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Nötigung durch Versperren der Überholspur

OLG Hamm, Az: 6 Ss 690/79
Urteil vom 07.06.1979

Nötigung auf ÜberholspurLeitsatz vom Verfasser nicht amtlich: Wer andere Verkehrsteilnehmer, um sie zu ärgern oder um sich für deren tatsächliches oder vermeintliches Fehlverhalten im Straßenverkehr zu rächen, durch eine verkehrswidrige Fahrweise mutwillig daran hindert, so zu fahren, wie sie wollen und wie es die Verkehrslage zulässt, handelt nach richtigem allgemeinem Urteil sittlich mißbilligenswert und begeht dadurch eine Nötigung. Der Missbrauch eines Kraftfahrzeugs zur mutwilligen Behinderung des fließenden Verkehrs, insbesondere zur Verhinderung des Überholens, verunsichert die davon Betroffenen und steigert die Verkehrsgefahren in unerträglichem Maße. Ein solches Verhalten wird nicht nur von jedem billig und gerecht denkenden Kraftfahrer missbilligt; es verletzt darüber hinaus das Rechtsgefühl und die sozialethischen Grundvorstellungen der gesamten Rechtsgemeinschaft, umso mehr, als diese sich der mit dem modernen Straßenverkehr ohnehin verbundenen Gefahren zunehmend bewusst geworden ist. Ein derartiges Verhalten ist daher ein als Vergehen strafwürdiges Unrecht.

Gründe

Das Amtsgericht – Jugendgericht – hatte den Angeklagten wegen gemeinschaftlicher Nötigung zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 25,00 DM verurteilt; es hatte ihm ferner für die Dauer von 2 Monaten Fahrverbot erteilt. Die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht – Jugendkammer – verworfen.

Das Landgericht hat zum Tatgeschehen im wesentlichen folgendes festgestellt:

Nötigung auf der ÜberholspurDer Angeklagte befuhr am 13.10.1977 gegen 8.20 Uhr mit dem Personenkraftwagen VW-Bulli, amtliches Kennzeichen SE- … , die Autobahn A 44 zwischen dem Autobahnkreuz E.-A. und der Anschlußstelle S.-Ost auf der Richtungsfahrbahn D. In dem VW-Bulli befanden sich 8 Personen. Vor dem Personenkraftwagen des Angeklagten fuhr ein weiterer VW-Bulli mit dem amtlichen Kennzeichen DO- … , der von einem Herrn B. gesteuert wurde. Beide Fahrzeuge gehörten der Firma R., bei welcher der Angeklagte als Zeitungswerber tätig war. „Herr B. und der Angeklagte überholten mit ihren Fahrzeugen einen Lkw. Hinter dem Pkw des Angeklagten fuhr ein Mercedes, der die Lichthupe betätigte, um den Angeklagten zu veranlassen, die Überholspur zu verlassen. Der Überholvorgang ging verhältnismäßig langsam vonstatten. Als nun der Mercedes-Fahrer versuchte, den Angeklagten zu überholen, verhinderte dieser die Vorbeifahrt des Mercedes, indem er jeweils von der Normalspur auf die Überholspur und von der Überholspur auf die Normalspur herüberwechselte. Der Abstand zwischen dem Mercedes und dem Bulli des Angeklagten betrug ca eine Fahrzeuglänge. Mit einer Geschwindigkeit von ca 60 – 70 km/h fuhr gleichzeitig hinter dem Mercedes der Zeuge Sch. mit seinem Pkw, Opel-Ascona. Auch er versuchte, seinerseits zu überholen. In gleicher Weise versuchte der Angeklagte durch stetes Hinfahren und Herfahren, das Überholen durch den Zeugen Sch. zu verhindern. Der Angeklagte versperrte jeweils auf der Normalspur bzw Überholspur die Vorbeifahrt des Zeugen. Befand sich der Angeklagte auf der rechten Fahrspur und versuchte der Zeuge sodann das Überholmanöver, so verhinderte dies nunmehr der Pkw DO- … , der von dem Herrn B. gesteuert wurde. Der Zeuge Sch. nahm von seinem Überholvorgang Abstand und verließ die Autobahn, um den Vorgang der Polizei anzuzeigen“.

