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Kontaktbeschränkungen in § 1a Abs. 2 CoronaVO mit höherrangigem Recht vereinbar

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg – Az.: 1 S 3379/20 – Beschluss vom 11.11.2020

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 15.000,– EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich im vorliegenden Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO gegen § 1a Abs. 2, Abs. 5, Abs. 6 Nr. 10 der Verordnung der Landesregierung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 (Corona-Verordnung – CoronaVO) vom 23.06.2020 in der Fassung der Sechsten Verordnung der Landesregierung zur Änderung der Corona-Verordnung vom 01.11.2020, die am 02.11.2020 in Kraft trat.

Kontaktbeschränkungen in § 1a Abs. 2 CoronaVO mit höherrangigem Recht vereinbar
Symbolfoto: Von Sebastian Reategui/Shutterstock.com

Sie macht geltend, sie sei insbesondere über den privaten Bereich hinaus betroffen, da sie sich als selbständige Heilpraktikerin bei Restaurantbesuchen mit Kollegen auszutauschen pflege. Ihre Eltern seien geschieden und daher würden bei gemeinsamem Familientreffen bereits aus diesem Grund drei Haushalte zusammentreffen. Es sei ihr unmöglich, für die nächsten vier Wochen überhaupt auch nur ein Wochenende zur Erholung wegzufahren. Die angegriffenen Bestimmungen seien rechtswidrig. Sie könnten nicht (mehr) auf §§ 32, 28 IfSG gestützt werden, da nach der Wesentlichkeitstheorie gravierende Grundrechtseingriffe einer gesonderten gesetzlichen Grundlage bedürften. Die Maßnahmen stellten typische Maßnahmen nach Phase I der Pandemiebekämpfung dar. Jedoch sei man bereits seit geraumer Zeit in Phase II eingetreten, in welcher der Schwerpunkt auf verstärkte Testung und Unterbrechung von Infektionsgefahren durch individuelle Quarantänemaßnahmen nach § 30 IfSG gelegt werde. Zudem sei es nicht zulässig, die Maßnahmen an bloße Infektionszahlen zu koppeln. Angesichts der Intensivierung der Grundrechtseingriffe sei zu prüfen, ob nicht verstärkt auf den eigenverantwortlichen Schutz von Risikopersonen zu setzen sei. Die flächendeckende Komplettschließung von Gastronomiebetrieben und das ausnahmslose Beherbergungsverbot seien unverhältnismäßig. Die Kontaktbeschränkungen genügten nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz.

Der Antragsgegner ist dem Antrag entgegengetreten. Die angegriffenen Vorschriften beruhten auf einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage und entsprächen den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO in der Besetzung mit drei Richtern (§ 9 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO). Die Besetzungsregelung in § 4 AGVwGO ist auf Entscheidungen nach § 47 Abs. 6 VwGO nicht anwendbar (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 15.12.2008 – GRS 1/08 – ESVGH 59, 154).

1. Der Antrag ist zulässig.

Ein Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO ist zulässig, wenn ein in der Hauptsache gestellter oder noch zu stellender Normenkontrollantrag nach § 47 Abs. 1 VwGO voraussichtlich zulässig ist (vgl. zu dieser Voraussetzung Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl., § 47 Rn. 387) und die gesonderten Zulässigkeitsvoraussetzungen für den Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO erfüllt sind. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

a) Die Statthaftigkeit eines etwaigen Antrags in der Hauptsache folgt aus § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, § 4 AGVwGO. Danach entscheidet der Verwaltungsgerichtshof auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO über die Gültigkeit von im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften. Dazu gehören Verordnungen – wie hier – der Landesregierung.

b) Die Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist gewahrt.

c) Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO hat jede natürliche oder juristische Person, die geltend machen kann, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Es genügt dabei, wenn die geltend gemachte Rechtsverletzung möglich erscheint (ausf. dazu Senat, Urt. v. 29.04.2014 – 1 S 1458/12 – VBlBW 2014, 462 m.w.N.). Nach diesem Maßstab besteht die Antragsbefugnis. Es ist möglich, dass die Antragstellerin jedenfalls in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) verletzt ist.

d) Für einen etwaigen Antrag in der Hauptsache und den nach § 47 Abs. 6 VwGO liegt auch ein Rechtsschutzinteresse vor. Denn mit einem Erfolg dieser Anträge könnte die Antragstellerin ihre Rechtsstellung jeweils verbessern.

2. Der Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO ist aber nicht begründet.

Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind zunächst die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags in der Hauptsache, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ist danach der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Ergibt diese Prüfung, dass ein Normenkontrollantrag in der Hauptsache voraussichtlich begründet wäre, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug der streitgegenständlichen Satzung oder Rechtsvorschrift zu suspendieren ist. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug der Rechtsvorschrift vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden: Gegenüberzustellen sind die Folgen, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Antrag nach § 47 Abs. 1 VwGO aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, also so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache – dringend geboten ist (BVerwG, Beschl. v. 25.02.2015 – 4 VR 5.14 -, ZfBR 2015, 381; Beschl. v. 16.09.2015 – 4 VR 2/15 -, juris; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 09.08.2016 – 5 S 437/16 -, juris m.w.N.; Beschl. v. 13.03.2017 – 6 S 309/17 – juris). Mit diesen Voraussetzungen stellt § 47 Abs. 6 VwGO an die Aussetzung des Vollzugs einer untergesetzlichen Norm erheblich strengere Anforderungen, als § 123 VwGO sie sonst an den Erlass einer einstweiligen Anordnung stellt (BVerwG, Beschl. v. 18.05.1998 – 4 VR 2/98 – NVwZ 1998, 1065).

An diesen Maßstäben gemessen bleibt der Antrag der Antragstellerin gegen § 1a Abs. 5 CoronaVO (a), gegen § 1a Abs. 6 Nr. 10 CoronaVO (b) und gegen § 1a Abs. 2 CoronaVO (c) ohne Erfolg.

a) Der Erfolg des Antrags, der sich gegen § 1a Abs. 5 CoronaVO richtet, ist offen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist aber nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO dringend geboten.

Zu § 1a Abs. 5 CoronaVO hat der Senat im Beschluss vom 05.11.2020 – 1 S 3405/20 – u.a. ausgeführt:

„a) Die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags in der Hauptsache sind offen.

Ob die angefochtene Vorschrift in § 1a Abs. 5 Satz 1 CoronaVO den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG und des Parlamentsvorbehalts genügt, ist offen (aa). Darüber hinausgehende – überwiegende – Erfolgsaussichten weist der Normenkontrollantrag derzeit allerdings nicht auf. Überwiegende Erfolgsaussichten ergeben sich insbesondere nicht aus dem Einwand des Antragstellers, Art. 3 Abs. 1 GG sei (auch) deshalb verletzt, weil er als Urlaubsreisender durch die angefochtene Vorschrift ohne sachlichen Grunde anders – schlechter – als Geschäftsreisende behandelt werde (bb). Überwiegende Erfolgsaussichten folgen auch nicht aus den Einwänden des Antragstellers, § 1a Abs. 5 Satz 1 CoronaVO werde sich als unverhältnismäßiger Eingriff in sein Grundrecht auf Freizügigkeit aus Art. 11 Abs. 1 GG erweisen (cc), durch § 1a Abs. 5 Satz 1 CoronaVO werde er in seinem Grundrecht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) verletzt (dd) und die angefochtene Norm begründe einen verfassungswidrigen Eingriff in sein Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG (ee). Überwiegende Erfolgsaussichten gewinnt der Normenkontrollantrag in der Hauptsache schließlich auch nicht dadurch, dass in diesem objektiven Beanstandungsverfahren voraussichtlich auch zu prüfen sein wird, ob die angefochtene Vorschrift das Grundrecht auf Berufsfreiheit der von ihr betroffenen Betreiber von Beherbergungsbetrieben (Art. 12 Abs. 1 GG) verletzt; der diesbezügliche Grundrechtseingriff wird sich insbesondere aller Voraussicht nach als verhältnismäßig erweisen (ff).

aa) Ob die angefochtene Vorschrift in § 1a Abs. 5 Satz 1 CoronaVO den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG und des Parlamentsvorbehalts genügt, ist offen.

(1) Der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Art. 3 Abs. 1 GG ist jedenfalls dann verletzt, „wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt“ (vgl. stRspr; vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 05.10.1993 – 1 BvL 34/81 – BVerfGE 89, 132 <141>). Weiterhin ist der allgemeine Gleichheitssatz auch dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen Gruppe anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen im Einzelfall das Willkürverbot oder das Gebot verhältnismäßiger Gleichbehandlung durch den Gesetzgeber verletzt ist, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur bezogen auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen (BVerfG, Beschl. v. 18.07.2005 – 2 BvF 2/02 – BVerfGE 113, 167 m.w.N.).

