadenssumme, mithin 1.746,48 EUR, reguliert. Weiterhin macht die Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten geltend.

Kollision eines Fahrzeugs des fließenden Verkehrs mit der geöffneten Fahrzeugtür
Symbolfoto: Von Marshalik Mikhail/Shutterstock.com

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagten treffe die volle Haftung für den Verkehrsunfall. Sie behauptet, die Fahrertür des VW Corrado sei weniger als 45 Grad geöffnet gewesen, habe allenfalls 30-40 cm in die Fahrbahn hineingeragt. Die Tür habe bereits einige Sekunden vor dem Aufprall offen gestanden. Ein Vorbeifahren der Beklagten zu 1) sei problemlos möglich gewesen.

Sie beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 1.746,48 EUR nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2010 zu zahlen sowie sie von außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 229,55 EUR freizustellen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie bestreiten die Eigentümerstellung der Klägerin. Sie behaupten, die Fahrertür des VW Corrado sei im Kollisionszeitpunkt weit über 45 Grad geöffnet gewesen. Die Beklagte zu 1) habe einen ausreichenden Sicherheitsabstand eingehalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten

Das Gericht hat zur Frage des Unfallhergangs Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen … sowie Anhörung der Beklagten zu 1). Auf das Sitzungsprotokoll vom 23.05.2011 (Bl. 45-49 d.A.) wird Bezug genommen. Weiterhin ist ein schriftliches  Unfallrekonstruktionsgutachten des Sachverständigen …. eingeholt worden (Bl. 61-83 d.A.).

Die Beiakte des Landkreises Hildesheim, Az. 521.12.001624.5, hat zu Beweiszwecken vorgelegen und ist zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

Mit Beschluss vom 16.09.2011 ist auf übereinstimmenden Antrag der Parteien die Entscheidung im schriftlichen Verfahren gem. § 128 Abs. 2 ZPO angeordnet worden.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Sie hat im Termin vom 23.05.2011 den Fahrzeugbrief im Original vorgelegt, aus dem sich die Eintragung der Klägerin als Halterin ergibt. Dies begründet die Eigentumsvermutung, zumindest wenn – wie hier- die Beklagten sich auf ein pauschales Bestreiten beschränken und keine Hinweise auf abweichende Eigentumsverhältnisse erkennbar sind.

In der Sache selbst stehen der Klägerin aus dem Verkehrsunfall vom 04.10.2010 aber keine weiteren, über den bereits regulierten Betrag in Höhe von 1.746.48 EUR hinausgehenden Schadensersatzansprüche zu, §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1, 17 Abs. 1 StVG, 823 BGB, 115 VVG, 421 BGB. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist eine Haftungsquote, die den Beklagten einen Haftungsanteil von mehr als 50 % zuweist, nicht zu rechtfertigen.

Unstreitig erfolgte der Verkehrsunfall bei dem Betrieb beider Fahrzeuge. Auch wenn das klägerische Fahrzeug ordnungsgemäß geparkt hatte, so befand sich das Fahrzeug durch die Öffnung der Tür noch weiterhin in Betrieb, weil es – wie geschehen – den Verkehr beeinflusst hat (vgl. etwa Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., § 7 Rz. 8).

Das Ereignis ist auch nicht auf höhere Gewalt im Sinne von § 7 Abs. 2 StVG zurückzuführen.

Die Haftung der Beteiligten hängt somit gem. § 17 Abs. 1 und 2 StVG von den jeweiligen Verursachungsbeiträgen unter Berücksichtigung der von beiden am Unfall beteiligten Fahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahr ab. Im Rahmen der gebotenen Abwägung sind dabei neben den bereits feststehenden, d. h. unstreitigen oder zugestandenen Tatsachen, nur bewiesene Umstände zu berücksichtigen; Umstände, die nicht erwiesen sind, die sich also nicht nachweislich auf die Entstehung des Schadens oder seines Umfangs ausgewirkt haben, müssen unberücksichtigt bleiben. Allerdings sind auch die Regeln des Anscheinsbeweises anzuwenden, die sich auf die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast auswirken können, insbesondere, wenn in bestimmten Verkehrssituationen dem einzelnen Verkehrsteilnehmer besondere Sorgfaltspflichten auferlegt sind.

Die Zeuge …, dessen Verhalten der Klägerin zuzurechnen ist, hat gegen die sich aus § 14 Abs. 1 StVO ergebenden gesteigerten Sorgfaltspflichten beim Aussteigen verstoßen. Nach der genannten Vorschrift muss sich derjenige, der aussteigt, so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Der Zeuge war ausgestiegen, stand in der geöffneten Fahrertür und beugte sich in das Fahrzeug hinein. Es kam zu einem Anstoß der rechten Seite des Beklagtenfahrzeugs an der geöffneten Tür. All dies ist unstreitig.

