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Kündigung eines Bausparvertrages durch die Aachener Bausparkasse gemäß §§ 313, 314 BGB unwirksam

Amtsgericht Aachen, Az.: 120 C 343/16, Urteil vom 29.06.2017

Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis aus dem Bausparvertrag Nr. XXXXXX XX vom 04.09.2006 durch die Kündigung der Beklagten vom 26.09.2016 nicht beendet worden ist.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Kläger abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

T a t b e s t a n d

Bausparvertrag

Bausparvertrag
Symbolfoto: Flynt/Bigstock

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung des Bausparvertrages.

Die Parteien schlossen am 04.09.2006 einen Bausparvertrag über eine Bausparsumme in Höhe von 10.000,00 €. Die vereinbarte Garantieverzinsung beträgt 1,5 % p.a. zuzüglich Bonuszinsen. Der Darlehenszins wurde auf 4,0 % festgelegt. Vertragsbestandteil waren des Weiteren die Allgemeinen Bausparbedingung der Beklagten. Mit Schreiben vom 26.09.2016 erklärte die Beklagte gegenüber den Klägern die Kündigung des Bausparvertrags zum 31.12.2016. Unter dem 31.12.2016 wies der Bausparkontostand einen Betrag in Höhe von 9.179,87 € auf. Der Bonusanspruch belief sich auf 1.078,40 €.

Die Kläger sind der Ansicht, die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung sei nicht rechtes. Insbesondere liege keine Vollbesparung vor, da der Zinsbonus nicht zu dem Gutachten hinzuaddiert werden dürfe. Maßgeblich für die Ermittlung des Bausparguthabens sei allein das Guthaben ohne Zinsbonus.

Die Kläger beantragen, festzustellen, dass das Vertragsverhältnis aus dem Bausparvertrag Nr. XXXXXX XX vom 04.09.2006 durch die Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 26.09.2016 nicht beendet wurde.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen

Die Beklagte ist der Ansicht, sie sei zur Kündigung nach § 488 Abs. 3 BGB berechtigt gewesen, da die Bausparsumme durch Hinzurechnen des Zinsbonus erreicht worden sei. Des Weiteren sei es bei vernünftiger Betrachtung nicht vorstellbar, dass die Kläger auf einen nicht mehr entziehbaren Bonusanspruch in Höhe von 1.078,40 € verzichteten, um ein Bauspardarlehen in Höhe von 820,13 € in Anspruch zu nehmen. Hierbei würden die Kläger nicht nur auf einen Betrag von 258,27 € verzichten, sondern sie müssten das in Anspruch genommene Darlehen in Höhe von 820,13 € mit 4,0 % p.a. verzinsen und an die Beklagte zurückzahlen. Die Beklagte meint, so verhalte sich kein wirtschaftlich denkender Bausparer. Eine Vollbesparung sei gleichzusetzen mit dem Sachverhalt, bei dem die Aufnahme eines Bauspardarlehens eine wirtschaftliche Schädigung des Bausparers bedeuten würde. Des Weiteren würde die Fortführung des Vertrages aufgrund der bereits lang anhaltenden Niedrigzinsphase erhebliche Nachteile für das Bausparkollektiv nach sich ziehen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die zulässige Klage ist begründet. Der Beklagten stand im Kündigungszeitpunkt kein Recht zur Kündigung des Bausparvertrages zu.

