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Motorradunfall – Fahren auf der falschen Fahrbahnseite mit eingeschaltetem Fernlicht

OLG München – Az.: 10 U 1135/12 – Urteil vom 12.10.2012

1. Die Berufung der Klägerin vom 20.3.2012 gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 13.2.2012 (Az.: 19 O 13428/11) wird zurückgewiesen.

2. Das Urteil des Landgerichts München I vom 13.2.2012 ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

3. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

A.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen (§§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO).

B.

Die statthafte, sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 398, 86 VVG zu.

Unstreitig ist es nicht zu einer fahrbedingten Kollision des Motorrads (Zeuge A.) mit dem Pkw der Versicherungsnehmerin der Beklagten (Zeugin R.) gekommen, sondern das Motorrad des Zeugen A. rutschte nach dessen Sturz weiter auf der Straße entlang und in den Pkw der Versicherungsnehmerin der Beklagten hinein. Damit muss die Klagepartei gemäß § 286 I ZPO hier den Vollbeweis der Schadensverursachung durch den Unfallgegner erbringen.

Dies ist ihr auch nach der in zweiter Instanz durchgeführten ergänzenden Beweisaufnahme und der Anhörung der Sachverständigen Dipl.-Ing. Karin K. nach Auffassung des Senats nicht gelungen.

Der Zeuge G. hat anlässlich seiner Einvernahme vor dem Senat am 21.9.2012 ausgeführt, dass sich das Ganze mehr oder minder auf der Seite der Motorradfahrer abgespielt habe. Auf Vorhalt des Vorsitzenden blieb der Zeuge dabei, dass er etwa 30 bis 40 Meter hinter dem Zeugen A. gefahren sei. Zur Geschwindigkeit konnte er nichts mehr sagen. Das Fahrzeug der Zeugin R.sei ihnen mit Fernlicht entgegengekommen. Es habe sich über der Hälfte befunden. Der Zeuge A. habe nach rechts ausweichen wollen und sei dabei zu Sturz gekommen. Die Zeugin R. sei um die Kurve gekommen, dann sei man geblendet gewesen.

Motorradunfall - Fahren auf der falschen Fahrbahnseite mit eingeschaltetem Fernlicht
Symbolfoto: Von Branislav Cerven/Shutterstock.com

Der Zeuge A. erklärte auf Vorhalt seiner Aussage vor dem Landgericht, dass es von ihm hierzu keine Ergänzungen gebe. Unter Vorlage des von der Sachverständigen K. gefertigten Farbausdrucks von google earth vom Unfallort erklärte der Zeuge, er habe sich, nachdem er mit ca.30 bis 40 km/h durch die Kurve gefahren sei, unmittelbar nach deren Scheitelpunkt befunden. Dann habe er das Fernlicht auf sich zukommen gesehen, er sei geblendet gewesen, habe nach rechts gezogen und sei dadurch zum Sturz gekommen. Die Kurve sei sehr spitz, er kenne sie sehr gut, da er im Nachbarort wohne. Als er um die Kurve gebogen sei, könne er nur sagen, dass das Fernlicht frontal auf ihn zugekommen sei. Er selbst sei etwa in der Mitte seiner Spur gefahren.

Die Zeugin R. erklärte ebenfalls, so wie sie es damals beim Landgericht geschildert habe, habe es der Wahrheit entsprochen. Sie führte weiter aus: „Ich kann heute nur noch sagen, dass ich gedacht habe, da kommt einer entgegen, ich muss jetzt abblenden. Ich erinnere mich nur noch daran, dass der Motorradfahrer von seinem Motorrad heruntergesprungen ist.“ Auf Vorhalt führte sie weiter aus, dass sie sich heute nicht mehr erinnern könne, zu welchem Zeitpunkt sie abgeblendet habe, ob sie das Motorrad schon gesehen habe oder nur den Lichtkegel des Motorrades. Ab dem Zeitpunkt des Absteigens des Motorradfahrers sei sie so mit Bremsen und Reagieren beschäftigt gewesen, dass sie zu diesem Zeitpunkt nicht mehr abgeblendet habe, das müsse davor gewesen sein.

Die Aussage des Zeugen G. hält der Senat schlechterdings für unglaubwürdig. Wie sowohl die Zeugin R. als auch der Zeuge A. übereinstimmend angegeben haben, befand sich die Unfallstelle kurz nach dem Scheitelpunkt der Kurve. Wenn der Zeuge G., wie er mehrfach ausgesagt hat, 30 bis 40 Meter hinter dem Zeugen A. gefahren ist, dann war er noch hinter der Kurve, als der Zeuge A. gestürzt ist und kann aufgrund der örtlichen Verhältnisse, von denen die Sachverständige Dipl.-Ing. Karin K. dem Senat im Rahmen ihrer Anhörung vor dem Senat am 21.9.2012 berichtet hat, den Sturz nicht gesehen haben. Er kann darüber hinaus weder geblendet worden sein noch gesehen haben, auf welchem Teil der Fahrbahn sich die Zeugin R. vor dem Sturzzeitpunkt befunden hat.