Der aus Art. 3 Abs. 1 GG für den parlamentarischen Gesetzgeber folgende Maßstab gilt für die normsetzende Exekutive entsprechend. Allerdings ist der dem Verordnungsgeber zukommende Gestaltungsspielraum enger. Ein solcher besteht von vornherein nur in dem von der gesetzlichen Ermächtigungsnorm abgesteckten Rahmen (Art. 80 Abs. 1 GG). Der Verordnungsgeber darf keine Differenzierungen vornehmen, die über die Grenzen einer formell und materiell verfassungsmäßigen Ermächtigung hinaus eine Korrektur der Entscheidungen des Gesetzgebers bedeuten würden. In diesem Rahmen muss er nach dem Gleichheitssatz im wohlverstandenen Sinn der ihm erteilten Ermächtigung handeln und hat sich von sachfremden Erwägungen freizuhalten (BVerfG, Beschl. v. 23.07.1963 – 1 BvR 265/62 – BVerfGE 16, 332, 338 f.; Beschl. v. 12.10.1976 – 1 BvR 197/73 – BVerfGE 42, 374, 387 f.; Beschl. v. 23.06.1981 – 2 BvR 1067/80 – BVerfGE 58, 68, 79; Beschl. v. 26.02.1985 – 2 BvL 17/83 – BVerfGE 69, 150, 160; Brenner, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl., Art. 80 Abs. 1 GG Rn. 73). Der Verordnungsgeber soll das Gesetz konkretisieren und „zu Ende denken“, weiter gehen seine Befugnisse jedoch nicht. Er muss daher den Zweckerwägungen folgen, die im ermächtigenden Gesetz angelegt sind. Gesetzlich vorgegebene Ziele darf er weder ignorieren noch korrigieren (Senat, Beschl. v. 30.04.2020 – 1 S 1011/20 -; Nierhaus, in: BK, Art. 80 Abs. 1 GG Rn. 330, 336 [Stand: November 1998]).

Die Regelungen der Landesregierung in den auf § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 IfSG gestützten Corona-Verordnungen haben sich daher an den Zwecken dieser bundesgesetzlichen Verordnungsermächtigung auszurichten, wenn sie Ungleichbehandlungen vornehmen (Senat, Beschl. v. 20.05.2020 – 1 S 1442/20 – juris, und v. 30.04.2020, a.a.O.). Hieraus folgt, dass Ungleichbehandlungen grundsätzlich allein aus infektionsschutzrechtlichen Gründen erfolgen dürfen, da nur zu diesem Zweck die Verordnungsermächtigung erteilt ist. Denn § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 IfSG geben nur Befugnisse zu Schutzmaßnahmen aus Gründen des Infektionsschutzes, soweit und solange diese zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich sind (Senat, Beschl. v. 30.04.2020, a.a.O.).

Zu diesen infektionsschutzrechtlichen Gründen, die Ungleichbehandlungen rechtfertigen können, treten überragend wichtige Gründe des Gemeinwohls hinzu, die voraussichtlich Ungleichbehandlungen ebenfalls erlauben können. Solche überragend wichtigen Gründe des Gemeinwohls können beispielsweise für eine bevorzugte Öffnung des Einzelhandels für solche Güter – wie z.B. Lebensmittel – sprechen, die der unmittelbaren Grundversorgung der Bevölkerung dienen (Senat, Beschl. v. 20.05.2020, a.a.O., und v. 30.04.2020, a.a.O.; ähnlich OVG Bln.-Bbg., Beschl. v. 17.04.2020 – 11 S 22/20 – juris Rn. 25). Denn solche gegenständlich eng begrenzten Bevorzugungen bestimmter Einzelhandelsgeschäfte dürften im wohlverstandenen Sinn der dem Verordnungsgeber erteilten Ermächtigung liegen, da der Parlamentsgesetzgeber diese aller Wahrscheinlichkeit nach vorsehen würde, wenn er diese Frage selbst regelte (vgl. Senat, Beschl. v. 30.04.2020, a.a.O.). Ähnliches gilt für pädagogisch begründete Differenzierungen im Schulbereich (vgl. Senat, Beschl. v. 18.05.2020 – 1 S 1357/20 – juris).

Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang dem Verordnungsgeber Differenzierungen aus anderen als infektionsschutzrechtlichen Gründen und überragend wichtigen Gründen des Gemeinwohls nach Art. 3 Abs. 1 GG gestattet sind, ist offen. Zweifelhaft ist insbesondere, ob beim Erlass infektionsschutzrechtlicher Verordnungen auch alle sonstigen relevanten Belange zu berücksichtigen sind, etwa die Auswirkungen der Ge- und Verbote für die betroffenen Unternehmen und Dritte und auch öffentliche Interessen an der uneingeschränkten Aufrechterhaltung bestimmter unternehmerischer Tätigkeiten (so NdsOVG, Beschl. v. 27.04.2020 – 13 MN 98/20 – juris Rn. 64). Dagegen spricht, dass solche Belange nicht infektionsschutzrechtlich begründet sind und auch kaum im wohlverstandenen Sinn der dem Verordnungsgeber erteilten infektionsschutzrechtlichen Ermächtigung liegen. Sie gehen vielmehr über diese Ermächtigung deutlich hinaus und würden – wären sie zulässig – dem Verordnungsgeber Differenzierungen jeder Art, z.B. aus Gründen der Wirtschaftspolitik, der Regionalförderung, des Umweltschutzes gestatten, mit der Folge, dass die nicht infektionsschutzrechtlich begründeten Differenzierungen letztlich im Belieben des Verordnungsgebers stünden (vgl. Senat, Beschl. v. 30.04.2020, a.a.O.).

Es kann zwar sachliche Gründe für Ungleichbehandlungen und Differenzierungen geben, die weder im Infektionsschutzrecht wurzeln noch überragend wichtige Gründe des Gemeinwohls darstellen. Das kann insbesondere in Betracht kommen, wenn es nach einem umfassenden sog. Lockdown um die teilweise Wiedergestattung bisher untersagter Tätigkeiten geht (vgl. dazu Senat, Beschl. v. 30.04.2020, a.a.O.), oder wenn – wie im Kern hier – zur Vermeidung eines erneuten vollständigen Lockdowns darüber zu entscheiden ist, welche Teilbereiche des wirtschaftlichen, sozialen und sonstigen Lebens eingeschränkt werden und welche Teilbereiche davon einstweilen ausgenommen werden sollen. In solchen Fallkonstellationen können unter Umständen verschiedene, infektionsschutzrechtlich gleichwertige Lösungen in Betracht kommen (vgl. Senat, Beschl. v. 30.04.2020, a.a.O.), unter denen der parlamentarische Gesetzgeber willkürfrei und ohne sonstigen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG auswählen könnte.

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Offen ist jedoch, ob solche weitergehenden Auswahlmöglichkeiten auch dem Verordnungsgeber offenstehen, der – wie gezeigt – in dem gewaltenteilenden Rechtsstaat von Verfassungs wegen von vornherein über einen erheblich geringeren Gestaltungsspielraum (auch) bei der Entscheidung über Ungleichbehandlungen von Grundrechtsträgern verfügt.

Diese Frage stellt sich mit noch größerer Dringlichkeit, wenn die Exekutive – wie hier – auf dem Verordnungswege Differenzierungen bei der Auswahl von Adressaten von grundrechtsrelevanten Maßnahmen zu einem Zeitpunkt vornimmt, zu dem die Grundrechtsträger bereits über einen längeren Zeitraum erheblichen Grundrechtseingriffen zur Bekämpfung einer Pandemie ausgesetzt waren. Es ist bereits – unabhängig vom Vorliegen normativer Ungleichbehandlungen – fraglich, ob Maßnahmen der Exekutive zur Bekämpfung der Corona-Pandemie noch mit den Anforderungen des Parlamentsvorbehalts vereinbar sind, wenn die Maßnahmen bereits über einen längeren Zeitraum in Bezug auf dieselben Personen Grundrechtseingriffe bewirkt haben und weiter bewirken (vgl. dazu Senat, Beschl. v. 09.04.2020 – 1 S 925/20 – juris, und zuletzt BayVGH, Beschl. v. 29.10.2020 – 20 NE 20.2360 -; jeweils m.w.N.). Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot verpflichten den Gesetzgeber, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen im Wesentlichen selbst zu treffen und diese nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive zu überlassen. Die verfassungsrechtlichen Wertungskriterien sind dabei den tragenden Prinzipien des Grundgesetzes, insbesondere den darin verbürgten Grundrechten zu entnehmen. Danach bedeutet wesentlich im grundrechtsrelevanten Bereich in der Regel „wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte“. Eine Pflicht zum Tätigwerden des Gesetzgebers besteht insbesondere in mehrdimensionalen, komplexen Grundrechtskonstellationen, in denen miteinander konkurrierende Freiheitsrechte aufeinandertreffen und deren jeweilige Grenzen fließend und nur schwer auszumachen sind. Grundsätzlich können zwar auch Gesetze, die gemäß Art. 80 Abs. 1 GG zu Rechtsverordnungen ermächtigen, den Voraussetzungen des Gesetzesvorbehalts genügen, die wesentlichen Entscheidungen müssen aber durch den parlamentarischen Gesetzgeber selbst erfolgen. Die Wesentlichkeitsdoktrin beantwortet daher nicht nur die Frage, ob überhaupt ein bestimmter Gegenstand gesetzlich zu regeln ist. Sie ist vielmehr auch dafür maßgeblich, wie genau diese Regelungen im Einzelnen sein müssen (st. Rspr., vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.03.1989 – 1 BvR 1033/82 u.a. – BVerfGE 80, 1, 20; Beschl. v. 21.04.2015 – 2 BvR 1322/12 u.a. – BVerfGE 139, 19, m.w.N.). Vor diesem Hintergrund ist nicht nur fraglich, ob § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1, 2 IfSG im Hinblick auf den Vorbehalt des Gesetzes in seiner Ausprägung als Parlamentsvorbehalt eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage etwa für die landesweite Schließung bestimmter Arten von privat betriebenen Dienstleistungsbetrieben und Verkaufsstellen durch eine Rechtsverordnung begründen (vgl. Senat, Beschl. v. 09.04.2020, a.a.O.) und zu langandauernden Eingriffen in grundrechtliche Freiheitsrechte durch die Exekutive ermächtigen (vgl. dazu BayVGH, Beschl. v. 29.10.2020, a.a.O.). Der Vorbehalt des Gesetzes in seiner Ausprägung als Parlamentsvorbehalt führt vielmehr auch zu der gleichheitsrechtlichen Frage, ob die Exekutive zu einem Zeitpunkt, zu dem die Grundrechtsträger bereits über einen längeren Zeitraum erheblichen Grundrechtseingriffen zur Bekämpfung einer Pandemie ausgesetzt waren, noch dazu befugt sein kann, Differenzierungen bei der Auswahl von Adressaten von erneuten grundrechtsrelevanten Maßnahmen vorzunehmen, die sich nicht streng an infektionsschutzrechtlichen Gründen sowie überragend wichtigen Gründe des Gemeinwohls ausrichten, sondern andere – dem Parlamentsgesetzgeber unter Umständen ohne Verstoß gegen das Willkürverbot zur Verfügung stehenden – Kriterien zugrunde legen.

