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Nachweis einer Wirbelsäulenverletzung durch Auffahrunfall

Auffahrunfall und Schadensersatz: Warum die Klage abgewiesen wurde

In einem komplexen Rechtsstreit, der sich über mehrere Jahre erstreckte, hat das Landgericht Landshut entschieden, die Klage von zwei Personen abzuweisen, die Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen eines Auffahrunfalls gefordert hatten. Der Fall drehte sich um die Frage, ob die Kläger tatsächlich Verletzungen an der Hals- und Brustwirbelsäule erlitten hatten, die durch den Unfall verursacht wurden. Das rechtliche Hauptproblem lag in der Beweislast: Die Kläger mussten nachweisen, dass ihre gesundheitlichen Probleme direkt auf den Unfall zurückzuführen sind.

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Die biomechanischen und medizinischen Gutachten

Nachweis einer Wirbelsäulenverletzung durch Auffahrunfall
Auffahrunfall und Schadensersatzansprüche: Die Bedeutung wissenschaftlicher Gutachten und der Beweislast in komplexen Rechtsstreitigkeiten hervorgehoben. (Symbolfoto: Andrey_Popov /Shutterstock.com)

Das Gericht zog mehrere Experten hinzu, um die Sachlage zu klären. Ein biomechanisches Gutachten stellte fest, dass die Geschwindigkeitsdifferenz beim Aufprall maximal 7-8 km/h betragen hatte. Die daraus resultierenden Kräfte hätten, laut Sachverständigen, nicht ausgereicht, um die behaupteten Verletzungen an der Hals- und Brustwirbelsäule zu verursachen. Diese wissenschaftlichen Erkenntnisse spielten eine entscheidende Rolle bei der Urteilsfindung.

Die Position der Beklagten

Die Beklagten argumentierten, dass die geringe Geschwindigkeitsdifferenz beim Aufprall nicht ausreichen könne, um die behaupteten Verletzungen zu verursachen. Sie wiesen auch darauf hin, dass einer der Kläger bereits an degenerativen Vorerkrankungen litt, die jedoch nicht durch den Unfall aktiviert wurden. Diese Argumente stützten die Schlussfolgerungen der biomechanischen und medizinischen Gutachten und stärkten die Position der Beklagten.

Die Beweislast und die Klageabweisung

Die Kläger waren in der Beweispflicht, ihre Verletzungen und deren direkten Zusammenhang mit dem Unfall nachzuweisen. Trotz mehrerer Berufungsverfahren und neuer Beweisaufnahmen konnten sie diese Beweislast nicht erfüllen. Das Gericht folgte den wissenschaftlichen Gutachten und wies die Klage ab. Die Kläger mussten die Kosten des Rechtsstreits tragen, mit Ausnahme der Kosten der Berufungsverfahren.

Die Bedeutung des Urteils

Dieser Fall zeigt, wie wichtig wissenschaftliche Gutachten in komplexen Rechtsstreitigkeiten sein können. Die biomechanischen und medizinischen Erkenntnisse waren entscheidend für die Urteilsfindung. Sie unterstrichen die Bedeutung der Beweislast im Zivilrecht, insbesondere wenn es um Schadensersatzansprüche geht. Das Urteil macht deutlich, dass die Kläger nicht nur ihre Verletzungen, sondern auch deren direkten Zusammenhang mit dem Unfall nachweisen müssen, um erfolgreich Schadensersatz oder Schmerzensgeld zu erhalten.

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Das Urteil des LG Landshut zeigt, wie anspruchsvoll es sein kann, Schadensersatz und Schmerzensgeld nach einem Auffahrunfall zu erhalten. Insbesondere der Nachweis einer Wirbelsäulenverletzung kann komplex werden. Wenn auch Sie nach einem Verkehrsunfall mit gesundheitlichen Problemen konfrontiert sind und sich fragen, wie Ihre Chancen in einem möglichen Rechtsstreit stehen, können wir Ihnen helfen. Unsere Kanzlei bietet eine unverbindliche Ersteinschätzung Ihrer Situation an. Basierend darauf können wir Sie umfassend beraten und gemeinsam die nächsten Schritte planen. Nehmen Sie jetzt Kontakt mit uns auf.

