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Radfahrerkollision mit Inklineskater – Sorgfaltspflichten eines Inlineskaters

AG Frankfurt, Az.: 32 C 3057/15 (48), Urteil vom 05.12.2016

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 500,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.05.2014 zu zahlen.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die allgemeine Kostenpauschale von 25,00 Euro sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 334,75 Euro jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.07.2015 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger 88%, dem Beklagten 12% auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch die jeweils andere Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Zahlung restlichen Schadensersatzes aus einem Unfall in Anspruch. Er verlangt die Zahlung von Schmerzensgeld, vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten, der allgemeinen Kostenpauschale und die Feststellung des Ersatzes weitere Schäden aus dem Unfallereignis.

Radfahrerkollision mit Inklineskater - Sorgfaltspflichten eines Inlineskaters
Symbolfoto: TeroVesalainen/Bigstock

Am 16.05.2014 fuhr der Kläger mit seinem Rennrad gegen 19.30 Uhr in Rennkleidung auf der rechten Seite des gemischten Fußgänger/Fahrradwegs gemäß des Zeichens 240 am … in östlicher Richtung. Er war auf dem Weg von der Arbeit nach Hause. Die Sicht für die Parteien war infolge einer Hecke im Unfallbereich eingeschränkt. In Höhe der Einmündung der … kam der Beklagte auf Inline-Skates von rechts von einem leicht abschüssigen Weg auf den Kläger in Richtung … zugefahren, um nach links auf den gemischten Fußgänger/Fahrradweg einzubiegen. Der Beklagte überquerte zuvor die Straße bei grün. Außer den Parteien befand sich dort niemand.

Bei dem Unfall wurde das vom Kläger benutzte hochwertige Rennrad (Neuwert ca. 3.500 Euro) an Vorderrad, Pedalen, dem Lenker und dem Bremshebel beschädigt. Ferner wurde der Fahrradcomputer durch den Sturz vom Lenkrad gerissen und ging verloren. Der Fahrradhelm riss bei dem Sturz, die Sonnenbrille wurde irreparabel geschädigt.

Der Kläger erlitt bei dem Sturz Verletzungen und eine Gehirnerschütterung und wurde durch den Rettungsdienst in das … eingeliefert. Er befand sich dort über zwei Nächte bis zum 18.05.2015 in stationärer Behandlung und war im Anschluss noch bis zum 23.05.2014 verletzungsbedingt krankgeschrieben.

Vorgerichtlich regulierte der Haftpflichtversicherer des Beklagten einen Betrag von insgesamt 2.150,61 Euro. Im Einzelnen:

  • 1.000,00 Euro Schmerzensgeld
  • 1.020,61 Euro auf den Schaden am Rad
  • 80,00 Euro auf den Schaden am Helm
  • 50,00 Euro auf den Schaden an der Brille

Die Schäden an Rad, Helm und Brille erachtet der Kläger als ausgeglichen. Mit dem Klageantrag zu 1. verlangt der Kläger weiteres Schmerzensgeld. Mit dem Klageantrag zu 2. werden Kosten für die vorgerichtliche anwaltliche Vertretung in Höhe von 1.049,46 Euro – aus einem Gegenstandswert von 9.000,00 Euro und dem Ansatz einer 1,7 fachen Geschäftsgebühr – zuzüglich einer Kostenpauschale von 25,00 Euro geltend gemacht. Mit dem Feststellungsantrag, dem Klageantrag zu 3., sollen alle weiteren erlittenen Schäden erfasst werden.

Nach der Übergabe der Angelegenheit auf einen Außenregulierer meldete sich dieser am 12.03.2015 beim Kläger und stellte erstmals die Haftung dem Grunde nach in Frage. Der Außenversicherer bot dem Kläger an, zur vollständigen Abgeltung aller Forderungen noch einen Betrag von 1.000,00 Euro zu zahlen, womit der Kläger nicht einverstanden war und ein Gegenangebot unterbreitete. Eine weitere Zahlung des Haftpflichtversicherers erfolgte deshalb nicht.

