Streit um Heckenpflege: OLG Schleswig-Holstein klärt Rechtslage bei gemeinsamen Grenzanlagen
In einem Rechtsstreit, der bis zum Oberlandesgericht Schleswig-Holstein (Az.: 7 U 202/22) eskalierte, ging es um die Frage der Zuständigkeit und des Schadensersatzes im Zusammenhang mit dem Rückschnitt einer Hecke. Diese Hecke diente als natürliche Barriere und Sichtschutz zwischen einem privaten Grundstück und einer gemeindlichen Grünfläche. Die Kläger, Eigentümer des privaten Grundstücks, forderten Schadensersatz für den radikalen Rückschnitt der Hecke durch die beklagte Gemeinde. Das Hauptproblem lag in der rechtlichen Einordnung der Hecke als gemeinsame Grenzanlage und den damit verbundenen Pflichten und Rechten beider Parteien.
Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 7 U 202/22 >>>
Übersicht:
Rechtliche Grundlagen und Urteilsgründe
Das Gericht stellte fest, dass es sich bei der Hecke um eine gemeinsame Grenzanlage im Sinne des § 921 BGB handelt. Jeder Teilhaber einer solchen Anlage ist gemäß §§ 922 Satz 2, 744 Abs. 2 BGB berechtigt, notwendige Erhaltungsmaßnahmen ohne Zustimmung des anderen Teilhabers durchzuführen. Das Gericht führte weiter aus, dass die Hecke aus ökologischen Gründen alle 10 bis 15 Jahre radikal zurückgeschnitten werden sollte. Ein ständiges Kappen auf eine Höhe von 1,5 bis 2 Metern wäre fachlich nicht korrekt.
Schadensersatzforderungen und Sachverständigengutachten
Die Kläger hatten Schadensersatz für die Kosten eines Metallzauns und eines Sichtschutzes gefordert. Ein Sachverständiger wurde hinzugezogen, der die Kosten für eine Neuanpflanzung auf 900 Euro schätzte. Das Landgericht hatte die Beklagte zu einem Schadensersatz von 2.000 Euro verurteilt, da es die Schätzung des Sachverständigen für zu niedrig hielt. Das Oberlandesgericht wies die Berufung der Kläger zurück und änderte das Urteil des Landgerichts dahingehend ab, dass die Klage abgewiesen wurde.
Verkehrssicherungspflicht und Organverschulden
Die beklagte Gemeinde hatte argumentiert, der Rückschnitt sei aufgrund der Verkehrssicherungspflicht notwendig gewesen. Das Landgericht hatte dies als zu vage angesehen und ein Organverschulden der Gemeinde festgestellt. Das Oberlandesgericht sah dies jedoch anders und wies die Schadensersatzforderungen der Kläger ab.
Keine Wiederholungsgefahr und Schlussbetrachtung
Das Gericht stellte fest, dass keine Wiederholungsgefahr bestehe und lehnte daher auch den Unterlassungsantrag der Kläger ab. Die Kläger sind somit in beiden Rechtszügen unterlegen und müssen die Kosten des Rechtsstreits tragen.
Unstimmigkeiten beim Rückschnitt der Grenzhecke: Ihr Weg zum Schadensersatz
Der Rückschnitt einer Hecke im Grenzbereich zweier Grundstücke kann schnell zu rechtlichen Konflikten und Schadensersatzforderungen führen, wie das Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig-Holstein zeigt. Wenn auch Sie sich in einer ähnlichen Situation befinden und unsicher sind, wie Sie Ihre Rechte und Pflichten als Grundstückseigentümer wahrnehmen können, sind wir für Sie da. Unsere Kanzlei bietet eine fundierte Ersteinschätzung Ihrer Lage und begleitet Sie durch den gesamten Beratungsprozess. So können Sie sicherstellen, dass Ihre Interessen optimal vertreten werden. Vereinbaren Sie jetzt einen Termin für eine Ersteinschätzung und lassen Sie uns gemeinsam klären, welche Schritte für Sie sinnvoll sind.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Schleswig-Holstein – Az.: 7 U 202/22 – Urteil vom 15.04.2023
Leitsatz
1. Bei einer auf der Grundstücksgrenze stehenden, freiwachsenden Feldgehölzhecke handelt es sich um eine gemeinsame Grenzanlage i.S.d. § 921 BGB.