(2) Die Beantwortung dieser offenen Fragen ist dem Hauptsacheverfahren vorbehalten, dessen Erfolgsaussichten deshalb im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes als offen anzusehen sind.

Der Senat wird in dem Hauptsacheverfahren nach § 47 Abs. 1 VwGO, das als objektives Beanstandungsverfahren ausgestaltet ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.08.1991 – 4 NB 3.91 – NVwZ 1992, 567 m.w.N.), unabhängig von der Frage, ob der Antragsteller gegenüber anderen Personen verfassungswidrig ungleich behandelt wird, auch zu prüfen haben, ob die von dem Antragsteller angefochtene Vorschrift des § 1a Abs. 5 Satz 1 CoronaVO mit Art. 3 Abs. 1 GG insoweit vereinbar ist, als sie es Anbietern von „Übernachtungsangeboten“ – namentlich Inhabern von Beherbergungsbetrieben wie Hotels und Pensionen – untersagt, einen erheblichen Teil ihrer freiheitsrechtlich geschützten Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) zu betreiben, während der Verordnungsgeber in weiten anderen Bereichen Teilnehmer des Wirtschaftslebens keinen solchen Einschränkungen unterwirft. Die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags in der Hauptsache sind insoweit gemessen an den oben genannten Maßstäben offen. Denn der Verordnungsgeber hat als Teil der Exekutive – zumal in einem Zeitpunkt, in dem bereits seit längerer Zeit grundrechtseinschränkende Maßnahmen in Kraft sind – insoweit voraussichtlich Differenzierungskriterien gewählt, die sich nicht streng und allein an infektionsschutzrechtlichen Gründen sowie überragend wichtigen Gründe des Gemeinwohls ausrichten.

Der Verordnungsgeber der Sechsten Verordnung zur Änderung der Corona-Verordnung vom 01.11.2020, mit der § 1a Abs. 5 Satz 1 CoronaVO eingeführt wurde, verfolgt mit § 1a ausweislich der Verordnungsbegründung (abrufbar unter www.baden-wuerttemberg.de) das Ziel, physische Kontakte in der Bevölkerung vor dem Hintergrund des aktuellen Infektionsgeschehens um 75 % zu reduzieren. Zur Erreichung dieses Ziels enthält § 1a CoronaVO neben Regelungen zur Beschränkung von Kontakten im privaten Umfeld wie Feiern (vgl. § 1a Abs. 2 CoronaVO) in weiteren Absätzen Vorschriften, die darauf zielen, „[b]estimmte Einrichtungen, die darauf ausgerichtet sind, dass Menschen dort zusammenkommen,“ für einen begrenzten Zeitraum vorübergehend zu schließen oder einzuschränken. Der Verordnungsgeber hat sich hierbei dagegen entschieden, die Maßnahmen „auf wenige ausgewählte Bereiche und Einrichtungen mit einem besonders hohen Infektionsrisiko“ zu beschränken, weil dies seines Erachtens „angesichts des diffusen und lokal nicht eingrenzbaren Infektionsgeschehens weder mehr möglich noch ausreichend (ist), um eine weitere Ausbreitung der Pandemie zu verhindern“ (Verordnungsbegründung, a.a.O., S. 3). Von den beschränkenden Maßnahmen „bewusst ausgenommen“ hat der Verordnungsgeber „Einrichtungen, die für den gesellschaftlichen Zusammenhalt während der Pandemie und auch für die Zukunft der Gesellschaft und des Landes in besonderer Weise von essentieller Bedeutung sind, insbesondere die Bereiche ‚Kinderschutz‘, ‚Bildung‘ und ‚Kernbereiche der (nicht publikumsintensiven) Wirtschaft‘“ (Verordnungsbegründung ebd.).

Mit dieser Differenzierung zwischen dem (zumal nicht näher definierten) „Kernbereichen der (nicht publikumsintensiven) Wirtschaft“ auf der einen Seite und sonstigen „(Rand-)Bereichen der Wirtschaft“ auf der anderen Seite – die beispielsweise dazu führt, dass der Einzelhandel anders als Beherbergungsbetriebe bei möglicherweise vergleichbaren infektionsschutzrechtlichen Gefährdungslagen keinen vergleichbaren Angebotsbeschränkungen („Teillockdown“) unterworfen wurde – hat der Verordnungsgeber das Gebiet von streng infektionsschutzrechtlichen Unterscheidungsgründen verlassen und sich auch nicht mehr auf eine Differenzierung nach überragend wichtigen Gründen des Gemeinwohls beschränkt. Der Verordnungsgeber hat insoweit vielmehr allgemeine wirtschafts- und gesellschaftspolitische Erwägungen angestellt. Diese Differenzierung wäre bei einer, wie derzeit, Pandemielage mit diffusen Infektionsquellen per se möglicherweise durch den parlamentarischen Gesetzgeber willkürfrei und sachlich zu rechtfertigen. Sie steht aber nach dem oben Gesagten dem Verordnungsgeber möglicherweise generell nicht oder jedenfalls angesichts der bisherigen Zeitdauer der durch Corona-Verordnungen bewirkten Grundrechtseingriffe inzwischen nicht mehr zu.

Ist Letzteres der Fall, wird der dann vorliegende Verstoß gegen den Parlamentsvorbehalt und möglicherweise gegen Art. 3 Abs. 1 GG auch nicht dadurch geheilt, dass der Landtag – wie der Antragsgegner hervorhebt – in einem Beschluss vom 30.10.2020 beschlossen hat, die Landesregierung dabei „zu unterstützen“, die in der Konferenz der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder am 28.10.2020 getroffenen Beschlüsse umzusetzen, und die Landesregierung zu ersuchen, die zur Umsetzung „notwendigen Maßnahmen zeitnah und sorgfältig zu erlassen“. Eine solche Entschließung ersetzt – zumal sie der Exekutive ersichtlich keine konkreten Differenzierungsmerkmale vorgibt, sondern sich auf eine generalklauselartige Formulierung beschränkt („notwendige Maßnahmen“) – ersichtlich kein förmliches Gesetzgebungsverfahren mit einer dem Bestimmtheitsgebot genügenden, in Gesetzesform ergangenen konkreten Entscheidung des Gesetzgebers, ob und in welche Grundrechte welcher Grundrechtsträger er aus welchen Gründen für welchen Zeitraum zu Erreichung welchen Ziels und nach welchen Unterscheidungskriterien eingreifen will. Das gilt unabhängig von der die Gesetzgebungskompetenz betreffenden Frage, ob der Landtag des Antragsgegners im Anwendungsbereich des Infektionsschutzgesetzes des Bundes überhaupt dazu berufen ist, materiell-rechtliche Kriterien zu bestimmen.

bb) Aus den vorgenannten Gründen stellt sich der Ausgang des Normenkontrollverfahrens in der Hauptsache gegenwärtig als offen dar. Darüber hinausgehende – überwiegende – Erfolgsaussichten weist der Normenkontrollantrag derzeit allerdings nicht auf.

Überwiegende Erfolgsaussichten ergeben sich insbesondere nicht aus dem sinngemäßen Einwand des Antragstellers, Art. 3 Abs. 1 GG sei (auch) deshalb verletzt, weil er als Urlaubsreisender durch die angefochtene Vorschrift ohne sachlichen Grund anders – schlechter – als Geschäftsreisende behandelt werde. Mit dieser in der Verordnung angelegten Unterscheidung verfolgt der Verordnungsgeber das Ziel, eine weitere Verbreitung des Infektionsgeschehens aufgrund von seines Erachtens nicht notwendigen privaten oder touristischen Reisen nach und in Baden-Württemberg zu verhindern, und zugleich mit Ausnahmen für (seines Erachtens typischerweise notwendige) geschäftliche und dienstliche Reisen sowie „in besonderen Härtefällen“ für Reisen zu privaten Zwecken dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung zu tragen (vgl. Verordnungsbegründung, a.a.O., S. 2, 10). Diese Erwägungen sind per se willkürfrei und kommen als sachlicher Grund für Ungleichbehandlungen von Reisenden grundsätzlich in Betracht. Einzig die Frage, ob der Verordnungsgeber als Teil der Exekutive (noch) dazu befugt war, diese Unterscheidung zu treffen, ist aus den oben genannten Gründen offen.

cc) Überwiegende Erfolgsaussichten gewinnt der Normenkontrollantrag in der Hauptsache auch nicht durch den Einwand des Antragstellers, § 1a Abs. 5 Satz 1 CoronaVO werde sich aller Voraussicht nach als unverhältnismäßiger Eingriff in sein Grundrecht auf Freizügigkeit aus Art. 11 Abs. 1 GG erweisen.

