Leitsatz
1. Der Umstand, dass der Teilnehmer einer Motorradreise bei einer geführten Motorradtour stürzt und sich verletzt, ist für sich nicht geeignet, eine mangelnde Eignung der Reise für den gewöhnlichen Nutzen oder eine Abweichung der Reise von der üblichen Beschaffenheit im Sinne von § 651i Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BGB zu begründen.
2. Bei einer geführten Motorradtour besteht zwischen dem Fahrverhalten eines der Gruppe vorausfahrenden Tourguides und dem Sturz eines ihm folgenden Gruppenmitglieds dann kein haftungsbegründender Zusammenhang, wenn das Gruppenmitglied, um mit dem Tourguide mitzuhalten, gegen das Gebot verstößt, nur so zu schnell zu fahren, dass er das Motorrad ständig beherrscht, obwohl er sich jederzeit in eine andere Gruppe mit einem langsamer fahrenden Tourguide hätte zurückfallen lassen können.
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 13.01.2023, Az. 3 O 126/21, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 112.164,09 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um Ansprüche auf Schadensersatz aus übergegangenem Recht.
1. Die Klägerin ist ein Versicherungsunternehmen. Der Geschädigte T. S. hatte mit der Klägerin einen Krankenversicherungsvertrag geschlossen.
Die Beklagte zu 1) veranstaltet Motorradreisen. Der Beklagte zu 2) ist der Geschäftsführer der Beklagten zu 1) und im Rahmen der von der Beklagten zu 1) veranstalteten Motorradreisen als Tourguide tätig.
Zur Bekanntmachung ihrer Angebote unterhielt die Beklagte zu 1) eine Website. Auf der Startseite machte sie dabei unter anderem folgende Angaben:
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Am 08.01.2019 buchte der Geschädigte bei der Beklagten zu 1) eine Motorradreise in Kroatien im Zeitraum 15.09.2019 – 22.09.2019. Die angebotene Reise umfasste den Motorradtransport nach Rijeka und zurück, sieben geführte Touren und sieben Übernachtungen mit Frühstück.
Nach dem Eintreffen des Geschädigten in Rijeka wurden er und die anderen (zunächst) 17 Reiseteilnehmer aufgefordert, sich einer von drei Gruppen anzuschließen, in denen die Touren unternommen werden sollten. Der ersten Gruppe sollten die leistungsstärksten Motorradfahrer, der zweiten und dritten Gruppe die weniger leistungsstarken Motorradfahrer angehören. Der Geschädigte ordnete sich der ersten Gruppe zu, als deren Tourguide der Beklagte zu 2) fungierte.
In der Folge unternahmen die Reiseteilnehmer sechs Touren, bei denen der Geschädigte jeweils in der ersten Gruppe mitfuhr. Die siebte und letzte Tour am 21.09.2019 führte zunächst nach Karlobag und von dort über die Staatsstraße 25 nach Gospic. Nach einer Pause in einem Ausflugslokal in Gospic sollte die Tour auf der Staatsstraße 25 wieder zurück nach Karlobag und von dort weiter führen.
Auf dem Weg von Gospic nach Karlobag fuhr die erste, vor den anderen beiden anderen Gruppen gestartete Gruppe in der Reihenfolge Beklagter zu 2) – L. – B. – R. – Geschädigter – F. – W.. F. nahm die Fahrt mit einer Helmkamera auf. Bei dem Befahren einer Rechtskurve mit sich verengendem Kurvenradius fuhr der Geschädigte in die Gegenfahrbahn hinein, kam nach links von der Fahrbahn ab und stürzte einen Abhang hinunter. Dabei zog der Geschädigte sich schwerste Verletzungen zu, an denen er am 02.01.2020 im Therapiezentrum Burgau verstarb.
Im Zusammenhang mit medizinischen Behandlungen im Zeitraum 21.09.2019 – 02.01.2020 wurden dem Geschädigten von verschiedenen Leistenden Heilbehandlungskosten von zusammen 112.164,09 EUR in Rechnung gestellt.
Ein von der Staatsanwaltschaft Tübingen unter dem Az. 26 Js 65/20 gegen den Beklagten zu 2) geführtes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung wurde durch Verfügung vom 22.06.2020 mangels genügenden Anlasses zur Erhebung der öffentlichen Klage eingestellt.
2. Mit ihrer am 06.07.2021 zum Landgericht erhobenen Klage hat die Klägerin beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 112.164,09 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.04.2020 sowie außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 2.480,44 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.03.2021 zu zahlen.
Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte zu 1) habe sich gegenüber dem Geschädigten vertraglich verpflichtet, für eine schadlose Rückkehr zu sorgen. Der Beklagte zu 2) habe den Reiseteilnehmern gegenüber angegeben, dass man in Kroatien die Verkehrsvorschriften nicht so ernst nehmen müsse. Die Reiseteilnehmer seien angehalten worden, dem jeweiligen Tourguide zu folgen und die Gruppen nicht auseinanderreißen zu lassen, weil dadurch ein zusätzlicher Lerneffekt erzielt werden könne. Als Tourguide habe der Beklagte zu 2) sich vom ersten Tag an weder an Verkehrsregeln noch an Geschwindigkeitsbeschränkungen gehalten. Die Reiseteilnehmer seien faktisch genötigt gewesen, sich der verbotswidrigen Geschwindigkeit des Beklagten zu 2) anzuschließen.Der Unfall des Geschädigten sei durch diese Umstände verursacht worden.
Ferner hat die Klägerin behauptet, sie habe dem Geschädigten die diesem im Zusammenhang mit medizinischen Behandlungen im Zeitraum 21.09.2019 – 02.01.2020 in Rechnung gestellten Heilbehandlungskosten von 112.164,09 EUR erstattet.
Die die Abweisung der Klage beantragenden Beklagten haben behauptet, der Geschädigte sei an den Tagen bis zum Unfall problemlos in der ersten Gruppe mitgefahren. Es habe eine Vereinbarung gegeben, dass die Reiseteilnehmer die Fahrt von Gospic nach Karlobag selbständig zu unterschiedlichen Zeiten antreten und jeder mit der für ihn angenehmen Geschwindigkeit fährt. Es sei nicht ausgeschlossen, dass der Geschädigte mit „moderater, den Streckenverhältnissen angepasster und vorschriftsmäßiger Geschwindigkeit“ gefahren sei und das Heraustragen aus der Kurve auf einen Fahrfehler des Geschädigten zurückzuführen sei.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands sowie der erstinstanzlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Akten der Staatsanwaltschaft Tübingen zum Az. 26 Js 65/20 beigezogen und Beweis durch Vernehmung der Zeugen F., We., B. und L. sowie durch Inaugenscheinnahme des von der Helmkamera des Zeugen F. aufgenommenen Videos erhoben.
Mit Urteil vom 13.01.2023 hat das Landgericht die Klage gegen beide Beklagte abgewiesen.
Zur Begründung der Abweisung der Klage gegen die Beklagte zu 1) hat das Landgericht ausgeführt, diese hafte weder wegen einer mangelhaften Durchführung der Reise noch wegen der Verletzung sonstiger vertraglicher oder deliktischer Pflichten.
Reisevertragliche Ansprüche der Klägerin gemäß §§ 651i Abs. 3 Nr. 7, 651n BGB bestünden gegenüber der Beklagten zu 1) nicht, weil ein Reisemangel im Sinne des § 651i Abs. 2 BGB, der gegebenenfalls zu einem Schadensersatzanspruch führe, nicht festgestellt werden könne. Die Beweisaufnahme habe das Vorliegen eines Reisemangels nicht bestätigt.