Der Kläger behauptet, der Beklagte sei mit hoher Geschwindigkeit gefahren und habe offensichtlich die Kontrolle verloren, habe nicht mehr bremsen können und sich deshalb wohl bewusst fallen lassen. Der Beklagte sei mit den Füßen voran gegen das Fahrrad geprallt, wodurch der Kläger zu Fall gekommen sei. Der Kläger behauptet, er sei mit angepasster normaler Geschwindigkeit gefahren. Weiterhin behauptet der Kläger er habe als Folge der Unfallverletzung eine dauerhafte Einschränkung der Funktionsfähigkeit eines Fingers (Streckdefizit 5 Grad) erlitten. Zudem habe er einen Riss in einem Zahn erlitten, welche jedoch erst ca. 2,5 Monate später erkannt worden sei und zu einem späteren Zeitpunkt noch eine weitere Behandlungsbedürftigkeit nach sich ziehen könne. Der Kläger ist der Ansicht, infolge der erlittenen Verletzungen stünde ihm insgesamt ein Schmerzensgeld von 4.500,00 Euro zu. Er habe durch den Sturz eine schwere Gehirnerschütterung erlitten. Der Feststellungsantrag begründe sich daraus, dass er die weiteren Ansprüche zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschließend beziffern könne und eine weitere notwendige medizinische Behandlung nicht ausgeschlossen werden könne, da ein verbleibender Schaden am kleinen Finger verblieben sei und aufgrund der Zahnverletzung ein potentieller Anlass für weitere spätere Behandlungen vorliege.

Der Kläger beantragt,

1. Den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch einen weiteren Betrag in Höhe von 3.500,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.05.2014 zu zahlen.

2. Den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger einen weiteren Betrag in Höhe von 1.074,46 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

3. Festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche weiteren Schäden, die aus dem Unfallereignis vom 16.05.2014 in Frankfurt am Main entstanden sind oder noch entstehen werden, zu ersetzen, soweit diese nicht mit den Klageanträgen zu 1. bis 2. abgegolten sind oder die Forderungen auf Dritte kraft Gesetz übergegangen sind oder übergehen werden.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, der Kläger habe den Unfall alleine verursacht. Der Beklagte habe sich völlig richtig verhalten. Der Beklagte behauptet, er sei mit verminderter Geschwindigkeit an den Kreuzungsbereich unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten herangefahren und noch nicht ganz auf dem anderen Weg gewesen, als der Kläger ihn mit seinem Fahrrad gestreift und einen riesigen Satz gemacht habe. Der Kläger sei mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit gefahren. Der Beklagte behauptet, er habe vor der Kollision nicht die Kontrolle verloren und sich auch nicht auf den Boden geworfen. Vielmehr habe er den Kläger erst direkt vor dem Sturz wahrgenommen, sozusagen in der letzten Sekunde davor. Er habe vor dem Einbiegevorgang nach links und rechts geschaut und nichts gesehen. Der Beklagte trägt vor, möglicherweise sei der Kläger so schnell unterwegs gewesen, dass er ihn nicht habe sehen können. Bei einem Weg mit dem Zeichen 240 träfen den Radfahrer höhere Sorgfaltspflichten als den als Fußgänger. Hinsichtlich der geforderten Rechtsanwaltsgebühren könne der Kläger nur eine angemessene 1,3-fache Geschäftsgebühr verlangen, eine 1,7-fache Geschäftsgebühr sei nicht geschuldet da die außergerichtliche anwaltliche Tätigkeit weder von überdurchschnittlichem Umfang noch überdurchschnittlicher Schwierigkeit gewesen sei.

Die Parteien wurden informatorisch angehört. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.09.2015 (Blatt 98 bis 101 d. A.) Bezug genommen. Die Akte

Das Gericht hat gemäß Beweisbeschluss vom 05.10.2015 (Blatt 103 f. d. A.) Beweis durch Einholung eines schriftlichen medizinischen Sachverständigengutachtens erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. med. … vom 22.08.2016 (Blatt 148 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist teilweise begründet.

Der Kläger gegen den Beklagten gemäß §§ 823 BGB, 1 II StVO dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung aller aus dem Unfall entstandenen und geltend gemachten Schäden.

