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Pflichtverletzung aus Steuerberatervertrag – Schadensersatzanspruch

Haftungsfragen im Steuerberatungsvertrag: Ein Fall von potenziellem Schadensersatz

In der vorliegenden juristischen Streitigkeit, die tief in den Verflechtungen des Steuerrechts verankert ist, geht es um die Haftungsfragen, die aus einem Steuerberatungsvertrag hervorgehen können. Konkret dreht sich der Sachverhalt um den potenziellen Schadensersatzanspruch, der aus einer behaupteten Pflichtverletzung durch die beklagte Steuerberaterin entstehen könnte. Das Hauptproblem liegt hier in der Notwendigkeit, den kausalen Zusammenhang zwischen der behaupteten Pflichtverletzung und einem tatsächlichen Schaden zu beweisen.

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Steuerberaterpflichten und vertragliche Haftung

Zunächst gilt es zu klären, ob die beklagte Steuerberaterin ihre Pflichten aus dem Beratungsvertrag verletzt hat und damit potenziell für einen daraus resultierenden Schaden haftbar wäre. Hierbei steht zur Debatte, ob ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis vorliegt und wie sich die Pflichtverletzung konkret äußert. Dass die Beklagte das Kassenbuch für den Kläger führte, ist nicht entscheidend, da beide Parteien bestätigen, dass dies nicht der Fall war.

Praxis der Buchführung und Rechtsunsicherheit

Zwischen den Parteien war eine Praxis etabliert, in der der Kläger die täglichen Transaktionen dokumentierte und diese Informationen am Ende des Monats an die Beklagte weitergab. In diesem Zusammenhang ergibt sich eine Rechtsunsicherheit, da offen ist, ob diese Art der Buchführung den rechtlichen Anforderungen genügt. Diese Unsicherheit wird durch den Appell der Bundessteuerberaterkammer bestätigt, der die beschriebene Buchungspraxis als akzeptabel erachtet.

Schadensersatz und Vermögensvergleich

Hinsichtlich des potenziellen Schadensersatzes muss ein Vergleich des gesamten Vermögens des Mandanten (in diesem Fall des Klägers) stattfinden. Dabei geht es darum, alle Vermögenspositionen zu berücksichtigen, die durch die mögliche Pflichtverletzung beeinträchtigt wurden. Konkret muss der Kläger darlegen, welche Gewinne oder Verluste tatsächlich entstanden sind und ob diese von den Besteuerungsgrundlagen der Schätzungsveranlagung abweichen.

Schätzungsbefugnis und Veranlagungsverfahren

Letztendlich ist es für den Schadensersatzanspruch relevant, ob das vom Finanzamt angewandte Schätzungsverfahren korrekt durchgeführt wurde und zu einer sachgerechten Veranlagung geführt hat. Die Schätzungsbefugnis des Finanzamts ist nicht unbegrenzt und hat das Ziel, eine zutreffende Veranlagung zu erreichen, nicht jedoch eine Bestrafung des Steuerschuldners. Der Einwand des Klägers, dass er kein Rechtsbehelfsverfahren eingeleitet hat, weil eine Verschlechterung drohte, ist daher nicht stichhaltig.


Das vorliegende Urteil

LG Hamburg – Az.: 313 O 164/19 – Urteil vom 18.09.2020

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 35.750,60 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger macht einen Schadensersatzanspruch wegen behaupteter Pflichtverletzungen aus einem Steuerberatervertrag geltend.

Der Kläger betreibt das Restaurant „…“, L. Reihe … in H. . Er beauftragte die Beklagte im Jahr 2013 als Steuerberaterin in Bezug auf die Einkommensteuer, Gewerbesteuer und Umsatzsteuer, ihr Mandat begann im November 2013. Der Vertrag umfasste auch die Vornahme der Buchhaltung und die fristgerechte Abgabe von Steuererklärungen. Sie erhielt von dem Beklagten ein Monatshonorar in Höhe von 300 € brutto für die Lohnabrechnungen und die Erfassung der Buchhaltung. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Beklagte auch mit der Kassenbuchführung beauftragt war und ob die Beklagte schon vor November 2013 Beratungstätigkeiten für den Kläger erbrachte. Der Kläger erwarb im Oktober 2013 eine neue Registrierkasse vom Typ Casio QT 6100, für die er eine Schulung erhielt (Anlage B 2). Er verfügte auch vorher über eine Casio-Kasse vom Typ QT 6100 (Anlage B 2, Pos. 3).

Durch eine Prüfungsanordnung vom 23.5.2018 des Finanzamts H.- H1 führte dieses im Zeitraum 2.7.2018 bis 6.11.2018 durch ihren Mitarbeiter Herrn A. eine steuerliche Außenprüfung für das Restaurant des Klägers durch. Die Prüfung bezog sich auf die Veranlagungsjahre 2013 bis 2015 und bezog sich auf die Einkommensteuer, die Gewerbesteuer und die Umsatzsteuer.