Es sei nicht davon auszugehen, dass die Beklagte zu 1) als Veranstalterin einer auch bei optimaler Durchführung nicht ungefährlichen Motorradreise die vertragliche Pflicht übernommen habe, für eine sichere Rückkehr der Reiseteilnehmer in dem Sinne zu sorgen, dass generell Unfälle, die Reiseteilnehmer erleiden, als Vertragswidrigkeiten anzusehen wären. Eine derartige Pflicht habe die Beklagte zu 1) im Vertrag an keiner Stelle ausdrücklich übernommen. Unter Berücksichtigung der beidseitigen Interessenlage, die nicht nur die Interessen der Reiseteilnehmer, sondern auch die Möglichkeiten der Beklagten zu 1) als Reiseveranstalterin in den Blick zu nehmen habe, erscheine eine derartige Auslegung des Reisevertrags als fernliegend und nicht interessengerecht. Eine Motorradreise sei, selbst wenn sie perfekt organisiert und in jeder Hinsicht optimal angeleitet und durchgeführt werde, stets mit der Gefahr von Unfällen im Straßenverkehr verbunden, auf die der Reiseveranstalter keinen maßgeblichen Einfluss habe. Würde die Fehlerfreiheit der Reise daran gemessen, ob es gelungen ist, sämtliche Reiseteilnehmer unfallfrei zum Ausgangspunkt zurückzubringen, würde der Veranstalter de facto eine Haftung für Umstände übernehmen, die seinem Einflussbereich entzogen sind. Eine derartige Erwartung sei bei lebensnaher Betrachtung auch auf Seiten der Reiseteilnehmer nicht gegeben, denen die grundsätzliche Gefährlichkeit des Motorradfahrens auf öffentlichen Straßen bekannt sei und denen auch grundsätzlich bekannt sei, dass sie für die sich daraus ergebenden Gefahren selbst die Verantwortung trügen.
Von einem Schadensersatzansprüche begründenden erheblichen Mangel der Reise im Sinne des § 651i Abs. 2 BGB könne nur ausgegangen werden, wenn die Behauptungen der Klägerin, dass der Beklagte zu 2) als Repräsentant der Beklagten zu 1) die Reiseteilnehmer zu einer riskanten Fahrweise und Verstößen gegen die Verkehrsvorschriften animiert bzw. durch sein eigenes Fahrverhalten als Tourguide in eine gefährliche Situation gebracht habe, zuträfen, und wenn zudem festgestellt werden könne, dass der Unfall des Geschädigten auch auf der Mangelhaftigkeit der Reise beruht und sich nicht das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht hat. Das sei nicht der Fall. Die durchgeführte Beweisaufnahme habe für die Behauptungen der Klägerin nichts erbracht, so dass ein Reisemangel nicht bewiesen sei. Es sei nicht bewiesen, dass der Beklagte zu 2) sich gegenüber den Reiseteilnehmern dahingehend geäußert habe, dass man die Verkehrsvorschriften und Geschwindigkeitsbeschränkungen in Kroatien nicht ernst nehmen müsse. Keiner der vernommenen Zeugen habe auch nur entfernt etwas berichtet, das für die Richtigkeit der Behauptung sprechen könnte. Ebenso wenig sei bewiesen, dass der Beklagte zu 2) als Tourguide der ersten Gruppe selbst die geltenden Verkehrsregeln nicht eingehalten und dadurch die Reiseteilnehmer dazu animiert oder gar faktisch gezwungen habe, ihrerseits unvertretbare Risiken einzugehen. Auch insoweit habe die Beweisaufnahme keine greifbaren Anhaltspunkte für die dahingehende Behauptung der Klägerin ergeben. Selbst der Zeuge We. habe nicht berichtet, dass Verkehrsvorschriften bewusst nicht eingehalten worden seien oder dass der Beklagte zu 2) die Mitreisenden dazu animiert habe. Es sei auch nicht nachgewiesen, dass der Beklagte zu 2) oder andere Tourguides die Reiseteilnehmer dazu bewegt hätten, die Gruppen nicht auseinanderreißen zu lassen und gegebenenfalls einer Geschwindigkeit zu folgen, die ihre Möglichkeiten überforderte. Auch insoweit habe die Vernehmung der Zeugen die Behauptung der Klägerin nicht zu bestätigen vermocht, nachdem die Zeugen vielmehr übereinstimmend berichtet hätten, dass eine derartige Anweisung oder Anregung zu keinem Zeitpunkt ausgegeben worden sei.
Ungeachtet des Vorliegens eines Reisemangels bestehe auch deshalb kein Anspruch der Klägerin gemäß §§ 651i Abs. 3 Nr. 7, 651n BGB, weil nicht festzustellen sei, dass der Unfall des Geschädigten durch das Verhalten des Beklagten zu 2) verursacht worden sei. Das von dem Zeugen F. aufgenommene Unfallvideo lasse erkennen, dass es zu dem Unfall des Geschädigten maßgeblich dadurch gekommen sei, dass dieser aus unerklärlichen Gründen am Kurvenbeginn sein Motorrad nicht in die Schräglage gebracht bzw. rechtzeitig eingelenkt habe. Vielmehr sei er nahezu reaktionslos geradeaus gefahren und habe nicht einmal erkennbar abgebremst oder sonst versucht, den Unfall zu vermeiden. Es könne daher nicht festgestellt werden, dass die Fahrweise der übrigen Gruppe den Unfall herausgefordert oder veranlasst habe. Es spreche vielmehr alles dafür, dass der Geschädigte den Unfall durch eigene Unaufmerksamkeit und einen schweren Fahrfehler verursacht habe, für den die übrigen Reiseteilnehmer und auch die Beklagten nicht verantwortlich seien.
Deliktische Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) gemäß § 823 Abs. 1 BGB bestünden ebenfalls nicht. Soweit überhaupt gegenüber dem Geschädigten deliktische Pflichten hätten bestehen können, könnten jedenfalls eine Pflichtverletzung oder deren Ursächlichkeit für den Unfall nicht festgestellt werden.
Zur Begründung der Abweisung der Klage gegen den Beklagten zu 2) hat das Landgericht ausgeführt, auch dieser hafte weder wegen einer mangelhaften Durchführung der Reise noch wegen der Verletzung sonstiger vertraglicher oder deliktischer Pflichten.
Reisevertragliche Ansprüche gemäß §§ 651i Abs. 3 Nr. 7, 651n BGB kämen gegenüber dem Beklagten zu 2) schon im Ansatz nicht in Frage, weil er nicht als Reiseveranstalter anzusehen sei. Der streitgegenständliche Pauschalreisevertrag sei unstreitig ausschließlich mit der Beklagten zu 1) als Reiseveranstalterin zustande gekommen, während der Beklagte zu 2) als deren Geschäftsführer lediglich als Tourguide und Reiseleiter im Auftrag der Beklagten zu 1) tätig geworden sei. Dass der Beklagte zu 2) darüber hinaus eigene vertragliche Verpflichtungen gegenüber den Reiseteilnehmern übernommen habe, sei bereits nicht schlüssig behauptet und auch nicht ersichtlich. Insbesondere sei es fernliegend, den zwischen der Beklagten zu 1) und dem Beklagten zu 2) bestehenden, nicht näher bekannten Geschäftsführeranstellungsvertrag als Vertrag mit Schutzwirkung für die Reiseteilnehmer anzusehen. Die Voraussetzungen eines Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte lägen ersichtlich nicht vor. Für eine Erweiterung des Vertragsinhalts bestehe auch kein Bedürfnis, weil die Reiseteilnehmer durch die Vertragsbeziehungen zur Beklagten zu 1) hinreichend geschützt seien.
