Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
Az: 10 B 10930/09.OVG
Beschluss vom 25.09.2009
In dem Verwaltungsrechtsstreit wegen Fahrerlaubnis hier: aufschiebende Wirkung hat der 10. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der Beratung vom 25. September 2009 beschlossen:
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 20. August 2009 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 4. August 2009 wiederhergestellt.
Der Antragsgegner hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,– € festgesetzt.
G r ü n d e
Die Beschwerde ist zulässig und hat aus den vom Antragsteller dargelegten Gründen Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hätte die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 4. August 2009 gemäß § 80 Abs. 5 VwGO wiederherstellen müssen. Das gegen den Antragsteller ausgesprochene Verbot, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge (Mofa und Fahrrad) zu führen, erweist sich bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, weil der Antragsgegner den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht ausreichend beachtet hat. Ein überwiegendes öffentliches Interesse am sofortigen Vollzug der offensichtlich rechtswidrigen Verbotsverfügung besteht nicht.
Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Fahrerlaubnisverordnung – FeV – hat die Fahrerlaubnisbehörde das Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen oder Tieren zu untersagen, zu beschränken oder die erforderlichen Auflagen anzuordnen, wenn sich jemand als ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet hierzu erweist. Die fehlende Eignung des Antragstellers zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge ist derzeit nicht erwiesen. Der Antragsgegner schließt auf die Ungeeignetheit des Antragstellers, weil er kein medizinisch-psychologisches Gutachten über seine Fahreignung vorgelegt hat; dieser Schluss ist aber nicht zulässig, weil das medizinisch-psychologische Gutachten von ihm zu Unrecht gefordert wurde.
Als Rechtsgrundlage für die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung gegenüber dem Antragsteller kommt hier, worauf sich der Antragsgegner auch stützt, § 3 Abs. 2 FeV i.V.m. § 13 Satz 1 Nr. 2 c) FeV in Betracht. Gemäß § 3 Abs. 2 FeV finden die §§ 10 bis 14 FeV entsprechend Anwendung, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Führer eines Fahrzeugs oder Tieres zum Führen ungeeignet oder nur bedingt geeignet ist. Welche Tatsachen die Eignung einer Person, mit nicht fahrerlaubnispflichtigen Fahrzeugen oder Tieren am Straßenverkehr teilzunehmen, in Frage stellen können, ist im Straßenverkehrsgesetz oder in der Fahrerlaubnisverordnung nicht näher geregelt. Auch hier gilt zwar grundsätzlich der Eignungsbegriff des § 2 Abs. 4 StVG, wonach geeignet ist, wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze verstoßen hat (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 40. Auflage 2009, § 3 Rdnr. 1 mit Hinweis auf die Begründung zur Verordnung, VkBl 1998, 1061). Hieraus ergibt sich aber noch nicht, welche körperlichen oder geistigen Einschränkungen und Erkrankungen die Eignung zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge ausschließen.
Anlage 4 zur FeV, die regelhaft solche Erkrankungen und Mängel, insbesondere den Alkoholmissbrauch definiert, kann hier nicht herangezogen werden, da sie sich speziell auf die Eignung von Personen zum Führen von Kraftfahrzeugen bezieht. Weil die von § 3 Abs. 2 FeV geforderten Tatsachen erst die entsprechende Geltung der §§ 10 bis 14 FeV und der hierzu ergangenen Anlagen eröffnen, kann das Vorliegen solcher Tatsachen nicht schon mit den Voraussetzungen dieser Regelungen begründet werden (vgl. zur Problematik der Rechtsfolgenverweisung auch VG Sigmaringen, Beschluss vom 28. Januar 2002 – 4 K 2083/01 –, juris; gegen die ungeprüfte Übernahme der Anforderungen auch Geiger, Verbot des Führens nicht fahrerlaubnispflichtiger Fahrzeuge, SVR 2007, 161; für eine Anwendung der Vorschriften für Fahrerlaubnisinhaber Bayerischer VGH, Beschlüsse vom 11. September 2008 – 11 CS 08.1188 – und vom 27. März 2006 – 11 ZB 06.41 –, beide juris).