Ergebnis dieser Betriebsprüfung war, dass das Finanzamt H.- H1 die Kassenführung des Klägers aus formellen Gründen vollständig verwarf. Als Begründung führte das Finanzamt an, dass die Kassenführung wegen fehlender Einzelumsatzdaten und der unterbliebenen Trennung zwischen Bar- und Kartenzahlung nicht anerkannt werde (Anlagen K 1, 2). Die Finanzverwaltung nahm eine Hinzuschätzung von Bruttoeinnahmen vor (Anlage K 2). Die Parteien boten dem Betriebsprüfer A. zur Abwendung einer Hinzuschätzung mehrfach an, einen Kassensturz durchzuführen und die Kasse auszulesen (Anlage B 5), u.a. im Rahmen einer Besprechung am 21.9.2018. Dieses Vorgehen lehnte Herr A. ab. Das Finanzamt beabsichtigte zunächst, einen Unsicherheitenzuschlag in Höhe von bis zu 10 % der erklärten Umsätze hinzuzuschätzen. Im Rahmen der Schlussbesprechung am 6.11.2018, an der die Beklagte noch teilnahm, konnte erreicht werden, dass die Umsätze im Schätzungswege nur um 5 % zu erhöhen sind. Im Gegenzug bestand das Finanzamt darauf, dass die hinzugeschätzten Umsätze aus Vereinfachungsgründen vollen Umfangs dem Regelsteuersatz unterworfen werden. An den Kläger ergingen im Anschluss die geänderten Steuerbescheide vom 7.12.2018 (Anlagen K 3 bis K 13).

Das Mandatsverhältnis zwischen den Parteien endete am 12.12.2018. Seit Oktober 2018 sind die Prozessbevollmächtigten des Klägers bzw. die dort angestellte Zeugin S. als seine Steuerberater mandatiert. Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben vom 21.1.2019 auf, ihre Einstandspflicht anzuerkennen (Anlage K 14). In einer E-Mail der Beklagten vom 29.1.2019 an den Prozessbevollmächtigten des Klägers heißt es, dass sie hier Einstandspflicht dem Grunde nach anzeige (Anlage K 15).

Der Kläger meint, der Beklagten sei als Pflichtverletzung vor allem vorzuwerfen, dass sie ihn nicht darauf hingewiesen habe, dass die Tagesendsummenbons (Z-Bons) hätten umgestellt werden müssen. Sie habe die fehlenden Einzelumsatzdaten und die unterbliebene Trennung zwischen Bar- und Kartenzahlung erkennen und ihn darauf hinweisen müssen. Weiterhin behauptet der Kläger, die Beklagte habe für ihn auch das Kassenbuch als Grundaufzeichnung geführt. Diese Aufgabe habe die Beklagte gegen ein entsprechendes Honorar übernommen. Die Zeugin S., die bei Mandatsübernahme im Jahr 2018 die Unterlagen beim Kläger gesichtet habe, habe DATEV-Software-Ausdrucke gefunden, die von Steuerberatern im Rahmen der steuerlichen Buchführung genutzt werden würden. Diese Software könne aber auch für die Kassenbuchführung eingesetzt werden. Die Ausdrucke, die die Zeugin vorgefunden habe, hätten ein via DATEV erzeugtes Kassenbuch beinhaltet. Aus der Tatsache, dass die Beklagte – wie sie in ihrer Anhörung angab – die Unterlagen des Klägers in das Programm DATEV Kassenbuch überführt habe, ergebe sich, dass sie auch sein Kassenbuch geführt habe. Es handele sich nicht nur um eine Auflistung der Belege, sondern um eine wissentliche Kassenbuchführung. Der Beklagten seien also zwei Pflichtverletzungen vorzuwerfen: Zum einen die mangelhafte Führung des Kassenbuchs sowie zum anderen die Verletzung ihrer Aufklärungs-/Hinweispflichten in Bezug auf die Grundsätze der Kassenrichtlinie. Zu keiner Zeit habe die Beklagte ihn darauf hingewiesen, dass das von ihm durchgeführte Verfahren im Falle einer Betriebsprüfung vom Finanzamt beanstandet werden würde. Auch die Mitarbeiterin der Beklagten, die als Zeugin benannte Frau W., habe ihn darüber nicht aufgeklärt. Die Anlage K 15 sei als Garantieversprechen der Beklagten anzusehen. Ein Mitverschulden komme nicht in Betracht. Die Beklagte selbst habe im Anschluss an das Abschlussgespräch beim Finanzamt geäußert, dass ein Rechtsbehelf gegen die Schätzungsbescheide sinnlos sei und dass man „Glück“ gehabt habe, dass nur eine Hinzuschätzung von 5 % erfolgt sei (Anlage K 20). Ein Rechtsbehelfsverfahren sei nicht sinnvoll gewesen, da die Finanzverwaltung berechtigt sei, Hinzuschätzungen von bis zu 10 % der Umsätze vorzunehmen. Vor dem Hintergrund, dass vorliegend nur eine Hinzuschätzung von 5 % erfolgt sei, hätte im Rechtsbehelfsverfahren eine Verböserung gedroht. Möglicherweise hätte sich herausgestellt, dass weitere Mängel gegeben seien (Fehlen eines Kassenhandbuchs, Programmierprotokolle etc.), so dass objektiv eine Erhöhung der Hinzuschätzungsbeträge gedroht habe.

