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Rücktritt vom notariellen Kaufvertrag wegen Fehlverhaltens des Käufers

OLG Frankfurt 25. Zivilsenat – Az.: 25 U 31/18 – Urteil vom 09.03.2020

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Marburg vom 30. November 2017 wird zurückgewiesen.

Der Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Streitverkündeten zu tragen.

Dieses und das angefochtene Urteil des Landgerichts vom 30. November 2017 sind vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf EUR 36.865,95 festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger, ein irischer Staatsangehöriger, nimmt die Beklagten im Zusammenhang mit der Rückabwicklung eines von dem Streitverkündeten beurkundeten Kaufvertrages über ein in Stadt1 gelegenes Wohnungseigentumsobjekt in Anspruch.

Die Beklagte zu 1) erwarb im Jahr 2013 das mit einem Mehrfamilienhaus bebaute Anwesen in Stadt1, Straße1. Es wurde seitdem von der Beklagten zu 1) mit dem Ziel der anschließenden Veräußerung von Eigentumswohnungen modernisiert. Der frühere Beklagte zu 2) ist der Geschäftsführer der Beklagten zu 1), der frühere Beklagte zu 3) ist Inhaber der Firma A, die das Objekt anbot.

Der Kläger, der sich nach Kontakt mit dem früheren Beklagten zu 3) für eine Wohnung interessierte, veranlasste zunächst eine Begutachtung der Wohnung Nr. 12 (OG) des Anwesens durch den Privatsachverständigen B. Dieser führte am 06. Juni 2014 eine Besichtigung des Objekts durch und erstellte unter dem 29. Juni 2014 einen Bericht über die zu erwerbende Wohnung (Anlage K 5, Bl. 62 ff. d. A.).

Am 02. Juli 2014 beurkundete der Streitverkündete zu UR-Nr.: … einen Grundstückskaufvertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) über die dort näher bezeichnete Eigentumswohnung (im Aufteilungsplan mit Nr. 12 bezeichnet) zu einem Kaufpreis von EUR 117.500,- (Anlage K 3, Bl. 56 ff. d. A.). Mit Schreiben vom 20. August 2014 (Anlage B 4, Bl. 155 ff. d. A.) wies der Streitverkündete den Kläger auf den Eintritt der Voraussetzungen der Kaufpreisfälligkeit hin und bat um Überweisung des Kaufpreises auf ein näher bezeichnetes Konto binnen 10 Tagen.

Mit Schreiben vom 28. August 2014 (Anlage K 13, Bl. 95 ff. d. A.) wandte sich der Kläger, nunmehr anwaltlich vertreten, an die Beklagte zu 1) und forderte diese unter Hinweis auf eine vollständige Kaufpreiszahlung zur Übergabe auf und setzte eine Frist bis zum 03. September 2014. Mit anwaltlichem Schreiben vom 03. September 2014 (Anlage K 16, Bl. 101 ff. d. A.) forderte der frühere Beklagte zu 3) den Kläger zur Begleichung der Maklerprovision auf. Mit Schreiben vom 03. September 2014 (Anlage B 1, Bl. 151 d. A.) wies die Beklagte zu 1) den Kläger, nachdem sich die Vertragsparteien zwischenzeitlich auf eine Minderung des Kaufpreises auf jedenfalls EUR 16.100,- verständigt hatten, auf einen nach Zahlung von EUR 115.100,- noch verbleibenden Differenzbetrag von EUR 1.000,- hin und setzte dem Kläger zur Zahlung des Restbetrages eine Frist bis zum 11. September 2014.

Ebenfalls am 03. September 2014 begab sich der Kläger in das Haus Nr. … des Anwesens und zog dort von zwei anderen Wohnungen die von außen steckenden Wohnungsschlüssel ab. Von einem dort anwesenden Mitarbeiter der Beklagte zu 1) mit dem Vorwurf des Diebstahls konfrontiert verließ der Kläger mit den Schlüsseln das Grundstück der Beklagten zu 1) und gab diese nach ca. 2 Stunden bei der Polizei ab. Die Beklagte zu 1) nahm dieses Geschehen zum Anlass, gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 04. September 2014 den Rücktritt zu erklären (Anlage B 2, Bl. 152 d. A.).