Der Senat unterstellt auch im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zugunsten des Antragstellers, dass das in § 1a Abs. 5 Satz 1 CoronaVO geregelte Beherbergungsverbot für touristische Reisende einen (mittelbaren) Eingriff in den Schutzbereich von Art. 11 Abs. 1 GG begründet (vgl. dazu Senat, Beschl. v. 15.10.2020 – 1 S 3156/20 – juris; a.A. insoweit NdsOVG, Beschl. v. 15.10.2020 – 13 MN 371/20 – juris; s. auch dass., Beschl. v. 29.10.2020 – 13 MN 396/20 – juris; offen gelassen von BVerfG, Beschl. v. 22.10.2020 – 1 BvQ 116/20 – juris). Dieser – unterstellte – Eingriff wird sich im Hauptsacheverfahren allerdings aller Voraussicht nach als verfassungsrechtlich gerechtfertigt, insbesondere als verhältnismäßig erweisen.

(1) Für die Regelungen in § 1a Abs. 5 Satz 1 CoronaVO besteht jedenfalls in Bezug auf das damit mittelbar verfolgte Ziel, die Normadressaten dazu anzuhalten, auf private Reisen zu verzichten (so ausdrücklich die Verordnungsbegründung, vgl. a.a.O., S. 10) eine ausreichende Rechtsgrundlage in § 32 Satz 1 und 2 i.V.m. § 28 Abs. 1 IfSG. Im Parlamentsvorbehalt und dem Bestimmtheitsgebot wurzelnde Bedenken bestehen insoweit nicht. Der Bundesgesetzgeber hat die zuständigen Stellen in § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 IfSG ausdrücklich dazu ermächtigt, Personen zu verpflichten, bestimmte Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten.

(2) Die Verordnungsermächtigung des § 32 Satz 1, 2 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1, 2 IfSG verstößt auch nicht gegen das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG. Das von den Antragstellern geltend gemachte Grundrecht auf Freizügigkeit (Art. 11 Abs. 1 GG) ist in § 28 Abs. 1 Satz 4 IfSG ausdrücklich aufgeführt.

(3) Die tatbestandlichen Voraussetzungen der genannten Ermächtigungsgrundlage sind aller Voraussicht nach erfüllt. Wenn – wie im Fall des Coronavirus unstreitig der Fall – eine übertragbare Krankheit festgestellt ist, können nach § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 IfSG die notwendigen Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Krankheit durch eine Verordnung der Landesregierung getroffen werden. Mit solchen repressiven Bekämpfungsmaßnahmen gehen zulässigerweise auch stets präventive Wirkungen einher, solche präventiven Folgen sind gerade bezweckt. Daher ist die Landesregierung insbesondere nicht auf Maßnahmen nach § 16 oder § 17 IfSG beschränkt. Dabei ermächtigt § 28 Abs.1 IfSG nach seinem Wortlaut, seinem Sinn und Zweck und dem Willen des Gesetzgebers zu Maßnahmen auch gegenüber Nichtstörern (vgl. ausf. zum Ganzen Senat, Beschl. v. 09.04.2020 – 1 S 925/20 – juris; Beschl. v. 23.04.2020 – 1 S 1003/20 -; je m.w.N.).

(4) Der auf die genannten Ermächtigungsgrundlagen gestützte – unterstellte – Eingriff in das Grundrecht des Antragstellers aus Art. 11 Abs. 1 GG erweist sich auch aller Voraussicht nach als verhältnismäßig. Der Verordnungsgeber verfolgt damit legitime Ziele (a) und das zur Erreichung derselben in § 1a Abs. 5 Satz 1 CoronaVO gewählte Mittel ist geeignet (b), erforderlich (c) sowie beim derzeitigen Stand der Pandemie und des Infektionsgeschehens – insoweit anders als noch zum Zeitpunkt des Senatsbeschlusses vom 15.10.2020 (a.a.O) auch als angemessen (d).

(a) Mit der angefochtenen Bestimmung verfolgt der Verordnungsgeber legitime Ziele.

Die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 ist von der WHO als Pandemie eingestuft worden. Die bisherigen Erfahrungen in der Bundesrepublik und in anderen Staaten zeigen, dass die exponentiell verlaufende Verbreitung des besonders leicht im Wege der Tröpfcheninfektion und über Aerosole von Mensch zu Mensch übertragbaren Virus nur durch eine strikte Minimierung der physischen Kontakte zwischen den Menschen eingedämmt werden kann. Entsprechend der aktuellen Einschätzung des dazu berufenen Robert-Koch-Instituts (vgl. Lagebericht vom 04.11.2020, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Nov_2020/2020-11-04-de.pdf?__blob=publicationFile), ist eine zunehmende Beschleunigung der Übertragungen des Coronavirus in der Bevölkerung zu beobachten. Die Inzidenz der letzten 7 Tage ist deutschlandweit auf 125,8 Fälle pro 100.000 Einwohner angestiegen. Seit Anfang September nimmt der Anteil älterer Personen unter den COVID-19-Fällen zu. Die 7-Tages-Inzidenz bei Personen über 60 Jahren liegt bei 82,4 Fällen/ 1000.000 Einwohner. Die Zahl der intensivmedizinisch behandelten COVID-19-Fälle hat sich in den vergangenen 2 Wochen von 943 Patienten am 21.10.2020 auf 2.546 Patienten am 04.11.2020 fast verdreifacht. Die berichteten R-Werte lagen seit Anfang Oktober stabil deutlich über 1, aktuell liegt der R-Wert bei 1 oder knapp darunter. Das bedeutet, dass ein Infizierter im Schnitt ca. eine weitere Person ansteckt. Da die Zahl der infizierten Personen in Deutschland derzeit sehr hoch ist, bedeutet dies weiterhin eine hohe Zahl von Neuerkrankungen. Es steht zu befürchten, dass ab einer bestimmten Schwelle (in aktuellen wissenschaftlichen Einschätzungen wird die Zahl von weniger als 20.000 Neuinfektionen pro Tag in Betracht gezogen) die Kontrolle über das Infektionsgeschehen verlorengeht. Bei Überschreitung des Schwellenwerts sind die Nachverfolgung einzelner Ausbrüche und strikte Isolationsmaßnahmen nicht mehr realisierbar und eine unkontrollierte Ausbreitung in alle Bevölkerungsteile einschließlich vulnerabler Gruppen zu befürchten (vgl. die Stellungnahme der Gesellschaft für Virologie zu einem wissenschaftlich begründeten Vorgehen gegen die Covid-19 Pandemie, 19.10.2020, https://www.g-f-v.org/sites/default/files/Stellungnahme% 20John %20Snow %20Memorandum_Public_3.pdf).

Vor diesem Hintergrund hat sich der Verordnungsgeber – einem Beschluss der Ministerpräsidenten der Länder und der Bundeskanzlerin folgend – dazu entschlossen, weitergehende Maßnahmen zur Beschränkung des öffentlichen Lebens in Deutschlands am 28.10.2020 für die Zeit ab dem 02.11.2020 umzusetzen. Dem dient die in Streit stehenden, ab dem 02.11.2020 geltende Corona-Verordnung mit den im vorliegenden Verfahren angefochtenen Vorschriften in § 1a Abs. 5 Satz 1 CoronaVO. Der Verordnungsgeber hat in § 1a CoronaVO, zeitlich bis zum 30.11.2020 begrenzt, im Kern die Schließung zahlreicher Einrichtungen und Betriebe sowie die Reduzierung privater Kontakte angeordnet. Ziel dieser Maßnahmen ist es, die Anzahl physischer Kontakte in der Bevölkerung signifikant zu reduzieren, um Infektionsketten zu unterbrechen und die weitere unkontrollierte Ausbreitung des Coronavirus abzubremsen (vgl. erneut die Verordnungsbegründung, a.a.O., S. 1 ff., 10).

Mit den durch die Einschränkungen im Privatbereich sowie den umfassenden Schließungsanordnungen erwartbaren Kontaktreduzierungen soll die aufgrund des exponentiellen Anstiegs der Neuinfektionen in Gefahr stehende Überlastung des Gesundheitswesens abgewendet werden (vgl. Verordnungsbegründung“ ebd.). Der Verordnungsgeber hat weiter berücksichtigt, dass die Fallverfolgung der Gesundheitsämter aufgrund der Vielzahl der Neuinfektionen in ca. 60 % der Fälle nicht mehr gelingt, was eine weitere unkontrollierte Ausbreitung zur Folge hat. Durch die Reduktion der Fallzahlen sollen auch die Gesundheitsämter wieder in die Lage versetzt werden, Infektionsketten nachzuvollziehen und damit wieder Kontrolle über das Infektionsgeschehen erlangen.