Der ihm entstandene Schaden in Höhe von 35.750,60 € bemesse sich nach den vom ihm aufgrund der geänderten Steuerbescheide wegen der Verwerfung der Kassenführung zu leistenden Steuernachzahlungen nebst Zinsen (Anlage K 19). Die Beklagte könne sich nicht damit entlasten, dass die Hinzuschätzung nicht zu beanstanden sei. Dies sei absurd, da es sich um eine Unsicherheitshinzuschätzung handele, die nichts darüber aussage, ob die Umsätze auch wirklich geflossen seien. Der Kläger habe die geschätzten Betriebseinnahmen in Wirklichkeit nicht erzielt. Dies sehe auch die Beklagte so, wie sich aus Anlage B 23 ergebe. Außerdem würde eine Betriebsprüfung mit sofortiger Wirkung unterbrochen und ein Steuerstrafverfahren eingeleitet werden, wenn sich im Rahmen einer Betriebsprüfung Hinweise darauf ergäben, dass Hinzuschätzungsbeträge möglicherweise auch nur teilweise tatsächlich geflossen seien. Dies sei – unstreitig – nicht erfolgt, vielmehr sei die Kassenbuchführung eben aufgrund von formellen und nicht materiellen Fehlern verworfen worden, so dass auch davon auszugehen sei, dass die Umsätze in Wirklichkeit nicht erzielt worden seien.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 35.750,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, sie sei für die Grundaufzeichnungen des Klägers, zu denen auch die Kassenführung zähle, nicht verantwortlich. Der Kläger sei als Kaufmann nach handels- und steuerrechtlichen Vorschriften verpflichtet, ein Kassenbuch zu führen und darin die Geschäftsvorfälle nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung nachvollziehbar aufzuzeichnen. Die Beklagte behauptet, sie habe den Kläger zudem mehrfach darüber belehrt, dass er in der Registrierkasse Umsätze aus Barzahlung und Kartenzahlung getrennt erfassen müsse und ein Kassenbuch zu führen habe. Der Kläger habe stets erwidert, dass er dies wisse, aber ihm dies technisch und organisatorisch nicht möglich sei. Er habe geäußert, er wisse nie im Voraus, ob seine Gäste bar oder mit Kreditkarte zahlten, so dass er die Umsätze nicht getrennt erfassen könne. Der Kläger habe daher sämtliche Umsätze in die Registrierkasse eingebucht. Die Beklagte habe im Zuge der Buchhaltung die Kartenumsätze als Kassenausgang ausgebucht und im Konto „Geldtransit“ bzw. (nach Zahlungseingang) „Bank“ wieder eingebucht. Dieses Verfahren sei gängige Buchungspraxis. Die Beklagte habe den Kläger mehrfach darauf hingewiesen, dass dieses Verfahren im Falle einer Betriebsprüfung vom Finanzamt beanstandet werden könne, weil er nur Barzahlungen in der Kasse erfassen dürfe. Der Kläger habe erklärt, dass ihm dies bewusst sei, seine Registrierkasse sei jedoch auslesbar und sämtliche Bar- und Kartenumsätze könnten getrennt ausgelesen werden, er könne jederzeit einen Kassensturz machen und Bar- und Kartenumsätze nachweisen. Die Bundessteuerberaterkammer halte dieses Verfahren für zutreffend (Anlage B 3), auch viele Betriebsprüfer akzeptierten diese Buchungspraxis. Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass eine Trennung zwischen Bar- und Kartenzahlung bei der Registrierkasse Casio QT-6100 technisch jederzeit möglich gewesen wäre. Die E-Mail vom 29.1.2019 (Anlage K 15) habe sie nur deshalb geschrieben, weil sie seitens der Klägervertreter vom 21.1.2019 (Anlage K 4) falsch über die Rechtslage unterrichtet worden sei und sie die Erklärung als „juristische Laiin“ abgegeben habe.

Dem Kläger sei zudem ein überwiegendes Mitverschulden entgegenzuhalten, vor allem, weil er keine Rechtsbehelfe gegen auf die Betriebsprüfung hin ergangenen Steuerbescheide eingelegt habe. Wären die Schätzungen der Betriebsprüfung überhöht, hätte der Kläger zwingend eine Berichtigung wegen neuer Tatsachen gemäß § 173 AO beantragen oder Rechtsbehelfe einlegen müssen. Es sei auch unzutreffend, dass sie sich dergestalt geäußert habe, dass von mangelnden Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfsverfahrens auszugehen sei. Im Übrigen sei es falsch, dass eine Verböserung gedroht habe. Das Finanzamt sei bei der Hinzuschätzung nicht frei. Vielmehr habe es die Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln, die sich ergeben hätten, wenn die Unterlagen einwandfrei gewesen wären, Hinzuschätzungen des Finanzamts seien nicht per se falsch. Wenn der Kläger meine, das Rechtsbehelfsverfahren hätte sogar eine noch höhere Hinzuschätzung ergeben, so dokumentiere er damit erst recht, dass die vom Betriebsprüfer vorgenommene Hinzuschätzung mindestens korrekt gewesen sei. Es sei mithin auch kein Schaden ersichtlich. Die auf die Hinzuschätzung entfallende Steuer begründe keinen Schaden des Klägers. Dies wäre nach Ansicht der Beklagten nur dann der Fall, wenn der Kläger die zu seinen Lasten bei der Betriebsprüfung geschätzten Betriebseinnahmen tatsächlich nicht erzielt hätte und eine Steuerpflicht in dem durch die Hinzuschätzung bedingten Umfang tatsächlich nicht bestanden hätte. Dass die Hinzuschätzung nicht falsch sei, zeige schon der Umstand, dass der Klägervertreter in der Schlussbesprechung zur Betriebsprüfung am 6.11.2018 Einvernehmen mit dem Betriebsprüfer hergestellt habe (Anlage K 2, S. 12). Jedenfalls habe der Kläger Gegenteiliges substantiiert darzulegen und zu beweisen. Der Vortrag des Klägers zur Schadenshöhe sei sogar unschlüssig, weil er nicht konkret darlege, welche Gewinne abweichend von den Besteuerungsgrundlagen der Schätzungsveranlagung tatsächlich hätten versteuert werden müssen. Es fehle an der Vorlage einer ordnungsgemäßen Gewinnermittlung.

Die Klage ist der Beklagten am 13.8.2019 zugestellt worden. Das Gericht hat die Parteien persönlich im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 3.8.2020 angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Sitzungsprotokoll vom 3.8.2020 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I. Dem Kläger steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte wegen der behaupteten Pflichtverletzungen zu. Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch wegen steuerrechtlicher Falschberatung nach den §§ 280 Abs. 1, 675, 249 ff. BGB liegen nicht vor.