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Das vorliegende Urteil

LG Landshut – Az.: 41 O 1353/07 – Endurteil vom 20.07.2017

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits, mit Ausnahme der Kosten der Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht München Az. 10 U 5036/08 sowie 10 U 1995/11.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Kläger verlangen von den Beklagten Schadensersatz wegen eines Auffahrunfalls.

Am 26.08.2005 gegen 12:00 Uhr stand der Kläger zu 1) mit seinem Fahrzeug Chrysler Voyager (amtl. Kz. -) an der Kreuzung x. Neben ihm auf dem Beifahrersitz befand sich der Kläger zu 2); beide Kläger waren angeschnallt. In der Folge fuhr die Beklagte zu 1) mit ihrem Pkw BMW 316ti, haftpflichtversichert bei der Beklagten zu 2), auf den stehenden klägerischen Wagen auf. Beide Fahrzeuge wurden leicht beschädigt; die Reparaturkosten am klägerischen Fahrzeug beliefen sich auf knapp EUR 1.000,-, die am Fahrzeug der Beklagten auf etwa EUR 500,-. Die Beklagte zu 2) hat den klägerischen Sachschaden voll umfänglich reguliert.

Beide Kläger behaupten, durch den Auffahrunfall Verletzungen an der Halsbzw. Brustwirbelsäule erlitten zu haben. Sie hätten infolge dessen unter Bewegungseinschränkungen und Schmerzen zu leiden gehabt; der selbständig tätige Kläger zu 1) habe außerdem infolge einer etwa zweimonatigen Arbeitsunfähigkeit erhebliche Kosten für eine Ersatzkraft aufwenden müssen. Die Beklagten seien ihnen für diese sowie eventuell zukünftig entstehende weitere Schäden aus dem Unfallgeschehen schadensersatzpflichtig.

Die Kläger haben daher beantragt zu erkennen wie folgt:

„1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger zu 1) ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.12.2005 zu bezahlen.

2. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger zu 2) ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.12.2005 zu bezahlen.

3. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger zu 1) € 4.582,- nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 29.12.2005 zu bezahlen.

4. Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, an den Kläger zu 1) sämtliche materielle und immaterielle Schäden zu ersetzen, die dem Kläger zu 1) aus dem Verkehrsunfall vom 26.08.2005 entstanden sind bzw. noch entstehen werden, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder auf einen Dritten übergegangen ist.

5. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, den Klägern zu Händen ihrer Prozessbevollmächtigten Geschäftsgebühr in Höhe von € 1.001,19 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.“

Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt.

Ihrer Darstellung nach fuhr die Beklagte zu 1) auf das Klägerfahrzeug mit sehr niedriger Geschwindigkeit auf. Der Sachschaden sei so gering gewesen, dass nicht einmal ein Gutachter beauftragt worden sei. Die Geschwindigkeitsdifferenz beim Aufprall habe maximal 7 km/h betragen. Daher könnten die von den Klägern behaupteten unfallbedingten Verletzungen nicht eingetreten sein. Im übrigen sei zu berücksichtigen, dass der Kläger zu 1) unter degenerativen Vorerkrankungen leide. Weder liege aber eine erhöhte Verletzungsanfälligkeit des Klägers zu 1) vor, noch seien bei diesem die degenerativen Veränderungen durch den Unfall aktiviert worden. Eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit oder ein hierdurch entstandener Verdienstausfallschaden des Klägers zu 1) sei werde bestritten.

Im übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Das erkennende Gericht hat die Klage mit Endurteil vom 02.10.2008 abgewiesen. Dieses Urteil wurde vom Oberlandesgericht München im Berufungsverfahren Az. 10 U 5036/08 am 08.05.2009 aufgehoben; der Rechtsstreit wurde zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Landshut zurückverwiesen.

Nach erneuter Beweisaufnahme wies das erkennende Gericht die Klagen mit Endurteil vom 21.04.2011 wiederum ab. Dieses Endurteil wurde vom Oberlandesgericht München im Berufungsverfahren Az. 10 U 1995/11 am 21.10.2011 erneut aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Landshut zurückverwiesen.

Das Gericht hat in der Folge Beweis erhoben durch Einholung eines biomechanischen Gutachtens des Sachverständigen Dr. A. sowie zweier medizinischer Gutachten der Sachverständigen Dr. med. M.F. sowie Prof. Dr. med. J.G.. Zu den Fragen der Biomechanik legte der Sachverständige Dr. A. sein Gutachten vom 04.01.2013 sowie zwei ergänzende Stellungnahmen vom 12.09.2013 und 22.01.2014 vor. Prof. Dr. G. erstattete sein Gutachten unter dem 27.02.2015; eine überarbeitete Fassung lieferte er unter dem 16.08.2016. Ein Ergänzungsgutachten fertigte Prof. Dr. G. schließlich unter dem 03.04.2017.