Ziel der Regelung ist somit der Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit jedes Einzelnen wie auch der Bevölkerung insgesamt und damit die Erfüllung der den Staat gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG grundsätzlich treffenden Schutzpflicht (vgl. zu Letzterem BVerfG, Beschl. v. 16.10.1977 – 1 BvQ 5/77 -, juris Rn. 13 f.). Damit verfolgt der Verordnungsgeber legitime Ziele.

(b) Die angefochtene Vorschrift stellt ein geeignetes Mittel dar, um die genannten legitimen Ziele zu erreichen.

Ein Gesetz ist geeignet, wenn mit seiner Hilfe der erstrebte Erfolg gefördert werden kann (vgl. nur Senat, Beschl. v. 09.04.2020, a.a.O., m.w.N.). Diese Voraussetzung erfüllt der angefochtene § 1a Abs. 5 Satz 1 CoronaVO. Die Vorschrift ist insbesondere dazu geeignet, Infektionsketten zu unterbrechen, das exponentielle Wachstum zu stoppen und die Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus zu verlangsamen. Die Eignung der angefochtenen Bestimmung wird auch nicht durch den Umstand in Frage gestellt, dass – wie der Antragsteller sinngemäß geltend macht – die von Beherbergungsbetrieben und Reisen ausgehende Ansteckungsgefahr gegenüber anderen Infektionsumfeldern eine untergeordnete Rolle spielt (vgl. dazu auch RKI, Epidemiologisches Bulletin 38/2020 vom 17.09.2020, S. 3 ff.). Denn die mit der angegriffenen Maßnahme bewirkte Reduzierung von Kontakten kann der Weiterverbreitung des SARS-CoV-2-Virus jedenfalls entgegenwirken.

(c) Die Regelung in § 1a Abs. 5 Satz 1 CoronaVO ist zur Erreichung der von dem Verordnungsgeber verfolgten Ziele auch aller Voraussicht nach im Rechtssinne erforderlich.

Ein Gesetz ist erforderlich, wenn der Gesetzgeber nicht ein anderes, gleich wirksames, aber das Grundrecht nicht oder weniger stark einschränkendes Mittel hätte wählen können, wobei dem Gesetzgeber auch insoweit ein Beurteilungsspielraum zusteht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.06.1984, a.a.O., und v. 09.03.1994, a.a.O., jeweils m.w.N.). Auch diesen Anforderungen genügt der angefochtene § 1a Abs. 5 Satz 1 CoronaVO.

Der Erforderlichkeit des dort geregelten Beherbergungsverbots für private, insbesondere touristische Reisende, steht insbesondere nicht der vom Antragsteller auch insoweit sinngemäß geltend gemachte Einwand entgegen, dass die von Beherbergungsbetrieben ausgehende Ansteckungsgefahr gegenüber anderen Infektionsbereichen nach den derzeit verfügbaren Daten eine untergeordnete Rolle spielt. Unbeschadet des Umstands, dass die diesbezügliche Auswertung des Robert Koch-Instituts lediglich auf dem Datenstand vom 11.08.2020 beruht (vgl. Epidemiologisches Bulletin 38/2020 vom 17.09.2020, S. 6), liegt nach den derzeit bekannten, durch das RKI ausgewerteten Daten derzeit ein zumeist diffuses Infektionsgeschehen vor, ohne dass Infektionsketten noch eindeutig nachvollziehbar sind (vgl. Lagebericht RKI vom 04.11.2020, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Nov_2020/2020-11-04-de.pdf?__blob=publicationFile). Die Entwicklung der letzten Wochen hat gezeigt, dass trotz der in weiten Bereichen entwickelten Hygienekonzepte, der allgemeinen in der CoronaVO angeordneten Hygienemaßnahmen (Maskenpflicht, Abstandsgebot, Teilnahmeverbote, Datenerhebung zur Kontaktnachverfolgung) viele Infektionen nicht zu verhindern waren und sich das Coronavirus auch außerhalb von sog. „Hotspots“ in beinahe allen Teilen des Bundesgebiets ausbreiten konnte und zum gegenwärtigen Zeitpunkt wieder zu einem exponentiellen Wachstum geführt hat. Bei diesem Sachstand sind die von dem Antragsteller aufgezeigten alternativen Maßnahmen, die ihn weniger belasten würden, nicht ebenso effektiv wie das in § 1a Abs. 5 Satz 1 CoronaVO geregelte teilweise Beherbergungsverbot, mit dem Infektionen vor Ort – aufgrund der insoweit vollständigen Kontaktverhinderung – insoweit sicher unterbunden werden können.

(d) Die Regelung in § 1a Abs. 5 Satz 1 CoronaVO ist beim gegenwärtigen Stand des Infektionsgeschehens in Deutschland – insoweit anders als eine ähnliche Vorgängerregelung, die der Senat im Beschluss vom 15.10.2020 (a.a.O.) zu beurteilen hatte – auch aller Voraussicht nach verhältnismäßig im engeren Sinne. Eingriffszweck und Eingriffsintensität stehen zurzeit voraussichtlich in einem angemessenen Verhältnis zueinander.

Der Antragsgegner verfolgt mit den oben beschriebenen Zielen den Schutz von hochrangigen, ihrerseits den Schutz der Verfassung genießenden wichtigen Rechtsgütern. Die Vorschrift dient, wie gezeigt, dazu, – auch konkrete – Gefahren für das Leben und die körperliche Unversehrtheit einer potenziell großen Zahl von Menschen abzuwehren. Die angefochtene Norm bezweckt zugleich, die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems in Deutschland durch die Verlangsamung des Infektionsgeschehens sicherzustellen. Der Antragsgegner kommt damit, wie gezeigt, der ihn aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG grundsätzlich treffenden Schutzpflicht nach.

Der Senat misst den von dem Antragsgegner verfolgten Eingriffszwecken ein sehr hohes Gewicht bei. Er geht insbesondere davon aus, dass die Gefahren, deren Abwehr die angefochtene Vorschrift dient, derzeit in hohem Maße bestehen und das derzeit bereits bestehende exponentielle Wachstum in kurzer Zeit weiter ansteigen kann. Das RKI führt in seiner aktuellen „Risikobewertung zu COVID-19“ (Stand 26.10.2020) unter anderem aus:

„Es handelt sich weltweit und in Deutschland um eine sehr dynamische und ernst zu nehmende Situation. Weltweit und in angrenzenden Ländern Europas nimmt die Anzahl der Fälle rasant zu. Seit Ende August (KW 35) werden wieder vermehrt Übertragungen in Deutschland beobachtet.

Der Anstieg wird durch Ausbrüche, insbesondere im Zusammenhang mit privaten Treffen und Feiern sowie bei Gruppenveranstaltungen, verursacht. Bei einem zunehmenden Anteil der Fälle ist die Infektionsquelle unbekannt. Es werden wieder vermehrt COVID-19-bedingte Ausbrüche in Alten- und Pflegeheimen gemeldet und die Zahl der Patienten, die auf einer Intensivstation behandelt werden müssen, hat sich in den letzten zwei Wochen mehr als verdoppelt. Nach wie vor gibt es keine zugelassenen Impfstoffe und die Therapie schwerer Krankheitsverläufe ist komplex und langwierig. Das Robert Koch-Institut schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland weiterhin als hoch ein, für Risikogruppen als sehr hoch.“ (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html, zuletzt abgerufen am 05.11.2020).

Diese Einschätzung des RKI beruht auf einer Auswertung der zurzeit vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnisse und ist inhaltlich nachvollziehbar. Sie gibt dem Senat Anlass, die vom Antragsgegner mit § 1a Abs. 1 CoronaVO verfolgten Zwecke mit einem sehr hohen Gewicht in die gebotene Abwägung einzustellen. Dies rechtfertigt es gegenwärtig zweifellos, weiterhin auch normative und mit Grundrechtseingriffen verbundene Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu ergreifen.

Die dem entgegenstehenden – grundrechtlich geschützten – Belange des Antragstellers, die für die Beurteilung der Zumutbarkeit der angefochtenen Bestimmung und des mit ihr bewirkten Grundrechtseingriffs zu berücksichtigen sind, weisen ein beachtliches Gewicht auf. Das gilt unbeschadet des Umstandes, dass er die Kosten der ihm nun faktisch unmöglich gemachten Reise, voraussichtlich – wie der Antragsgegner zutreffend hervorhebt – nicht zu tragen haben wird. Es verbleiben dessen ungeachtet ein Eingriff in seine grundrechtlich – unterstellt auch durch Art. 11 Abs. 1 GG – geschützte Freiheit, einen von ihm selbst bestimmten Ort im Bundesgebiet aufzusuchen. Dieser Eingriff gewinnt zusätzliches Gewicht dadurch, dass nicht nur eine bereits geplante Reise nicht stattfinden kann, sondern auch für weitere gut drei Wochen nicht in Betracht kommen wird und dass diese Einschränkung das gesamte Gebiet des Antragsgegners umfasst.