Rücktritt vom notariellen Kaufvertrag wegen Fehlverhaltens des Käufers
(Symbolfoto: Von fizkes/Shutterstock.com)

Mit Schreiben vom 25. September 2014 (Anlage B 3, Bl. 153 ff. d. A.) verwies die nunmehr anwaltlich vertretene Beklagte zu 1) den Kläger auf einen aus ihrer Sicht noch bestehenden Rückzahlungsanspruch in Höhe von EUR 112.715,40 und bat um Erteilung einer Löschungsbewilligung für die zu Gunsten des Klägers eingetragene Auflassungsvormerkung unter einer Treuhandauflage für den Streitverkündeten. Gleichzeitig teilte die Beklagte zu 1) mit, dass sie versuchen werde, die Wohnung anderweitig zu verkaufen und – falls der Erlös nicht den mit dem Kläger vereinbarten Kaufpreis erreiche – mit weiteren Schadensersatz-anspruch zu rechnen sei. Der Kläger erklärte mit Schreiben vom 07. Oktober 2014 (Anlage K 18, Bl. 106 ff. d. A.) ebenfalls den Rücktritt von dem Kaufvertrag.

Mit Schreiben vom 17. November 2014 (Anlage B 5, Bl. 156 ff. d. A.) teilte die Beklagte zu 1) dem anwaltlich vertretenen Kläger mit, dass das höchste Gebot für die Wohnung bei derzeit EUR 103.000,- liege und wies auf die Gelegenheit hin, einen Käufer zu benennen, der einen höheren Kaufpreis zahle. Mit weiterem Schreiben vom 11. Dezember 2014 (Anlage K 19, Bl. 108 d. A.) teilte die Beklagte zu 1) dem anwaltlich vertretenen Kläger den zwischenzeitlichen erfolgten anderweitigen Verkauf des Objektes mit und unterbreitete den Vorschlag, dass der Streitverkündete gegen Zahlung von EUR 99.615,60 von der Löschungsbewilligung Gebrauch machen dürfe. Mit Schreiben vom 01. April 2015 (Anlage K 20, Bl. 109 d. A.) bestätigte der Kläger gegenüber dem Streitverkündeten den Eingang eines Betrages in Höhe von EUR 99.615,60 und erklärte, dass von der diesem vorliegenden Löschungsbewilligung Gebrauch gemacht werden könne.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der beurkundete Kaufvertrag, bei dem es sich im Übrigen um einen Werkvertrag und nicht um einen Kaufvertrag handele, sei nichtig. Der Streitverkündete habe es versäumt, angesichts seiner nur unzureichenden Sprachkenntnisse bei der Beurkundung einen Dolmetscher hinzuzuziehen. Der von der Beklagten zu 1) erklärte Rücktritt sei unwirksam, während er von dem Kaufvertrag habe wirksam zurücktreten können. Am 03. September 2014 habe er die endgültige Fertigstellung von Arbeiten in dem Objekt überprüfen wollen. Da kein Schlüssel an seiner Wohnungstür gesteckt habe, habe er die Schlüssel der beiden anderen Wohnungen abgezogen, um auf diese Weise in die von ihm erworbenen Wohnung zu gelangen. Im Wege der Rückabwicklung könne er noch gezahlten Restkaufpreis in Höhe von EUR 15.484,40 verlangen. Ferner stünden ihm der Ersatz von Beurkundungskosten, Erstattung von Pensionskosten, Mietaufwendungen für eine von ihm angemietete Wohnung, Ersatz für die Kosten der Einlagerung seines Hausstandes in Stadt2 (Großbritannien), Ersatz des Wechselkursschadens für eine verzögerte Auszahlung des Kaufpreises sowie Ersatz von Rechtsanwaltskosten zu.

Die Parteien haben die in dem Urteil des Landgerichts wiedergebenden Anträge gestellt.

Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, dass die Beklagte zu 1) zum Rücktritt berechtigt gewesen sei, da ihr ein Festhalten an dem Vertrag nicht mehr habe zugemutet werden können. Sie habe ihrerseits mit Schadensersatzansprüchen gegen den Rückzahlungsanspruch des Klägers aufrechnen können.

Im Übrigen wird hinsichtlich des diesem Rechtsstreit zugrundeliegenden Sachverhalts auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil vom 30. November 2017 Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Durch dieses Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen (vgl. insoweit Urteil vom 30. November 2017, Bl. 247 ff. d. A.).