Die gegen das landgerichtliche Urteil gerichtete Revision des Angeklagten rügt, mit näheren Ausführungen, ausschließlich die Verletzung materiellen Rechts. Sie ist unbegründet.

I.

1. Fehl geht die Revision, soweit sie geltend macht, das angefochtene Urteil lasse nirgends erkennen, daß der vor dem Zeugen Sch. herfahrende Mercedes-Fahrer zu irgendeinem Zeitpunkt an dem Fahrzeug des Angeklagten und an dem des B. vorbeigefahren ist. Allerdings stützt das Landgericht die Verurteilung wegen Nötigung ausschließlich darauf, daß der Angeklagte den Zeugen Sch. unmittelbar an dessen Überholversuch gehindert habe; es enthält keine Feststellungen dahingehend, daß der Angeklagte etwa durch die Behinderung des Mercedes-Fahrers den dahinter fahrenden Zeugen Sch. mittelbar behindert und auf diese Weise genötigt habe. Der Vorwurf der unmittelbaren Nötigung aber setzt in der Tat die Feststellung voraus, daß der vor dem Zeugen Sch. fahrende Mercedes-Fahrer den Angeklagten zuvor überholt hatte. Diese Feststellung ergibt sich indessen, auch wenn sie vom Landgericht nicht ausdrücklich getroffen worden ist, eindeutig und zweifelsfrei aus dem Zusammenhang der Urteilsgründe. Wenn in dem angefochtenen Urteil festgestellt wird:

„Mit einer Geschwindigkeit von ca 60 – 70 km/h fuhr gleichzeitig hinter dem Mercedes der Zeuge Sch. … . Auch er versuchte seinerseits (scil: den Angeklagten) zu überholen“.

so ist darin notwendig die Feststellung enthalten, daß vor dem Überholversuch des Zeugen Sch. der Mercedes-Fahrer den Angeklagten überholt hatte. Hinzu kommt, daß das Landgericht die Einlassung des Angeklagten,

„Herr B. habe den Mercedes angeblinkt, weil dieser seinerseits vorher durch Betätigen der Lichthupe versucht habe, sie zum Verlassen der Überholspur zu zwingen. Der Mercedes-Fahrer habe sich sodann zurückfallen lassen, um sich die Nummer der Kennzeichen der beiden Fahrzeuge aufzuschreiben. Sie seien daraufhin ihrerseits an dem Mercedes vorbeigefahren. Das Fahrzeug des Zeugen Sch. habe er nicht bemerkt. Ihm sei nicht bewußt, den Zeugen Sch. an der Vorbeifahrt gehindert zu haben“.

ausdrücklich nur insoweit für widerlegt erklärt, als der Angeklagte „eine bewußte Behinderung des Zeugen Sch. in Abrede stellt“, also nicht auch insoweit, als aus dieser Einlassung hervorgeht, daß der Mercedes-Fahrer den Angeklagten und Herrn B. überholt hatte.

2. Zu Unrecht macht die Revision geltend, aus dem angefochtenen Urteil werde auch nicht ersichtlich, inwieweit zwischen dem Angeklagten und seinem Kollegen B. ein gemeinschaftlicher Entschluß vorgelegen hat. Allerdings setzt die Verurteilung wegen gemeinschaftlicher Nötigung die Feststellung eines gemeinsamen Tatentschlusses voraus. Diese Feststellung enthält das angefochtene Urteil zwar nicht ausdrücklich, sie ist aber dem Zusammenhang der Urteilsgründe ebenfalls zweifelsfrei zu entnehmen. Das Landgericht stellt fest:

„Der Angeklagte versperrte jeweils auf der Normalspur bzw Überholspur die Vorbeifahrt des Zeugen. Befand sich der Angeklagte auf der rechten Fahrspur und versuchte der Zeuge sodann das Überholmanöver, so verhinderte dies nunmehr der Pkw DO- … , der von dem Herrn B. gesteuert wurde“.