1. Die Beklagte konnte ihre Kündigung nicht auf den Kündigungsgrund des § 488 Abs. 3 BGB stützen.

Zwar entspricht es der überwiegenden Meinung, dass ein Bausparvertrag durch die Bausparkasse dann gemäß § 488 Abs. 3 BGB gekündigt werden kann, wenn er bis zu Bausparsumme vollständig angespart ist. Denn bei einem Bausparvertrag handelt es sich um einen einheitlichen Darlehensvertrag mit zwei Stufen und der sich daraus ergebenen Besonderheit, dass Bausparkasse und Bausparer mit der Inanspruchnahme des Bauspardarlehens ihre jeweiligen Rollen als Darlehensgeber bzw. Darlehensnehmer tauschen (vgl. z.B. OLG Stuttgart, WM 2016, 742 (743); OLG Hamm, ZIP 2016, 306; Tröger/Kelm, NJW 2016, 2839 m.w.N.). Der Bausparer spart bis zur Zuteilungsreife ein (verzinsliches) Guthaben an und kann nach Zuteilung ein Bauspardarlehen in Höhe der Differenz zwischen der vertraglich vereinbarten Bausparsumme und dem bis zur Zuteilung angesammelten Guthaben in Anspruch nehmen (vgl. OLG Celle, Urt. v. 14.09.2016 – Az. 3 U 207/15 m.w.N.). Damit ist der Bausparvertrag bereits in der Ansparphase als Darlehensvertrag zu qualifizieren (vgl. OLG Hamm, Beschluss v. 26.10.2015 – Az. I.31 U 182/15; OLG Köln, Beschluss v. 11.01.2016 – Az. 13 O 151/15), wobei die Einlagen des Bausparers das Darlehen an die Bausparkasse darstellen, für dessen Rückerstattung eine Zeit nicht bestimmt ist (OLG Stuttgart, Beschluss v. 14.10.2011 – Az. 9 U 151/11). Der Bausparvertrag dient dem Zweck der Erlangung eines Bauspardarlehens in Höhe der Differenz zwischen Bausparsumme und Bauspareinlagen. Mit vollständiger Ansparung des Vertrages bis zur Bausparsumme kann dieser Zweck nicht mehr erreicht werden (OLG Stuttgart, a. a. O.), weshalb er ab diesem Zeitpunkt gemäß § 488 Abs. 3 BGB kündbar ist.

Im vorliegenden Fall stand der Beklagten dennoch kein Kündigungsrecht nach § 488 Abs. 3 BGB zu, da die Bausparsumme nach Ansicht des Gerichts nicht erreicht worden ist. Das Gericht schließt sich der Rechtsansicht der Kläger an, wonach die Bonuszinsen bei der Ermittlung des Erreichens der Bausparsumme nicht anzurechnen sind. Ihre Berücksichtigung vor Erreichen der Bausparsumme kommt nur dann in Betracht, wenn sie bereits fällig sind. Nach den Bedingungen des streitgegenständlichen Vertrages entsteht der Anspruch auf Zahlung von Bonuszinsen frühestens nach Ablauf von 7 Jahren seit dem jüngsten Vertragsbeginn bei Verzicht auf das zugeteilte Bauspardarlehen oder bei Kündigung des Bausparvertrages. Soweit der Bausparvertrag – wie hier – Bonuszinsen nur einräumt, wenn das Darlehen nicht in Anspruch genommen wird, würde eine Anrechnung des Zinsbonus bei der Ermittlung der Bausparsumme den Bausparern den Zinsbonus aufdrängen und somit das ihnen vertraglich zugesicherte Initiativrecht unterlaufen.

Dies gilt unabhängig von der Frage, ob es noch wirtschaftlich sinnvoll ist, ein Darlehen in Anspruch zu nehmen. Denn es ist allein die Entscheidungsfreiheit des Bausparers, ob er sein Initiativrecht nutzen will oder nicht. Insoweit sieht der Bausparvertrag eine einseitige Gestaltungsmöglichkeit des Bausparers vor. Die Nutzung oder Nichtnutzung einer vertraglich gewährten Option ist somit grundsätzlich weder rechtsmissbräuchlich, noch muss diese wirtschaftlich sinnvoll sein. Des Weiteren steht es der Beklagten nicht zu, an Stelle der Kläger wirtschaftlich bedeutsame Entscheidungen zu treffen (vgl. OLG Celle a. a. O.).

2. Ein Kündigungsrecht stand der Beklagten zum Kündigungszeitpunkt auch nicht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zu. Das hierin normierte Kündigungsrecht steht zwar grundsätzlich auch einer Bausparkasse zu (so nun ausführlich BGH, Urt. v. 21.02.2017 – Az. XI ZR 185/16). Die Voraussetzungen lagen im Kündigungszeitpunkt jedoch nicht vor. Die von der Beklagten ausgesprochene und hier streitgegenständliche Kündigung konnte damit vorliegend noch nicht auf § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB gestützt werden

3. Zuletzt stand der Beklagten zum Kündigungszeitpunkt auch kein Kündigungsrecht nach §§ 490 Abs. 3 BGB, 313 oder 314 BGB zu. Die Frage, ob der Bausparkasse in Fallkonstellationen wie der vorliegenden ein auf dem Wegfall der Geschäftsgrundlage fußendes Kündigungsrecht zusteht, ist umstritten.