Mit seiner Berufung begehrt der Kläger die Abänderung des Urteils und – unter Zusammenfassung seiner Anträge – die Stattgabe der Klage. Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag sei bereits nichtig, weil er als muttersprachlich Englisch sprechender Ire den Inhalt des Vertrags nicht verstanden habe. Im Übrigen folge die Nichtigkeit des Vertrages auch aus der fehlenden Beurkundung der Leistungsbeschreibung, da nach § 311 b BGB alle Vereinbarungen der notariellen Beurkundung bedürften, aus denen sich nach dem Willen der Parteien das schuldrechtliche Veräußerungsgeschäft zusammensetze. Das Landgericht habe auf den streitgegenständlichen Vertrag fehlerhaft Kaufrecht angewendet. Es liege allerdings vorliegend ein Bauträgervertrag vor, der neben den kaufrechtlichen Elementen vor allem werkvertraglichen Charakter habe. Mangels Abnahme sei daher eine Fälligkeit des Kaufpreises nicht eingetreten gewesen, die Zahlung des Kaufpreises sei vor Fälligkeit erfolgt und die Rücktrittsandrohung der Beklagten zu 1) vom 03. September 2016 schon allein deshalb gegenstandslos. Im Übrigen habe die Beklagte zu 1) eine Tätigkeit nach § 34 c Gewerbeordnung ausgeübt und widerrechtlich die Schutznormen der Makler- und Bauträgerverordnung nicht beachtet und insbesondere keine Freistellungserklärung nach der Makler- und Bauträgerverordnung beschafft. Auch habe die Beklagte zu 1) widerrechtlich keine Möglichkeit für eine Abnahme der Wohnung geschaffen und den Kläger auf den früheren Beklagten zu 3) verwiesen, der sich ihm gegenüber aber noch einer offenen Maklerforderung berühmt habe. Insgesamt seien damit der Beklagten zu 1) Rechtsverfehlungen vorzuwerfen, die deutlich über das Rücksichtnahmegebot des § 241 Abs. 2 BGB hinausgingen. Das Landgericht habe aber fehlerhaft nur einen Verstoß des Klägers gegen das Rücksichtnahmegebot festgestellt und ihm verbotene Eigenmacht vorgeworfen. Es sei aber die Beklagte zu 1) gewesen, die sich in eklatanter Weise rechtswidrig verhalten habe. Demgegenüber trete das Fehlverhalten des Klägers zum Thema „Schlüssel“ weitgehend zurück.

Der Kläger hat die Berufung gegen die Beklagten zu 2) und 3) mit Schriftsatz vom 15. Juni 2018 (Bl. 429 d. A.) zurückgenommen, worauf der Senat den Verlust des eingelegten Restmittels und die Verpflichtung zur Kostentragung ausgesprochen hat (Bl. 440 f. d. A.).

Der Kläger beantragt nunmehr unter Abänderung des angefochtenen Urteils, die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an ihn EUR 36.865,95 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz, bezogen auf einen Betrag in Höhe von EUR 15.484,40 weit dem 24. September 2014, bezogen auf einen Teilbetrag in Höhe von EUR 1.128,30 seit dem 11. Juli 2015, bezogen auf einen Teilbetrag in Höhe von EUR 14.261,66 seit dem 01. November 2015 und hinsichtlich eines Teilbetrags in Höhe von EUR 5.991,59 zu zahlen.

Die Beklagte zu 1) und der Streitverkündete beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte zu 1) verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

A. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Die Einlegungs- und die Begründungsfrist wurde gewahrt. Das Rechtsmittel ist nach § 511 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO statthaft.

B. Die Berufung des Klägers ist nicht begründet.

1. Entgegen der Rechtsansicht des Klägers ist eine Nichtigkeit des zwischen ihm und der Beklagten zu 1) am 02. Juli 2014 geschlossenen, durch den Streitverkündeten zu UR-Nr.: … beurkundeten Grundstückskaufvertrags über die streitgegenständliche Eigentumswohnung (im Aufteilungsplan mit Nr. 12 bezeichnet) nicht gegeben (§ 125 BGB).