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Die Parteien schlossen unstreitig einen Steuerberatervertrag, der im Allgemeinen als Dienstvertrag zu qualifizieren ist und der eine Geschäftsbesorgung im Sinne des § 675 BGB zum Gegenstand hat (vgl. Spinner, in: MünchKomm-BGB, 8. Auflage 2020, § 611 Rn. 19). Nach dem Ergebnis der Parteianhörung dürfte der Beklagten zwar eine Pflichtverletzung dieses Steuerberatervertrags vorzuwerfen sein (1.), dies kann jedoch dahinstehen, weil es jedenfalls an der schlüssigen Darlegung eines kausal auf diese Pflichtverletzung zurückzuführenden Schadens mangelt (2.).

1. Es kann mangels schlüssiger Darlegung eines kausalen Schadens vorliegend dahinstehen, ob die Beklagte sie treffende Pflichten als Steuerberaterin aus dem Steuerberatervertrag mit dem Kläger verletzt hat, obgleich aus den nachfolgend genannten Gründen davon auszugehen ist. Verletzt der Steuerberater die vertraglich geschuldeten Pflichten, so ist er seinem Mandanten aus vertraglicher Haftung gemäß § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Der Steuerberater ist im Rahmen des ihm erteilten Auftrags verpflichtet, den Mandanten umfassend zu beraten und hat ihn auch ungefragt über alle steuerlichen Einzelheiten und deren Folgen zu unterrichten. Jedenfalls trifft ihn die Nebenpflicht, den Auftraggeber vor Schäden zu bewahren und auf offen zutage liegende Fehlentscheidungen ggf. auch ungefragt hinzuweisen (vgl. Teichmann, in: BeckOGK-BGB, Stand: 1.6.2020, § 675 BGB Rn. 1160 m.w.N.). Die Bejahung der Pflichtverletzung ergibt sich nicht bereits aus der E-Mail der Beklagten vom 29.1.2019 (Anlage K 15), in der es heißt, dass sie ihre Einstandspflicht dem Grunde nach anzeige. Das Gericht hat gemäß Verfügung vom 25.3.2020 (Bl. 79 f. d. A.) darauf hingewiesen, dass es seine zuvor geäußerte vorläufige Rechtsauffassung, dass es sich hierbei um ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis handeln dürfte, aufgibt. Der Kläger ist der Erklärung der Beklagten, sie habe die E-Mail vom 29.1.2019 in Unkenntnis der Rechtslage als „juristische Laiin“ geschrieben (vgl. Schriftsatz vom 3.1.2020, S. 1 f., Bl. 57 f. d. A.), nicht entgegengetreten, weshalb das Gericht dies als unstreitig wertet (§ 138 Abs. 3 ZPO). Für die Annahme eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses fehlt es an hinreichenden und eindeutigen Anhaltspunkten für einen derartigen Rechtsbindungswillen. Nach der Rechtsprechung kann etwa in der Erklärung einer Haftpflichtversicherung, eine etwaige Planung des Versicherungsnehmers sei fehlerhaft und deshalb werden zum Grund der Ansprüche keine Einwände erhoben, ein deklaratorisches Anerkenntnis liegen (vgl. etwa OLG Frankfurt, Urteil vom 19.8.2019 – 29 U 113/18, NJW-RR 2019, 1301). Für ein deklaratorisches Anerkenntnis im Falle von Erklärungen des Schuldners im Sinne einer Anerkennung der Ersatzpflicht besteht aber gerade keine allgemeine Vermutung. Es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an. Der ohne konkreten Anlass für eine vertragliche Bindung abgegebenen Erklärung, allein schuld zu sein, fehlt in der Regel der Rechtsbindungswille. Sie bewirkt lediglich eine Beweiserleichterung für den Erklärungsempfänger (vgl. Sprau, in: Palandt, 79. Auflage 2020, § 781 BGB Rn. 9 m.w.N.). Dies ist auch hier der Fall. Vorliegend ging die Beklagte, wie im Rahmen der Parteianhörung erkennbar wurde, offensichtlich von einer unkomplizierten Schadensregulierung durch ihre Haftpflichtversicherung aus und gab (nur) vor diesem Hintergrund die als Anlage K 15 vorgelegte Erklärung ab. Dass sie sich mit dieser Erklärung jegliche Einwendungen zum Anspruchsgrund im Rahmen eines eventuellen Klageverfahrens abschneiden wollte, ist nicht erkennbar und kann ohne weiteres nicht angenommen werden.