Allerdings kann eine Fahrt mit dem Fahrrad im öffentlichen Straßenverkehr mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,33 ‰ eine Tatsache darstellen, welche die Eignung einer Person zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge berührt. Auch bei der Nutzung von Mofas und Fahrrädern beeinträchtigt die Wirkung erheblicher Alkoholmengen die Fahrsicherheit und das Reaktionsvermögen und damit die sichere Teilnahme am Straßenverkehr. Ab einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 ‰ geht die strafgerichtliche Rechtsprechung bei einem Fahrradfahrer von absoluter Fahruntüchtigkeit und einer gemäß § 316 StGB strafwürdigen abstrakten Gefährdung des Straßenverkehrs aus (vgl. Hentschel, a.a.O., § 316 StGB Rdnrn. 1, 17). Nach allgemeinen wissenschaftlichen Erkenntnissen weist das Erreichen von Blutalkoholkonzentrationen ab 1,6 ‰ auf deutlich normabweichende Trinkgewohnheiten und eine ungewöhnliche Giftfestigkeit hin, die mit der Unfähigkeit zu einer realistischen Einschätzung der eigenen Alkoholisierung und der dadurch ausgelösten Verkehrsrisiken verbunden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008 – 3 C 32.07 -, juris). Diese allgemeinen Erkenntnisse zu den Anzeichen und Folgen eines übermäßigen Alkoholkonsums gelten nicht nur für Kraftfahrer, sondern vom Grundsatz her auch für Personen, die ausschließlich mit einem Fahrrad oder einem Mofa am Straßenverkehr teilnehmen. Auch bei ihnen besteht im Fall eines chronisch überhöhten Alkoholkonsums und der Gewöhnung an die Giftwirkung des Alkohols die Gefahr, dass sie ihre Fähigkeit zur sicheren Verkehrsteilnahme nicht mehr realistisch einschätzen können und deshalb wiederholt unter erheblichem Alkoholeinfluss fahren werden. Der Antragsteller hat die Blutalkoholkonzentration von 1,6 ‰, die diese Bedenken im Regelfall begründet, noch deutlich überschritten.
Liegen damit Tatsachen vor, die Zweifel an seiner Fahreignung als Fahrrad- und Mofafahrer begründen können, ist § 13 Satz 1 Nr. 2 c) FeV grundsätzlich anwendbar. Nach dieser Vorschrift ordnet die Fahrerlaubnisbehörde an, dass ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 ‰ oder mehr geführt wurde. Der Antragsteller hat ein Fahrzeug, nämlich ein Fahrrad, mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,33 ‰ geführt. Allerdings gilt § 13 FeV im Zusammenhang mit fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen nicht unmittelbar, sondern nur entsprechend. Dies bedeutet, dass die Regelung hier nicht schematisch angewendet werden darf, sondern entsprechend der Besonderheit, dass ausschließlich eine Verkehrsteilnahme mit einem fahrerlaubnisfreien Fahrzeug inmitten steht.
Die Teilnahme mit fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen am öffentlichen Straßenverkehr, insbesondere mit einem Fahrrad, fällt in den Kernbereich des Grundrechts der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz – GG -. Die Fortbewegung mit diesem Verkehrsmittel ist grundsätzlich voraussetzungslos allen Personen, auch kleineren Kindern und alten Menschen, erlaubt und hat für den Personenkreis, der nicht über eine Fahrerlaubnis verfügt, ganz wesentliche Bedeutung für ihre persönliche Bewegungsfreiheit. Fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge beeinträchtigen überdies die Sicherheit des Straßenverkehrs und anderer Verkehrsteilnehmer schon wegen ihrer erheblich geringeren Geschwindigkeit typischerweise nicht im gleichen Ausmaß wie Kraftfahrzeuge (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. März 1979 – 2 BvL 7/78 –, juris). Entsprechend ihrer unterschiedlichen Betriebsgefahren stuft der Gesetzgeber deshalb auch selbst die Zulassung der verschiedenen Fahrzeuge zum Straßenverkehr ab, indem er die Nutzung von Kraftfahrzeugen einer Fahrerlaubnispflicht, die Nutzung von Mofas einer Prüfberechtigung unterwirft und alle sonstigen Fahrzeuge ohne weiteres zulässt. Er nimmt damit die Gefahr, dass unerkannt ungeeignete oder unfähige Personen diese erlaubnisfreien Verkehrsmittel benutzen, zunächst hin und ordnet sie grundsätzlich dem allgemeinen Lebensrisiko der Verkehrsteilnehmer zu. Jede Einschränkung dieser Grundfortbewegungsarten muss diese Wertentscheidung des Gesetzgebers beachten und in ihrem Rahmen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren. Dies gilt bereits für Maßnahmen der Verkehrsbehörde im Vorfeld einer Beschränkung oder eines Verbots, namentlich für die gemäß § 13 FeV vorgesehenen Maßnahmen zur Klärung der Fahreignung.