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a) Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass eine Nichtigkeit des notariellen Vertrages wegen fehlender Hinzuziehung eines Dolmetschers bei der Beurkundung und damit ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 16 BeurkG nicht festgestellt werden kann. Denn dass der Kläger bei der Beurkundung der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig war, kann nicht bejaht werden. Wie auch erstinstanzlich konnte der persönlich anwesende Kläger auch in dem Termin vor dem Senat der mündlichen Verhandlung ohne ersichtliche Schwierigkeiten folgen und sich in der deutschen Sprache gut verständigen. Der Eindruck des Senats zu den deutschen Sprachkenntnissen des Klägers deckt sich daher mit denen des Landgerichts. Aus dem vorgelegten E-Mail-Verkehr der Parteien (Anlage K 9, 11, Bl. 91 ff. d. A.) kann im Übrigen entnommen werden, dass der Kläger auch zum Zeitpunkt der Beurkundung des Kaufvertrages im Jahr 2014 über ausreichend gute Deutschkenntnisse verfügte.

b) Eine Nichtigkeit des zwischen den Parteien geschlossenen notariellen Vertrages folgt auch nicht aus § 311 b BGB wegen fehlender Beurkundung der Baubeschreibung. Denn die Parteien haben entgegen der Rechtsansicht des Klägers keinen Bauträgervertrag, sondern einen Kaufvertrag über die streitgegenständliche Wohnung geschlossen.Ein sogenannter Bauträgervertrag liegt vor, wenn der beauftragte Unternehmer (Bauträger) das Bauwerk auf einem bereits in seinem Eigentum stehenden oder noch zu erwerbenden Grundstück errichtet. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat die Rechtsnatur des Bauträgervertrages – vor dessen besonderer Regelung in den §§ 650 u, 650 v BGB n.F. – als einen Vertrag sui generis bzw. als Typenkombinationsvertrag eingeordnet (Wagner in: Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht, 3. Auflage, E. Bauträgervertrag, Rn. 23 m.w.N.). Neben kaufrechtlichen Elementen findet hinsichtlich der Bauerrichtungsverpflichtung sowie der damit zusammenhängenden Gewährleistung Werkvertragsrecht Anwendung. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist allerdings beim Erwerb von Altbauten Werkvertragsrecht nur dann anwendbar, wenn der Erwerb des Grundstücks mit einer Herstellungsverpflichtung verbunden ist, weil der Veräußerer dann, wenn er vertragliche Bauleistungen übernimmt, die insgesamt nach Umfang und Bedeutung mit Neubauarbeiten vergleichbar sind, nicht nur für die ausgeführten Umbaumaßnahmen haftet, sondern auch für die in diesem Bereich vorhandene Altbausubstanz nach den Gewährleistungsregeln des Werkvertrages, wobei ohne Bedeutung ist, ob den Parteien den Vertrag als Kaufvertrag bezeichnet haben (BGH Urteil vom 26. April 2007 – VIII ZR 210/05, BeckRS 2007, 10153; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 26. April 2018 – 15 U 74/17 jeweils m.w.N.).

Eine solche Herstellungsverpflichtung hat die Beklagten zu 1) jedoch nach den Regelungen des zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrages nicht übernommen. Auch die in der „Allgemeinen Baubeschreibung (Sanierung/Renovierung)“ aufgeführten Renovierungs- und Modernisierungsmaßnahmen im Altbaubestand wie Einbringung einer Wärmedämmung, Einbau von Kunststofffenstern und elektrischen Rollläden, die Erneuerung von Haustüren, des Innenputzes und der Fußböden enthalten keinen solchen Eingriff in die Gebäudesubstanz, dass von mit Neubauarbeiten vergleichbaren Maßnahmen gesprochen werden könnte, so dass entgegen der seitens der Parteien gewählten Bezeichnung Kaufvertrag inhaltlich von einem Bauträgervertrag auszugehen wäre. Vielmehr handelt es sich bei den von der Beklagten zu 1) vorgenommenen Maßnahmen um Renovierungs- und Sanierungsarbeiten, die die Gebäudesubstanz selbst unberührt gelassen haben, so dass auf den notariell beurkundeten Vertrag 02. Juli 2014 Kaufrecht anzuwenden ist. Der zwischen den Parteien geschlossene notarielle Kaufvertrag ist damit nicht formnichtig. Die den Vertragsgegenstand bildende Eigentumswohnung nebst Sondereigentum wird hinreichend, insbesondere auch durch Bezugnahme auf einen der Kaufvertragsurkunde beigefügten Plan, individualisiert (Gehrlein in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck, BeckOK BGB, 53. Ed., § 311 b, Rn. 21 m.w.N.).