Auch deliktische Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten zu 2) gemäß § 823 Abs. 1 BGB bestünden nicht, da eine Pflichtverletzung oder deren Ursächlichkeit für den Unfall nicht festgestellt werden könnten.
3. Die Klägerin verfolgt mit der Berufung die erstinstanzlich gestellten Klaganträge in vollem Umfang weiter.
Das Landgericht habe verkannt, dass der Schadensersatzanspruch nach § 651n BGB „europarechtlich überlagert“ sei. Bei der Auslegung sei die Pauschalreise-Richtlinie 2015/3202/EU zu berücksichtigen. Ihr stehe unter Berücksichtigung dessen ein verschuldensunabhängiger Schadensersatzanspruch nach § 651n BGB in Höhe der Klageforderung gegen die Beklagten zu.
Das Landgericht habe zu Unrecht angenommen, dass Voraussetzung eines Schadensersatzanspruchs ein erheblicher Mangel der Reise im Sinne von § 651i Abs. 2 BGB sei. Für einen Schadensersatzanspruch wegen eines Reisemangels komme es auf die Erheblichkeit der Auswirkungen auf die Reise nicht an.
Die Angaben in der Werbung der Beklagten zu 1) hätten den Reiseteilnehmern nach dem objektiven Empfängerhorizont suggeriert, dass es sich um eine geführte Motorradreise mit Schulungscharakter handelte, bei der der Sicherheitsaspekt im Vordergrund steht. Die Reiseteilnehmer hätten keine Reise mit Wettkampfcharakter erwarten können, bei der die Grenzen des fahrtechnisch Machbaren ausgelotet werden sollten. Entscheidend habe das Fahren in dem „persönlichen Wohlfühlbereich“ der Reiseteilnehmer sein sollen. Diese Informationen seien Teil einer Beschaffenheitsvereinbarung der Reise geworden.
Die Argumentation des Landgerichts, dass die Haftung der Beklagten auf die Fälle beschränkt sei, in denen die Reiseteilnehmer zu einer riskanten Fahrweise und Verstößen gegen die Verkehrsvorschriften animiert oder sonst durch ein Fehlverhalten des Beklagten zu 2) als Tourguide in eine gefährliche Situation gebracht würden, übergehe sämtliche Angaben der Beklagten zu 1) auf ihrer Website, insbesondere den dort suggerierten Sicherheits- und Schulungsaspekt der Motorradreise.
Unterhalb der Schwelle, jede Verletzung der Reiseteilnehmer als Mangel der Motorradreise anzusehen, habe die Beklagte zu 1) die Einhaltung der von ihr auf der Website hervorgehobenen Sicherheitsaspekte geschuldet. Hierzu habe die Einhaltung der Verkehrsvorschriften, insbesondere auch der jeweiligen Geschwindigkeitsbeschränkungen, gehört. Auf die Einhaltung dieser Aspekte und damit auf die Vertragserfüllung habe der Beklagte zu 2) maßgeblichen Einfluss gehabt, da er als vorausfahrender Tourguide der grundsätzlich in Kolonne fahrenden ersten Gruppe das Tempo derselben vorgegeben habe und hinsichtlich der einzuhaltenden Verkehrsregeln den Mitfahrern der Gruppe Vorbild habe sein müssen.
Die Beklagte zu 1) habe die vertraglich geschuldete Schulung unter Sicherheitsaspekten nicht erbracht. Das stehe nach der Beweisaufnahme fest. Das Landgericht habe das Ergebnis der Beweisaufnahme nur selektiv gewürdigt. Es sei über das Unfallvideo hinweggegangen. Die Einhaltung von Geschwindigkeitsbeschränkungen seitens der ersten Gruppe sei für den Beklagten zu 2) als Tourguide leicht zu kontrollieren gewesen. Der Vorausfahrende einer Kolonne könne und müsse ein Überschreiten der zulässigen Geschwindigkeiten durch die Gruppe und das Nichtauseinanderreißen dadurch steuern, dass er mit nur moderater Geschwindigkeit fahre und sich über den Rückspiegel vergewissere, dass die Mitfahrer der Gruppe in „angemessenem Abstand“ hinter ihm führen. Fahre der Vorausfahrende selbst mit der maximal zulässigen oder überhöhten Geschwindigkeit, führe das dazu, dass er die Nachfahrenden immer wieder dazu provoziere, aufzuschließen. Dieses Aufschließen sei für die Nachfahrenden lediglich mit einer Geschwindigkeitsüberschreitung möglich. Komme es aus anderen Gründen zu einem Auseinanderreißen der Gruppe, müsse der Vorausfahrende seine Geschwindigkeit drosseln, um den Nachfahrenden das Aufschließen zu ermöglichen. Dem sei der Beklagte zu 2) nicht nachgekommen, wie das Unfallvideo deutlich zeige. Es sei zu sehen, dass die Mitfahrer der ersten Gruppe unter Missachtung der Verkehrsregeln und mit überhöhter Geschwindigkeit führen. Wenn die Beklagte zu 1) den vertraglich übernommenen Pflichten hinsichtlich der Fahrstilverbesserung und der Sicherheitsaspekte für die Reiseteilnehmer nachgekommen wäre, würde es nicht zu dem Fahren mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit gekommen sein. Es sei aufgrund der werbenden Aussagen der Beklagten zu 1) geschuldet gewesen, ein „Gruppenverhalten“ zu vermeiden.
Die Reise sei auch deshalb mangelhaft gewesen, weil sie sich nicht für den gewöhnlichen Nutzen geeignet und nicht die Beschaffenheit aufgewiesen habe, die bei Pauschalreisen der gleichen Art üblich sei und die Reisende nach der Art der Pauschalreise erwarten könne. Es ergebe sich unabhängig von der Werbung der Beklagten zu 1) eine Verpflichtung, Reiseteilnehmer so einzuweisen und zu führen, dass es auf den kurvenreichen Straßen nicht zu überhöhten Geschwindigkeiten und Verletzungen von Verkehrsregeln komme.
Infolge des Reisemangels hafte die Beklagte zu 1) verschuldensunabhängig auf Schadensersatz. Der Ausschlusstatbestand eines vom Reisenden verschuldeten Reisemangels liege nicht vor. Aufgrund der von der Beklagten zu 1) im Rahmen der Pauschalreise geschuldeten und nicht erbrachten Sicherheitsaspekte stamme der Reisemangel aus ihrer Sphäre. Andernfalls liefen die im Rahmen der Motorradreise von der Beklagten zu 1) beworbenen und geschuldeten Sicherheitsanforderungen leer.