Ein derart koordiniertes Verhalten der Fahrer der beiden Fahrzeuge, des Angeklagten und seines Kollegen B., ist kaum anders denkbar als auf der Grundlage eines einverständlichen Entschlusses, den Zeugen Sch. am Überholen zu hindern. Jedenfalls ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Tatrichter diesen Schluß zieht. Soweit die Revision bezweifelt, daß ein solcher gemeinschaftlicher Entschluß zwischen dem Angeklagten und Herrn B. in der gegebenen Situation hergestellt werden konnte, verkennt sie offenbar, daß das für Mittäterschaft erforderliche Einverständnis nicht nur ausdrücklich, sondern auch stillschweigend hergestellt werden kann (s Lackner, Strafgesetzbuch 12 (1978), § 25 Anm 2b, aa). Letzteres kann in Situationen wie der hier vorliegenden erfahrungsgemäß zB dadurch geschehen, daß die beteiligten Fahrer ihren Willen, den Dritten am Überholen zu hindern, durch ihre jeweilige Fahrweise einander signalisieren.

II.

Daß das Landgericht den festgestellten Sachverhalt als strafbare Nötigung (§ 240 StGB) beurteilt hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

1. Durch seine Fahrweise hat der Angeklagte dem Zeugen Sch. das Überholen objektiv unmöglich gemacht. Ein solches, als „vis absoluta“ zu bezeichnendes Verhalten ist – gleichgültig, wie weit oder eng man sonst den Gewaltbegriff ziehen mag – „Gewalt“ iS des § 240 Abs 1 StGB (s OLG Hamm, Beschl v 1.2.1963 – 3 Ss 138/62, VRS 24 (1963), 374ff (376); OLG Celle, Urt v 24.4.1959 – 2 Ss 91/59, NJW 1959, 1597f (1598); Schröder, JZ 1964, 30, mwN).

2. Die Tat des Angeklagten ist auch im Sinne des § 240 Abs 2 StGB verwerflich und damit rechtswidrig. Nach einer ua vom Bundesgerichtshof vertretenen Ansicht soll Gewaltanwendung die Verwerflichkeit der Nötigung indizieren; nur ausnahmsweise sollen besondere Umstände, etwa Rechtfertigungsgründe, das Verwerflichkeitsurteil ausschließen (BGHSt 23, 54f; Lackner aaO, § 240 Anm 6a, aa). Ob angesichts der weiten Ausdehnung, die der Gewaltbegriff inzwischen erfahren hat, dieser Meinung noch uneingeschränkt gefolgt werden kann (verneinend Eser in Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch 19 (1978), § 240 RdNr 15a), braucht hier nicht entschieden zu werden. Denn die Voraussetzungen des § 240 Abs 2 StGB sind im vorliegenden Fall ohnedies erfüllt.