2. Die Beklagte zu 1) ist mit Schreiben vom 04. September 2014 (Anlage B 2, Bl. 152 d. A.) wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten.

a) Vorliegend kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte zu 1) grundsätzlich aufgrund eines Zahlungsverzugs des Klägers im Sinne von § 323 Abs. 1 BGB zum Rücktritt berechtigt war.b) Jedenfalls war die Beklagte zu 1) – wie das Landgericht im Ergebnis zutreffend ausgeführt hat – berechtigt, von dem Vertrag gemäß § 324 BGB zurückzutreten.

aa) Verletzt ein Schuldner bei einem gegenseitigen Vertrag eine Pflicht nach § 241 Abs. 2 BGB, so kann der Gläubiger zurücktreten, wenn ihm ein Festhalten an dem Vertrag nicht mehr zuzumuten ist (§ 324 BGB). Nach § 241 Abs. 2 BGB kann das Schuldverhältnis nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten. Das Schuldverhältnis erschöpft sich damit nicht in der Herbeiführung des geschuldeten Leistungserfolges, sondern ist eine von Treu und Glauben beherrsche Sonderverbindung. Wie § 241 Abs. 2 BGB ausdrücklich klarstellt, treten daher zu den leistungsbezogenen Pflichten Rücksichtspflichten hinzu (Palandt-Grüneberg, BGB,79. Aufl., § 241, Rn. 6 m.w.N.).

bb) Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass sich der Kläger in äußerst übergriffiger Weise über die Besitz- und Eigentumsrechte der Beklagten zu 1) hinweggesetzt hat, insbesondere, indem er Schlüssel von zwei fremden Wohnungstüren im Anwesen der Beklagten zu 1) abzog, diese nicht direkt an den Mitarbeiter der Beklagten zu 1) trotz eines Diebstahlvorwurfes zurückgab, sondern sie mit nach Haus nahm und erst später zur Polizei brachte. Mit dem Abziehen der in den Türen der fremden Wohnungen steckenden Schlüssel hat er es in Kauf genommen, den dort Berechtigten jedenfalls temporär am Betreten der Wohnungen wie auch am ordnungsgemäßen Verschließen der Wohnungen zu hindern. Insofern der Kläger im streitgegenständlichen Verfahren behauptet hat, er habe die Schlüssel zu den anderen Wohnungen abgezogen, um auf diese Weise in die von ihm erworbene Wohnung zu gelangen, ergibt sich aus dem nunmehr mit klägerischem Schriftsatz vom 25. Februar 2020 vorgelegten Polizeibericht vom 03. September 2014 (Anlage BK 13, Bl. 603 d. A.) etwas anderes. Dort wurde seitens des diensthabenden Polizisten folgender durch den Kläger geschilderter Sachverhalt aufgenommen:

„(…) Da ich heute wieder vergeblich auf eine Nachricht der o.a. Firma C mbH) wartete, habe ich in einer Kurzschlussreaktion zwei Wohnungsschlüssel aus der Hausnummer … aus den jeweiligen Wohnungstüren gezogen und mitgenommen. Das ist nur passiert, weil ich mich geärgert habe, dass ich nicht in meine Wohnung kam (…)“

Hieraus ergibt sich, dass es dem Kläger bei Ansichnahme der Schlüssel nicht darum ging, sich mit diesen den Zutritt zu der von ihm erworbenen Wohnung zu verschaffen, sondern er von vornherein aus Frustration und Ärger über die aus seiner Sicht unrechtmäßig verzögerte Wohnungsübergabe die Beklagte zu 1) schädigen wollte. Bei Beurteilung dieses Fehlverhaltens ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger nach eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 21. Februar 2010 (Bl. 575 f. d. A.) die Schlüssel nicht zügig zurückgab, sondern für etwa zwei Stunden behielt und erst tätig wurde, als die Chefin der Firma D ihn telefonisch um die Rückgabe bat. Dies nahm der Kläger auch nicht zum Anlass, die Schlüssel zurückzubringen, sondern übergab sie der Polizei, von wo die Beklagte zu 1) sie abholen mussten. Die Beklagte zu 1) war daher berechtigt, gestützt auf dieses Verhalten von dem zwischen den Parteien geschlossen Wohnungskaufvertrag zurückzutreten, da ihr ein Festhalten an dem Vertrag nicht mehr zuzumuten war. Einer Abmahnung war vorliegend nicht veranlasst.