2. Gem. §§ 922 Satz 2, 744 Abs. 2 BGB ist jeder Teilhaber einer gemeinsamen Grenzanlage berechtigt, die zur Erhaltung des Gegenstands notwendigen Maßregeln ohne Zustimmung der anderen Teilhaber zu treffen.
3. Eine freiwachsende Feldgehölzhecke, bestehend aus landschaftstypischen Laubgehölzen (Flieder, Weißdorn, Schlehe, Hainbuche), ist aus ökologischen Gründen zur Erfüllung der Gehölzfunktion in der Regel alle 10 bis 15 Jahre „auf-den-Stock“ zu setzen. Es wäre unfachmännisch, die Gehölzhecke ständig nur auf eine Höhe von 1,5 bis 2 m zu kappen oder lediglich in ihrer seitlichen Ausdehnung einzukürzen („schlägeln“).
Auf die Berufung der Beklagten wird – unter Zurückweisung der Berufung der Kläger – das Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 08.09.2022 geändert wie folgt neu gefasst:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Parteien streiten – mit wechselseitigen Berufungen – um Schadensersatzansprüche nach dem Rückschnitt einer Anpflanzung, die sich auf der Grenze zwischen dem Hausgrundstück der Kläger und einer gemeindlichen Grünfläche befindet.
Die Kläger sind Eigentümer der Immobilie W. Nr. 1 im Bereich der beklagten Gemeinde. Es handelt sich um ein Eckgrundstück. Entlang des Grundstücks verläuft u.a. auf einer Länge von etwa 60 Metern die Straße „G.“, die von einem im Eigentum der Gemeinde stehenden Grünstreifen gesäumt ist. Auf der Grenze zwischen dem Grundstück der Kläger und dem Grünstreifen befindet sich eine aus verschiedenen Pflanzen bestehende Anpflanzung (nachfolgend: „Hecke“).
Über die Pflege bzw. den Rückschnitt der Hecke bestand zwischen den Parteien schon länger Streit. Am 08.12.2016 veranlasste die Beklagte auf dem ihr gehörenden Grundstücksteil einen radikalen Rückschnitt (sog. „auf den Stock setzen“), was aus Sicht der Kläger zu einer Beeinträchtigung der Hecke in ihrer Funktion als natürliche Barriere und Blickschutz führte.
Die Hecke ist inzwischen – bis auf vier Lücken von insgesamt 15 Meter Länge – nachgewachsen.
Die Kläger haben die Auffassung vertreten, ihnen stehe Schadensersatz zu wegen der ersatzweise erforderlichen Errichtung eines Metallzauns in Höhe von 3.709,11 € sowie für die – noch nicht erfolgte – Installation eines Sichtschutzes in Höhe von 2.560,46 € netto.
Die Kläger haben erstinstanzlich beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 6.269,57 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen, an sie 413, 64 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen, festzustellen, dass die Beklagte in Zukunft nicht berechtigt ist bzw. es zu unterlassen hat, die gemeinsame Grundstückshecke in der Straße „G“ ohne Zustimmung der Kläger auf „den Knick“ zu setzen.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat behauptet, die Maßnahme sei im Hinblick auf die bestehende Verkehrssicherungspflicht erforderlich gewesen.
Das Landgericht hat ein schriftliches Sachverständigengutachten des Landschaftsarchitekten Dipl.-Ing B. eingeholt und den Sachverständigen sein Gutachten im Termin zur mündlichen Verhandlung am 23.06.2022 erläutern und ergänzen lassen; auf Gutachten und Protokoll wird Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Beklagte mit dem angefochtenen Urteil vom 08.09.2022 verurteilt, an die Kläger Schadensersatz in Höhe von 2.000,00 € sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 255,85 € zu zahlen, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.04.2018. Zur Begründung führt es im Wesentlichen aus:
Den Klägern stehe ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 1004, 922 S. 3, 249 S. 1 BGB zu. Bei der Hecke handele es sich – unstreitig – um eine Grenzanlage i.S.d. § 921 BGB; sie diene mit ihrer Grenzscheidungsfunktion dem Interesse beider Seiten und bestehe mit zumindest konkludenter ursprünglicher Zustimmung beider Parteien. Es liege auch ein fortbestehendes Interesse der Kläger am Erhalt der Heckenanlage i.S.d. § 922 S. 3 BGB vor. Dies beinhalte den Wunsch nach einer Beibehaltung der bisherigen Grenzanlage in ihrer bisherigen Gestaltung. Auch ein rein ästhetisches Interesse werde geschützt.