Das Gericht hat die beiden Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 18.07.2016 informatorisch zur Sache angehört; außerdem wurde das Gutachten Prof. G. von seinem Vertreter Prof. Dr. H. erläutert. In der mündlichen Verhandlung vom 06.12.2016 wurde sodann der Sachverständige Dr. A. zu seinem Gutachten befragt; außerdem erläuterte Prof. Dr. H. die Neufassung des Gutachtens G. vom 16.08.2016. In der mündlichen Verhandlung vom 11.07.2017 wurde schließlich der Sachverständige Dr. F. zu seinem Gutachten vom 25.07.2014 einvernommen; Prof. Dr. H. führte zu dem weiteren Gutachten Prof. G. vom 28.04.2017 aus. Auf die Protokolle der genannten mündlichen Verhandlungen wird Bezug genommen.

Gründe

Die zulässigen Klagen sind unbegründet. Nach dem Ergebnis der biomechanischen und medizinischen Begutachtungen haben die Kläger den ihnen obliegenden Nachweis einer unfallbedingten Körper- oder Gesundheitsverletzung nicht führen können.

I.

Auf Grund des Gutachtens des Sachverständigen Dr. A. geht das Gericht davon aus, dass das Klägerfahrzeug bei dem Unfallgeschehen vom 26.08.2005 durch das von hinten auffahrende Beklagtenfahrzeug aus dem Stand abrupt auf eine Geschwindigkeit von maximal 8 km/h beschleunigt wurde. Der Sachverständige hat nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass sich aus dem an den Unfallfahrzeugen entstandenen Kollisionsschadensbild eine maximale Auffahrgeschwindigkeit des Beklagtenfahrzeugs von 17 km/h ergibt und dass hieraus angesichts des Massenverhältnisses der beteiligten Fahrzeuge eine kollisionsbedingte Beschleunigung des Klägerfahrzeugs auf höchstens 8 km/h abgeleitet werden kann. Bei Zugrundelegung der von den Klägern geschilderten jeweiligen (suboptimalen) Sitzposition in ihrem Fahrzeug ist danach von einer kollisionsbedingten Spitzenbeschleunigung im Kopf-Hals-Bereich von 7 g und im Brustwirbelsäulen-Bereich von 8 g auszugehen.

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Die danach auf die Kläger einwirkenden Kräfte haben nach Erläuterung des Sachverständigen Dr. A. dazu geführt, dass in einer ersten Phase der Insassenkörper nach der Kollision leicht nach oben gleitet, während sich der Kopf zur Kopfstütze bewegt. Nach dem Maximalandruck des Kopfes an der Kopfstütze (zweite Phase) erfolgt in der dritten Phase eine Bewegungsumkehr durch die Federkräfte von Sitz und Kopfstütze. In allen Phasen wirken Kräfte auf den Kopf-Hals-Bereich des Insassen ein.

II.

Die Kläger, die behaupten, infolge dieses Geschehens eine Körper- oder Gesundheitsverletzung (§ 823 Abs. 1 BGB) erlitten zu haben, sind mit dem Vollbeweis (§ 286 Abs. 1 ZPO) dieses Tatbestandes belastet. Sie müssen also ihre Verletzungen sowie deren Unfallbedingtheit zur vollen Überzeugung des Gerichts nachweisen. Dies ist ihnen im Ergebnis nicht gelungen.

1. Unter einer Körper- oder Gesundheitsverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB ist nach allgemeiner Auffassung ein Zustand zu verstehen, der von der normalen physischen oder psychischen Beschaffenheit nicht nur unerheblich nachteilig abweicht (vgl. nur Sprau in: Palandt, BGB, 76. Auflage, § 823 Rdnr. 4), im medizinischen Sinn also als unphysiologisch zu gelten hat.

2. Dass sie bei dem Unfall eine körperliche Verletzung erlitten hätten, konnten die Kläger nicht nachweisen.

a) Hinsichtlich des Klägers zu 1) sind die beiden medizinischen Sachverständigen Prof. G. und Dr. F. zum übereinstimmenden Ergebnis gelangt, dass eine morphologische, mit den verfügbaren diagnostischen Methoden feststellbare körperliche Verletzung bei dem Kläger zu 1) am 29.08.2005 nicht vorgelegen hat.