Jedenfalls ein Verstoß gegen eine Nebenpflicht im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB in Form einer Aufklärungspflichtverletzung ist der Beklagten nach dem Ergebnis der Parteianhörung vorzuwerfen. Darauf, ob die Beklagte das Kassenbuch für den Kläger führte, kommt es nicht an, obgleich ohnehin feststeht, dass dies nicht der Fall gewesen ist. Die Anhörung der Parteien hat ergeben, dass dies zwischen den Parteien sogar unstreitig ist. Denn sie gaben übereinstimmend an, dass zwischen ihnen die Praxis bestanden habe, dass der Kläger täglich die Z-Bons gemacht und die täglich die Journale erstellt und sodann einen Monat lang gesammelt habe und diese Unterlagen dann am Ende eines jeden Monats bei der Beklagten bzw. ihrer Mitarbeiterin Frau W. vorbeigebracht habe (vgl. Sitzungsprotokoll vom 3.8.2020, S. 2, 6, Bl. 100, 104 d. A.). Aus diesen Belegen und Unterlagen des Klägers habe die Beklagte dann eine Auflistung erstellt, sie habe sie in das Programm „DATEV Kassenbuch“ eingetragen (vgl. Sitzungsprotokoll vom 3.8.2020, S. 7, Bl. 105 d. A.). Dieses Prozedere begründet aber keine (ordnungsgemäße) Kassenbuchführung. Vielmehr ergibt sich hieraus, dass der Kläger überhaupt kein Kassenbuch führte und die losen Belege und Bons lediglich monatsweise in das DATEV-Programm überführt wurden. Denn nach § 146 Abs. 1 AO sind die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sind täglich – und nicht monatlich – festzuhalten. Die Norm verlangt also eine zeitgerechte Buchung der Geschäftsvorgänge. Diese müssen zeitnah in den Grundbüchern aufgezeichnet werden. Bargeschäfte sind täglich zu erfassen. Es ist nach dem jetzigen Wortlaut von § 146 Abs. 1 S. 2 AO aber auch bereits nach der früheren Gesetzesfassung (vor dem 29.12.2016) nicht ausreichend, wenn der Steuerpflichtige Kassenbelege sammelt, ohne sie zu verbuchen, und dann z.B. einmal monatlich dem Steuerberater zur Führung des Kassenbuchs übergibt (vgl. BFH, Urteil vom 21.2.1990 – X R 54/87, BeckRS 2019, 06611; Matthes, in: BeckOK-AO, 13. Edition, Stand: 01.07.2020, § 146 AO Rn. 32).

Darauf, ob die Beklagte – oder die als Zeugin benannte Frau W. – für den Kläger das Kassenbuch führte, d.h. ob eine monatliche Überführung in das Programm „DATEV Kassenbuch“ noch als Kassenbuchführung qualifiziert werden kann, kommt es vorliegend aber deshalb nicht an, weil Grund für die Verwerfung der Kassenführung und für die Hinzuschätzung durch das Finanzamt nicht die (mangelnde, weil nicht tägliche) Kassenbuchführung durch den Kläger war. Vor diesem Hintergrund bedurfte es auch keiner Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 ZPO aufgrund einer durchzuführenden Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeuginnen S., W. und M. . Es ist jedenfalls kein auf eine derartige Pflichtverletzung kausal zurückzuführender Schaden vorgetragen oder ersichtlich, die Kassenführung wurde aus anderen Gründen verworfen. Der Vorwurf des Finanzamts geht nämlich vielmehr dahin – und dies ist dem Führen des Kassenbuchs vorgelagert -, dass eine fehlerhafte Erfassung der Zahlungswege durch den Kläger erfolgte, das heißt, die gebotene „Differenzierung der Einnahmen nach den Zahlungswegen bereits bei der Aufzeichnung im Kassensystem“ ist vorliegend offenbar nicht erfolgt, so dass laut Auskunft des Finanzamts nicht nachvollzogen werden könne, „ob die unbaren Umsätze im elektronischen Kassensystem erfasst“ seien. Ferner stellten fehlende Einzelumsatzdaten einen schwerwiegenden Mangel dar (vgl. Anlage K 1).

Fehler im Bereich der Erstellung dieser Grundaufzeichnungen können dem Steuerberater indes nicht angelastet werden. Es ist Aufgabe des Klägers, seinerseits die Grundlagen für eine ordnungsgemäße Buchführung nach handels- und steuerrechtlichen Vorschriften zu schaffen (vgl. auch LG Koblenz, Urteil vom 26.2.2014 – 15 O 167/13, Rn. 21, juris; LG Krefeld, Urteil vom 25.8.2011 – 3 O 93/11, BeckRS 2011, 23143). Dazu gehört selbstverständlich zunächst die zutreffende und ordnungsgemäße Erfassung eines jeden Geschäftsvorfalls selbst, der sodann in das täglich und fortlaufend zu führende Kassenbuch zu überführen ist. Die Beklagte traf aber vorliegend die (Neben-)Pflicht, den Kläger darüber aufzuklären, dass sein Vorgehen Risiken birgt und keine ordnungsgemäße Erfassung seiner Geschäftsvorfälle darstellt. Diese Aufklärungspflicht hat die Beklagte nach dem Ergebnis der gebotenen (vgl. BGH, Urteil vom 9.6.2011 – IX ZR 75/10, NJW 2011, 2889, Rn. 19) Parteianhörung verletzt. Auf Frage des Gerichts, ob sie den Kläger über die Notwendigkeit der getrennten Erfassung von Karten- und Barzahlungen aufgeklärt hat, teilte die Beklagte persönlich mit, dass sie das Prozedere des Klägers nicht für problematisch gehalten habe, weil jederzeit anhand der „Schnipselchen“, die über der Kasse hingen, klar gewesen sei, welche Zahlungen über die Bank laufen würden (vgl. Sitzungsprotokoll vom 3.8.2020, S. 6, Bl. 104 d. A.). Die Beklagte hat die Problematik also nicht erkannt, sondern sein Herangehen für ordnungsgemäß befunden und den Kläger vor diesem Hintergrund auch nicht über das Erfordernis der getrennten Erfassung von Karten- und Barzahlungen aufgeklärt.