Die Beklagte habe die Pflichtverletzung auch zu vertreten. Die Beklagte treffe gemäß § 31 BGB ein Organverschulden, weil die Entscheidung zum radikalen Rückschnitt durch den Bürgermeister bewusst und vorsätzlich getroffen worden sei. Rechtlich erhebliche Rechtfertigungsgründe seien nicht ausreichend dargetan. Der Verweis auf Verkehrssicherungspflichten genüge nicht, weil diese zu vage geblieben seien.
Der Ersatzanspruch sei gerichtet auf Wiederherstellung durch Neuanpflanzung. Der Anspruch sei durch den Aspekt der Zumutbarkeit begrenzt. Die Kosten für einen Drahtzaun und künstlichen Sichtschutz seien danach nicht ersatzfähig. Der Aufwand für Ersatzpflanzungen werde auf 2.000,00 € geschätzt. Der Sachverständige habe insoweit zwar nur 900,00 € netto angegeben, dies stehe einer höheren Schätzung jedoch nicht entgegen. Der Sachverständige gehe nämlich von einer Anwuchszeit von 3 bis 5 Jahren aus. Dies sei zu lang, so dass größere und kräftigere Pflanzen zu verwenden seien, die eine intensivere Anwuchsbegleitung erforderten. Hieraus lasse sich der höhere Betrag rechtfertigen.
Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten seien demgemäß aus einer begründeten Forderung von 2.000,00 € ersatzfähig.
Hinsichtlich des – als Unterlassungsantrag auszulegenden – Feststellungsantrages fehle es an der gemäß § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB erforderlichen Wiederholungsgefahr. Nach dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck von der Beklagtenseite sei eine erneute Abkürzung von Klärungsprozesses durch das Schaffen von Fakten nicht zu erwarten und damit die Vermutung der Wiederholungsgefahr widerlegt. Davon abgesehen wäre es auch unzulässig, der Beklagten generalisiert den Rückschnitt zu verbieten.
Die Kläger verfolgen mit ihrer Berufung ihr ursprüngliches Klagebegehren – Verurteilung zur Zahlung von 6.269,57 € in voller Höhe zzgl. weiterer vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten – fort. Die Schätzung durch das Landgericht sei fehlerhaft. Das Landgericht habe sich zu sehr auf die beschönigende und die Beklagte begünstigende Beurteilung des Sachverständigen bezogen und bei der Schätzung lediglich eine Erhöhung vorgenommen, ohne diese im Einzelnen zu begründen. Es hätte eine Berechnung nach der „Methode Koch“ erfolgen müssen. Der Sachverständige halte 45 Stück Landschaftsgehölze – drei pro laufenden Meter – mit einer Höhe von 60 bis 100 cm für erforderlich. Dies sei unzureichend, tatsächlich seien mehr und höhere Pflanzen zu verwenden, nämlich 130 Pflanzen mit einer Höhe von 150 bis 200 cm.
Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 6.269,57 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen, an sie weitere 413,64 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagten beantragen, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen sowie die Berufung der Kläger zurückzuweisen.
Die Beklagten verfolgen mit ihrer Berufung ihren ursprünglichen Klageabweisungsantrag weiter. Das Landgericht habe fehlerhaft eine Pflichtverletzung der Beklagten durch den Rückschnitt der Hecke angenommen und einen Schadensersatzanspruch der Kläger bejaht. Die Grenzanlage sei nicht beschädigt worden. Vielmehr sei die Hecke, soweit sie auf dem Grund der Beklagten wachse, in üblicher Weise und fachgerecht „auf den Stock gesetzt“ worden. Diese Maßnahme diene der dichteren Entwicklung und letztlich dem Erhalt der Gehölze. Eine optische Veränderung sei nicht als Beschädigung zu werden, da sie nur vorübergehend bestanden habe. Inzwischen sei der vorübergehend reduzierte Sichtschutz wieder gegeben. Ein vollständiger Sichtschutz habe ohnehin nicht bestanden.