Der Unfall des Geschädigten sei auf die Nichteinhaltung der Sicherheitsaspekte und die unzureichende Führung der ersten Gruppe durch den Beklagten zu 2) zurückzuführen. Sie – die Klägerin – habe unter Beweis gestellt, dass der Unfall auf die überhöhte Geschwindigkeit der ersten Gruppe zurückzuführen sei. Soweit das Landgericht lapidar ausführe, dass nicht festgestellt werden könne, dass die Fahrweise der übrigen Mitfahrer der ersten Gruppe den Unfall in irgendeiner Weise herausgefordert oder veranlasst habe, übergehe es die Dokumentation des Unfalls in dem Unfallvideo. Nicht allein der Geschädigte, sondern mehrere Mitfahrer der ersten Gruppe hätten die Mittellinie bis weit in die Gegenfahrbahn hinein überfahren müssen, da ihnen ein vorheriges Einlenken in die Kurve und Schräglegen des Motorrads aufgrund der Geschwindigkeit nicht möglich gewesen sei. Gerade dies mache deutlich, dass keine Unaufmerksamkeit des Geschädigten, sondern eine überhöhte Geschwindigkeit der gesamten ersten Gruppe zu dem Unfall geführt habe. Diese sei wiederum auf die unzureichende Führung der ersten Gruppe durch den Beklagten zu 2) zurückzuführen.
Das Landgericht habe zudem den Sachverhalt nicht umfassend aufgeklärt, da es die beantragte Vernehmung der Zeugen Bö. und R. zum Beweis der Ausübung „psychologischen Drucks“ auf die Reiseteilnehmer seitens des Beklagten zu 2), mit überhöhter Geschwindigkeit zu fahren, unterlassen habe. Auf ihren Hinweis auf die unterbliebene Ladung dieser Zeugen habe das Landgericht lapidar mitgeteilt, dass gegebenenfalls ein zweites Mal verhandelt werden müsse. In der Folge habe das Landgericht ohne weiteren Hinweis an die Prozessparteien „durchentschieden“. Darin liege ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör.
Der Beklagte zu 2) hafte je nach der internen Ausgestaltung seines Vertragsverhältnisses mit der Beklagten zu 1) als Leistungserbringer vertraglich oder deliktisch. Damit könne der konkrete Inhalt des ihr – der Klägerin – nicht bekannten Innenverhältnisses der Beklagten dahinstehen. Soweit ein Vertragsverhältnis für das Tourguiding zwischen den Beklagten bestanden habe, handele es sich entweder um einen Vertrag zugunsten Dritter oder um einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Bestehe kein Vertragsverhältnis zwischen den Beklagten, hafte der Beklagte zu 2) aufgrund seiner Garantenstellung für Leib und Leben der Reiseteilnehmer deliktisch. Der Beklagte zu 2) habe es als Geschäftsführer unterlassen, durch eine geeignete Organisation den Schadenseintritt zu verhindern. Der Beklagte zu 2) habe die beworbenen Sicherheits- und „Wohlfühlaspekte“ der Reiseteilnehmer sicherstellen und überwachen müssen.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 13.01.2023, Aktenzeichen 3 O 126/21 aufzuheben und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 112.164,09 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 17.04.2020 sowie als Nebenforderung außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 2.480,44 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.03.2021 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil unter Berufung auf dessen Gründe.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze und auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung am 03.11.2023 Bezug genommen.
II.
1. Die zulässige Berufung des Klägers gegen die Abweisung der Klage ist unbegründet.
a) Soweit die Klage sich gegen die Beklagte zu 1) richtet, ist sie zulässig, aber unbegründet. Der Geschädigte hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zu 1) erworben, die gemäß § 86 Abs. 1 S. 1 VVG auf die Klägerin hätten übergehen können.
aa) Vertragliche Ansprüche des Geschädigten gegen die Beklagte zu 1) sind nicht entstanden.
(1) Der Geschädigte hat keinen reisevertraglichen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 1) aus §§ 651i Abs. 3 Nr. 7, 651n Abs. 3 BGB erworben.
(a) Der Anwendungsbereich der §§ 651a ff. BGB ist eröffnet.
(aa) Auf den zwischen dem Geschädigten und der Beklagten zu 1) geschlossenen Vertrag ist gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. a VO (EG) 593/2008 deutsches Sachrecht anwendbar. Es ist zwischen den Parteien nicht streitig, dass der Vertrag von dem Geschädigten als Verbraucher und von der Beklagten zu 1) als Unternehmerin geschlossen worden ist. Ebenso unstreitig ist, dass der Ort der Ausübung der gewerblichen Tätigkeit der Beklagten zu 1) und der damalige gewöhnliche Aufenthalt des Geschädigten in Deutschland liegen.
(bb) Bei dem zwischen dem Geschädigten und der Beklagten zu 1) geschlossenen Vertrag handelt es sich um einen Pauschalreisevertrag im Sinne von § 651a Abs. 1 S. 1 BGB. Die Voraussetzungen des § 651a Abs. 2 S. 1 BGB liegen vor, nachdem die Reise die Führung von Touren sowie Übernachtungen und damit mindestens zwei verschiedene Reiseleistungen umfasste.
(cc) Auf den Pauschalreisevertrag sind gemäß Art. 229 § 42 EGBGB die §§ 651a ff. BGB in der ab dem 01.07.2018 geltenden Fassung anzuwenden, nachdem der Vertrag auf der Grundlage der Anmeldung des Geschädigten vom 08.01.2019 und damit nach dem 01.07.2018 abgeschlossen worden ist.
(b) Es kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, ob die Beklagte zu 1) dem Geschädigten die Pauschalreise im Sinne von § 651i Abs. 1 BGB frei von Reisemängeln verschafft hat. Es liegt jedenfalls kein Reisemangel vor, der in einer der Beklagten zu 1) zurechenbaren Weise die Verletzung des Geschädigten und damit dessen Schaden verursacht hätte.
(aa) Die Reise ist nicht bereits deshalb mangelhaft, weil der Geschädigte bei der geführten Tour am 21.09.2019 verletzt worden ist.
(i) Eine Beschaffenheitsvereinbarung nach § 651i Abs. 2 S. 1 BGB des Inhalts, dass die Beklagte zu 1) dem Geschädigten die „schadlose Rückkehr von der Reise“ schuldete, ist nicht zustande gekommen. Wie für den verständigen Reisenden ohne Weiteres ersichtlich ist, will kein Reiseveranstalter verschuldensunabhängig dafür einstehen, dass ein Reisender während der Reise nicht zu Schaden kommt, da ein solcher Schaden durch Umstände eintreten kann, auf die der Reiseveranstalter keinen Einfluss hat. Von einem solchen Willen des Reiseveranstalters ginge ein verständiger Reisender auch dann nicht aus, wenn er die Werbung der Beklagten zu 1) auf ihrer Website zur Kenntnis genommen hat. Angaben der Beklagten zu 1) wie „Motorradreisen […] mit Schulungscharakter“; „Motorradreise mit Fahrtraining“, „geführte Motorradtouren“, „Wir möchten Dir Freude am Motorradfahren vermitteln sowie besseres Verständnis der Kurventechnik“, „nebenbei kannst Du Deinen Fahrstil verbessern“, „fahren in Deinem Lieblingstempo“, „profitiere von jahrelanger Schulungserfahrung“ oder „geben die Tourguides hilfreiche Tipps, die gleich in die Tat umgesetzt werden können – denn bei Fahrspaß und Sicherheitstechnik lernt man bekanntlich nie aus!“ sind nicht geeignet, daran etwas zu ändern. Derartige Angaben können Einfluss auf das Maß an Schutz- und Fürsorgepflichten haben, zu deren Einhaltung sich der Reiseveranstalter dem Reisenden gegenüber verpflichtet, aber keine Grundlage für die Vereinbarung einer weitergehenden (Miss-) Erfolgshaftung sein. Aus denselben Gründen ist auch keine Beschaffenheitsvereinbarung dahingehend zustande gekommen, dass der Geschädigte sich während der Pauschalreise „wohlfühlt“.
