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Leistungsfreiheit des Versicherers bei Nichtzahlung der Prämie

OLG München

Az: 7 U 5648/03

Urteil vom 21.04.2004


In dem Rechtsstreit wegen Feststellung des Bestehens von Versicherungsschutz erlässt der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21.04.2004 folgendes Endurteil:

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 03.12.2003 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.
1. Die Klägerin begehrt die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten aus einem Geschäftsversicherungsvertrag.

Die Parteien haben am 18.08.1998 einen Geschäftsinhaltsversicherungsvertrag für den Betrieb der Klägerin abgeschlossen. Am 14.12.2002 wurden durch eine Explosion das Betriebsgebäude der Klägerin ….. und Teile der Betriebseinrichtung durch eine Explosion beschädigt.

Die Versicherungsprämie für den Vertrag mit der Nr. XXXX in Höhe von 2.033,74 Euro und für die Versicherung Nr. H 6211361.8-00512- 0005 in Höhe von 402, 21 Euro waren am 01.08.2002 fällig. Anfang August 2002 hat der Versicherungsvertreter telefonisch die Mitarbeiterin der Klägerin, auf die Fälligkeit der Versicherungsraten hingewiesen. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 29.09.2002 und 21.10.2002, die jeweils an die Adresse ……….. gerichtet waren und die von der Regionaldirektion in München versandt worden sind, die Klägerin zur Zahlung aufgefordert und am 23.10.2002 einen Mahnbescheid gegen diese beantragt. Die Versicherungsprämie wurde am 16.12.2002 bezahlt. Mit Schreiben der Beklagten vom 19.12.2002, das von der Beklagten, Abteilung gerichtliches Mahnverfahren,… versandt worden ist, forderte die Beklagte die Klägerin zur Zahlung der durch die Beantragung des Mahnbescheides entstandenen Gerichtskosten auf. Ferner hat die Beklagte mit Schreiben vom 13.01.2003 die Klägerin aufgefordert, die zu der Geschäftsversicherung XXX für die Zeit vom 01.11.2002 bis 01.11.2003 noch nicht bezahlte Prämie in Höhe von 268,18 Euro zu bezahlen. Die beiden letztgenannten Schreiben waren an die frühere Anschrift der Klägerin in der :….. gerichtet. Sie sind unstreitig bei der Klägerin eingegangen.

Die Klägerin trägt vor, sie habe keine Mahnung mit Androhung der Rechtsfolge der Leistungsfreiheit erhalten. Sie habe der Beklagten bereits im Frühjahr 2002 ihre Sitzverlegung mitgeteilt. Auch der für sie zuständige Betreuer. habe keine qualifizierte Mahnung erhalten.

Die Klägerin hat folgenden Antrag gestellt: Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin für den Explosionsschadenfall vom 14.12.2002 Versicherungsschutz mit einer Versicherungssumme von DM 1.350.000,00 entsprechend EUR 690.244,04, gewähren muss, wovon DM 1.200.000,00, entsprechend EUR 613.550,26, auf Betriebseinrichtung, DM 100.000,00, entsprechend EUR 51.129,19, auf Vorräte und DM 50.000,00, entsprechend EUR 25.564,59, auf Vorsorge entfallen und Betriebsunterbrechungsschaden mitversichert ist, hilfsweise … soweit der Schaden nicht von dem Schädiger und/oder dessen Haftpflichtversicherer endgültig reguliert ist.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Die Beklagte hat sich auf Leistungsfreiheit berufen, da im Zeitpunkt des Schadensfalls wegen Prämienrückstands kein Versicherungsschutz bestanden habe. Sie habe unter dem 09.09.2002 ein qualifiziertes Mahnschreiben im Sinne des § 39 VVG an die Klägerin an deren neue Anschrift …………. versandt, das der Klägerin auch zugegangen sei.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen B.. Zu dem Inhalt der Zeugenaussage wird auf die Sitzungsniederschrift vom 12.11.2003 verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen und ausgeführt, die Beklagte sei nach § 39 Abs. 2 VVG von der Verpflichtung der Leistung frei geworden. Hinsichtlich des bestrittenen Zugangs der qualifizierten Mahnung sei die Beklagte beweisbelastet. Diesen Nachweis habe die Beklagte erbracht, weil die Beweiswürdigung ergebe, dass der Klägerin die qualifizierte Mahnung vom 09.09.2002 (Anlage B 3) tatsächlich zugegangen sei. Denn sowohl die Beitragsrechnung für die Geschäftsversicherung als auch die Mahnungen vom 29.09.2002 und 21.10.2002 sowie der Mahnbescheid vom 23.10.2002 seien der Klägerin zugegangen. Die vorgenannten Schriftstücke seien an die zutreffende neue Geschäftsadresse in …….. verschickt worden und bei der Klägerin angekommen. Die Zahlung sei auch erst nach dem Schadensfall erfolgt. Die Zahlung vom 16.12.2002 sei nicht aufgrund des Mahnbescheids vom 23.10.2002 sondern aufgrund des Schadensfalles vom 14.12.2002 vorgenommen worden. Soweit die Klägerin geäußert habe, das die behauptete Mahnung vom 09.09.2002 nicht existiere und auch der Zeuge. keine Durchschrift erhalten habe, habe die Aussage des Zeugen. ergeben, dass er von der Beklagten keine Durchschriften von Mahnungen erhält und die von der Beklagten vorgelegte qualifizierte Mahnung (Anlage B 3), ein üblicher Computerauszug aus dem Großrechner der Beklagten sei.