cc) Entgegen der Rechtsansicht des Klägers hat sich die Beklagte zu 1) nicht in eklatanter Weise rechtswidrig verhalten, so dass demgegenüber das Fehlverhalten des Klägers zum Thema „Schlüssel“ weitgehend zurück tritt.

Das Landgericht hat zutreffend auf den streitgegenständlichen Grundstückskaufvertrag über die Eigentumswohnung Kaufrecht angewendet. Insoweit kann der Beklagten zu 1) daher kein Fehlverhalten vorgeworfen werden. Wie bereits unter Ziff. A. 1. b) ausgeführt, handelt es sich vorliegend um einen Kaufvertrag und keinen sogenannten Bauträgervertrag, da die Beklagte zu 1) mit den durchgeführten Renovierungs- und Modernisierungsmaßnahmen keine vertraglichen Bauleistungen übernommen hat, die insgesamt nach Umfang und Bedeutung mit Neubauarbeiten vergleichbar sind. Dies hat zur Folge, dass vorliegend – entgegen der Rechtsansicht des Klägers – Werkvertragsrecht keine Anwendung findet und sich somit insbesondere auch die Fälligkeit des Kaufpreises nicht nach Werksvertragsrecht richtet. Dem Kläger ist auch nicht dahingehend zu folgen, dass der Beklagte zu 1) vorzuwerfen sei, eine Tätigkeit nach § 34 c Gewerbeordnung ausgeübt und widerrechtlich die Schutznormen der Makler- und Bauträgerverordnung nicht beachtet und insbesondere keine Freistellungserklärung nach der Makler- und Bauträgerverordnung beschafft zu haben. Denn auch insoweit wäre es jedenfalls erforderlich gewesen, dass es sich vorliegend um einen Bauträgervertrag gehandelt hätte. Insofern der Kläger behauptet, die Beklagte zu 1) habe ihm widerrechtlich keine Möglichkeit für eine Abnahme der Wohnung geschaffen und ihn auf den früheren Beklagten zu 3) verwiesen, der sich ihm gegenüber aber einer offenen Maklerforderung berühmt habe, kann auch hierin kein Fehlverhalten der Beklagten zu 1) gesehen werden, da nicht ersichtlich ist, dass die Beklagte zu 1) oder aber der Beklagte zu 3) die Übergabe der Wohnung ausdrücklich von der Zahlung der Maklerprovision abhängig gemacht hätten. Auch insoweit der Mitarbeiter der Beklagten zu 1) in einer e-mail vom 28. August 2014 dem Kläger – offensichtlich als Reaktion auf ein (nicht vorgelegtes) anwaltliches Schreiben des Klägers vom 27. August 2014 – mitteilt, dass die Geschäftsführung der Beklagten zu 1) die Vollmacht des früheren Beklagten zu 3) zur Übergabe der Wohnung widerrufen habe und eine Rechtsanwaltskanzlei eingeschaltet werde, die sich mit dem Kläger in Verbindung setze (Anlage BK 11, Bl. 601 d. A.), ist hieraus ein vertragswidriges Verhalten der Beklagten zu 1) nicht abzuleiten. Denn es ist mangels Vorlage des in Bezug genommenen rechtsanwaltlichen Schreiben des Klägers vom 27. August 2014, das nach den Ausführungen der Beklagten u.a. Drohungen enthalten soll, nicht nachvollziehbar, ob das Verhalten der Beklagten zu 1) überzogen ist oder nicht.

c) Nach dem von der Beklagten zu 1) mit Schreiben vom 04. September 2014 nach § 349 BGB erklärten Rücktritt, wiederholt mit Schreiben vom 25. September 2014, hat sich das Vertragsverhältnis der Vertragsparteien in ein Rückgewährschuldverhältnis nach §§ 346 ff. BGB umgewandelt. Mithin war die Beklagte zu 1) grundsätzlich nach § 346 Abs. 1 BGB verpflichtet, an den Kläger den gezahlten Kaufpreis in Höhe von EUR 115.100,- zurückzuzahlen.