Diese Beeinträchtigungen sind dem Antragsteller aber bei der gebotenen Abwägung zum gegenwärtigen Zeitpunkt zumutbar. Seinen Belangen gegenüber stehen die ebenfalls gravierenden Folgen für Leib und Leben einer Vielzahl vom Coronavirus Betroffener, für die der Staat nach Art. 2 Abs. 2 GG eine Schutzpflicht hat, und die damit verbundene Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems Deutschlands. Zum Überwiegen dieser Belange trägt zum einen bei, dass das in § 1a Abs. 5 Satz 1 CoronaVO geregelte Beherbergungsverbot nicht uneingeschränkt gilt, sondern auch für private Reisen Ausnahmen zulässt und unter einem Härtefallvorbehalt steht. Hinzu kommt, dass die von dem Antragsteller beanstandete Maßnahme zeitlich begrenzt wurde und die angefochtene Vorschrift mit Ablauf des 30.11.2020 außer Kraft tritt. Die Anordnung des teilweisen Beherbergungsverbots unterliegt zudem als dauerhaft eingreifende Maßnahme der Verpflichtung der Landesregierung zur fortlaufenden Überprüfung, insbesondere wie wirksam die Maßnahme im Hinblick auf eine Verlangsamung der Verbreitung des Coronavirus ist und wie sich die Schließungen für die betroffenen Betriebe auswirkt. Die Landesregierung ist dieser Verpflichtung seit Beginn der Pandemie jedenfalls ganz überwiegend nachgekommen. Insbesondere werden offenkundig neue medizinische und epidemiologische Erkenntnisse fortlaufend in den Entscheidungsprozess des Verordnungsgebers einbezogen.

In der gebotenen Zusammenschau dieser Gesichtspunkte erweist sich der – unterstellte – Eingriff in die Freizügigkeit des Antragstellers derzeit als angemessen (verhältnismäßig i.e.S.).

dd) Überwiegende Erfolgsaussichten gewinnt der Normenkontrollantrag in der Hauptsache auch nicht durch den Einwand des Antragstellers, durch § 1a Abs. 5 Satz 1 CoronaVO werde er in seinem Grundrecht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) verletzt.

Dieses Grundrecht schützt die körperliche Bewegungsfreiheit. Es bedarf im vorliegenden Eilrechtsverfahren keiner Entscheidung der im Einzelnen – wegen des Hintergrunds der Norm im Habeas-Corpus-Recht und des Normzusammenhangs mit Art. 104 Abs. 2 GG – umstrittenen Fragen, ob damit ohne weitere Voraussetzungen die Freiheit erfasst ist, sich an beliebige Orte zu bewegen (vgl. zum Meinungsstand, Murswiek/Rixen, in: Sachs, GG, 8. Aufl., Art. 2 Rn. 228 ff.; Lang, in: Epping/Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, 42. Ed., Art. 2 Rn. 84; jeweils m.w.N.), und unter welchen Voraussetzungen Beeinträchtigungen der Bewegungsfreiheit als Eingriffe anzusehen sind (vgl. dazu Lang, a.a.O., Art. 2 Rn. 86 ff.). Selbst wenn das durch § 1a Abs. 5 Satz 1 CoronaVO normierte Beherbergungsverbot als – voraussichtlich allenfalls in Betracht kommender mittelbarer – Eingriff in das Grundrecht des Antragstellers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG einzuordnen wäre, würde sich dieser Eingriff aller Voraussicht nach als gerechtfertigt, insbesondere aus den dazu oben genannten und auch hier entsprechend geltenden Gründen als verhältnismäßig erweisen (vgl. insoweit Senat, Beschl. v. 18.05.2020 – 1 S 1357/20 – juris).

ee) Überwiegende Erfolgsaussichten gewinnt der Normenkontrollantrag in der Hauptsache auch nicht durch den Einwand des Antragstellers, § 1a Abs. 5 Satz 1 CoronaVO begründe einen verfassungswidrigen Eingriff in sein Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG). In den Schutzbereich dieses Grundrechts greift die angefochtene Vorschrift zwar ein. Dieser Eingriff wird sich aber aller Voraussicht nach aus den dazu oben zu Art. 11 Abs. 1 GG genannten Gründen als verhältnismäßig erweisen. Ob Art. 11 Abs. 1 GG als spezielleres Freiheitsgrundrecht Art. 2 Abs. 1 GG konkurrenzrechtlich vorgeht, bedarf daher keiner Entscheidung.

ff) Überwiegende Erfolgsaussichten gewinnt der Normenkontrollantrag des Antragstellers in der Hauptsache auch nicht dadurch, dass in diesem, wie gezeigt, objektiven Beanstandungsverfahren voraussichtlich auch zu prüfen sein wird, ob die angefochtene Vorschrift das Grundrecht auf Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) der von ihr betroffenen Betreiber von Beherbergungsbetrieben verletzt.

Die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags sind insoweit voraussichtlich allenfalls im Hinblick auf die Frage offen, ob die Ermächtigungsgrundlage des § 32 Satz 1 und 2 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1, 2 IfSG im Hinblick auf die Anordnung gegenüber Personen, die sich insoweit auf Art. 12 Abs. 1 GG berufen können, dem Parlamentsvorbehalt genügt (vgl. hierzu und zu der – allerdings wesentlich eingriffsintensiveren – Schließung von Einrichtungen Senat, Beschl. v. 09.04.2020, a.a.O.). Darüber hinausgehende – zu überwiegenden Erfolgsaussichten führende – Bedenken gegen den durch § 1a Abs. 5 Satz 1 CoronaVO bewirkten Eingriff in das Grundrecht der Betroffenen aus Art. 12 Abs. 1 GG bestehen derzeit nicht.

Diese Eingriffe dürften sich insbesondere voraussichtlich als verhältnismäßig im weiteren und engeren Sinne erweisen. Im Hinblick auf die vom Verordnungsgeber verfolgten legitimen Ziele und die Geeignet sowie Erforderlichkeit des von ihm in § 1a Abs. 5 Satz 1 CoronaVO gewählten Mittels gilt das dazu oben (unter cc)) Gesagte entsprechend. Bei der Beurteilung der Angemessenheit (Verhältnismäßigkeit i.e.S.) ist insoweit zu berücksichtigen, dass die Interessen der betroffenen Träger des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG, die den vom Antragsgegner verfolgten Interessen gegenüberstehen, ein hohes Gewicht aufweisen. Die von den Beherbergungsverboten betroffenen Einrichtungen werden durch die angefochtene Vorschrift insbesondere in vielen Fällen spürbare wirtschaftliche Einbußen erleiden, die ohne Ausgleichsmaßnahmen per se dazu geeignet wären – zumal in Verbindung mit den nun bereits seit Monaten zu verzeichnenden Grundrechtseingriffen – einzelne Betriebe in ökonomischer Hinsicht auch existenziell zu treffen.

Diese Beeinträchtigungen sind den Grundrechtsträgern aber voraussichtlich bei der gebotenen Abwägung zum gegenwärtigen Zeitpunkt zumutbar. Ihren Belangen gegenüber stehen auch insoweit die ebenfalls gravierenden Folgen für Leib und Leben einer Vielzahl vom Coronavirus Betroffener, für die der Staat nach Art. 2 Abs. 2 GG eine Schutzpflicht hat, und die damit verbundene Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems Deutschlands gegenüber. Zum Überwiegen dieser Belange gegenüber den von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Belangen trägt derzeit bei, dass zur Abmilderung der zu erwartenden wirtschaftlichen Einbußen weitgehende Kompensationsmaßnahmen vorgesehen sind. In der die Beschlüsse der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsidenten vom 29.10.2020 flankierenden Begründung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie heißt es hierzu:

„Die Bundesregierung erweitert die Hilfsangebote in Form von Zuschüssen für Unternehmen, Selbstständige und Einrichtungen, die durch die am 28.10.20 für den Monat November 2020 beschlossenen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie besonders betroffen sind. Es werden kurzfristig für diese Unternehmen zusätzliche, am Umsatzausfall während des Lockdown orientierte Hilfen bereitgestellt, die die bestehenden Unterstützungsprogramme, insbesondere das Fixkosten-Zuschussprogramm der Überbrückungshilfe II, ergänzen. Die Bundesregierung arbeitet unter Hochdruck daran, die Beantragung, effiziente Bearbeitung und Auszahlung dieser neuen zusätzlichen Hilfen so schnell wie möglich durchführbar zu machen. Weitere Informationen dazu folgen.

Die neuen Hilfen werden zusätzlich zu den laufenden Überbrückungshilfen angeboten. Die von den Corona-bedingten Maßnahmen/Schließungen betroffenen Unternehmen können in jedem Fall die Überbrückungshilfe II beantragen. Das Antragsverfahren ist seit dem 21. Oktober 2020 möglich.“ (https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Coronavirus/coronahilfe.html, abgerufen am 03.11.2020)

Das Bundesministerium der Finanzen hat hierzu auf seiner Website ausgeführt:

„Seit Beginn der Krise erleiden Unternehmen, Betriebe, Selbstständige, Vereine und Einrichtungen einzelner Branchen durch die Corona-Maßnahmen starke Umsatzeinbußen. Trotz staatlicher Hilfen besitzen sie weniger wirtschaftliche Widerstandskraft als im Frühjahr. Um sie angesichts der erneut notwendigen vorübergehenden Schließungen sehr kurzfristig und zielgerichtet zu unterstützen, werden außerordentliche Wirtschaftshilfen geleistet. Dafür stehen insgesamt bis zu 10 Milliarden Euro bereit.