Gemäß dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme im Straßenverkehr nach § 1 II StVO haben sich Verkehrsteilnehmer so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird. Verkehrsteilnehmer ist auch der den öffentlichen Verkehrsraum benutzende Radfahrer und Fußgänger (BHJJ/Heß StVO § 1 Rn. 17). Es gilt der Grundsatz der doppelten Sicherung, das heißt jeder Verkehrsteilnehmer muss zur Verhütung von Schaden beitragen, so dass der infolge des Fehlers des einen drohende Unfall noch verhütet wird, wenn der andere die ihm gebotene Vorsicht beachtet. Obwohl es zur Vermeidung eines Unfalles ausreichen würde, wenn nur einer der beiden Beteiligten die ihm möglichen Sicherungsvorkehrungen trifft, sind beide unabhängig voneinander zu solchen Vorkehrungen verpflichtet (Bay 58, 213 = VRS 16, 66, 68).

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Der Grundsatz der doppelten Sicherung bedeutet aber nicht, dass der Verkehrsteilnehmer von vornherein mit jedem denkbaren verkehrswidrigen Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer rechnen und seine Fahrweise darauf einstellen muss. Dies gilt insbesondere mit einem solchen, das außerhalb jeder Lebenserfahrung liegt. Er muss vielmehr nach dem Vertrauensgrundsatz nur mit solchen Fehlern anderer rechnen, die nach den Umständen bei verständiger Würdigung als möglich zu erwarten sind (Bay NZV 89, 121; OLG Hamm NZV 93, 66). Mit Verstößen, die nur ausnahmsweise vorkommen oder außerhalb der Erfahrung liegen, braucht er nicht zu rechnen (BGH VersR 66, 1157; BGHSt. 13, 169; OLG Frankfurt VM 75, 93; KG VRS 68, 284).

Der Kläger war berechtigt, sich darauf zu verlassen, dass der Beklagte nicht einfach in den kombinierten Fahrrad- und Fußweg auf Inlinern einfahren würde. Dass der Kläger seinerseits Verkehrsregeln nicht beachtet hätte, welche zu dem Unfall geführt hätten, ist nicht erkennbar. Jedenfalls hat er keinen für das Unfallgeschehen erheblichen Verstoß begangen. Hingegen hätte sich der Beklagte vor dem Einfahren in den vom Kläger befahrenen Weg vergewissern müssen, ob ein gefahrloses Einbiegen möglich gewesen wäre.

Es ist unstreitig, dass sich der Unfall auf dem vom Kläger rechts befahrenen Fuß- und Fahrradweg mit dem Zeichen 240 ereignete und der Beklagte von dem seitlichen Weg in die Fahrbahn des Klägers eingebogen ist. Nach der informatorischen Anhörung der Parteien steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte, aus dem seitlichen, für den Kläger nicht einsehbaren Weg kommend, mittig gegen das Fahrrad des Klägers gefahren ist, sodass der Kläger seitlich stürzte und Personen- und Sachschaden verursacht wurde. Der Beklagte hat beim Einbiegen von dem seitlichen Weg auf den kombinierten Rad- und Fußweg die gebotene Umsicht nicht walten lassen. Aus der Einmündung kommend hätte der Beklagte so langsam auf seinen Inlinern fahren müssen oder vor dem Einbiegen anhalten müssen, so dass er den vom Kläger befahrenen Weg hätte vollständig einsehen können. Dies gilt umso mehr, als beim Inliner-Fahren ein Ausweichen oder Anhalten schwieriger ist als beim Laufen. Die Einlassung des Beklagten, er sei auf den Weg eingefahren, habe nach links und rechts geschaut, den Kläger aber möglicherweise wegen dessen hoher Geschwindigkeit nicht wahrgenommen, lässt nicht erkennen, dass der Beklagte die erforderliche Sorgfalt walten lassen hat. Angesichts der Einsehbarkeit des geradlinig verlaufenden Fuß- und Fahrradwegs hätte der Beklagte den Kläger auch bei hoher Geschwindigkeit kommen sehen müssen, wenn sich der Beklagte verkehrsgerecht verhalten und der Einmündung vorsichtig genährt hätte. Dass der Beklagte nach eigener Aussage den Kläger erst in der Sekunde vor dem Zusammenprall wahrgenommen hat, lässt im Gegenteil erkennen, dass er gerade nicht darauf geachtet hat, ob der Weg frei und ein Einfahren darauf gefahrlos möglich war.