(ii) Der Umstand, dass der Geschädigte bei der Ausfahrt am 21.09.2019 verletzt worden ist, ist für sich auch nicht geeignet, eine mangelnde Eignung der Reise für den gewöhnlichen Nutzen oder eine Abweichung von der üblichen Beschaffenheit im Sinne von § 651i Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BGB zu begründen. Das Zurücklegen der Strecke von Gospic nach Karlobag durch den Geschädigten stellte keine Reiseleistung dar, die aufgrund des Unfalls ungeeignet gewesen wäre bzw. nicht der üblichen Beschaffenheit entsprochen hätte.
Soweit die Klägerin sich auf eine zu § 651c BGB a.F. ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung beruft, die allein die Realisierung einer objektiv vorhandenen Gefahr als Reisemangel sieht, ohne dass es darauf ankäme, dass diese Gefahr für den Reiseveranstalter erkennbar war (BGH, Urteil vom 06.12.2016 – X ZR 117/15 [Hoteltransfer]; Urteil vom 14.12.1999 – X ZR 122/97 [Pferdetritt]), greift das hier nicht durch.
Nach der genannten Rechtsprechung verpflichtet sich der Reiseveranstalter bei Abschluss des Reisevertrags nicht nur zur Erbringung der im Vertrag aufgeführten Teilleistungen; vielmehr umfasst der Pauschalreisevertrag die Reise selbst. Gegenstand des Reisevertrags sind daher alle Leistungen, die der Reiseveranstalter Reiseinteressenten nach einem vorher festgelegten und ausgeschriebenen Reiseprogramm anbietet. Der Reiseveranstalter verspricht damit eine bestimmte Gestaltung der Reise und übernimmt die Haftung für deren Erfolg, soweit dieser von seinen Leistungen abhängt.
Dem Pauschalreisevertrag zwischen der Beklagten zu 1) und dem Geschädigten lag die Abrede zugrunde, dass der Geschädigte die Strecke von Gospic nach Karlobag selbst auf seinem eigenen Motorrad zurücklegt. Die Beklagte zu 1) hatte es nicht übernommen, den Geschädigten auf einem Motorrad von Gospic nach Karlobag zu transferieren, und sie hatte es auch nicht übernommen, dem Geschädigten ein Verkehrsmittel für einen solchen Transfer zur Verfügung zu stellen. Der Umstand, dass die Durchführung der Motorradreise das selbständige Zurücklegen der Strecke durch den Geschädigten mit seinem Motorrad voraussetzte, machte dieses Zurücklegen nicht zum geschuldeten Gegenstand der Pauschalreise. Der Geschädigte war bei dem Zurücklegen der Strecke nicht Erbringer einer Fremdleistung, für deren Erfolg die Beklagte zu 1) die Gewähr übernehmen müsste. Bei einer anderen Betrachtungsweise hätte die Beklagte zu 1) nicht nur für den verletzungsbedingten Verlust der Fähigkeit eines Reiseteilnehmers, sein Motorrad zu führen, sondern auch für einen krankheitsbedingten Verlust dieser Fähigkeit und für einen technischen Defekt des Motorrads eines Reiseteilnehmers gehaftet; das kann nicht richtig sein. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hätte die genannten Fälle wohl kaum so entschieden, wenn im Fall BGH, Urteil vom 06.12.2016 – X ZR 117/15 [Hoteltransfer] der Geschädigte den Hoteltransfer selbst im eigenen Fahrzeug hätte zurücklegen sollen oder wenn im Fall BGH, Urteil vom 14.12.1999 – X ZR 122/97 [Pferdetritt] der Geschädigte durch ein von ihm selbst zu stellendes Pferd zu Schaden gekommen wäre. Auch die Pauschalreise-Richtlinie 2015/3202/EU erfordert nicht, den Begriff des Reisemangels in der Weise auszulegen, dass er auch unzureichende „Leistungen“ des Reisenden, deren Erbringung im Reisevertrag vorausgesetzt wird, erfasst. Der in der Richtlinie verwendete Begriff der „Vertragswidrigkeit“ ist ebenso wie der Mangelbegriff der §§ 651i ff. BGB auf die Reiseleistung des Reiseveranstalters bezogen (vgl. Art. 13 Abs. 3 S. 1 RL 2015/3202/EU).
(bb) Ob ein Reisemangel durch eine Verletzung von Obhuts- und Fürsorgepflichten seitens der Beklagten zu 1) begründet worden ist, kann im Ergebnis offen bleiben. Es lässt sich jedenfalls kein auf die Verletzung solcher Pflichten gründender Reisemangel feststellen, auf den sich der unfallbedingte Schaden des Geschädigten zurückführen ließe.
Der Reiseveranstalter schuldet dem Reisenden auf Grund seiner Obhuts- und Fürsorgepflichten Abwehrmaßnahmen gegen solche mit den Reiseleistungen verbundenen Gefahren, mit denen der Reisende nicht zu rechnen braucht und die er deshalb nicht willentlich in Kauf nimmt. Beeinträchtigungen infolge von Sicherheitsdefiziten im Verantwortungsbereich des Reiseveranstalters, das heißt infolge einer Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht, für deren Einhaltung er einzustehen hat, fallen unter den Mangelbegriff (BGH, Urteil vom 25.06.2019 – X ZR 166/18, Rz. 10 [Balkonglasscheibe]; Urteil vom 12.06.2007 – X ZR 87/06 – Rz. 20 [Schuhwurf]). Allerdings muss der Reiseveranstalter nicht gegen alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Abwehrmaßnahmen treffen. Er schuldet grundsätzlich nur solche Vorkehrungen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der jeweiligen Berufsgruppe für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schaden zu bewahren, und die ihm bzw. dem örtlichen Leistungsträger den Umständen nach zuzumuten sind (BGH, Urteil vom 25.06.2019 – X ZR 166/18, Rz. 10 [Balkonglasscheibe]).
Ein unfallkausaler Verstoß der Beklagten zu 1) gegen Obhuts- und Fürsorgepflichten ist von der hierfür darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin nicht nachgewiesen worden.
(i) Eine Verletzung der Obhuts- und Fürsorgepflicht kann nicht darin gesehen werden, dass die Beklagte zu 1) eine Aufklärungspflicht gegenüber dem Geschädigten bezüglich seiner Pflichten bei der Führung eines Motorrads in Kroatien verletzt hätte.
Es bedurfte grundsätzlich keiner Aufklärung des Geschädigten darüber, dass es in Kroatien Verkehrsregeln gibt und dass man sich auch dort sowohl im Interesse anderer Verkehrsteilnehmer als auch im eigenen Interesse an der Vermeidung einer Selbstgefährdung an die Verkehrsregeln zu halten hat. Nachdem der Geschädigte sich unter Angabe der Motorradbezeichnung Ducati Multistrada 1200 S zu einer Motorradreise angemeldet hatte, konnte die Beklagte zu 1) voraussetzen, dass der Geschädigte über den „großen“ Motorradführerschein verfügt, die zum Erwerb der Fahrerlaubnis erforderlichen theoretischen Kenntnisse besitzt und auch tatsächlich in der Lage ist, das bezeichnete Motorrad im Straßenverkehr zu führen. Ebenso konnte die Beklagte zu 1) ein Bewusstsein des Geschädigten, als Motorradfahrer für die Einhaltung der Verkehrsregeln selbst verantwortlich zu sein, voraussetzen. Sofern der Beklagte zu 2) tatsächlich erklärt haben sollte, dass in Kroatien Verkehrsregeln „nicht so ernst zu nehmen“ seien, änderte das nichts. Dass der Geschädigte aufgrund einer solchen Aussage angenommen haben könnte, dass es sich bei kroatischen Verkehrsregeln lediglich um unverbindliche Empfehlungen handelt, behauptet die Klägerin nicht und ist auch völlig fernliegend.