Für diese Einschätzung kann sich das Gericht auch auf die Gutachten von Prof. G. vom 16.08.2015 bzw. 28.04.2017 stützen. Die Zweifel der Kläger an der prozessualen Verwertbarkeit dieser Gutachten teilt das Gericht nicht.

Da die erste Fassung des Gutachtens G. vom 27.02.2015 Bezugnahmen auf Verfahrensergebnisse enthielt, die infolge der Aufhebung der Vorentscheidung mitsamt des zugrunde liegenden Verfahrens nicht mehr verwertbar waren, wurde der Sachverstänge in der mündlichen Verhandlung vom 18.07.2016 auf diesen Umstand hingewiesen und gebeten, die bezeichneten unverwertbaren Elemente seines Gutachtens zu elimieren und sich sodann auf neuer Tatsachengrundlage eine sachverständige Meinung zu bilden. Hierbei handelt es sich um eine nicht nur zulässige, sondern notwendige Präzisierung der Begutachtungsvorgaben an den Sachverständigen, zu denen das Gericht immer dann verpflichtet ist, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass der Sachverständige von unzutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgegangen ist.

Dass der Sachverständige Prof. G. und sein Mitarbeiter Prof. H. zu dieser Neubewertung in der Lage waren, steht für das Gericht außer Frage; dies wird auch durch die am 16.08.2016 vorgelegte Neufassung des Gutachtens überzeugend belegt. Die Unvoreingenommenheit des Sachverständigen hat im Übrigen auch die Klägerseite zu keinem Zeitpunkt in Zweifel gezogen. Folglich war für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht von der Erstfassung dieses Gutachtens vom 27.02.2015, sondern von der Zweitfassung vom 16.08.2016 auszugehen.

b) Was den Kläger zu 2) betrifft, hat der Sachverständige Dr. F. auf Grund der Röntgenaufnahme vom 29.08.2005 bei diesem eine unphysiologische Fehlstellung der Halswirbelkörper 1 und 2 („Gelenkblockade“) festgestellt, die er auf das Unfallgeschehen zurückführt. Dieser Einschätzung hat jedoch der Mitarbeiter des Sachverständigen Prof. G., Herr Prof. H., widersprochen und mitgeteilt, weder Prof. G. noch er selbst hätten aus orthopädischer oder chirotherapeutischer Sicht eine derartige Fehlstellung beim Kläger zu 2) entdecken können. Den Nachweis einer solchen Fehlstellung hält das Gericht angesichts dessen für nicht geführt, so dass dahinstehen kann, ob sich ein kausaler Zusammenhang zwischen einem derartigen Befund und dem Unfallgeschehen belegen ließe.

3. Aber auch eine mehr als nur unerhebliche Gesundheitsbeeinträchtigung der Kläger hält das Gericht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme für nicht erwiesen.

a) Beide medizinische Sachverständige waren sich einig in der Aussage, dass eine HWS-Distorsion, die morphologisch mit den üblichen diagnostischen Mitteln (Röntgen/MRT/Computertomographie) nicht nachweisbar ist, letztlich eine Plausibilitätsdiagnose auf Grund von Erfahrungswerten darstellt, die sich in erster Linie auf die Beurteilung des Schadensgeschehens und der vom Patienten berichteten Beschwerden stützen muss.

Ob dabei der These des Sachverständigen Dr. F. zu folgen wäre, wonach jeder für einen Auffahrunfall typische Bewegungsablauf auch bei geringsten Geschwindigkeiten zu Mikrotraumata führt, kann an dieser Stelle offen bleiben, da hier von einer Abruptbeschleunigung auf immerhin maximal 8 km/h auszugehen ist. Allerdings haben sowohl der biomechanische Sachverständige Dr. A. als auch der medizinische Sachverständige Prof. G. klar bekundet, dass sie das Entstehen einer HWS-Distorsion angesichts der Gesamtumstände des vorliegenden Falls für völlig unwahrscheinlich halten. Die hier entstandenen Kräfte lägen weit unter den empirisch belegten Werten, bei denen Verletzungen entstünden; vielmehr lägen sie im Bereich normaler alltäglicher