3. Die Beklagte zu 1) hat gegenüber diesem Rückzahlungsanspruch des Klägers jedoch wirksam mit einem Schadensersatzanspruch in Höhe von insgesamt EUR 15.484,80 die Aufrechnung erklärt, so dass an den Kläger – wie geschehen – nur noch ein Betrag in Höhe von EUR 99.615,20 auszukehren war. Denn die Beklagte zu 1) war nach wirksam erklärtem Rücktritt gemäß § 325 BGB auch zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 249 BGB berechtigt; die Pflichtverletzung hatte der Kläger auch zu vertreten (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Beklagte zu 1) war daher nach wirksam erklärtem Rücktritt zur Vornahme eines Deckungskaufes berechtigt. Die Beklagte zu 1) hat substantiiert unter Vorlage des anderweitig geschlossenen Kaufvertrags (Anlage K 19, Bl. 108 d. A.) dargelegt, über die streitgegenständliche Wohnung einen Kaufvertrag über EUR 103.000,- geschlossen zu haben. Der Kläger kann der Beklagten zu 1) unter dem Gesichtspunkt einer Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB auch nicht entgegenhalten, dass ein höherer Kaufpreis als EUR 103.000,- für die Wohnung zu erzielen gewesen wäre. Denn mit Schreiben vom 17. November 2014 (Anlage B 5, Bl. 156 ff. d. A.) hat die Beklagte zu 1) dem anwaltlich vertretenen Kläger mitgeteilt, dass das höchste Gebot für die Wohnung bei derzeit EUR 103.000,- liege und auf die Gelegenheit hingewiesen, einen Käufer zu benennen, der einen höheren Kaufpreis zahle. Der Kläger ist insoweit offensichtlich nicht tätig geworden. Es fehlt im Übrigen auch an konkretem Vorbringen zur Marktlage für das Objekt zum damaligen Zeitpunkt. Hinsichtlich des erzielten Verkaufserlöses ist auch zu berücksichtigen, dass das streitgegenständliche Objekt im Zeitpunkt der Veräußerung noch mit einer Auflassungsvormerkung zu Gunsten des Klägers versehen war, der mit Schreiben vom 07. Oktober 2014 (Anlage K 18, Bl. 106 ff. d. A.) die Erteilung der Löschungsbewilligung der zu seinen Gunsten eingetragenen Auflassungsvormerkung von dem Ausgleich des gesamten von ihm geforderten Schadens abhängig gemacht hatte. Die Beklagte zu 1) konnte daher einen Differenzbetrag in Höhe von EUR 13.100,- als Schaden geltend machten, des Weiteren die ihr entstandenen Grundbuchkosten in Höhe von EUR 300,- sowie bei Rückabwicklung des Kaufvertrages entstandene anwaltliche Kosten in Höhe von EUR 2.084,80.

4. Dem Kläger stehen gegen die Beklagte zu 1) bis zu dem am 03. September 2014 erklärten Rücktritt von dem Wohnungskaufvertrag keine Schadensersatzansprüche nach §§ 280 Abs. 1 249 ff. BGB zu. Wie bereits unter Ziffer B. 2. b) cc) ausgeführt, ist auf den vorliegenden Vertrag Kaufrecht anzuwenden ist, so dass sich insbesondere auch die Modalitäten der Übergabe wie auch die Fälligkeit des Kaufpreises nicht nach Werksvertragsrecht richten. Insofern ist eine Pflichtverletzung der Beklagten zu 1), die aus der Anwendung von Kaufrecht auf den streitgegenständlichen Vertrag resultiert, nicht ersichtlich. Des Weiteren besteht – wie ebenfalls unter Ziffer B. 2. b) cc) ausgeführt – auch kein Schadensersatzanspruch im Hinblick auf eine von der Beklagten zu 1) zu vertretenen verzögerten Abwicklung des streitgegenständlichen Vertrages.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 101 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO.

Ein Grund zur Zulassung der Revision besteht nicht. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichtes.

D. Der Streitwert für das Berufungsverfahren ist auf EUR 36.865,95 festzusetzen.

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