Unternehmen mit bis zu 50 Beschäftigten können eine einmalige Kostenpauschale in Höhe von bis zu 75 Prozent ihres Umsatzes von November 2019 erhalten. Die Höhe errechnet sich aus dem durchschnittlichen wöchentlichen Umsatz des Vorjahresmonats, gezahlt wird sie für jede angeordnete Lockdown-Woche. Bei jungen Unternehmen, die nach November 2019 gegründet wurden, gelten die Umsätze von Oktober 2020 als Maßstab. Soloselbständige haben das Wahlrecht, als Bezugsrahmen für den Umsatz auch den durchschnittlichen Vorjahresumsatz 2019 zugrunde zu legen.

Für größere Unternehmen gelten abweichende Prozentanteile vom Vorjahresumsatz. Ihre Höhe wird im Einzelnen anhand beihilferechtlicher Vorgaben ermittelt. Anderweitige Hilfen für den Zeitraum wie beispielsweise Kurzarbeitergeld oder Überbrückungshilfe werden vom Erstattungsbetrag abgezogen. Mögliche spätere Leistungen aus der Überbrückungshilfe für den Zeitraum werden angerechnet.

Einen Antrag auf außerordentliche Wirtschaftshilfe können Unternehmen, Betriebe, Selbstständige, Vereine und Einrichtungen stellen, denen aufgrund staatlicher Anordnung das Geschäft untersagt wird beziehungsweise aufgrund bereits bestehender Anordnung bereits untersagt ist. Unterstützungsmaßnahmen für diejenigen, die indirekt, aber in vergleichbarer Weise durch die Anordnungen betroffen sind, werden zeitnah geklärt.

Die Auszahlung soll nach vereinfachtem Antrag über die Plattform der Überbrückungshilfe erfolgen. Da die Umsetzung der Einzelheiten einige Zeit in Anspruch nehmen wird, wird die Gewährung von Abschlagszahlungen geprüft.“ (https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Schlaglichter/Corona-Schutzschild/2020-10-29-neue-corona-hilfen.html)

Hinzu kommt in der gebotenen Abwägung auch insoweit der Umstand, dass die in § 1a Abs. 5 Satz 1 CoronaVO geregelte Maßnahme, wie gezeigt, Ausnahmetatbestände enthält, zeitlich bis zum 30.11.2020 befristet wurde und derzeit keine Anhaltspunkte bestehen, dass der Verordnungsgeber seiner diesbezüglichen verfassungsrechtlichen Kontrollpflicht nicht nachkommt. In der gebotenen Zusammenschau dieser Gesichtspunkte und insbesondere vor dem Hintergrund der oben genannten finanziellen Kompensationsmaßnahmen erweisen sich die Eingriffe in die Berufsfreiheit der Betroffenen daher derzeit voraussichtlich als angemessen (verhältnismäßig i.e.S.).

Der Verordnungsgeber wird allerdings künftig gehalten sein, besonders kritisch im Blick zu behalten, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Maßnahmen das verfolgte Ziel tatsächlich erreichen und ob das Gesamtkonzept der Infektionsschutznahmen in der Corona-Verordnung weiterhin in sich stimmig ist. Unter Berücksichtigung der Entwicklung der Infektionszahlen sowie der daraus gegebenenfalls resultierenden Belastung des Gesundheitswesens, wird er vor dem Hintergrund der bereits bewirkten Grundrechtseingriffe fortlaufend besonders gründlich zu bewerten haben, ob die getroffenen Maßnahmen noch angemessen sind oder ob die Infektionsketten und die Infektionsgefahr auch mit milderen Eingriffen als beherrschbar angesehen werden können. Er wird dabei insbesondere zu berücksichtigen haben, dass die in § 1a CoronaVO angeordneten Maßnahmen nun – nach den bereits im Frühjahr 2020 erlassenen und größtenteils zwischenzeitlich wieder aufgehobenen Betriebsschließungen sowie der durchgängigen erhöhten Hygieneerfordernisse – bereits zum zweiten Mal und hier auch wieder für einen nicht nur kurzfristigen Zeitraum erlassen wurden und den Betroffenen dadurch erneut Opfer abverlangt werden.

b) Nach der im Hinblick auf die offenen Erfolgsaussichten erforderlichen Folgenabwägung kann der Senat ein deutliches Überwiegen der von dem Antragsteller geltend gemachten Belange gegenüber den von dem Antragsgegner vorgetragenen gegenläufigen Interessen derzeit nicht feststellen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung erscheint daher nicht dringend geboten.

Die mit dem Verzicht auf den geplanten Urlaub und den fehlenden Möglichkeiten zur Umplanung desselben im November 2020 einhergehenden Nachteile sind von einigem Gewicht. Aus den soeben dargelegten Gründen kommt jedoch den ebenfalls gravierenden Folgen für Leib und Leben einer Vielzahl vom Coronavirus Betroffener und der damit verbundenen Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems Deutschlands ein größeres Gewicht zu. Ein deutliches Überwiegen der von dem Antragsteller geltend gemachten Belange gegenüber den gegenläufigen Interessen des Antragsgegners vermag der Senat daher derzeit nicht festzustellen.“

Hieran hält der Senat auch im Fall der Antragstellerin fest. Ein dringendes Gebotensein i.S.v. § 47 Abs. 6 VwGO besteht aus den vorgenannten Gründen nicht. Hinzu kommt, dass die Antragstellerin mit ihrem Vortrag, es sei ihr unmöglich, für die nächsten vier Wochen überhaupt auch nur ein Wochenende zur Erholung wegzufahren, zwar einen Belang von Gewicht geltend macht, eine konkrete Buchung oder Planung jedoch bereits nicht behauptet.

b) Der Senat hat in zwei Beschlüssen vom 06.11.2020 (1 S 3388/20 und 1 S 3390/20) und in einem Beschluss vom 10.11.2020 (1 S 3443/20) entschieden, dass die Voraussetzungen für eine einstweilige Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO gegen § 1a Abs. 6 Nr. 10 CoronaVO nicht vorliegen. Zur Begründung hat er – ganz weitgehend aus den oben zu § 1a Abs. 5 CoronaVO angeführten Erwägungen – dargelegt, insbesondere in einer Pandemielage mit diffusem Infektionsgeschehen könne es – zur Vermeidung eines vollständigen „Lockdowns“ – sachliche Gründe für Ungleichbehandlungen geben. Im Eilverfahren offen sei allerdings, ob solche Differenzierungen, für die es keine rein infektionsschutzrechtlichen Gründe gebe, vom Verordnungsgeber oder nur vom parlamentarischen Gesetzgeber vorgenommen werden dürfen. Diese Frage stelle sich umso dringlicher, wenn die Landesregierung Ungleichbehandlungen zu einem Zeitpunkt vornehme, zu dem die Grundrechtsträger bereits über einen längeren Zeitraum erheblichen Grundrechtseingriffen zur Bekämpfung einer Pandemie ausgesetzt gewesen seien. Ob die Betriebsuntersagungen für Gaststätten den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG und des Parlamentsvorbehalts genügten, sei daher offen. Denn die Landesregierung müsse sich grundsätzlich an infektionsschutzrechtlichen Gründen ausrichten, wenn sie Ungleichbehandlungen vornehme. Zu diesen infektionsschutzrechtlichen Gründen, die Ungleichbehandlungen rechtfertigen könnten, träten überragend wichtige Gründe des Gemeinwohls hinzu, die Ungleichbehandlungen ebenfalls erlauben könnten. Solche überragend wichtigen Gründe des Gemeinwohls könnten beispielsweise für eine bevorzugte Öffnung des Einzelhandels für solche Güter – wie z.B. Lebensmittel – sprechen, die der unmittelbaren Grundversorgung der Bevölkerung dienten. Auch pädagogisch, nicht rein infektionsschutzrechtlich begründete Differenzierungen im Schulbereich könnten zulässig sein. Die Landesregierung habe mit ihren neuen Maßnahmen jedoch zwischen den nicht näher definierten „Kernbereichen der (nicht publikumsintensiven) Wirtschaft“ auf der einen Seite und sonstigen „(Rand-)Bereichen der Wirtschaft“ auf der anderen Seite differenziert. Das führe beispielsweise dazu, dass der Einzelhandel anders als Gastronomiebetriebe bei möglicherweise vergleichbaren infektionsschutzrechtlichen Gefährdungslagen keinem „Lockdown“ unterworfen werde. Damit habe die Landesregierung das Gebiet von streng infektionsschutzrechtlichen Unterscheidungsgründen verlassen und sich auch nicht mehr auf eine Differenzierung nach überragend wichtigen Gründen des Gemeinwohls beschränkt. Die mit den Betriebsschließungen einhergehenden Nachteile seien für die Betriebsinhaber von sehr erheblichem Gewicht. Der Eingriff in das Grundrecht der Betriebsinhaber auf Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) sei jedoch wegen der von der Bundesregierung beschlossenen Entschädigungsleistungen voraussichtlich verhältnismäßig. Den gravierenden Folgen für Leib und Leben einer Vielzahl vom Coronavirus Betroffener und der damit verbundenen Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems Deutschlands komme in der Abwägung mit den Belangen der betroffenen Betriebsinhaber ein größeres Gewicht zu (vgl. ausf. Senat, Beschl. v. 09.11.2020 – 1 S 3388/20 – zur Veröff. in juris vorgesehen).