Der Sorgfaltsmaßstab des § 14 Abs. 1 StVO gilt dabei für die gesamte Dauer des Ein- und Aussteigens, also unabhängig davon, dass sich nach den Aussagen des Zeugen und der Beklagten zu 1) wie auch unter Berücksichtigung des eingeholten Unfallrekonstruktionsgutachtens vom 08.07.2011 der genaue zeitliche Öffnungsvorgang der Tür im Nachhinein nicht eindeutig bestimmen lässt. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist der Sorgfaltsmaßstab des § 14 Abs. 1 StVO nicht auf Vorgänge zu beschränken, bei denen sich durch das unvorsichtige Öffnen einer Fahrzeugtür ein Überraschungsmoment für andere Verkehrsteilnehmer ergibt, sondern § 14 Abs. 1 StVO stellt bereits auf das Ein- und Aussteigen als solches ab, da ein solcher Vorgang aus unterschiedlichen Gründen mit erheblichen Gefahren für den fließenden Verkehr verbunden sein kann (vgl. BGH, Urteil vom 06.10.2009, ZR 316/08, Rz. 11, zitiert nach juris).

Der Verstoß gegen § 14 Abs. 1 StVO begründet im Übrigen den Beweis des ersten Anscheins für Sorgfaltspflichtverletzungen des Ein- und Aussteigenden.

Dieser Anschein ist nach der Beweisaufnahme nicht erschüttert worden.

Im Streitfall beruhte der Unfall vielmehr insbesondere auch gerade darauf, dass der Zeuge … beim Aussteigen nicht die nötige Sorgfalt hat walten lassen. Entweder hat er die Tür weiter geöffnet als von Klägerseite behauptet oder diese aber jedenfalls nicht ausreichend festgehalten, um ein weiteres Ausschwenken zu verhindern. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ragte die Fahrertür des klägerischen Fahrzeugs im Kollisionszeitpunkt deutlich in den Fahrbahnbereich hinein. Der Sachverständige geht in seinem Unfallrekonstruktionsgutachten unter Berücksichtigung der Spurenbilder und Schäden an den beteiligten Fahrzeugen von einem Abstand der beiden Fahrzeuglängsseiten von 90-100 cm und einer Überdeckung des Fahrbahnbereiches durch die geöffnete Tür von 75 – 80 cm aus (Anlage 7). Nur so lassen sich aus technischer Sicht insbesondere der Ausriss der äußeren Türverblechung und die Eindrückung der Türhauskante am Klägerfahrzeug widerspruchfrei darstellen. Den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen schließt sich das Gericht nach kritischer Würdigung an. Die festgestellte Türöffnungsweite ist im Übrigen von der Beklagten zu 1) in ihrer Schilderung des Unfalls hiermit übereinstimmend bekundet worden. Die Angaben des Zeugen … sind zum Kerngeschehen der eigentlichen Kollision dagegen weitgehend unergiebig geblieben. Denn er stand im Kollisionszeitpunkt mit dem Rücken zum Unfallgeschehen, hatte keine Sicht auf die Fahrertür des Klägerfahrzeugs, sondern spürte diese allenfalls irgendwie im Bereich seines Steißbeines, ohne dass hieraus konkretere Rückschlüsse etwa zur Frage eines (plötzlichen) Aufschwenkens der Tür, die er als „geschätzt 1/4 geöffnet“ wahrgenommen haben will, gezogen werden könnten.

Die Beklagte zu 1) trifft nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ein nachweisbarer Schuldvorwurf allenfalls als Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO unter Berücksichtigung des Umstandes, dass für sie die geöffnete Tür des Klägerfahrzeugs bereits aus einer Entfernung von 30- 40 m bereits zu sehen war und bei freier Straßenlage ein großräumiges Umfahren des Schwenkbereiches der Tür bei einer Straßenbreite von insgesamt 6,15 m ohne Weiteres möglich gewesen wäre. Nach den Ergebnissen der Beweisaufnahme ist weder ein überraschendes Aufschwenken der Tür des Klägerfahrzeugs auszuschließen noch ist nach dem schriftlichen Sachverständigengutachten von einer höheren Bremsausgangsgeschwindigkeit der Beklagten zu 1) als 50 km/h auszugehen.

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Unter Berücksichtigung der vorgenannten Erwägungen haftet die Klägerin in der Gesamtabwägung der Verursachungsanteile zumindest mit einer (Mithaftungs-)Quote von 50 %.

Die Klage war daher in vollem Umfang, einschließlich der geltend gemachten Nebenforderungen, abzuweisen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr.11, 711 ZPO.

 

 

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