Die Berufung der Klägerin auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Erforderlichkeit der Einweisung der Teilnehmer eines Heliskiing durch den Reiseveranstalter (BGH, Urteil vom 12.03.2002 – X ZR 226/99) geht ins Leere. Es hätte hier zwar zweifelsfrei einer besonderen Einweisung der Reiseteilnehmer durch die Beklagte zu 1) bedurft, wenn die Reiseteilnehmer wie dort ein Gelände hätten befahren sollen, bei dem mit quer zur gewählten Route verlaufenden 10 Meter tiefen Spalten zu rechnen war. Das sich die von der Beklagten zu 1) für die Touren gewählten öffentlichen Straßen in einem solchen Zustand befunden hätten, behauptet die Klägerin nicht. Demgegenüber hat die genannte Entscheidung nicht postuliert, dass die dortigen Teilnehmer von dem Reiseveranstalter in Verhaltensregeln hätte eingewiesen werden müssen, von deren Kenntnis bei Teilnehmern eines Heliskiings ausgegangen werden konnte, wie etwa den FIS-Verhaltensregeln.
(ii) Eine Verletzung der Obhuts- und Fürsorgepflicht kann auch nicht darin gesehen werden, dass die Beklagte zu 1) eine Pflicht zu einer ständigen Überwachung des Geschädigten bei der Führung des Motorrads verletzt hätte.
Als Inhaber des „großen“ Motorradführerscheins war der Geschädigte bei dem Führen eines Motorrads grundsätzlich nicht überwachungsbedürftig. Es darf unterstellt werden, dass der Geschädigte auch vor der streitgegenständlichen Pauschalreise nicht von einem Dritten überwacht wurde, wenn er Motorrad gefahren ist. Die Pauschalreise erforderte von den Reiseteilnehmern auch keine erweiterten Fähigkeiten, die erst während der Motorradtour erlernt werden sollten. Die Touren fanden auf öffentlichen Straßen in „normalem“ Zustand statt. Das Vorhandensein von „viel befahrenen und engen Kurven“ begründete kein Erfordernis erweiterter Fähigkeiten der Reiseteilnehmer, da ein „normaler“ Motorradfahrer auch viel befahrene Strecken mit Kurven bewältigen können muss. Die Darlegung der Klägerin, dass der Geschädigte mangels Ortskenntnis nicht in der Lage gewesen sei, die für das Befahren der Staatsstraße 25 von Gospic nach Karlobag erforderliche Sorgfalt aufzubringen, zieht der Senat nicht ernsthaft in Erwägung; jedenfalls hätte die Beklagte zu 1) mit einem derartigen Defizit nicht rechnen müssen. Zweck der Touren war ersichtlich auch nicht, Wettkämpfe auszufahren, nachdem die Anweisung des Beklagten zu 2), innerhalb der Gruppen nicht zu überholen, insoweit eher hinderlich gewesen wäre.
Auch Angaben der Beklagten zu 1) in ihrer Werbung wie „Motorradreisen […] mit Schulungscharakter“; „Motorradreise mit Fahrtraining“, „geführte Motorradtouren“, „Wir möchten Dir Freude am Motorradfahren vermitteln sowie besseres Verständnis der Kurventechnik“, „nebenbei kannst Du Deinen Fahrstil verbessern“, „fahren in Deinem Lieblingstempo“, „profitiere von jahrelanger Schulungserfahrung“ oder „geben die Tourguides hilfreiche Tipps, die gleich in die Tat umgesetzt werden können – denn bei Fahrspaß und Sicherheitstechnik lernt man bekanntlich nie aus!“ sind nicht geeignet, eine Pflicht der Beklagten zu 1) zur ständigen Überwachung der Führung des Motorrads durch den Geschädigten zu begründen. Mit diesen Aussagen wird in keiner Weise „suggeriert“, dass sich die angebotenen Reisen an Motorradfahrer richten, die über geringere Fähigkeiten als für den Erwerb des „großen“ Motorradführerscheins erforderlich verfügen und deshalb einer besonderen Überwachung bedürfen. Die Beklagte zu 1) hat mit nichts den Eindruck erweckt, dass sie Übungsfahrten für Fahrschüler, Auffrischungskurse nach Fahrpausen oder sonstige Arten eines „betreuten Fahrens“ anbietet. Eine auf der Grundlage der wiedergegebenen Aussagen ggf. getroffene Vereinbarung, dass die Beklagte zu 1) es übernimmt, den Reiseteilnehmern bei der Verbesserung ihrer Fähigkeiten als Motorradfahrer zu helfen, hätte nicht den Inhalt, dass die Beklagte zu 1) es übernimmt, den Reiseteilnehmern Fähigkeiten zu vermitteln, die Voraussetzung für das Führen eines Motorrads sind. Eine Beobachtung der Reiseteilnehmer zu dem Zweck, ihnen Tipps zur Verbesserung ihres Fahrstils zu geben, hat nichts mit einer ständigen Überwachung zur Ermöglichung eines sofortigen Eingreifens bei Verkehrsverstößen zu tun. Im Übrigen wäre die von der Klägerin geforderte ständige Überwachung der teilnehmenden Motorradfahrer durch die vorausfahrenden Tourguides „über die Rückspiegel“ gar nicht leistbar, da die Tourguides als Verkehrsteilnehmer primär verpflichtet waren, den Verkehrsraum vor ihnen zu beobachten. Aus gutem Grund fährt bei Ausbildungsfahrten das mit dem Fahrlehrer besetzte Begleitfahrzeug nicht vor dem Fahrerlaubnisanwärter, sondern hinter diesem.
(iii) Ob die Beklagte zu 1) eine Obhuts- und Fürsorgepflicht dadurch verletzt hat, dass der Beklagte zu 2), dessen Verhalten sich die Beklagte zu 1) gemäß § 278 S. 1 BGB zurechnen lassen muss, als Tourguide der ersten Gruppe bei der Fahrt von Gospic nach Karlobag mit einer Geschwindigkeit gefahren ist, bei der der Geschädigte ihm nicht folgen konnte, ohne seinerseits mit überhöhter Geschwindigkeit zu fahren, kann im Ergebnis dahingestellt bleiben. Auch wenn ein solches Verhalten des Beklagten zu 2) unterstellt wird, fehlte es jedenfalls an einem haftungsbegründenden Zurechnungszusammenhang zwischen dem potentiell pflichtwidrigen Verhalten des Beklagten zu 2) als Erfüllungsgehilfen der Beklagten zu 1) und dem Eintritt des unfallbedingten Schadens.
