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Sachverständigenablehnung Beweissicherungsverfahren für Baumängel  – Besorgnis der Befangenheit

KG Berlin – Az.: 15 W 51/11 – Beschluss vom 25.07.2011

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landgerichts vom 12.05.2011 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Wert des Beschwerdegegenstands entspricht einem Drittel des Werts der Hauptsache.

Gründe

I.

Die Parteien streiten im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens über das Vorhandensein von Baumängeln im Eigentumswohnungsobjekt WE 20, DG, … , … Berlin, vor der Zivilkammer 9 des Landgerichts Berlin. Der Rechtsstreit befindet sich im Stadium der Beweisaufnahme aufgrund des Beweisbeschlusses der erkennenden Kammer vom 01.07.2010, mit dem die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens angeordnet wurde. Zum Sachverständigen wurde mit Beschluss vom 05.08.2010 Herr … bestellt. Der Sachverständige legte sein schriftliches Gutachten am 21.01.2011 vor. In seiner Stellungnahme zum Gutachten (Schriftsatz vom 08.03.2011) führte der Antragsteller unter anderem aus, der Sachverständige habe beim Ortstermin am 05.10.2010 festgestellt, dass die Versiegelung des Parketts in der Wohnung augenscheinlich mangelhaft sei, und nahm dies zum Anlass, eine Ergänzungsfrage an den Sachverständigen zu stellen. Danach soll der Sachverständige klären, ob „die Versiegelung des Parketts in der Wohnung des Antragstellers mangelhaft“ sei. Der Antragsteller stellte den geschilderten Sachverhalt später richtig und führte aus, nicht der Sachverständige selbst, sondern dessen Mitarbeiter … habe sich zur Versiegelung geäußert. Dieser habe auch keine Feststellung getroffen, sondern auf die Anmerkung des für den Antragsteller anwesenden Herrn … zu den Kratzern im Parkett mitgeteilt, es „sehe so aus, dass die Versiegelung des Parketts mangelhaft“ sei.

Mit Schriftsatz vom 28.03.2011 lehnte die Antragsgegnerin den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Sie begründet dies damit, dass der Sachverständige bzw. dessen Gehilfe eine fachliche Äußerung abseits des Gutachtenauftrags getätigt habe. Ausweislich der Ziffer I.4 des Beweisbeschlusses vom 01.07.2010 sei die Versiegelung des Parketts gerade nicht verfahrensgegenständliches Beweisthema. Der Sachverständige nahm hierzu mit Schreiben vom 07.04.2011 Stellung und führte aus, dass die Kratzer im Parkett auch für einen Laien sichtbar gewesen seien. Die nunmehr vom Antragsteller als Ergänzungsfrage eingeführte Frage habe er seinerzeit jedoch als nicht vom Auftrag erfasst zurückgewiesen und auch keine diesbezüglichen Untersuchungen angestellt.

Das Landgericht wies den Befangenheitsantrag mit Beschluss vom 12.05.2011 zurück. Hiergegen legte die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 06.06.2011 sofortige Beschwerde ein, der das Landgericht mit Beschluss vom 09.06.2011 nicht abhalf.

II.

Die gemäß §§ 485ff., 406 Abs. 5, 46 Abs. 2, 567 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Zu Recht geht das Landgericht davon aus, dass entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin keine Gründe vorliegen, die geeignet sind, aus der insoweit maßgeblichen Sicht einer verständigen Partei Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu begründen (vgl. BGH IBR 2009, 683).

Zwar folgt dies nicht bereits daraus, dass die Antragsgegnerin die behauptete Äußerung des Gehilfen des Sachverständigen nicht glaubhaft gemacht hat. Die Glaubhaftmachung eines Befangenheitsgrundes ist entgegen § 406 Abs. 3, 1.HS ZPO dann entbehrlich, wenn es sich um einen unstreitigen Sachverhalt handelt, der ausdrücklich durch das Vorbringen der gegnerischen Partei bestätigt wurde. Diese Bestätigung ersetzt im Parteiprozess quasi die Glaubhaftmachung.

Wie das Landgericht zu Recht festgestellt hat, ist die Antragsgegnerin mit dem vorgetragenen Befangenheitsgrund auch zu hören, weil es ihr erst nach Kenntniserlangung von dem Grund, die in der Übersendung des Schriftsatzes des Antragstellers vom 08.03.2011 liegt, möglich war, ein Ablehnungsverfahren anzustrengen, § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO.