Nach einer Ansicht in Literatur und Rechtsprechung besteht für die Anwendung der Grundsätze vom Wegfall der Geschäftsgrundlage kein Raum, da die Bausparkasse das im Raum stehende Zinsänderungs- und Zinsentwicklungsrisiko vertraglich dadurch übernommen habe, dass sie bereits bei Vertragsschluss dem Bausparer eine feste Guthabenverzinsung der Spareinlagen auf „unbestimmte“ Zeit zugesagt und diesem zugleich ein vom Bausparer zu „einem beliebigen Zeitpunkt“ auszuübendes Optionsrecht auf Inanspruchnahme eines Bauspardarlehens zu einem bereits bei Vertragsschluss festgelegten festen Zinssatz eingeräumt habe (vgl. Tröger/Kelm, NJW 2016, 2839, 2844; OLG Celle a. a. O.).

Nach einer anderen Ansicht stellt die in den letzten Jahren und nach Abschluss des Bausparvertrags eingetretene und unvorhersehbare Zinsentwicklung eine Überschreitung des vertraglich vereinbarten Zinsrisikos dar mit der Folge, dass allein aus diesem Grund die Anwendbarkeit der Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage nicht ausgeschlossen werden können (vgl. Edelmann/Schön, BB 2017, 329-336, zitiert nach juris).

Zwar sprechen nach Ansicht des Gerichts im Hinblick auf die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Bausparvertrages nicht vorhersehbare und heute herrschende Zinsentwicklung auch gute Gründe dafür, der letztgenannten Ansicht zu folgen und ein Kündigungsrecht der Bausparkassen im Einzelfall zu bejahen. Welcher Ansicht im Ergebnis gefolgt werden sollte, kann vorliegend jedoch dahinstehen, da die Voraussetzungen für eine Vertragsanpassung bzw. Kündigung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB und für ein außerordentlichen Kündigungsrecht der Beklagten nach § 314 BGB mangels Unzumutbarkeit der Vertragsfortführung nicht vorliegen.

Beide Loslösungsrechte setzen voraus, dass dem Kündigenden das Festhalten am (unveränderten) Vertrag unzumutbar ist. Dies ist der Fall, wenn die Kündigung des Vertrags zur Vermeidung untragbarer Folgen erforderlich ist (Grüneberg, in: Palandt, § 313, Rn. 24). So könnte die Zumutbarkeitsgrenze überschritten sein, wenn die mit dem Festhalten an den unveränderten Bausparverträgen wirtschaftlichen Belastungen für die Beklagte existenzgefährdend sind (Edelmann/Schön a. a. O.). Die Beklagte hat jedoch keine Umstände vorgetragen, die eine entsprechende Unzumutbarkeit begründen könnten. Vielmehr hat sie allgemein auf die negativen Folgen, die sich für das Bausparkollektiv ergeben, wenn die Bausparer weiterhin den Bausparvertrag als Ewigsparanlage zweckentfremden und die aktuell herrschende Niedrigzinsphase weiter anhält, hingewiesen, nicht jedoch dargelegt, warum das Festhalten am Vertrag speziell für sie unzumutbar oder existenzgefährdend ist.

Da es sich bei dein in §§ 313 und 314 BGB normierten Kündigungsrechten um eine nur unter engen Voraussetzungen anwendbare Einschränkung des das Zivilrecht beherrschenden Grundsatzes der Vertragstreue handelt, reicht nach Ansicht des Gerichts ein Verweis auf die oben genannten allgemeinen Negativfolgen nicht aus, um eine Unzumutbarkeit im Einzelfall zu begründen.

Der Klage war damit insgesamt stattzugeben.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

6. Der Streitwert wird auf 481,95 € festgesetzt. Das Guthaben des Bausparvertrags der Kläger beläuft sich auf 9.179,87 €. Der Zinssatz beläuft sich auf 1,5 % p. a. Der 3,5-fache Jahreszinsertrag ergibt den genannten Streitwert.

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