Es lässt sich bereits nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststellen, dass der Geschädigte im maßgeblichen Zeitpunkt tatsächlich mit einer überhöhten Geschwindigkeit gefahren ist. Die Klägerin hat nicht substantiiert dargelegt, dass der Geschädigte im Zeitpunkt des Unfalls mit einer höheren Geschwindigkeit als der allgemein zulässigen Geschwindigkeit gefahren sei oder gegen die Anordnung einer geringeren Höchstgeschwindigkeit durch Verkehrszeichen verstoßen habe. Sie hat weder zu der bei Eingang der Rechtskurve von dem Geschädigten gefahrenen Geschwindigkeit noch zu der dort geltenden Höchstgeschwindigkeit vorgetragen. Der bloße Verweis auf das Video als Beweismittel kann entsprechenden Vortrag nicht ersetzen. Es lässt sich auch nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, dass der Geschädigte gegen das Gebot verstoßen hat, nur so schnell zu fahren, dass er das Motorrad ständig beherrscht. Dies wird nicht durch den ersten Anschein bewiesen. Es besteht zwar ein Erfahrungssatz, dass ein Abkommen von der Fahrbahn wie hier geschehen auf einem Verschulden des Abkommenden beruht, aber kein Erfahrungssatz, dass ein solches Abkommen auf einem Verstoß gegen das Gebot, nur so schnell zu fahren, dass das Fahrzeug ständig beherrscht wird, beruht. Es lässt sich – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – auch nicht ausschließen, dass der Unfall allein auf einen Fahrfehler des Geschädigten – etwa in Form einer nicht rechtzeitigen Wahrnehmung der Verengung des Radius der Rechtskurve oder einer nicht rechtzeitigen Reaktion infolge Unaufmerksamkeit – zurückzuführen ist.
Selbst wenn man unterstellt, dass der Unfall dadurch verursacht worden ist, dass der Geschädigte mit einer Geschwindigkeit gefahren ist, bei der er sein Motorrad nicht mehr beherrscht hat, fehlt es mangels Herausforderung eines solchen Verhaltens durch die Beklagte zu 1) an dem erforderlichen Zurechnungszusammenhang.
Ist der Geschädigte mit einer Geschwindigkeit gefahren, bei der er das Motorrad nicht mehr beherrscht hat, handelt es sich um den Fall einer Selbstgefährdung. Zur Bejahung eines Zurechnungszusammenhangs ist in Fällen der Selbstgefährdung erforderlich, dass der Veranlasser denjenigen, der sich selbst geschädigt hat, in vorwerfbarer Weise herausgefordert hat. Eine Herausforderung liegt dann vor, wenn der Schädiger bei dem Geschädigten eine mindestens im Ansatz billigenswerte Motivation für dessen selbstgefährdendes Verhalten gesetzt hat (vgl. BGH, Urteil vom 29.11.1977 – VI ZR 51/76; Urteil vom 21.01.1986 – VI ZR 208/84).
Eine Herausforderung in dem vorstehenden Sinne lag hier nicht vor. Die Annahme eines billigenswerten Beweggrunds des Geschädigten für das für ihn erkennbar gefährliche Überschreiten der Geschwindigkeit, bei deren Einhaltung er das Motorrad ständig beherrschen konnte, scheidet aus.
Dass der Geschädigte sich selbst gefährdet, war für ihn erkennbar. Für eine Verkennung des Risikos zu schnellen Fahrens durch den Geschädigten ist nichts ersichtlich. Wenn dem Geschädigten „bei Ortsunkenntnis eine sichere Einschätzung der Strecke und der Kurven unmöglich“ war, wusste er, dass er seine Geschwindigkeit darauf ausrichten muss. Der Beklagte zu 2) als Erfüllungsgehilfe zu 1) hatte kein überlegenes Wissen, was die die Selbstgefährdung des Geschädigten auslösenden Umstände betrifft. Die Geschwindigkeit, bei der ein Fahrzeugführer sein Fahrzeug noch ständig beherrscht, ist individuell verschieden. Für den Geschädigten war ein Überschreiten der Grenze, ab dem er nicht mehr in der Lage war, das Motorrad ständig zu beherrschen, offenkundig eher erkennbar als für den Beklagten zu 2).
Eine Verantwortung des Beklagten zu 2) für das Zustandekommen des Entschlusses des Geschädigten, mit einer für ihn zu hohen Geschwindigkeit zu fahren, kann auch nicht daraus abgeleitet werden, dass die Reiseteilnehmer dazu „angehalten“ worden wären, die Gruppen nicht auseinanderreißen zu lassen. Soweit das Landgericht ausgeführt hat, es sei nicht nachgewiesen, dass der Beklagte zu 2) die Reiseteilnehmer dazu angehalten habe, die Gruppen nicht auseinanderreißen zu lassen, ist diese Feststellung zwar nicht verfahrensfehlerfrei erfolgt. Die Klägerin hatte zum Beweis der genannten Behauptung nicht die Vernehmung der dazu vom Landgericht vernommenen Zeugen L., B. und F., sondern die Vernehmung der nicht vernommenen Zeugen Dr. M. und Bö. beantragt. Das Landgericht hat auch keine Feststellungen dazu getroffen, ob – wie die Beklagten behaupten – bei der Rückfahrt von Gospic nach Karlobag anders als auf den übrigen Tourenabschnitten verfahren wurde, weil zuvor eine Vereinbarung getroffen worden sei, dass der Beklagte zu 2) mit dem Zeugen L. vorausfährt und der Rest der ersten Gruppe – jeder in dem für ihn bequemen, beliebigen Tempo – auf dem Streckenabschnitt nachfolgt. Im Ergebnis wirkt sich dies allerdings nicht aus. Aus den Umständen ergibt sich nicht, dass ein „Anhalten“ der Reiseteilnehmer, die Gruppen nicht auseinanderreißen zu lassen, irgendeine Form von Verbindlichkeit diesen gegenüber beanspruchen sollte; schon gar nicht ergibt sich aus den Umständen, dass das „Anhalten“ die Aufforderung umfasste, dem Verhindern eines Auseinanderreißens der Gruppen Vorrang vor den Pflichten im Straßenverkehr bzw. den allgemeinen Obliegenheiten zur Vermeidung einer Selbstgefährdung zu geben. Es ist unstreitig, dass es den Mitfahrern der ersten Gruppe jederzeit möglich war, in eine andere Gruppe zu wechseln. Diese Möglichkeit bestand auch während einer Tour, nachdem hinter der ersten Gruppe die zweite und die dritte Gruppe fuhren, die eine geringere Geschwindigkeit einhielten und denen sich ein Mitglied der ersten Gruppe anschließen konnte. Es bestand deshalb nicht etwa die Gefahr, dass ein Mitfahrer in der ersten Gruppe im Fall eines Abreißenlassens auf sich gestellt gewesen wäre. Unter diesen Umständen sollte ein „Anhalten“ der Reiseteilnehmer, die Gruppen nicht auseinanderreißen zu lassen, ersichtlich nicht für den Fall Geltung beanspruchen, dass ein Mitfahrer die Geschwindigkeit seiner Gruppe nicht mitgehen will oder kann. Nichts anderes kann für die Behauptung der Klägerin gelten, der Beklagte zu 2) habe einen „psychologischen Druck“ ausgeübt, die von ihm vorgegebene Geschwindigkeit mitzugehen, gelten. Eine Vernehmung der Zeugen Bö. und R. zum Beweis einer solchen „Druckausübung“ war deshalb nicht geboten.