Eine etwaige Pflichtverletzung hätte die Beklagte auch nicht zu vertreten. Die Beklagte habe im Interesse der Allgemeinheit sowie im beiderseitigen Parteiinteresse gehandelt. Die Verkehrssicherheit sei beeinträchtigt gewesen, indem Autos zerkratzt worden seien. Es habe auch bereits Anwohnerbeschwerden gegeben. Von der ihnen eingeräumten Möglichkeit, einen Rückschnitt selbst durchzuführen, hätten die Kläger keinen Gebrauch gemacht. Die Beklagte sei zum Handeln verpflichtet gewesen.
Auch die Bemessung der Schadenshöhe durch das Landgericht sei fehlerhaft und nicht nachvollziehbar. Nachdem der Sachverständige den erforderlichen Aufwand mit 900,00 € beziffert habe, habe das Landgericht bei seiner Schadensschätzung auf 2.000,00 € weder die erforderliche eigenen Sachkunde, noch die tatsächlichen Grundlagen seiner Schätzung mitgeteilt. Vielmehr vermittle das Urteil den Eindruck einer willkürlichen Bestimmung der Schadenshöhe.
Der Senat hat die Parteien vorab mit der Ladungsverfügung vom 12.01.2023 auf die mögliche Rechtfertigung des Rückschnitts gem. §§ 922,744 Abs. 2 BGB hingewiesen. Im Termin am 28.03.2023 hat der Senat den Kläger zu 2) persönlich gehört sowie Lichtbilder von der Hecke in Augenschein genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Kläger ist nicht begründet. Die ebenfalls zulässige Berufung der Beklagten ist hingegen begründet. Die Kläger haben keinerlei Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 1004, 922 S. 3, 249 Abs. 1 BGB.
Unstreitig handelt es sich bei der streitgegenständlichen Anpflanzung um eine gemeinsame Grenzanlage i.S.d. § 921 BGB, zu deren Benutzung die Parteien als jeweils anteilige Eigentümer gemeinschaftlich berechtigt sind. Daraus ergibt sich gemäß § 922 S. 1 BGB, dass jede Partei die Anlage zu dem Zweck, der sich aus ihrer Beschaffenheit ergibt, insoweit benutzen kann, als nicht die Mitbenutzung der anderen Partei beeinträchtigt wird. Gemäß § 922 S. 3 BGB darf die Anlage, solange einer der Nachbarn an ihrem Fortbestand ein Interesse hat, nicht ohne dessen Zustimmung beseitigt oder geändert werden. Im Übrigen bestimmt sich das Rechtsverhältnis zwischen den Nachbarn gemäß § 922 S. 4 BGB nach den Vorschriften über die Gemeinschaft (§§ 741 bis 758 BGB).
Es kann vorliegend dahinstehen, ob der im Dezember 2016 erfolgte Rückschnitt eine zweckentsprechende, die Kläger nicht beeinträchtigende Nutzung i.S.d. § 922 S. 1 BGB darstellt oder aber eine zustimmungsbedürftige Änderung i.S.d. § 922 S. 3 BGB. Denn unabhängig davon ist die Haftung ausgeschlossen, wenn es sich bei dem Rückschnitt um eine Maßnahme der notwendigen Verwaltung gemäß § 744 Abs. 2 BGB handelte. So liegt es hier.
Nach §§ 922 S. 2, 744 Abs. 2 BGB ist jeder Teilhaber berechtigt, die zur Erhaltung des Gegenstands notwendigen Maßregeln ohne Zustimmung der anderen Teilhaber zu treffen. Unter Zugrundelegung der Darlegungen der Parteien und der Ausführungen des Sachverständigen war es Ende 2016 im Sinne einer fachgerechten Pflege sowohl aus ökologischen Gründen als auch aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht geboten, die Hecke „auf den Stock“ zu setzen. Trotz der Bemühungen der Beklagten, sich im Vorfeld insoweit mit den Klägern zu einigen, haben sich die Kläger dagegen bis zuletzt beharrlich gewehrt.