Unstreitig ist die Zeugin R. um 1:30 Uhr auf der Dorfstraße in S.-H., einem um diese Zeit unbeleuchteten kleinen Ort, zunächst mit Fernlicht gefahren. Zwar hat sie bei ihrer Einvernahme ausgeführt, dass sie davon ausgeht, dass sie bereits vor dem Zeitpunkt des Absteigens vom Motorrad, da sie ab diesem Zeitpunkt so mit dem Bremsen und Reagieren darauf beschäftigt war, abgeblendet hat. Hierbei handelt es sich jedoch um einen Rückschluss. Sie konnte sich auf intensive Nachfrage des Senats nicht mehr daran erinnern, zu welchem Zeitpunkt sie abgeblendet hat, ob sie das Motorrad schon gesehen hat, oder nur den Lichtkegel des Motorrades.

Nach den nachvollziehbaren Ausführungen der dem Senat aus langjähriger Tätigkeit als überaus sachkundig bekannten Sachverständigen ist die Fahrbahn in Richtung des Krades ansteigend. Die Steigung wurde an verschiedenen Stellen gemessen und beträgt im Mittel 6 %. Die Fahrbahn in Richtung des Pkw verläuft nicht eben, sondern weist Wölbungen und unterschiedliche Querneigungen auf. Auf den Bildern 41-48 der von der Sachverständigen übergebenen Lichtbildmappe ist die Erkennbarkeit des Scheinwerferlichtes eines sich der Kurve annähernden Pkws aus unterschiedlicher Entfernung jeweils bei Abblendlicht und Fernlicht abgebildet. Durch das Scheinwerferlicht wird die Fahrbahn im Kurvenbereich ausgeleuchtet, wobei die Erkennbarkeit mit zunehmender Annäherung des Pkw an den Kurvenbereich deutlicher wird. Bei den Untersuchungen der Sichtbedingungen wurde weiter festgestellt, dass aufgrund der Fahrbahnunebenheiten in bestimmten Teilen der Fahrbahn die Scheinwerfer eines Pkws relativ zu anderen Bereichen der Fahrbahn nach oben gerichtet sind. Dadurch kann für einen entgegenkommenden Fahrzeugführer der Eindruck entstehen, dass an dem Pkw das Fernlicht eingeschaltet ist. In dieser Position kann weiterhin aufgrund des Fahrbahnverlaufes der Eindruck entstehen, dass sich der Pkw im Gegenverkehr im Bereich der eigenen Fahrspur annähert. Entscheidend ist für den Senat die weitere Ausführung der Sachverständigen: Aufgrund des Fahrbahnverlaufs ist es technisch möglich, dass ein sich annähernder Pkw bei eingeschaltetem Abblendlicht für einen Kradfahrer zunächst nicht zu sehen ist und erst erkennbar wird, wenn der Kradfahrer Einblick auf den Gegenverkehr hat und das Fahrzeug damit erst an den eingeschalteten Scheinwerfern erkennt.

Da der Zeuge A., wie er selbst ausführt, den Pkw erstmals gesehen hat, als er um die Kurve herum gefahren ist, ist durch diese Aussage nach Überzeugung des Senats nachgewiesen, dass die Zeugin R. zu diesem Zeitpunkt bereits abgeblendet hatte, denn andernfalls hätte der Zeuge A. in der Dunkelheit des unbeleuchteten Dorfes die Scheinwerferkegel des Fernlichts sehen müssen, bevor er um die Kurve fährt. Dann hätte er seine Geschwindigkeit reduzieren können und hätte nicht den Stabilitätsverlust erlitten, weil er sich als Ortskundiger (der Zeuge wohnte zur Unfallzeit im Nachbarort) auf Blendungen hätte einstellen können und müssen.

Wenn nach dem subjektiven Empfinden des Zeugen A. die Zeugin R. mit Fernlicht entgegengekommen sein mag ebenso wie auf der falschen Fahrbahnseite, ist diese subjektive Wahrnehmung den konkreten örtlichen Gegebenheiten und den Fahrbahnunebenheiten geschuldet, wie die Sachverständige K. überzeugend ausgeführt hat. Dies stellt aber gerade keinen Nachweis dar, die Zeugin R. habe den Zeugen A. mit dem Fernlicht geblendet.

Für die Zeugin R. war der Unfall unabwendbar, § 7 Abs. 2 StVG. Sie ist in der Nacht mit ca. 30 bis 40 km/h durch den unbeleuchteten kleinen Ort gefahren und hat, wie die Beweisaufnahme ergeben hat, rechtzeitig abgeblendet, § 17 Abs. 2 S. 3 StVO. Damit scheidet eine Haftung der Beklagten aus.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

III.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 ZPO.

IV.

Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweisen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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