a) Für die Rechtswidrigkeit der Nötigung kommt es nach § 240 Abs 2 StGB letztlich auf die Verwerflichkeit der Relation zwischen dem angewendeten Mittel und dem angestrebten Zweck an. Doch kann auch die sittliche Mißbilligung bereits des Mittels oder des Zwecks selbst für die Verbotenheit der Tat von Bedeutung sein (Eser aaO, RdNrn 15b, 18). Rechtswidrig ist die Nötigung im allgemeinen dann, wenn das Nötigungsmittel gegen die Rechtsordnung verstößt, insbesondere wenn der Täter, um das Verhalten eines anderen zu beeinflussen, eine strafbare Handlung begeht (Eser aaO, RdNrn 20, 21). Hierzu hat das Landgericht allerdings ausgeführt, daß die Verhaltensweise des Angeklagten zwar „erhebliche Gefahren für die beteiligten Personen heraufbeschwören konnte“, dafür aber, daß durch sein Verhalten „eine konkrete Unfallsituation heraufbeschworen worden ist“, die Feststellungen nicht ausreichten; mit dieser Begründung hat das Landgericht eine Strafbarkeit des Angeklagten nach § 315c Abs 1 Nr 2b, Abs 3 StGB, die auch für die Beurteilung seines Verhaltens als Nötigung von Bedeutung wäre, verneint. Immerhin stellt das vom Angeklagten als Nötigungsmittel eingesetzte Verhalten jedoch eine Ordnungswidrigkeit nach §§ 1 Abs 2, 49 StVO, 24 StVG dar. Rechtswidrig ist weiterhin die Nötigung umso eher, je minderwertiger oder sinnloser der Zweck ist, den der Täter mit seinem nötigenden Verhalten verfolgt (Eser aaO, RdNr 18). Sollte es dem Angeklagten bloß darum gegangen sein, den Zeugen Sch. zu ärgern und zu schikanieren, so fiele bereits die Sinnlosigkeit und Verwerflichkeit dieses Zweckes für die Beurteilung der Nötigung als rechtswidrig ins Gewicht. Nach den Feststellungen des Landgerichts verhinderte der Angeklagte die Vorbeifahrt des Mercedes, nachdem dessen Fahrer zuvor durch Betätigen der Lichthupe versucht hatte, den Angeklagten zum Verlassen der Überholspur zu bewegen. Die hiernach nicht fernliegende Feststellung, daß der Angeklagte mit seinem Verhalten dem Mercedes-Fahrer dessen vorheriges Verhalten vergelten wollte und daß von diesem Motiv auch sein Verhalten gegenüber dem Zeugen Sch. beeinflußt war, hat das Landgericht dagegen nicht ausdrücklich getroffen. Auch in diesem Falle wäre aber der vom Angeklagten verfolgte Zweck sittlich zu mißbilligen. Wirkliches oder angebliches Fehlverhalten anderer Verkehrsteilnehmer zu ahnden, obliegt den dafür zuständigen Stellen, auf deren Einschreiten der Betroffene nötigenfalls hinzuwirken hat (vgl BGH, Beschl v 19.6.1963 – 4 StR 132/63, BGHSt 18, 389ff (393)). Statt dessen Selbstjustiz zu üben, beeinträchtigt die Friedensordnung der Rechtsgemeinschaft und ist daher grundsätzlich verwerflich (vgl Roxin, JuS 1964, 377 = Strafrechtliche Grundlagenprobleme (1973), 193f).

Rechtswidrig ist die Tat des Angeklagten jedenfalls im Hinblick auf die Relation zwischen dem von ihm verfolgten Zweck und dem eingesetzten Mittel. Wer andere Verkehrsteilnehmer, um sie zu ärgern oder um sich für deren tatsächliches oder vermeintliches Fehlverhalten zu rächen, durch eine verkehrswidrige Fahrweise mutwillig daran hindert, so zu fahren, wie sie wollen und wie es die Verkehrslage zuläßt, handelt nach richtigem allgemeinem Urteil sittlich mißbilligenswert und damit verwerflich iS des § 240 Abs 2 StGB (KG Urt v 7.11.1968 – 3 Ss 315/68, VRS 36 (1969), 105ff = DAR 38 (1969), 81). Der Mißbrauch eines Kraftfahrzeugs zur mutwilligen Behinderung des fließenden Verkehrs, insbesondere zur Verhinderung des Überholens, verunsichert die davon Betroffenen und steigert die Verkehrsgefahren in unerträglichem Maße. Ein solches Verhalten wird nicht nur von jedem billig und gerecht denkenden Kraftfahrer mißbilligt; es verletzt darüber hinaus das Rechtsgefühl und die sozialethischen Grundvorstellungen der gesamten Rechtsgemeinschaft, um so mehr, als diese sich der mit dem modernen Straßenverkehr ohnehin verbundenen Gefahren zunehmend bewußt geworden ist. Ein derartiges Verhalten ist daher ein als Vergehen strafwürdiges Unrecht (vgl KG aaO; OLG Hamm, Beschl v 1.2.1963 – 3 Ss 1383/62, VRS 24 (1963), 374ff).