Die Pflanzen führten jedenfalls im Herbst 2016 unstreitig zu einer Beeinträchtigung des Verkehrs in der Straße „G.“, weil sich entgegenkommende Fahrzeuge nicht ausweichen konnten, ohne Gefahr zu laufen, von Ästen oder Zweigen der Hecke zerkratzt zu werden. Insoweit war es bereits zu mindestens einer Beschwerde eines Anwohners gekommen. Der Kläger zu 2) hatte sich diesbezüglich u.a. mit E-Mail vom 23.11.2016 an das Amt und mit E-Mail vom 28.11.2016 an die Beklagte gewandt. In der mündlichen Verhandlung vom 01.11.2023 hat der Kläger zu 2) noch einmal bestätigt, dass es zu Verkehrsbehinderungen gekommen sei. U.a. hat er ausgeführt, dass wegen des Bewuchses bereits im Jahr zuvor der Fahrer des Müllwagens nicht mehr bereit gewesen sei, rückwärts in die Straße „G.“ zu fahren. Vor diesem Hintergrund war die Beklagte schon aus Gründen der gebotenen Verkehrssicherung verpflichtet, einen fachgerechten Rückschnitt der Hecke vorzunehmen, um Gefahren für den Straßenverkehr zu vermeiden.
Es war aber auch aus ökologischen Gründen gerechtfertigt, die Hecke „auf den Stock“ zu setzen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen B., der die Hecke am 26.05.2020 selbst besichtigt hat, handelt es sich bei der „Hecke“ eigentlich um eine „freiwachsende Feldgehölzreihe“ aus landschaftstypischen Laubgehölzen (Flieder, Weißdorn, Schlehe, Hainbuche). Sie sei straßenseitig auf eine Höhe von 10 bis 20 cm zurückgeschnitten worden, was fachlich als „auf den Stock gesetzt“ bezeichnet werde. An vier Stellen seien zwar noch Lücken vorhanden, deren Gesamtlänge sich auf ca. 14,5 m erstrecke. Mit Ausnahme der Lücken sei die Anpflanzung insgesamt jedoch arttypisch und üblich entwickelt. Die zurückgeschnittenen Laubgehölze hätten sich bis zur Ortsbesichtigung am 26.05.2020 regeneriert und erreichten Wuchshöhen von 2 bis 2,5 m. Die übliche Gehölzfunktion sei erfüllt, die Gehölze wiesen eine gute Vitalität und Entfaltung auf. Es bestünden nur geringe mechanische Schäden und Fäulen. Durch die vier Lücken sei die Abschirmungsfunktion allenfalls leicht eingeschränkt und nur beschränkt auf den hinteren Gründstücksteil. Eine Zerstörung liege nicht vor und es müssten auch keine Gehölze entfernt werden. Unmittelbar nach dem Rückschnitt sei die Gehölzfunktion zwar zweifelsfrei vermindert gewesen. Laubgehölze tolerierten Rückschnitte jedoch und benötigten sie sogar regelmäßig, um sich dicht zu entwickeln. Der erfolgte Rückschnitt, wie er sich aus den eingereichten Lichtbildern ergebe, werde als üblich und fachgerecht bewertet. Der bodennahe Rückschnitt – also ein „Auf-den-Stock-setzen“ – sei im Rahmen der üblichen Pflegemaßnahmen meistens alle 10 bis 15 Jahre notwendig und fachgerecht. Es wäre unfachmännisch, die Gehölze beispielsweise auf einer Höhe von 1,5 bis 2 m zu kappen oder ständig nur in ihrer seitlichen Ausdehnung einzukürzen („schlägeln“). Auch der einseitige straßenseitige Rückschnitt sei als fachgerecht zu bewerten, weil hierdurch die Gehölzfunktion für den verbliebenen Heckenbereich auf dem Grundstück der Kläger erhalten bliebe. In Zukunft sei nicht mit einem Verlust oder einer Verminderung der Gehölzfunktion zu rechnen, sondern die Dichte und Entwicklung der Anpflanzung werde zunehmen.