Belastungen. In einer solchen Konstellation sei mit einer HWS-Distorsion allenfalls bei einer drastisch erhöhten Verletzungsanfälligkeit (Vulnerabilität) des Betroffenen zu rechnen. Eine solche sei beim Kläger zu 2) schon aufgrund seines Alter zu verneinen und könne auch beim Kläger zu 1) nur wegen dessen altersbedingter Degenerationserscheinungen oder einer Linksdrehung des Kopfes zum Unfallzeitpunkt ebenfalls nicht angenommen werden.

b) Diese Einschätzung hält das Gericht für überzeugend. Es verkennt dabei nicht, dass beide Kläger nach dem Unfall über Bewegungseinschränkungen und Beschwerden geklagt haben. Allerdings versteht das Gericht die hier einschlägige Rechtsnorm des § 823 Abs. 1 BGB mit der ganz herrschenden Ansicht dahin, dass nur eine mehr als nur unerhebliche Gesundheitsbeeinträchtigung den Deliktstatbestand erfüllt.

Der Kläger zu 2) hat selbst in seiner Anhörung vom 18.07.2016 bekundet, er sei nach dem Unfall nur einmal bei seinem Hausarzt gewesen. Mangels wesentlicher Beschwerden habe er weitere ärztliche oder therapeutische Hilfe dann nicht mehr in Anspruch genommen. Eine erhebliche Gesundheitsbeeinträchtigung kann das Gericht dieser Schilderung nicht entnehmen.

Auch dem Kläger zu 1) sind gravierendere Beschwerden nach dem Unfall ausweislich seiner eigenen Anhörung nicht erinnerlich geblieben. Er war zwar mehrfach beim Orthopäden, und er hat eine Halskrause und auch krankengymnastische Behandlungen erhalten. Die Stärke seiner Beschwerden sowie die Abgrenzung zu bereits vorhandenen degenerativen Einschränkungen ließen sich aber letztlich kaum objektivieren, während die objektiv belegbaren Rahmenbedingungen des Unfallgeschehens nach Darlegung der Sachverständigen Dr. A. und Prof. H. klar gegen die Unfallbedingtheit seiner Beeinträchtigungen sprechen.

Die hiervon abweichende Einschätzung des Sachverständigen Dr. F. erscheint demgegenüber undifferenziert, da sie praktisch bei jedem Auffahrunfall unabhängig von den konkret wirkenden Geschwindigkeiten bzw. Kräften zur Annahme einer HWS-Distorsion führen würde. Dieser Standpunkt ist auch mit der erwähnten deliktsrechtlichen Erheblichkeitsschwelle nicht in Einklang zu bringen. Ebenso wenig, wie sich der Einzelfall allein auf Grund eines starren Bagatellgrenzwerts der Differenzgeschwindigkeit beurteilen lässt, kann umgekehrt das Kriterium der Differenzgeschwindigkeit bei der Einzelfallbetrachtung praktisch ausgeblendet werden, zumal es häufig – so auch im vorliegenden Fall – das einzige einigermaßen verlässliche Datum bei der Beurteilung des Verletzungsgeschehens darstellt.

Im Ergebnis konnte sich das Gericht daher bei keinem der Kläger von der unfallbedingten Entstehung einer HWS-Distorsion überzeugen. Sollten die Kläger Bewegungseinschränkungen oder Beschwerden verspürt haben, die mit dem Unfall in Zusammenhang standen, wären diese jedenfalls unterhalb der Erheblichkeitsschwelle des § 823 Abs. 1

BGB geblieben. Eine Rechtsgutsverletzung im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB war danach nicht feststellbar.

4. Eine weitere Beweiserhebung war nicht veranlasst.

Inwiefern sich die Fahrzeugsitze des Unfallfahrzeugs von denen des Fahrzeugs unterschieden, das der Sachverständige Dr. A. bei seiner Begutachtung verwendet hat, bedarf keiner weiteren Aufklärung. Der Sachverständige Dr. A. hat in seinen Stellungnahmen vom 12.09.2013 (dort Seite 4 ff) und vom 22.01.2014 überzeugend dargelegt, warum diese Frage für das Begutachtungsergebnis nicht ausschlaggebend ist.

III.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Kosten der beiden Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht München (Az. 10 U 5036/08 und 10 U 1995/11) waren gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG niederzuschlagen.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 ZPO.

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