Freilich darf der Nötigungstatbestand nicht dazu dienen, jedes mit einer Behinderung verbundene vorsätzliche verkehrswidrige Verhalten zum strafbaren Vergehen heraufzustufen. Dies stünde im Widerspruch zu der Entscheidung des Gesetzgebers, auch vorsätzliche Verstöße gegen die StVO, einschließlich vorsätzlicher Verkehrsbehinderungen, lediglich als Ordnungswidrigkeiten zu ahnden (§§ 24 StVG, 1ff, 49 StVO). Der bloße Verstoß gegen § 1 und andere Vorschriften der StVO muß daher von dem Vergehenstatbestand des § 240 StGB abgegrenzt werden (vgl OLG Hamm aaO, 377). Nicht jede vorsätzliche Verhinderung des Überholens ist strafbare Nötigung, ebensowenig wie jede vorsätzliche Vorfahrtsverletzung, obwohl auch in diesem Fall der Betroffene mit Gewalt zu einem Verhalten (Bremsen, Ausweichen) genötigt wird. Das entscheidende Abgrenzungskriterium liegt in dem Zweck, den der Täter mit seiner verkehrswidrigen Fahrweise verfolgt. Wer einen anderen durch vorsätzliche Verletzung der Vorfahrt zum Bremsen nötigt, handelt in der Regel seines eigenen schnelleren Fortkommens wegen; ebenso ist denkbar, daß der Täter einen anderen am Überholen hindert, um selbst schneller voranzukommen. Solche Verhaltensweisen sind nur nach §§ 1, 8, 49 StVO zu ahnden. Im vorliegenden Fall war dagegen die Behinderung des anderen der eigentliche Zweck der verbotenen Fahrweise. Die erhöht den Unrechtsgehalt der Tat und hebt sie über die bloße Verkehrsordnungswidrigkeit hinaus (vgl OLG Hamm aaO, 377f). Ein solches Verhalten ist rechtswidrige Nötigung jedenfalls dann, wenn es einen bestimmten Grad an Intensität erreicht. Auch in dieser Beziehung unterscheidet sich der vorliegende Fall wesentlich von einer lediglich mit Bußgeld zu ahndenden Verkehrswidrigkeit. Wer im Straßenverkehr einem anderen die Vorfahrt nimmt, nötigt ihn dadurch zu einer einmaligen Reaktion von kurzer Dauer. Derartige flüchtige Einwirkungen verdienen schon wegen ihres Bagatellcharakters nicht das Verwerflichkeitsurteil nach § 240 Abs 2 StGB (vgl Roxin, JuS 1964, 376f = Strafrechtliche Grundlagenprobleme (1973), 193; s auch Eser in Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch 19 (1978), § 240 RdNr 18). Auch beim Verhindern des Überholens sind Bagatellfälle denkbar, die den Unrechtsgehalt einer strafbaren Nötigung nicht erreichen. In diesem Sinne hat der Bundesgerichtshof ausgesprochen, daß es nicht schon „als verwerflich und daher als Vergehensunrecht empfunden und beurteilt würde und werden müßte“, wenn ein Verkehrsteilnehmer „etwa in vorübergehender Unmutsaufwallung einen schnelleren Wagen einmal nicht überholen lassen will oder … auf schmaler Straße nicht ganz rechts fährt, obwohl es ihm möglich wäre, und so das Überholen zeitweise unmöglich macht“ (BGH, Beschl v 19.6.1963 – 4 StR 132/63, BGHSt 18, 389ff (392f); s auch OLG Karlsruhe, Beschl v 13.3.1978 – 1 Ss 470/77, Die Justiz 1978, 284). Hier hat jedoch wie dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen zu entnehmen ist, der Angeklagte gemeinschaftlich mit seinem Arbeitskollegen B. dem Zeugen Sch. das Überholen fortgesetzt über längere Zeit unmöglich gemacht, indem er unter stetem Hinfahren und Herfahren jeweils von der Normalspur auf die Überholspur und von dieser auf die Normalspur wechselte und B. seinerseits die Fahrt des Zeugen auf der Überholspur behinderte, wenn sich der Angeklagte auf der rechten Fahrspur befand. Ein nötigendes Verhalten von derartiger Intensität und Dauer ist keine Bagatelle mehr, sondern erreicht eindeutig den Grad strafwürdigen Unrechts.