Gegen das ihr am 08.12.2003 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 22.12.2003 Berufung eingelegt und diese am letzten Tag der bis zum 09.03.2004 verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet.

Die Klägerin trägt vor, der Nachweis des Zugangs des qualifizierten Mahnschreibens vom 09.09.2002 sei nicht geführt. Das Landgericht habe die Feststellung, die Klägerin habe am 16.12.2002 nicht aufgrund des Mahnbescheids sondern aufgrund des Schadensfalles vom 14.12.2002 bezahlt, ohne entsprechenden Prozessvortrag getroffen. Es sei ungeklärt, ob eine qualifizierte Mahnung abgesandt worden sei. Der PC-Eintrag beweise die Versendung nicht. Es sei urkundlich nachgewiesen, dass die Beklagte noch am 19.12.2002 und 13.01.2003 Schreiben mit unzutreffender Adressierung versandt habe. Die Gesamtschau der Umstände ergebe, dass der Nachweis des Zugangs hinsichtlich der qualifizierten Mahnung nicht geführt worden sei.

Die Klägerin stellt folgenden Antrag:
1. Das Urteil des Landgerichts München 1 vom 03.12.2003, AZ: 8 HKO12331/03 wird aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin für den Explosionsschadenfall vom 14.12.2002 Versicherungsschutz mit einer Versicherungssumme von DM 1.350.000,00 entsprechend EUR 690.244,04, gewähren muss, wovon DM 1.200.000,00, entsprechend EUR 613.550,26, auf Betriebseinrichtung, DM 100.000,00, entsprechend EUR 51.129,19, auf Vorräte und DM 50.000,00, entsprechend EUR 25.564,59, auf Vorsorge entfallen und Betriebsunterbrechungsschaden mitversichert ist,

hilfsweise … soweit der Schaden nicht von dem Schädiger und/oder dessen Haftpflichtversicherer endgültig reguliert ist.

Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung.

Die Beklagte trägt vor, die falsche Adressierung der Schreiben vom 19.12.2002 und 13.1.2003 sei unbeachtlich, da auch die an die frühere Anschrift adressierten Schreiben bei der Klägerin angekommen seien. Der Beweis des Zugangs des Schreibens vom 09.09.2002 sei durch Indizienbeweis geführt.

Im Übrigen wird ergänzend auf das landgerichtliche Urteil, das Sitzungsprotokoll vom 12.11.2003 sowie die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Die vom Landgericht getroffene Feststellung, dass das Schreiben der Beklagten an die Klägerin vom 09.09.2002 mit dem Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 39 VVG der Klägerin zugegangen ist, ist nicht zu beanstanden. Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Feststellung bestehen nicht, so dass der Senat nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO den Zugang des Schreibens vom 09.09.2002 bei der Klägerin zu Grunde zu legen hat.

Die Begründung im landgerichtlichen Urteil ist folgerichtig, nachvollziehbar und frei von Rechtsfehlern. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte für den Zugang des Mahnschreibens beweisbelastet ist und ein Anscheinsbeweis dahin, dass mit der Post versandte Schreiben auch beim Empfänger eingehen, nicht besteht.