Die Beklagte hätte den Kläger aber darüber aufklären müssen, dass es sogar bereits umstritten ist, ob die vielfach gelebte Buchungspraxis (Erfassung auch der unbaren Umsätze in der Registrierkasse, Z-Bon, der nach Barzahlung und Kartenzahlung differenziert, sodann im Kassenbuch Erfassung der Gesamtumsätze des Z-Bons und sodann Austragung der Kartenzahlungserlöse als Kassenbuchausgabe) im Zusammenhang mit der Darstellung der Geld- oder Kreditkartenumsätze im Z-Bon und damit schlussendlich im Kassenbuch zulässig ist. Dass diesbezüglich eine Rechtsunsicherheit besteht, ergibt sich bereits aus den von Beklagtenseite nunmehr im Rahmen dieses Rechtsstreits eingereichten Anlagen B 3 und B 4, insbesondere aus dem Appell der Bundessteuerberaterkammer, die in Anlage B 3 beschriebene Buchungspraxis zu akzeptieren, da der anderenfalls bestehende Aufwand unverhältnismäßig sei. Über diese bestehende Rechtsunsicherheit hätte die Beklagte den Kläger in Kenntnis setzen müssen, was sie nach ihren eigenen Angaben im Rahmen ihrer Parteianhörung aber nicht getan hat – offenbar, weil ihr das Vorgehen zu diesem Zeitpunkt unproblematisch erschien oder ihr die Problematik bis dato ggf. gar nicht bekannt war. Die Beklagte hätte den Kläger aber jedenfalls darüber aufklären müssen, dass sein Vorgehen Unsicherheiten birgt und dazu führen kann, dass seine Buchführung verworfen wird. Denn augenscheinlich nahm der Kläger ja nicht einmal die – selbst nach dem Vorstehenden gebotene – Differenzierung der Einnahmen nach den Zahlungswegen bei der Aufzeichnung im Kassensystem vor (vgl. Anlage K 1), was aus den Z-Bons ersichtlich gewesen sein dürfte, die die Beklagte unstreitig monatlich in Empfang nahm. Eine Aufklärungspflicht kommt aber immer nur dann in Betracht, wenn auch eine Aufklärungsbedürftigkeit besteht. Der Kläger gab im Rahmen seiner Anhörung zwar an, dass seine neue Kasse, die er sich im Oktober 2013 anschaffte, die neue Funktion habe, dass man auf einen Knopf drücken könne, wenn der Kunde mit Karte zahlen wolle und dass dies dann auch entsprechend im Z-Bon erfasst werde (vgl. Sitzungsprotokoll vom 3.8.2020, S. 4, Bl. 102 d. A.). Hieraus ergibt sich aber lediglich, dass er Kenntnis von dieser Funktionalität seiner Kasse hatte. Dies offenbart aber nicht, dass er auch wusste, dass ihm im Falle der fehlenden getrennten Erfassung eine Verwerfung seiner Kassenführung droht.