Hieran hält der Senat auch im Fall der Antragstellerin fest. Eine Verletzung ihres Rechts auf Berufsfreiheit (Art. 12 GG) ist nicht zu erkennen. Die Antragstellerin ist offensichtlich nicht unmittelbar in ihrer Berufsfreiheit betroffen. Soweit sie geltend macht, sie sei insbesondere über den privaten Bereich hinaus betroffen, da sie sich als selbständige Heilpraktikerin bei Restaurantbesuchen mit Kollegen auszutauschen pflege, erschließt sich dem Senat in keiner Weise, aus welchen Gründen es der Antragstellerin nicht möglich sein soll, sich auf andere Weise unter Beachtung der Vorschriften der CoronaVO mit Kollegen beruflich auszutauschen. Ein mittelbarer Eingriff in ihre Berufsfreiheit scheidet insoweit aus. Ein solch mittelbarer Eingriff ist zu bejahen, wenn die Regelung in einem engen Zusammenhang mit der Berufsausübung steht oder objektiv eine berufsregelnde Tendenz deutlich erkennen lässt (vgl. BVerfG, Urt. v. 03.11.1982 – 1 BvL 4/78 – BVerfGE 61, 291 <308>; Beschl. v. 12.06.1990 – 1 BvR 355/86 – BVerfGE 82, 209 <223 f.>; Beschl. v. 08.04.1997 – 1 BvR 48/94 – BVerfGE 95, 267 <302>; Beschl. v. 12.04.2005 – 2 BvR 1027/02 – BVerfGE 113, 29 <48>). Daran fehlt es hier.

Soweit die Antragstellerin in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit betroffen ist, müssen ihre Belange in der Abwägung nach § 47 Abs. 6 VwGO hier zurückstehen. Der Umstand, dass sie Restaurants derzeit nicht besuchen und sich dort nicht mit Kollegen austauschen kann, begründet keine Betroffenheit der Antragstellerin in Rechten oder Belangen, die die gravierenden Folgen für Leib und Leben einer Vielzahl vom Coronavirus Betroffener und der damit verbundenen Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems Deutschlands deutlich überwiegt.

c) Der Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO ist auch insoweit unbegründet, als sich die Antragstellerin gegen § 1a Abs. 2 CoronaVO wendet, der Ansammlungen und private Veranstaltungen beschränkt. Ein Normenkontrollantrag in der Hauptsache ist aller Voraussicht nach unbegründet (aa). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zudem nicht geboten (bb).

aa) Die Bestimmungen in § 1a Abs. 2 CoronaVO sind aller Voraussicht nach rechtmäßig.

Sie haben in § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 IfSG eine hinreichende gesetzliche Grundlage. Insbesondere genügen die Vorschriften dem Vorbehalt des Gesetzes in seiner Ausprägung als Parlamentsvorbehalt. Denn der Gesetzgeber selbst hat in § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG ausdrücklich vorgesehen, dass die zuständige Behörde unter den Voraussetzungen von Satz 1 insbesondere Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen einer größeren Anzahl von Menschen beschränken oder verbieten und Personen verpflichten kann, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte nicht zu betreten.

Die Bestimmungen in § 1a Abs. 2 CoronaVO stehen voraussichtlich auch mit Verfassungsrecht in Einklang und genügen insbesondere derzeit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

Der Verordnungsgeber verfolgt mit den Kontaktbeschränkungen das oben beschriebene legitime Ziel, das Leben und die körperliche Unversehrtheit einer potentiell sehr großen Zahl von Menschen zu schützen und damit den sich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ergebenden staatlichen Schutzauftrag zu erfüllen.

Die sich aus § 1a Abs. 2 CoronaVO ergebenden Verbote sind zur Erreichung dieses legitimen Zwecks geeignet, denn sie verringern die Zahl der Situationen, in denen sich Menschen begegnen und deshalb insbesondere Tröpfcheninfektionen verursachen können. Die sich aus der Vorschrift ergebenden Verbote sind zur Erreichung des genannten legitimen Zwecks auch erforderlich. Gleich geeignete, aber weniger belastende Mittel sind nicht ersichtlich.

Die genannten Verbote sind auch angemessen. Der Verordnungsgeber greift durch die genannten Verbote in die allgemeine Handlungsfreiheit der Bürger erheblich ein, zumal die Verbote nicht nur den öffentlichen, sondern auch ihren privaten Lebensbereich betreffen und ihre sozialen Kontaktmöglichkeiten in erheblichem Umfang einschränken. Dem stehen jedoch auch insoweit die ebenfalls gravierenden Folgen für Leib und Leben einer Vielzahl vom Coronavirus Betroffener und die damit verbundene Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems Deutschlands gegenüber. Auch in diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass – wie dargelegt – weiterhin die Gefahr besteht, dass ohne Kontaktbeschränkungen die Infektionsgeschwindigkeit wieder sehr schnell zunimmt und es zu einer Überlastung des Gesundheitswesens kommt. Die Kontaktverbote unterliegen zudem als dauerhaft eingreifende Maßnahmen nach wie vor der bereits oben genannten Verpflichtung der Landesregierung zur fortlaufenden Überprüfung. Dass die Landesregierung bisher dieser Verpflichtung nicht nachgekommen wäre, ist auch in dieser Hinsicht weiterhin nicht ersichtlich.

Eine Betroffenheit in der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG vermag der Senat entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin nicht zu erkennen, insbesondere da die Kontakte zu anderen Menschen nur beschränkt, aber nicht ausgeschlossen sind und die Maßnahme zeitlich begrenzt ist.

Die Vorschrift genügt auch dem Bestimmtheitsgrundsatz. Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin ist der sachliche Anwendungsbereich der Vorschrift hinreichend erkennbar. Der Begriff der Veranstaltung ist in § 10 Abs. 6 CoronaVO definiert. In der veröffentlichten Begründung zu den am 02.11.2020 in Kraft getretenen Änderungen ist auch ausgeführt, dass als Ansammlungen bewusste Zusammentreffen verschiedener Personen unabhängig vom jeweiligen Zweck gelten (vgl. Verordnungsbegründung, a.a.O., S. 7).

Auch der Vortrag, die Regelung sei „unschlüssig“, weil nach ihr die Personenzahl von zehn bei Zusammentreffen von Angehörigen allein eines Haushalts überschritten werden könne, vermag eine Unvereinbarkeit der Vorschrift mit höherrangigem Recht nicht zu begründen. Ersichtlich hat die Vorschrift den Schutz des Privatlebens und den Umstand im Blick, dass Personen eines Haushalts ohnehin bereits einen regelmäßigen engen Kontakt haben. Aus welchen Gründen dies rechtlich zu beanstanden sein soll, vermag der Senat nicht zu erkennen. Ebenso wenig erschließt sich dem Senat der rechtliche Kern der Argumentation der Antragstellerin, es sei nicht ausreichend zwischen dem Aufenthalt im öffentlichen und im privaten Bereich differenziert worden. Welche höherrangigen Rechtsvorschriften verletzt sein sollen, ist weder dargelegt noch ersichtlich. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des sinngemäßen Vorbringens der Antragstellerin, der Kernbereich privatester Lebensführung müsse stärker geschützt werden. Denn die Regelung in § 1a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 CoronaVO, dass Ansammlungen und private Veranstaltungen mit Angehörigen des eigenen Haushaltes ohne zahlenmäßige Begrenzung gestattet sind, berücksichtigt – wie bereits dargelegt – diesen Aspekt.

Schließlich ist voraussichtlich unbegründet auch der Einwand, dass die Regelung nicht ausnahmslos erforderlich sei, da sie keine Ausnahme für Kinder, die weniger infektiös zu sein scheinen, vorsehe. Auch insoweit dürften die Regelungen in Nrn. 1 und 2 von § 1 Abs. 2 Satz 1 CoronaVO, soweit sie auf den eigenen Haushalt und Verwandtschafts- und Nähebeziehungen abstellen, diesem Gesichtspunkt ausreichend Rechnung tragen.

bb) Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist auch in Bezug auf § 1a Abs. 2 CoronaVO nicht nach § 47 Abs. 6 VwGO geboten.

Dies folgt bereits daraus, dass ein Normenkontrollantrag auch insoweit voraussichtlich unbegründet ist. In einem solchen Fall ist – wie oben dargelegt – der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Unbeschadet dessen ist eine erhebliche, die von dem Antragsgegner vorgebrachten Interessen des Schutzes von Leib und Leben überwiegende Beeinträchtigung der Belange der Antragstellerin auch in dieser Hinsicht nicht ersichtlich. Die bewirkten Einschränkungen sind der Antragstellerin im Rahmen der gebotenen Abwägung zumutbar. Eine gravierende Beeinträchtigung vermag der Senat auch nicht zu erkennen, soweit die Antragstellerin vorbringt, dass ihre Eltern geschieden seien und daher bei gemeinsamen Familientreffen bereits aus diesem Grund drei Haushalte zusammentreffen würden. Denn es ist angesichts des Gewichts der von dem Antragsgegner mit den angegriffenen Vorschriften verfolgten Zielen des Schutzes der Gesundheit und der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems Deutschlands für die Antragstellerin hinzunehmen, sich für eine sehr begrenzte Zeit nicht mit beiden Eltern gleichzeitig treffen zu können.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2, § 39 Abs. 1 GKG. Für eine Halbierung des Auffangstreitwerts von 5.000,– EUR, der für jeden der drei Streitgegenstände anzusetzen ist, bestand im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wegen der weitgehenden Vorwegnahme der Hauptsache kein Anlass.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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