Von den hiernach möglichen Aufklärungsmaßnahmen stellt die medizinisch-psychologische Untersuchung aber den schwerwiegendsten Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen dar. Sie ist mit der Erhebung und Offenlegung höchstpersönlicher Daten und Informationen in einer verhörähnlichen Situation verbunden. Schon bei Fahrerlaubnisinhabern und -bewerbern muss die Anordnung dieser Untersuchung das Übermaßverbot beachten und das Spannungsverhältnis berücksichtigen, das zwischen dem Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs einerseits und dem Interesse des Fahrerlaubnisinhabers andererseits besteht, von Gefahrerforschungseingriffen verschont zu bleiben, die mit erheblichen Belastungen für ihn verbunden sind (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 24. Juni 1993 – BvR 689/92 –, NJW 1003, 2365 und vom 20. Juni 2002 – 1 BvR 2062/96 –, NJW 2002, 2378, beide zitiert aus juris).
§ 13 Satz 1 Nr. 2 c) FeV verlangt diese Maßnahme gegenüber Fahrerlaubnisinhabern und –bewerbern bei einer Teilnahme am Straßenverkehr – auch mit einem Fahrrad – ab einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 ‰ pauschal und ohne Rücksicht auf die Besonderheiten des Einzelfalls, weil bei einem Fahrerlaubnisinhaber, der beim Fahrradfahren nicht zwischen Alkoholkonsum und Fahren trennen konnte, jederzeit damit gerechnet werden muss, dass er auch mit einem Kraftfahrzeug fährt und damit die Gefährdung für die Verkehrssicherheit noch steigert (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Mai 2008 – 3 C 32/07 –, NJW 2008, 2601, juris). Diese gesteigerte Gefährdung der Verkehrssicherheit kann aber nicht eintreten, wenn der Betroffene überhaupt nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis ist, sondern ausschließlich Fahrrad fährt. Zwar bedeutet die Teilnahme am Straßenverkehr unter erheblicher Alkoholisierung auch mit einem Fahrrad eine Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs. Das Gefahrenpotential für andere Verkehrsteilnehmer ist hier indessen wegen der allgemein geringeren Betriebsgefahren eines Fahrrades deutlich niedriger einzuschätzen als beim Gebrauch eines Kraftfahrzeugs. Bei Teilnahme am Straßenverkehr mit einem Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss muss aufgrund der heutigen Verkehrsdichte und der Schnelligkeit des Verkehrsmittels jederzeit damit gerechnet werden, dass sich die Gefahr eines schweren Unfalls tatsächlich realisiert. Die Wahrscheinlichkeit, dass es dabei zu erheblichen Schädigungen von Gesundheit und Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer kommt, ist hoch. Dies ist bei Fahrradfahrern wesentlich anders zu beurteilen: Fahrradfahrer benutzen nicht die Autobahnen oder vergleichbar ausgebaute Schnellstraßen mit einer hohen Verkehrsdichte. Innerorts – zumal im ländlichen Raum – fließt der gesamte Straßenverkehr langsamer; auf Fahrrad- und Wirtschaftswegen ist der Begegnungsverkehr mit Kraftfahrzeugen nahezu ausgeschlossen und mit sonstigen Verkehrsteilnehmern wie anderen Fahrradfahren oder Fußgängern eher gering. Ein betrunkener Fahrradfahrer kann zwar ebenfalls einen schweren Unfall im Straßenverkehr verursachen, beispielsweise wenn motorisierte Verkehrsteilnehmer wegen seines unkontrollierten Verhaltens unvorhersehbar ausweichen müssen und mit anderen Fahrzeugen kollidieren (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 1. April 2008 – 12 ME 35/08 –, juris; Bayerischer VGH, a.a.O.). Solche folgenschweren Ereignisse stellen aber doch die Ausnahme dar. Die pauschalierende Betrachtungsweise des § 13 Satz 1 Nr. 2 c) FeV lässt sich nach alledem gegenüber Personen, die lediglich fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge oder Tiere führen, nicht rechtfertigen.