Sofern der Geschädigte versucht haben sollte, den Anschluss an die erste Gruppe zu halten, weil er nicht durch ein Abreißenlassen und ein Warten auf die zweite Gruppe vor den anderen Reiseteilnehmern offenbaren wollte, mit den anderen Mitfahrern der ersten Gruppe nicht mithalten zu können, stellte das keine mindestens im Ansatz billigenswerte Motivation für ein selbstgefährdendes Verhalten dar. Es träfe vielmehr das Gegenteil zu. Der Geschädigte war ein 53-jähriger erfahrener Motorradfahrer und kein Heranwachsender. Von ihm konnte erwartet werden, dass er der Versuchung, durch selbstgefährdendes Verhalten die Offenlegung einer „Schwäche“ zu verhindern, in besonnener Selbstbehauptung standhält. Darauf, ob der Beklagte zu 1) wusste bzw. wissen konnte, dass „gruppendynamische Prozesse“ auf das Verhalten der Reiseteilnehmer Einfluss haben könnten, kommt es insofern nicht entscheidend an.
(cc) Ob ein Reisemangel durch einen Mangel an „erforderlicher“ Ortskenntnis der von der Beklagten zu 1) eingesetzten Tourguides begründet worden ist, ist unerheblich. Die Klägerin hat nicht schlüssig dargelegt, dass bei einer vorhandenen Ortskenntnis der Unfall des Geschädigten nicht eingetreten wäre. Dafür ist auch nichts ersichtlich. Der Geschädigte ist offenkundig nicht deshalb verunfallt, weil sich ein Tourguide der Beklagten zu 1) auf der Fahrt von Gospic nach Karlobag verirrt hätte.
(dd) Ebenso kann dahinstehen, ob ein Reisemangel durch das Unterlassen einer „Schulung unter Sicherheitsaspekten“ begründet worden ist. Dass eine „Schulung unter Sicherheitsaspekten“, zu deren geschuldetem Inhalt die Klägerin nicht vorträgt, den Unfall vermieden haben würde, ist eine reine Spekulation und die entsprechende Behauptung der Klägerin einer Verifizierung nicht zugänglich. Wenn der Geschädigte sich nicht an eine ihm bekannte Grundregel des Straßenverkehrs, wie sie in § 3 Abs. 1 S. 1 StVO kodifiziert ist, gehalten hat, spricht im Übrigen nichts dafür, dass er das aufgrund einer „Schulung unter Sicherheitsaspekten“ getan hätte.
(2) Der Geschädigte hat auch keinen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 1) aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB erworben. Vertragliche Ansprüche des Geschädigten gegen die Beklagte zu 1) scheiden insoweit schon deshalb aus, weil die Vollharmonisierung des Pauschalreiserechts durch die Pauschalreise-Richtlinie 2015/3202/EU es ausschließt, dem Reisenden weitergehende Ansprüche zuzusprechen, als die §§ 651i ff. BGB vorsehen.
bb) Auch deliktische Ansprüche des Geschädigten gegen die Beklagte zu 1) sind nicht entstanden.
(1) Der Geschädigte hat keinen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 1) aus §§ 823 Abs. 1, 31 BGB erworben.
(a) Das Bestehen eines Schuldverhältnisses aus unerlaubter Handlung zwischen dem Geschädigten und der Beklagten zu 1) ist gemäß Artt. 4 Abs. 2, 23 VO (EG) 864/2007 nach deutschem Sachrecht zu beurteilen. Sowohl der Geschädigte als auch die Beklagte zu 1) hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt bzw. ihre Hauptverwaltung in Deutschland.
(b) Die Beklagte zu 1) hat den Geschädigten nicht am Körper verletzt bzw. an der Gesundheit geschädigt. Auch wenn zum einen unterstellt wird, dass der Beklagte zu 2) als Tourguide der ersten Gruppe bei der Fahrt von Gospic nach Karlobag mit einer Geschwindigkeit fuhr, bei der der Geschädigte ihm nicht folgen konnte, ohne seinerseits mit überhöhter Geschwindigkeit zu fahren, und zum anderen unterstellt wird, dass der Geschädigte bei dem Befahren der Unfallstelle aufgrund überhöhter Geschwindigkeit nach links aus der Kurve getragen wurde, fehlte es jedenfalls an einem haftungsbegründenden Zurechnungszusammenhang zwischen dem potentiell pflichtwidrigen Verhalten des Beklagten zu 2) als Organs der Beklagten zu 1) und dem Eintritt des unfallbedingten Schadens. Die Ausführungen zu dem Fehlen eines Zurechnungszusammenhangs im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs nach §§ 651i Abs. 3 Nr. 7, 651n Abs. 3 BGB gelten insoweit entsprechend.
(2) Angesichts des Fehlens eines haftungsbegründenden Zurechnungszusammenhangs scheiden auch andere denkbare deliktische Ansprüche aus.
b) Soweit die Klage sich gegen den Beklagten zu 2) richtet, ist sie zulässig, aber ebenfalls unbegründet. Der Geschädigte hat auch gegen den Beklagten zu 2) unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Schadensersatzansprüche erworben, die gemäß § 86 Abs. 1 S. 1 VVG auf die Klägerin hätten übergehen können.
aa) Vertragliche Ansprüche des Geschädigten gegen den Beklagten zu 2) sind nicht entstanden.
(1) Der Geschädigte hat keinen Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zu 2) aus §§ 651i Abs. 3 Nr. 7, 651n Abs. 3 BGB erworben. Der Beklagte zu 2) war weder als Geschäftsführer der Beklagten zu 1) noch als Tourguide selbst Reiseveranstalter im Sinne des § 651i Abs. 1 BGB.
(2) Der Geschädigte hat auch keinen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 1) aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB in Verbindung mit den Grundsätzen des Vertrags zugunsten Dritter oder des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter erworben. Es kann im Ergebnis dahinstehen, ob es sich bei Verträgen zwischen Reiseveranstaltern und Leistungserbringern um echte Verträge zugunsten Dritter im Sinne des § 328 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 17.01.1985 – VII ZR 63/84 für den Chartervertrag), um Verträge mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (Jauernig/Kern, BGB, 19. Aufl. 2023, § 651a Rz. 9) oder um keines von beiden (Staudinger/Staudinger, BGB [2016], § 651a Rz. 60) handelt. Der Beklagte zu 2) war nicht Leistungserbringer im Sinne des § 651b Abs. 1 S. 2 BGB. Als Leistungserbringer kommen nur wirtschaftlich selbständige Personen in Betracht (BeckOK BGB/Geib, 67. Ed. 1.8.2023, § 651a Rz. 17). Dass der Beklagte zu 2) die Tourguide-Tätigkeit als wirtschaftlich selbständige Tätigkeit ausgeübt hätte, hat die Klägerin nicht dargelegt. Der Reiseleiter, der seine Tätigkeit als Beschäftigter des Reiseveranstalters erbringt, ist kein Leistungserbringer im Sinne des § 651b Abs. 1 S. 2 BGB. Der zwischen dem Reiseveranstalter und dem Reiseleiter bestehende Dienstvertrag ist dann weder ein Vertrag zugunsten Dritter noch ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Schon gar nicht kommt einem Anstellungsvertrag zwischen einer als Reiseveranstalterin tätigen GmbH und ihrem Geschäftsführer Schutzwirkung zugunsten der Reisenden zu.
bb) Auch deliktische Ansprüche des Geschädigten gegen den Beklagten zu 2) sind nicht entstanden. Die Ausführungen zu deliktischen Ansprüchen des Geschädigten gegen die Beklagte zu 1) gelten entsprechend.
2. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
3. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
4. Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, bei der es im Wesentlichen um Tatsachenfragen geht.