b) In einigen Entscheidungen der Oberlandesgerichte ist dagegen die Ansicht vertreten worden, das Verhindern des Überholens durch Steuern des eigenen Fahrzeugs auf die Überholbahn sei grundsätzlich nicht verwerflich iS des § 240 Abs 2 StGB, die Relation zwischen Mittel und Zweck sei in diesen Fällen vielmehr wertneutral. Als rechtswidrige Nötigung sei ein solches Verhalten nur unter der weiteren Voraussetzung zu betrachten, daß entweder die Insassen der beteiligten Fahrzeuge konkret gefährdet wurden oder die Verhinderung des Überholens nicht Selbstzweck, sondern Mittel zur Erreichung eines weiteren Zwecks war, etwa zur Verhinderung der Innehaltung eines wichtigen Termins (OLG Celle, Urt v 24.4.1959 – 2 Ss 91/59, NJW 1959, 1597f = VRS 17 (1959), 349f; OLG Hamm, Urt v 16.6.1961 – 1 Ss 562/61, VRS 22 (1962), 50f). Da der Angeklagte nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils weder einen der Beteiligten konkret gefährdet noch einen weitergehenden Zweck der genannten Art hat, wäre nach der zitierten Rechtsprechung sein Verhalten nicht als rechtswidrige Nötigung zu beurteilen. Der Senat vermag sich jedoch dieser Rechtsprechung nicht anzuschließen (ebenso bereits OLG Hamm, Beschl v 1.2.1963 – 3 Ss 1383/62, VRS 24 (1963), 374ff (376ff)). Das Erfordernis einer konkreten Gefährdung würde die Anwendung des § 240 Abs 2 StGB von Zufälligkeiten abhängig machen, insbesondere vom Verhalten des genötigten Kraftfahrers, an dessen mehr oder weniger besonnener und geschickter Reaktion auf das Verhindern des Überholens es häufig liegen wird, ob eine Gefährdung eintritt oder nicht (OLG Hamm aaO, 376). Die Forderung, das gewaltsame Überholen dürfe nicht Selbstzweck, sondern müsse Mittel zur Erreichung eines weiteren Zwecks sein, geht – ganz abgesehen von ihrer mangelnden Lebensnähe und Praktikabilität (vgl OLG Hamm aaO, 377) – zu weit; bereits der Zweck, den anderen Verkehrsteilnehmer zu ärgern oder Selbstjustiz an ihm zu üben, ist zumindest in der Relation zu dem dafür eingesetzten Mittel keineswegs wertneutral, sondern – wie oben dargelegt – in hohem Maße sozial unerträglich und daher verwerflich im Sinne des § 240 Abs 2 StGB. Auch der Bundesgerichtshof hat im Beschluß vom 19.6.1963 (4 StR 132/63, BGBSt 18, 389ff (392) entschieden, daß der Anwendungsbereich des § 240 StGB nicht auf die Fälle beschränkt ist, in denen der Täter durch das Verhindern des Überholens andere Personen gefährdet oder weitere unzulässige Zwecke verfolgt.

In einer danach ergangenen Entscheidung vertritt das Oberlandesgericht Köln (Urt v 30.4.1968 – Ss 106/68, NJW 1968, 1892f) freilich die Ansicht, dafür, „wann eine Gewaltanwendung in der Form eines bestimmten Verkehrsmanövers mehr als ein Verstoß gegen verkehrsrechtliche Vorschriften … ist und … zum Vergehen der Nötigung wird“, komme es „mitentscheidend darauf an, welcher Grad der Verkehrsgefahr vom Täter heraufbeschworen wird“. Auch wenn dies so zu verstehen wäre, daß das OLG Köln im Widerspruch zur Ansicht des BGH für die Strafbarkeit wegen Nötigung in derartigen Fällen die Herbeiführung einer konkreten Gefahr unabdingbar fordert (so KG, Urt v 7.11.1968 – 3 Ss 315/68, VRS 36/(1969), 106; s jedoch die Fortsetzung der Entscheidung des OLG Köln aaO, 1893), bedürfte es einer Vorlage gemäß § 121 Abs 2 GVG nicht, da der erkennende Senat insoweit nicht der Ansicht des OLG Köln, sondern der früher ergangenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs folgt (vgl dazu Kleinknecht, Strafprozeßordnung 34 (1979), § 121 GVG RdNr 6).