Es kann auch nicht zugunsten des Beklagten von einer „rechts-vor-links“-Situation ausgegangen werden. Zwar kann bei gleichberechtigten, sich kreuzenden kombinierten Fuß- und Radwegen und allgemeinen Wegen für Fußgänger und Radfahrer die Kreuzungsregelung des § 8 I S.1 StVO zur Anwendung kommen. (vgl. LG Wuppertal, NZV 2016, 473). Allerdings greift dies im vorliegenden Fall nicht. Nach den örtlichen Gegebenheiten, die sich aus den vorgelegten Luftbildaufnahmen und Fotografien ergeben, kam der Beklagte aus einem Nebenweg, der als kurzes Verbindungsstück zur Fußgängerampel diente. Demgegenüber war der Kläger auf dem erkennbar für Fahrradfahrer und Fußgänger ausgebauten durchführenden Weg unterwegs. In dieser Konstellation war nach Einschätzung des Gerichts die Regelung für Nebenwege entsprechend § 8 I S.2 Nr.2 StVO heranzuziehen. Danach hat der aus dem Nebenweg auf den Hauptverkehrsweg einbiegende Verkehrsteilnehmer keine Vorfahrt (vgl. BHHJJ/Heß StVO § 8 Rn. 30). Würde auch bei einem so schlecht einsehbaren, in seiner Funktion und baulichen Ausführung deutlich untergeordneten Weg, der auf den ausgewiesenen Fahrradweg mündet, zu Lasten des durchgehenden Verkehrs die Regel des § 8 I 1 StVO greifen, wäre die Funktion des ausgebauten Weges nicht mehr gegeben und seine sinnentsprechende Nutzung durch Fahrradfahrer nicht möglich.

Ein Mitverschulden des Klägers nach § 254 BGB hat der Beklagte nicht hinreichend dargelegt. Die Fahrweise und Geschwindigkeit des Klägers erscheint im Vergleich zum Verschulden des Beklagten unbedeutend. Objektive Anhaltspunkte oder mögliche Gefahren für Dritte waren für den Kläger nicht in einer Form erkennbar, dass er seine Fahrweise hätte verändern müssen. Eine Darlegung des Beklagten, was der Kläger hätte tun können, um den Unfall zu verhindern ist nicht ersichtlich. Selbst bei einer hohen Geschwindigkeit des Klägers hätte der Beklagte bei vorsichtiger Fahrweise auf seinen Inlinern den Kläger sehen können.

Der Höhe nach ist die Klage jedoch überwiegend unbegründet. Als Schmerzensgeld ist nach Überzeugung des Gerichts unter Würdigung aller Umstände ein Betrag von insgesamt 1.500,00 Euro als angemessen anzusehen, § 287 ZPO. Deshalb kann der Kläger noch weitere 500,00 Euro von der Beklagten verlangen. Schmerzensgeld soll den immateriellen Schaden des Verletzten neben dem des erlittenen Vermögensschadens angemessen ausgleichen (Palandt/Grüneberg, BGB 73. Auflage 2014 § 253 Rn. 4) und muss unter umfassender Berücksichtigung aller für die Bemessung maßgeblicher Umstände festgesetzt werden und dabei in einem angemessenen Verhältnis zu Art und Dauer der Verletzung stehen (Palandt/Grüneberg, o. a. § 253 Rn. 15).