Vor diesem Hintergrund setzt die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung entsprechend § 13 Satz 1 Nr. 2 c) FeV gegenüber einem Fahrradfahrer, der nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis für Kraftfahrzeuge ist, zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit voraus, dass sich eine naheliegende und schwerwiegende, an die Risiken bei auffällig gewordenen Fahrerlaubnisinhabern heranreichende Gefährdung des öffentlichen Straßenverkehrs durch den Radfahrer aus den konkreten Umständen des Einzelfalls herleiten lässt. Daran fehlt es hier.
Der Antragsteller ist zwar mit einer außergewöhnlich hohen Blutalkoholkonzentration von 2,33 ‰ Fahrrad gefahren, es handelte sich dabei aber um seine erstmalige Auffälligkeit nach – wie er unwidersprochen vorträgt – einer privaten Feier in der Nacht. Er hat bei seiner Fahrt zudem den Fahrradweg benutzt und keine anderen Verkehrsteilnehmer gefährdet. Es gibt derzeit keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass er regelmäßig auch am Tag zu Zeiten mit höherer Verkehrsfrequenz betrunken Fahrrad fährt und durch eine unkontrollierte Fahrweise auf öffentlichen Straßen eine ständige Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer und die allgemeine Verkehrssicherheit darstellt. Nach den Feststellungen der Polizei und des untersuchenden Arztes vermittelte er bei dem Vorfall vom 30. Dezember 2008 den Eindruck starker Alkoholisierung, was trotz der hohen Blutalkoholkonzentration zu seinen Gunsten, nämlich eher gegen eine besonders ausgeprägte Alkoholgewöhnung spricht. Andere Drogen als Alkohol, insbesondere harte Drogen, denen der Gesetz- und Verordnungsgeber ein noch höheres Gefährdungspotential zuweist, sind nicht im Spiel. Der Antragsteller ist schon 62 Jahre alt, im Vorruhestand und fährt nach seinen Angaben vornehmlich auf Fahrradwegen und Feldwegen zur sportlichen Betätigung sowie zum Einkaufen auf den Markt mit einem Damen-City-Bike. Eine Prüfberechtigung für Mofas besitzt er nicht und er beabsichtigt auch nicht, ein solches Fahrzeug zu führen. Schließlich ist er nach seinem unwiderlegten Vortrag für sein Fehlverhalten zum ersten Mal mit einem Strafbefehl belegt worden, so dass davon ausgegangen werden darf, dass schon der Eindruck der erheblichen Geldstrafe von 400,– € ihm als Mahnung für sein zukünftiges Verhalten gereicht. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände erscheinen bei lebensnaher Betrachtung die von ihm ausgehenden Gefahren für die Verkehrssicherheit und für andere Verkehrsteilnehmer derart fernliegend, dass sie die schwerwiegenden Belastungen mit einer medizinisch-psychologische Untersuchung nicht rechtfertigen können.
Darüber hinaus ist die Verbotsverfügung des Antragsgegners aber auch aus anderen Gründen rechtswidrig:
Gemäß § 11 Abs. 8 FeV darf die Verkehrsbehörde zwar aus der Weigerung, ein Gutachten vorzulegen, grundsätzlich auf die Nichteignung des Betroffenen schließen. Aber auch diese Vorschrift ist gemäß § 3 Abs. 2 FeV nur entsprechend anwendbar. Die Verkehrsbehörde muss hier nach Auffassung des Senats im Einzelfall abwägen, ob die vom Betroffenen dargelegten Gründe für seine Weigerung nachvollziehbar sind und deshalb ausnahmsweise den Schluss auf seine Nichteignung verbieten. Der Antragsteller hat im Schreiben vom 27. Juli 2009 seine Gründe ausdrücklich dargelegt, aus denen er die medizinisch-psychologische Untersuchung nicht durchführen will. Er hat hierfür insbesondere die Kosten des Gutachtens angeführt und auf deren Unangemessenheit mit Blick auf die ausschließliche Nutzung eines Fahrrades verwiesen. Diesen Einwänden kann nicht pauschal entgegengehalten werden, dass der Gesetzgeber dem Verkehrsteilnehmer auch sonst die Kosten zumutet, die mit dem Halten und dem Führen von Fahrzeugen verbunden sind (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 12. März 1985 – 7 C 26/83 –, BVerwGE 71, 93, zitiert aus juris; Beschluss des Senats vom 21. November 2008 – 10 B 11094/08.OVG –). Dieser Grundsatz bezieht sich nämlich auf die Kosten, die bei der Nutzung eines Kraftfahrzeugs schon für den Erwerb der Fahrerlaubnis und sodann für Anschaffung und Unterhaltung eines Kraftfahrzeugs in Form von Versicherungsprämien, Benzin und Reparaturen regelmäßig anfallen. Damit ist die Situation eines Fahrradfahrers nicht vergleichbar. Bei ausschließlicher Nutzung eines Fahrrads reichen die Kosten für das Gutachten an den Fahrzeugwert heran oder übersteigen diesen sogar. Der Antragsteller hat sich in dem genannten Schreiben ausdrücklich bereit erklärt, an anderen, weniger kostenintensiven Maßnahmen zur Klärung seiner Fahreignung mitzuwirken. Auch diese Bereitschaft spricht im vorliegenden Fall dagegen, allein aus der Nichtvorlage des medizinisch-psychologischen Gutachtens ohne weitere Würdigung seiner Einlassungen pauschal auf eine Nichteignung wegen Uneinsichtigkeit und fehlendem Verantwortungsbewusstsein zu schließen.
Ferner unterliegt die Anordnung von Maßnahmen gemäß § 3 Abs. 1 FeV selbst bei erwiesener Nichteignung des Betroffenen dem Auswahlermessen der Behörde. Zwar muss sie in diesem Fall tätig werden, die Auswahl der von § 3 Abs. 1 FeV genannten Maßnahmen (Verbot, Beschränkungen oder Auflagen) liegt aber in ihrem pflichtgemäßen Ermessen, wobei sie auch hier den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den Vorrang des jeweils geeigneten milderen Mittels zu beachten hat (vgl. Hentschel, a.a.O., Rdnr. 8, 9; BayVGH vom 27. März 2006, a.a.O.; OVG Lüneburg, a.a.O; OVG Bremen, Beschluss vom 9. Januar 1990, NJW 1990, 2081). Dieses Auswahlermessen hat der Antragsgegner ebenfalls nicht ausgeübt. Im Bescheid vom 4. August 2009 finden sich keine Erwägungen zu möglichen milderen Mitteln als dem ausgesprochenen Fahrverbot, vielmehr geht der Antragsgegner offenbar davon aus, dass dem Antragsteller das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge zwingend zu untersagen ist. Eine solche Ermessensreduktion kann der Senat indessen nicht erkennen. Nach einer einzigen nächtlichen Auffälligkeit ist vielmehr vordringlich an ein zeitlich beschränktes Verbot zu denken oder an die Auflage eines Gesprächs mit einem Verkehrspsychologen. Als wesensgleiches Minus zu dem ausgesprochenen Verbot kommt zunächst auch die Androhung desselben für den Wiederholungfall in Frage. Zu beachten ist hierbei nämlich, dass ein Verbot zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge nicht nur erheblich in das Grundrecht der Handlungsfreiheit eingreift, sondern zugleich nahezu nicht kontrollierbar ist, sich der Ertrag dieser Maßnahme für die Verkehrssicherheit also faktisch als gering erweist. Die Androhung des Verbots als eindringliche Warnung an den Betroffenen bleibt in ihrer Wirkung im Hinblick auf die Verkehrssicherheit hinter diesem ohnehin geringen Ertrag kaum zurück.
Schließlich begegnet das gegenüber dem Antragsteller verhängte Verbot, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge zu führen, auch im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG rechtlichen Bedenken. In diesem Zusammenhang weist er nämlich zu Recht darauf hin, dass – wie es auch den bisherigen Erfahrungen des Senats entspricht – einem Fahrerlaubnisinhaber, dem wegen einer Alkoholproblematik die Fahrerlaubnis entzogen wird, jedenfalls in der Regel nicht gleichzeitig das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge verboten wird. Der Antragsteller wird damit ohne erkennbaren Grund schlechter gestellt als die Mehrzahl der Fahrerlaubnisinhaber, die in vergleichbarer Weise wie er im Straßenverkehr auffällig geworden sind, denen aber die Nutzung von Fahrrädern erlaubt bleibt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 GKG.
Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.