c) Der Senat befindet sich mit seiner Entscheidung auch im übrigen mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Einklang. In dem bereits zitierten Beschluß vom 19.6.1963 hat der BGH allerdings die Ansicht vertreten, „nicht jede bloße beabsichtigte Behinderung eines anderen Verkehrsteilnehmers, die schon nach § 1 StVO als Übertretung angemessen geahndet werden kann“, sei „ohne Ausnahme auch immer schon sittlich so mißbilligenswert, sozial so unerträglich, daß sie verwerflich (iS des § 240 Abs 2 StGB) sein müßte“; insbesondere bei der absichtlichen Verhinderung des Überholens sei „an die Verwerflichkeit des Verhaltens … ein strenger Maßstab zu legen“ (BGHSt 18, 392; ebenso OLG Frankfurt, Beschl v 1.6.1976 – 2 Ss 244/76, VRS 51 (1976), 435; OLG Karlsruhe, Beschl v 13.3.1978 – 1 Ss 470/77, Die Justiz 1978, 284). Ob nach der inzwischen erfolgten Herausnahme der Verkehrsübertretungen aus dem Kriminalstrafrecht und ihrer Umwandlung in Ordnungswidrigkeiten nicht auch vom Standpunkt des BGH der Maßstab weniger streng sein muß, da der BGH seine Zurückhaltung bei der Anwendung des § 240 ausdrücklich von der Möglichkeit abhängig macht, die Tat angemessen als (kriminelle) Übertretung zu ahnden, kann dahingestellt bleiben. Denn auch an den strengen Maßstäben des BGH gemessen ist die Tat des Angeklagten als strafbare Nötigung zu bewerten. Der Bundesgerichtshof stellt in seiner Entscheidung gleichfalls entscheidend auf die Dauer und Intensität ab, mit welcher der Täter das Überholen verhindert; hierfür will der BGH alle Umstände des Falles berücksichtigt wissen (aaO, 392). Strafbare Nötigung soll demnach beispielsweise in Betracht kommen bei „beharrliche(m) Linksfahren auf freier Autobahn mit nur mäßiger Geschwindigkeit zu dem Zweck, das Überholtwerden zu verhindern“, oder wenn jemand „auf breiter, übersichtlicher, von Gegenverkehr freier Straße, für die keine Geschwindigkeitsbegrenzung besteht, langsam fährt und jedesmal, wenn ein anderer Verkehrsteilnehmer zum Überholen ansetzt, ohne vernünftigen Anlaß nach links ausbiegt und so auf mehrere Kilometer sowohl Überholen wie rasches Weiterfahren verhindert“ (aaO, 392f). Zu den Umständen, die für die Beurteilung des Verhaltens als Nötigungsunrecht von Bedeutung sind, gehört nicht zuletzt die vom hindernden Kraftfahrer eingehaltene Geschwindigkeit (OLG Karlsruhe aaO). Der Angeklagte hat bei nur mäßiger Fahrgeschwindigkeit (ca 60 – 70 km/h) das Überholen durch den Zeugen Sch. „durch stetes Hinfahren und Herfahren“, also über eine längere Strecke und Dauer, verhindert. Sein nötigendes Verhalten kam damit an Intensität den vom BGH beispielhaft genannten Fällen gleich. Es stellt daher auch bei Anwendung strenger Maßstäbe Nötigungsunrecht dar.

Das Landgericht hat nach allem in dem festgestellten Verhalten des Angeklagten zu Recht eine strafbare Nötigung (§ 240 StGB) gesehen.

III.

Auch im übrigen läßt das angefochtene Urteil einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht erkennen. Die Anwendung von Jugendstrafrecht gemäß § 105 Abs 1 Nr 2 JGG hat das Landgericht allerdings mit der formelhaften Wendung ausgeschlossen, die Tat weise „nicht den Charakter einer typischen Jugendverfehlung“ auf. Offensichtlich wollte das Landgericht hiermit jedoch feststellen, daß es sich bei der Tat des Angeklagten nicht, wie die genannte Bestimmung fordert, nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat um eine Jugendverfehlung handelt. Schließlich ist auch der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils rechtlich nicht zu beanstanden.

Nach allem war die Revision des Angeklagten mit der Kostenfolge aus § 473 Abs 1 StPO zu verwerfen.

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