Für die Bemessung des Schmerzensgeldes sind u. a. die Diagnosen Gehirnerschütterung ohne Schädelfraktur oder intrakranieller Blutung, knöcherner Strecksehnenabriss Finger D5 rechts und die Behandlung des Klägers heranzuziehen. Es wurde berücksichtigt, dass der Kläger vom 16.5.14 bis zum 18.05.14 stationär behandelt bzw. beobachtet wurde und am rechten kleinen Finger für sechs Wochen eine Fingerextensionsschiene tragen musste. Der Kläger musste weitere Arzt- und Röntgentermine zur Kontrolle des Krankheitsverlaufs wahrnehmen. Zudem war die ca. einwöchige Arbeitsunfähigkeit des Klägers zu berücksichtigen. Das mit Schreiben des Universitätsklinikums Frankfurt am Main vom 18.05.2014 geschilderte Ausmaß der Gehirnerschütterung, ohne Kopfschmerzen, ohne Übelkeit oder Erbrechen plus Entlassung aus der stationären Behandlung nach zwei Nächten wurde berücksichtigt. Die genaue medizinische Einstufung der Gehirnerschütterung erscheint angesichts des detailliert beschriebenen Umfangs und der Auswirkungen nicht relevant.

Hingegen ist eine vom Kläger vorgetragene Einschränkung des kleinen Fingers bei Computerarbeiten nicht gegeben. Insoweit macht sich das Gericht die Ausführungen des Sachverständigen Handchirurgen Prof. Dr. med. … zu eigen, der keine signifikante Funktionsbeeinträchtigung, sondern ein normales bzw. sehr gutes Ergebnis festgestellt hat.

Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ist zwar grundsätzlich von einer Doppelfunktion auszugehen, so soll dem Geschädigten ein angemessener Ausgleich für die nicht vermögensrechtlichen Schäden geboten werden und zugleich dem Gedanken der Genugtuungsfunktion Rechnung tragen. Bei Verletzungen durch einen Verkehrsunfall wird die Höhe des Schmerzensgeldes jedoch in erster Linie durch das Maß der dem Verletzten durch den Unfall zugefügten Lebensbeeinträchtigung bestimmt. Die Belastung des Klägers in Form der Unsicherheit über die Unfallfolgen ist bei der Bemessung des Schmerzensgeldes bei der Gesamtwürdigung der Angemessenheit des Schmerzensgeldbetrages berücksichtigt worden. Die Genugtuungsfunktion tritt in den Hintergrund.

Der Vortrag des Klägers zu seinen durch den Verkehrsunfall erlittenen Schmerzen ist auch unter Berücksichtigung vergleichbarer Fälle nicht höher zu bewerten. Für vergleichbare Verletzungen ist ein annähernd gleiches Schmerzensgeld zu gewähren. So hat das AG Elze 1988 bei einem Schädelhirntrauma und HWS-Syndrom mit dreitägiger stationärer Behandlung und einer Arbeitsunfähigkeit von 16 Tagen und 100-iger Haftung 511,29 Euro festgesetzt (IMMDAT Plus, Slizyk, Schmerzensgeldtabelle Nr. 1256), dies wäre unter Berücksichtigung der Preisentwicklung heutzutage mit ca. 845,00 Euro anzusetzen. Das OLG Frankfurt am Main hielt ein Schmerzensgeld von 2.000,00 Euro für angemessen, weil der Kläger neben Prellungen ein Schädel-Hirn-Trauma ersten Grades mit Bewusstlosigkeit und Gedächtnisverlust hinsichtlich des Unfallgeschehens erlitt und eine Woche im Krankenhaus verbringen musste (OLG Frankfurt a. M. Urt. v. 20.3.2014 – 2 U 238/13, BeckRS 2016, 12235). Für ein Schädelhirntrauma Grad I bzw. Gehirnerschütterung mit „Lagerungsschwindel“ und Kopfplatzwunde, Nähen der Wunde mit 4-stündiger Aufenthaltsdauer im Krankenhaus und 6-wöchiger beruflicher Einschränkung wurden 2.000,00 Euro zugesprochen (OLG München, Urteil vom 06.04.2016 – 20 U 4602/15, BeckRS 2016, 06809). Das Amtsgericht Bauzen hat mir Urteil vom 06.05.2015 – 20 C 747/14 einen Betrag von 1.333,00 Euro bei einem erlittenen Schädelhirntrauma mit Kopfplatzwunde sowie HWS-Distorsion für angemessen gehalten.

Die allgemeine Kostenpauschale von 25,00 Euro hat der Beklagte als erforderliche Schadensaufwendung zu ersetzen.

Der Feststellungsantrag ist unbegründet.