Der Senat vermag sich den Ausführungen des Sachverständigen in eigener kritischer Würdigung anzuschließen. Der Sachverständige ist studierter Landschaftsarchitekt und von der Industrie- und Handelskammer öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die Gebiete Garten- und Landschaftsbau, Wertermittlung von Freianlagen, Gärten, Grünanlagen und Gehölze sowie Baumpflege, Verkehrssicherheit von Bäumen und Baumwertermittlung ist. Für die Beantwortung der Beweisfragen ist der Sachverständige damit fachlich gut qualifiziert. Seine Ausführungen sind nachvollziehbar und widerspruchsfrei. Die Einholung eines neuen Gutachtens (§ 412 Abs. 1 ZPO) war danach nicht veranlasst.
Die Augenscheinseinnahme der eingereichten aktuellen Lichtbilder von der Hecke ergab, dass die Gehölzfunktion der Hecke inzwischen wieder vollständig hergestellt ist.
Unerheblich ist, ob der Kläger zu 2) selbst vor Dezember 2016 einen gewissen Rückschnitt vorgenommen hat. Denn seine Maßnahmen beschränkten sich auf ein „Schlägeln“ o.ä., was nach den Ausführungen des Sachverständigen gerade nicht ausreichend und fachgerecht war. Unerheblich ist auch, ob tatsächlich im Dezember 2016 noch Verkehrsbehinderungen durch die Hecke bestanden. Unabhängig davon, dass ein fachgerechter Rückschnitt geboten war, dessen Erforderlichkeit nicht mit der Durchführung nicht fachgerechter Maßnahmen entfällt, kommt es nicht nur darauf an, ob zum Zeitpunkt des Rückschnitts Verkehrsbehinderungen bestanden, sondern auch darauf, ob Behinderungen im Laufe der folgenden Vegetationszeit bis zum Herbst des Folgejahres zu erwarten waren. Denn der fachgerechte Rückschnitt wäre nur bis Ende Februar eines Jahres zulässig gewesen. Schon deshalb musste die Beklagte den Rückschnitt rechtzeitig und unabhängig vom Vorliegen aktueller Verkehrsbehinderungen veranlassen, um ihrer Verkehrssicherungspflicht ordnungsgemäß nachzukommen. Danach bedurfte es keiner weiteren Beweisaufnahme durch Vernehmung von Zeugen zum Zustand der Hecke im November 2016; diesbezügliche Beweisanträge sind unerheblich.
Es ist unstreitig, dass ein „auf den Stock setzen“ in den vergangenen (mindestens) 15 Jahren vor Dezember 2016 nicht erfolgt war; vielmehr war die Hecke bereits bei Erwerb des Grundstücks durch die Kläger über 10 Jahre vor dem streitgegenständlichen Rückschnitt hoch gewachsen. Dies ergibt sich nicht zuletzt auch aus den Lichtbildern des Anlagenkonvoluts K 18 (Anlagenband). Die Maßnahme erfolgte deshalb auch zu einem fachlich korrekten Zeitpunkt.
Nachdem ein Schadensersatzanspruch der Kläger schon dem Grunde nach nicht besteht, kommt es auf die Höhe eines etwaigen Schadens nicht mehr an. Ausführungen zur (fehlenden) Ersatzfähigkeit der Kosten für einen Zaun und einen Sichtschutz erübrigen sich deshalb. Der Umstand, dass zeitweise Lücken in der Hecke verblieben sind, ist nicht auf eine Pflichtverletzung der Beklagten zurückzuführen, sondern allenfalls eine – der Beklagten nicht zurechenbare – Folge der fachgerechten Pflegemaßnahme. Dieser Zustand ist durch die Kläger im Rahmen der nach § 922 BGB zulässigen Maßnahmen der „notwendigen Verwaltung“ hinzunehmen. Ganzjähriger Blickschutz war ohnehin schon aufgrund der Gehölzart (Laubgehölze, Flieder, Weißdorn, Schlehe und Hainbuche) zu keinem Zeitpunkt gegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.