Die zur Annahme des Zugangs des Mahnschreibens vom 9.9.2002 führende Beweiswürdigung ist logisch, nach vollziehbar und frei von Widersprüchen. Den Nachweis der Absendung des Schreibens vom 09.09.2002 hat die Beklagte geführt aufgrund der Angaben des vernommenen Zeugen, der bekundete, dass er am 23.01.2003 einen Computerausdruck gemacht habe, in dem enthalten gewesen sei, dass eine qualifizierte Mahnung am 08.09.2002 „rausgegangen“ sei. Diese Feststellung hat der Zeuge getroffen anhand eines Computerausdrucks, den er am 23.1.2003 gefertigt hat zu einem Zeitpunkt, als der Zugang des Schreibens vom 09.09.2002 noch nicht bestritten war. Den Zugang hat die Klägerin nach den vorgelegten Unterlagen erstmals mit Schreiben vom 14.02.2003 (Anlage K 12) bestritten. Bis zu diesem Zeitpunkt hätte für die Beklagte keinerlei Veranlassung zu einer etwaigen Manipulation in ihrem Datenbestand bestanden. Dass die Beklagte das Mahnschreiben vom 09.09.2002 nur in einer Reproduktion (Anlage B 3) vorlegen kann, beruht auf ihrer internen Organisation, nach der derartige Mahnschreiben aufgrund eines Programmbefehls erstellt und Abschriften hiervon nicht gesondert in Papierform verwahrt werden.

Die Klägerin hat unstreitig die Jahresrechnung der Beklagten für die zum 01.08.2002 fällige Prämie, die Mahnungen vom 29.09.2002 und 21.10.2002 sowie den Mahnbescheid erhalten. Dies ist ein gewichtiges Indiz dafür, dass auch das Mahnschreiben vom 09.09.2002 der Klägerin zugegangen ist. Der Umstand, dass die Klägerin zeitlich später, am 19.12.2002 und am 13.01.2003, Schreiben an die Klägerin versandt hat, die an deren frühere Anschrift ……….. adressiert waren, führt schon deswegen zu keiner abweichenden Beurteilung, weil auch diese Schreiben die Klägerin unstreitig erreicht haben. Hinzu kommt der enge zeitliche Zusammenhang zwischen dem Schadensereignis und der Prämienzahlung, die zwei Tage später erfolgt ist. Dass das Landgericht auf Seite 6 der schriftlichen Urteilsgründe ausführt „am 16.12.2002 wurde nicht aufgrund des Mahnbescheids vom 13.10.2002 bezahlt, sondern aufgrund des Schadensfalles vom 14.12.2002“, ist im Hinblick auf die vorstehende Beweiswürdigung folgerichtig. Die Rüge, das Landgericht habe insoweit nicht vorgebrachten Sachverhalt zu Grunde gelegt, geht fehl, da es sich bei der Feststellung des Landgerichts um eine Bewertung der Angaben des Geschäftsführers der Klägerin handelt, die dieser in der „Verhandlungsniederschrift/Schadens- und Entschädigungsberechung“ vom 20.12.2002 (Anlage B 5) gemacht hat.

Dass der Zeugen B. am 06.08.2002 bei der Mitarbeiterin der Klägerin, angerufen und diese auf die Fälligkeit der Versicherungsrate in Höhe von 2.033,74 Euro hingewiesen hat, worauf diese eine Zahlung erst im September in Aussicht stellte, und die Klägerin auch auf zwei weitere Mahnungen und den Mahnbescheid nicht unverzüglich reagiert und die Prämie bezahlt hat, ist ein Indiz dafür, dass die Klägerin sich im Sommer 2002 in einer finanziell schwierigen Situation befunden hat. Dadurch ist die verspätete Zahlung der Prämie trotz Zugangs der qualifizierten Mahnung plausibel erklärt.

Die vorgenannten Umstände begründen auch nach der Würdigung des Senats den Nachweis eines Zugangs des qualifizierten Mahnschreibens.

Die Beklagte ist gemäß § 39 Abs. 2 VVG von ihrer Leistungspflicht befreit, da die Klägerin nicht innerhalb der ihr im Schreiben vom 09.09.2004 gesetzten Frist von 2 Wochen nach Empfang dieses Mahnschreibens die Prämie bezahlt hat. Die Klage ist somit unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Das Urteil ist vorläufig Vollstreckbar nach den § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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