2. Ein Anspruch des Klägers besteht jedoch deshalb nicht, weil kein auf die Pflichtverletzung zurückzuführender kausaler Schaden schlüssig dargelegt ist. Eine etwaige Beweiserleichterung aufgrund der Anlage K 15 kommt diesbezüglich jedenfalls nicht in Betracht, weil die Beklagte ihre Einstandspflicht nur dem Grunde, aber ausweislich des Wortlauts nicht der Höhe nach angezeigt hat. Erklärungen zur Höhe existieren nicht und sind daher nicht umfasst. Der geschädigte Mandant ist so zu stellen, wie er bei korrekter Beratung stehen würde, sog. Differenzhypothese (vgl. Teichmann aaO § 675 Rn. 1136). Es obliegt dem Kläger, Art und Höhe des geltend gemachten Schadens darzulegen und zu beweisen. Unter Berücksichtigung dieser Vorgabe ist ein Gesamtvermögensvergleich anzustellen, der alle von der Pflichtverletzung betroffenen Vermögenspositionen umfasst. Im vorliegenden Fall des Erlass eines Schätzungsbescheides muss der Mandant – hier also der Kläger – darlegen und nachweisen, welche Gewinne oder Verluste abweichend von den Besteuerungsgrundlagen der Schätzungsveranlagung tatsächlich entstanden sind. Regelmäßig und auch hier erfordert dies die Vorlage einer Gewinn- und Verlustermittlung, die im Falle des Bestreitens von einem Sachverständigen überprüft werden kann (vgl. OLG Bamberg, Urteil vom 28.4.2006 – 6 U 23/05, BeckRS 2011, 18157, Rn. 55, LG Potsdam, Urteil vom 29.6.2000 – 3 O 417/99, BeckRS 2000, 30811193). Der Schaden besteht in der Differenz der Steuern, die aufgrund der Schätzung festgesetzt werden und denen, die festgesetzt worden wären, wenn die Einnahmen und Ausgaben ordnungsgemäß erfasst worden wären und keine Verwerfung der Kassenführung aus formellen Gründen erfolgt wäre (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 23.9.2008 – 25 U 114/07, Rn. 37, juris). Es kommt bei der Frage, ob und welcher Nachteil durch eine Steuerschätzung entstanden ist, also nicht darauf an, wie hoch die festgesetzten Steuernachzahlungen sind, sondern darauf, inwieweit die Schätzung zu einem überhöhten Ergebnis geführt hat (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 14.2.1990 – 3 U 100/89; LG Köln, Urteil vom 24.6.1977 – 17 O 131/77). Diesbezüglich fehlt es – trotz Hinweis des Gerichts – an hinreichendem Vortrag des Klägers. Das Gericht hat bereits in der mündlichen Verhandlung vom 10.1.2020 darauf hingewiesen, dass allein die Tatsache, dass das Finanzamt im Wege der Schätzung Nachforderungen geltend gemacht hat, keinen Schaden begründen dürfte und etwas anderes nur gelten dürfte, wenn die geschätzten Betriebseinnahmen in Wirklichkeit nicht erzielt worden sind. Das Gericht hat die Klägerseite im Rahmen dieses Hinweises, an dem es vollumfänglich festhält, ausdrücklich aufgefordert, weiter dazu vorzutragen, warum die Steuerschätzung des Finanzamts unrichtig gewesen sein soll und darauf verwiesen, dass sich die Frage stellt, ob/warum das Schätzungsverfahren vorliegend (nicht) zu einer sachgerechten und objektiv richtigen Veranlagung geführt hat (vgl. Sitzungsprotokoll vom 10.1.2020, Bl. 47 d. A.). Dies hat der Kläger nicht getan. Er beschränkt sich vielmehr darauf, zu behaupten, dass er die geschätzten Betriebseinnahmen in Wirklichkeit nicht erzielt habe und dass, soweit sich im Rahmen einer Betriebsprüfung Hinweise darauf ergäben, dass Hinzuschätzungsbeträge möglicherweise auch nur teilweise tatsächlich geflossen seien, die Betriebsprüfung mit sofortiger Wirkung unterbrochen werde und das Steuerstrafverfahren eingeleitet werde müsse. Dies sei vorliegend – unstreitig – nicht erfolgt, woraus sich ergebe, dass der Hinzuschätzungsbetrag in Wirklichkeit nicht geflossen sei (Bl. 68 d. A.). Dies ist zum einen ungenügend und zum anderen in dieser Pauschalität unzutreffend. Der Kläger genügt seiner Darlegungslast mit seiner bloßen Behauptung, er habe die hinzugeschätzten Betriebseinnahmen in Wirklichkeit nicht erzielt, den vorgenannten Grundsätzen nicht. Der Kläger beschränkt sich im Wesentlichen darauf, die Beträge aus den Steuerbescheiden an die Beklagte weiterzureichen. Die im Wege der Schätzung festgesetzten Nachzahlungsbeträge vermögen einen Schaden aber per se nicht zu begründen. Der Kläger hat trotz des Hinweises keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ergeben soll, dass die Schätzung des Finanzamts sachlich unrichtig gewesen ist. Für die Richtigkeit der Schätzung spricht vielmehr, dass sich der Kläger mit dem Finanzamt auf den Nachzahlungsbetrag einigte (vgl. auch LG Krefeld aaO). Eine ordnungsgemäße Gewinnermittlung hat der Kläger nicht vorgelegt. Der bloße Verweis auf die nicht näher erläuterte Anlage K 19 genügt den Anforderungen an einen schlüssigen Sachvortrag nicht, diese enthält aber auch keine eben solche tatsächliche Gewinnermittlung. Auch der Einwand der unterbliebenen Einleitung eines Steuerstrafverfahrens als Indiz dafür, dass die Hinzuschätzungsbeträge in Wirklichkeit nicht geflossen seien, greift nicht durch. Die Klägerseite lässt in diesem Zusammenhang unberücksichtigt, dass vorliegend nicht die Buchführung aus Gründen materieller Unrichtigkeit verworfen wurde, sondern die Kassenführung aufgrund fehlender formeller Ordnungsmäßigkeit wegen der fehlenden Einzelumsatzdaten und der unterbliebenen Trennung zwischen Bar- und Kartenzahlungen (vgl. Anlagen K 1 und K 2, dort S. 4).

3. Zudem wäre dem Kläger – unterstellt, ein kausaler Schaden wäre zu bejahen – auch ein überwiegendes Mitverschulden nach § 254 Abs. 1 BGB entgegenzuhalten. Der Kläger gab im Rahmen seiner Parteianhörung an, dass seine neue Kasse, die er unstreitig seit Oktober 2013 nutzt, nunmehr über die Funktionalität verfüge, Karten- und Barzahlungen über verschiedene Knöpfe getrennt erfassen zu können, und dass dies entsprechend auf den Z-Bons abgebildet werde (s.h. zuvor und vgl. Sitzungsprotokoll vom 3.8.2020, S. 4, Bl. 102 d. A.). Dies widerspricht dem, was dem Schreiben des Herrn A. vom Finanzamt H.- H1 vom 13.8.2018 (Anlage K 1) zu entnehmen ist. Ausweislich der dort genannten Begründung verwarf das Finanzamt die Kassenführung des Klägers, wie ausgeführt, deshalb, weil augenscheinlich gerade keine Differenzierung der Einnahmen nach den Zahlungswegen bereits bei der Aufzeichnung im Kassensystem erfolgt ist. Sollten diese Angaben von Herrn A. in seinem Schreiben vom 13.8.2018 (Anlage 1) also unzutreffend gewesen sein – dem Schreiben lässt sich im Umkehrschluss entnehmen, dass die Buchungspraxis entsprechend der Anlage B 3 akzeptiert worden wäre, wenn die Differenzierung der Zahlungswege bei Aufzeichnung im Kassensystem erfolgt wäre, so dass der Beklagten dann folgerichtig auch kein Vorwurf zu machen wäre -, hätte es dem Kläger oblegen, ein Rechtsbehelfsverfahren gegen die Steuerbescheide durchzuführen und dort darzulegen, dass eine Differenzierung, wie seitens des Finanzamts gefordert, tatsächlich doch erfolgt ist. Sofern hingegen der Kläger diese Funktion seiner Kasse trotz Kenntnis von der Existenz einer solchen bloß nicht genutzt hat, wäre ihm ebenfalls ein erhebliches Mitverschulden entgegenzuhalten, da es seinen Pflichten als ordentlicher Kaufmann entspricht, sich mit dem eigenen Kassensystem hinreichend vertraut zu machen und dieses entsprechend zu nutzen, um zu gewährleisten, dass ordnungsgemäße Grundaufzeichnungen im Sinne des § 146 AO über seine Geschäftsvorfälle erstellt werden (vgl. ebenso LG Lüneburg, Urteil vom 8.6.2001 – 3 O 195/00, BeckRS 2001, 161194, Rn. 40). Der Kläger muss sich in diesem Fall entgegenhalten lassen, wieso eine bekannte Funktionalität nicht genutzt wird.