Der Kläger hat kein rechtliches Interesse auf Feststellung der Haftungsverantwortung des Beklagten für etwaige zukünftige Schäden. Ein rechtliches Interesse an alsbaldiger Feststellung nach § 256 ZPO setzt voraus, dass dem Recht oder der Rechtslage des Klägers im Verhältnis zum Beklagten eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht. Die Unsicherheit muss gegenwärtige Gefahr für das Recht des Klägers begründen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass keine Anhaltspunkte für mögliche zukünftige Schäden des Klägers aus dem Unfall gegeben sind. Das von dem Kläger vorgetragene Streckdefizit bei freier Funktion der Hand ist als normal einzuordnen. Das Gericht folgt hier den nachvollziehbaren Darlegungen des fachkompetenten Sachverständigen Handchirurgen Prof. Dr. med. … der dieses gewonnene Ergebnis aufgrund der Kranken- und Röntgenunterlagen fachlich begründet. Nach dessen Prognose ist davon auszugehen, dass die Funktion des Fingers weiterhin gut bleiben wird und etwaige gravierende Spätschäden mit Bewegungseinschränkung oder Einschränkung der Feinmotorik nicht zu erwarten sind. Soweit der Sachverständige die Ausbildung einer Arthrose nicht vorhersagen kann, ist dies nicht geeignet, den Feststellungsantrag zu begründen. Weder ist vom Kläger vorgetragen, dass die Verletzung eine Arthrose verursachen könne, noch wären angesichts der Ausführungen des Sachverständigen in diesem Falle keine gravierenden Spätschäden zu erwarten.

Hinsichtlich der Zahnschmelzfraktur hat der Kläger einen Schaden oder möglichen Folgeschaden nicht hinreichend dargelegt. Die haftungsbegründende Kausalität ist gemäß § 286 ZPO zur Überzeugung des Gerichts nachzuweisen. Für die haftungsbegründende Kausalität kommt es nicht darauf an, ob irgendein reales Verhalten des Schädigers die Rechtsgutsverletzung verursacht hat, sondern ob die Rechtsgutsverletzung auf der Pflichtverletzung beruht, sie also bei sorgfaltsgemäßem Handeln nicht eingetreten wäre. In den meisten Fällen führt pflichtwidriges Verhalten nur mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit zu einem Schadensereignis. Sofern sich ex post zur Überzeugung des Gerichts (§ 286 ZPO) aufklären lässt, dass sich das Risiko im konkreten Einzelfall realisiert hat, ist die haftungsbegründende Kausalität nachgewiesen. Ist dies nicht möglich, kann der Kausalitätsnachweis mit Hilfe des Anscheinsbeweises geführt werden. Hier spricht der Anschein nach dem zu berücksichtigenden Zeitablauf nicht für einen Kausalzusammenhang. Es ist nicht hinreichend ersichtlich, dass der Kläger aus dem Unfallereignis eine Zahnschmelzfraktur davongetragen hat. Die Kausalität ist den Umständen und auch dem Bericht des Zahnarztes nicht zu entnehmen. Der ärztliche Bericht bestätigt lediglich das Vorhandensein einer Zahnschmelzfraktur. Zwar besteht die Möglichkeit, dass diese Folge des Zusammenpralls sein könnte, was jedoch als Nachweis der Kausalität nicht ausreicht. Nachdem der Kläger erst ca. 2 1/2 Monate nach dem Unfallereignis einen Zahnarzt aufgesucht hat, zuvor keine Beschwerden vorhanden waren oder mechanische Verletzungen festgestellt wurden, verbleibt die nicht unwahrscheinliche Möglichkeit einer anderweitigen Ursache.

Die geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind hinsichtlich eines Gegenstandswerts von 2.675,61 Euro und zu einer 1,3- fachen Geschäftsgebühr und damit in Höhe von 334,75 Euro begründet. Eine Gebühr von mehr als 1,3 kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war, was hier nicht ersichtlich ist.

Der Zinsanspruch ist nach §§ 286, 288, 291 BGB begründet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 I ZPO nach dem anteiligen Obsiegen und Unterliegen, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 11, 711, 709 ZPO.

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