Mit den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts im angefochtenen Beschluss, auf die der Senat in entsprechender Anwendung von § 540 ZPO Bezug nimmt, ist jedoch festzustellen, dass die antragsgegnerseits geäußerten Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen aus der Sicht einer vernünftig denkenden Partei, wäre sie an Stelle der Antragsgegnerin, nicht begründet sind. Dabei kann es dahinstehen, ob das Verhalten des Gehilfen des Sachverständigen letzterem zuzurechnen ist. Entscheidend ist, dass selbst bei Zurechnung des Verhaltens die unstreitige Äußerung des Gehilfen, es sehe so aus, als ob die Versiegelung des Parketts mangelhaft sei, schon aus sich heraus nicht geeignet ist, den Ablehnungsantrag zu stützen.

Zwar ist der Hinweis der Antragsgegnerin völlig zutreffend, die Beschaffenheit des Parketts sei nicht von Ziffer I.4 des Beweisbeschlusses vom 01.07.2010 und damit auch nicht vom Gutachtenauftrag erfasst. Grundsätzlich gilt, dass sich ein Sachverständiger, der zu einem derartigen Thema fachliche Feststellungen trifft und damit das Beweisthema eigenmächtig ausweitet, dem Vorwurf der Parteilichkeit aussetzt. Denn ein solches Verhalten ist geeignet, den Eindruck zu erwecken, der Sachverständige wolle anstelle des Gerichts selbst das Beweisthema festlegen und womöglich einer Partei zu Erkenntnissen verhelfen, die ihre Position im Verfahren stärken. Dies wäre mit der neutralen Stellung des Sachverständigen als „Gehilfe des Gerichts“ nicht vereinbar (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 18.01.2002 – 14 W 45/01 – juris Tz. 6f.; OLG München, Beschluss vom 28.04.2008 – 24 W 122/08 – juris Tz. 12).

So liegt der vorliegende Fall indes nicht. Der Sachverständige hat – anders als in den Fällen, die den vorstehend zitierten obergerichtlichen Entscheidungen zugrunde lagen – zu keinem Zeitpunkt die fachliche Feststellung getroffen, die Versiegelung des Parketts sei mangelhaft. Dies trägt auch die Antragsgegnerin nicht vor. Vielmehr ist im Ortstermin die Äußerung gefallen, die Kratzer sähen danach aus, als ob die Versiegelung mangelhaft wäre. Mit dieser Äußerung jedoch kann der Antragsteller in Bezug auf eine mögliche Rechtsverfolgung nichts anfangen. Er weiß nämlich nach wie vor nicht positiv, ob die Kratzer auf Mängel der Versiegelung oder auf andere Umstände zurückzuführen sind. Ein Baumangel lässt sich dadurch nicht behaupten, geschweige denn beweisen. Hierzu wäre eine fachliche Feststellung notwendig, auf die der Antragsteller folgerichtig mit seiner Ergänzungsfrage im Schriftsatz vom 08.03.2011 abzielt.

Auch die somit verbleibende bloße Verdachtsäußerung, die Versiegelung sei möglicherweise mangelhaft, reicht für sich genommen nicht, die Befangenheit des Sachverständigen zu begründen. Anknüpfungspunkt für den Vorwurf der Parteilichkeit sind Verhaltensweisen des Sachverständigen, die einer Partei gegenüber der anderen Vorteile verschaffen, die sie ohne den Fachverstand des Sachverständigen nicht erlangt hätte. Dies ist freilich in Fällen anzunehmen, in denen der Sachverständige bei einem Ortstermin abseits des Beweisbeschlusses entweder versteckte Mängel zutage fördert, die für die Parteien nicht sichtbar waren, oder aber einen fachlichen Bezug und damit eine Kausalität zwischen der Ausführung des Gewerks und einem Schaden oder Mangel herstellt, der bzw. die ohne entsprechende Fachkenntnis von den Parteien nicht hätte hergestellt werden können. Vorliegend blieb unwidersprochen, dass die Kratzer im Parkett für einen Laien gut sichtbar sind. Dass Kratzer in einer bearbeiteten Oberfläche nur entstehen, wenn entweder eine zu große mechanische Einwirkung erfolgte, oder aber die Versiegelung mangelhaft ist, stellt Allgemeinwissen dar. Mithin führt die Aussage des Sachverständigen oder Gehilfen, es sehe danach aus, als ob die Versiegelung mangelhaft sei, zu keinem Erkenntnisgewinn für den Antragsteller. Dieser hätte ausschließlich in einer entsprechenden positiven fachlichen Feststellung gelegen, an der es – wie ausgeführt – jedoch fehlt.

Nach alledem ist eine Anknüpfung für Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen in dessen Verhalten nicht erkennbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, wonach die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsbehelfs der Partei zur Last fallen, die es eingelegt hat.

Der Wert der Beschwerde entspricht einem Drittel des Werts der Hauptsache (BGH AGS 2004, 159).

 

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