Dem Kläger ist weiterhin auch deshalb ein Mitverschuldensvorwurf zu machen, weil die Beklagte unstreitig nur bis wenige Tage nach Erlass der Steuerbescheide vom 7.12.2018 mandatiert war – bis zum 12.12.2018 – und der Kläger insoweit die Möglichkeit gehabt hätte, die steuerrechtliche Einschätzung der Beklagten – unterstellt, sie hat dem Kläger tatsächlich von der Durchführung eines Rechtsbehelfsverfahrens abgeraten – überprüfen zu lassen. Er hat die Möglichkeit nicht genutzt, ein Rechtsbehelfsverfahren ohne die Beklagte durchzuführen, obwohl er der Ansicht ist, dass das Ergebnis der Schätzung nicht den tatsächlichen Begebenheiten entspricht. Sein Einwand, ein Rechtsbehelfsverfahren sei deshalb nicht durchgeführt worden, weil eine Verböserung gedroht habe, geht fehl. Das Finanzamt ist bei der Hinzuschätzung, wie von Beklagtenseite zutreffend ausgeführt, nicht frei. Die Hinzuschätzung bezweckt keine Bestrafung des Steuerschuldners, sondern soll zu einer zutreffenden Veranlagung führen. Es darf im Falle der Schätzung auf keinen Fall eine mit Sicherheit nicht entstandene Steuerschuld festgesetzt werden (vgl. OLG Stuttgart aaO). Die Schätzungsbefugnis geht vielmehr nur soweit, wie die Beanstandungen reichen, so dass ggf. nur Teil- oder Ergänzungsschätzungen zulässig sind (vgl. Cöster, in: Koenig, Abgabenordnung, 3. Auflage 2014, § 158 AO Rn. 19). Ist die Buchführung, wie hier (nur) formell nicht ordnungsgemäß, sind aber materielle Unrichtigkeiten der Einnahmenerfassung nicht konkret nachgewiesen, können die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs einen Anhaltspunkt für die Höhe der erforderlichen Hinzuschätzung bilden, wenn andere Schätzungsmethoden, die auf betriebsinternen Daten aufbauen oder in anderer Weise die individuellen Verhältnisse des jeweiligen Steuerpflichtigen berücksichtigen, nicht einsetzbar sind. Erst als „ultima ratio“ kommt eine Vollschätzung nach § 162 AO in Betracht (vgl. Rüsken, in: Klein, Abgabenordnung, 15. Auflage 2020, § 158 AO Rn. 7). Vorliegend ist vom Kläger schon nicht dargelegt, auf welchem Wege das Finanzamt vorliegend den Hinzuschätzungsbetrag ermittelt hat.

4. Mangels Hauptanspruchs besteht auch kein Anspruch auf die beantragten Rechtshängigkeitszinsen nach § 291 BGB.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1, 2 ZPO.


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant

  1. Steuerrecht (Abgabenordnung – AO): Der Hauptkontext des geschilderten Falles liegt im Steuerrecht, genauer in der Anwendung und Auslegung der Abgabenordnung (AO). Die AO ist die zentrale Verfahrensvorschrift für das deutsche Steuerrecht und regelt unter anderem, wie Steuern erhoben, verwaltet und geprüft werden. In diesem Fall wird spezifisch auf § 146 AO hingewiesen, der Grundaufzeichnungen über Geschäftsvorfälle regelt. Die Einhaltung dieser Vorschrift scheint in Frage gestellt, was zu einer Schätzung der Steuerlast durch das Finanzamt führte. Zudem wird § 162 AO erwähnt, der die Grundlagen für eine Schätzung festlegt, wenn die steuerlich relevanten Daten unzureichend oder fehlerhaft sind.
  2. Zivilrecht (BGB) im Bereich des Schadensersatzrechts: Der Fall scheint auch eine Klage auf Schadenersatz zu beinhalten, die im Zivilrecht verankert ist, insbesondere im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Der Kläger argumentiert anscheinend, dass der Beklagte (möglicherweise ein Steuerberater) eine Vertragsverletzung begangen hat, die zu einem finanziellen Verlust geführt hat. Die relevanten Vorschriften könnten hier § 280 BGB (Schadensersatz wegen Pflichtverletzung) und § 611 BGB (Vertragstypenrechtliche Grundlage des Beratungsvertrages) sein.
  3. Berufsrecht für Steuerberater: Das Berufsrecht für Steuerberater scheint in diesem Fall ebenfalls betroffen zu sein. Die Pflichten und Verantwortlichkeiten von Steuerberatern sind im Steuerberatungsgesetz (StBerG) festgelegt. In diesem Fall könnte es um eine mögliche Verletzung der beruflichen Pflichten gehen, was zur Verantwortlichkeit des Steuerberaters für den entstandenen Schaden führen könnte.
  4. Verwaltungsrecht: Zuletzt scheint auch das Verwaltungsrecht eine Rolle zu spielen, da die Art und Weise, wie das Finanzamt seine Befugnisse ausübt (z.B. die Entscheidung zur Hinzuschätzung), in den Rahmen des Verwaltungsrechts fällt. Spezifische Normen könnten hier die Abgabenordnung sowie das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) sein, welches allgemeine Grundsätze für das Verwaltungshandeln enthält.

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