OLG Oldenburg, Az.: 2 W 105/96, Beschluss vom 27.08.1996
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluß des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 1. August 1996 geändert und der Befangenheitsantrag des Klägers gegen den Sachverständigen Dr. D. für begründet erklärt.
Beschwerdewert: 3.000,– DM.
Gründe
Die sofortige Beschwerde des Klägers ist gemäß § 406 Abs. 5 ZPO zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Es liegt ein Grund vor, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des vom Landgericht bestellten Sachverständigen Dr. D. zu rechtfertigen (§§ 406 Abs. 1, 42 Abs. 2 ZPO).
Für die Besorgnis der Befangenheit genügt der bei der ablehnenden Partei erweckte Anschein der Parteilichkeit. Entscheidend ist, ob vom Standpunkt der ablehnenden Partei aus objektive Gründe vorliegen, die in den Augen eines vernünftigen Menschen geeignet sind, Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu erwägen (BGH NJW 1975, 1363; Zöller-Greger, ZPO, 19. Aufl., § 406 Rdnr. 8). Nach einhelliger und zutreffender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur ist eine Ablehnung grundsätzlich begründet, wenn ein Sachverständiger in derselben Sache bereits ein Privatgutachten erstattet hat (BGH NJW 1972, 1134; OLG Frankfurt BB 1987, 26; OLG Köln VersR 1992, 517; Zöller-Greger a.a.O., Rdnr. 8; Baumbach- Hartmann, ZPO, 54. Aufl., § 406 Rdnr. 12).
Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Der vom Landgericht zum Sachverständigen bestellte Dr. D. ist im Auftrag der Beklagten bereits gutachterlich zur Beurteilung des Grades der Invalidität des Klägers tätig gewesen. Unerheblich für die Frage der Besorgnis der Befangenheit ist es insoweit, daß der Gutachtenauftrag der Beklagten sich an Prof. Dr. M. richtete und dieser seinerseits Dr. D. beauftragte. Jedenfalls ist die Begutachtung tatsächlich im wesentlichen durch Dr. D. durchgeführt worden, wofür dieser auch ein Honorar erhalten hat.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts steht dem Anschein einer Befangenheit des Sachverständigen Dr. D. auch nicht entgegen, daß das von einer Partei vorgelegte Parteigutachten auch gegen den Widerspruch der anderen Partei verwertet werden darf. Allerdings ist eine Verwertung eines Parteigutachtens in der Regel nicht nur zulässig, sondern oftmals zwingend geboten; dies gilt insbesondere dann, wenn die Feststellungen eines Parteigutachters von denen des gerichtlich bestellten Sachverständigen abweichen. In diesem Fall ist das Gericht verpflichtet, sich mit dem Parteigutachten ebenso sorgfältig auseinanderzusetzen, als wenn es sich um die abweichende Stellungnahme eines von ihm selbst bestellten weiteren Gutachters handeln würde (BGH MDR 1986, 915; BGH MDR 1992, 407; BGH VersR 1993, 899; BGH VersR 1994, 162; Senat OLGR 1996, 10). Bei einer solchen Verwertung ist jedoch zu beachten, daß es sich bei dem Parteigutachten nicht um ein Beweismittel im Sinn der §§ 355 ff. ZPO handelt, sondern lediglich um (qualifizierten) substantiierten Parteivortrag (BGH VersR 1993, 899, 900; Zöller-Greger, a.a.O., § 402 Rdnr. 2). Eine eigene Beweisaufnahme des Gerichts durch Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens wird durch ein Privatgutachten allenfalls dann entbehrlich gemacht, wenn das Gericht allein schon aufgrund dieses substantiierten Parteivortrags ohne Rechtsfehler zu einer zuverlässigen Beantwortung der Beweisfrage gelangen kann (BGH VersR 1993, 899, 900; Senat VersR 1996, 843). Darum geht es vorliegend jedoch nicht. Vielmehr soll gerade die Richtigkeit der von der Beklagten unter Vorlage des Privatgutachtens vom 13.11.1994 vorgetragenen Ansicht durch ein gerichtliches Sachverständigengutachten überprüft werden.
Prozessual zulässig ist es allerdings, einen Privatgutachter, ebenso wie einen abgelehnten gerichtlichen Sachverständigen, zur Ermittlung der notwendigen Anknüpfungstatsachen für die Erstellung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens als sachverständigen Zeugen zu befragen (BGH NJW 1965, 1492; Zöller-Greger, a.a.O., § 402 Rdnr. 3). Dies beabsichtigt das Landgericht jedoch nicht. Aus seinem Beschluß vom 20.06.1996 ergibt sich vielmehr zweifelsfrei, daß es den ehemals privatgutachterlich für die Beklagte tätigen Dr. D. als gerichtlichen Sachverständigen bestellt hat, da dieser nicht etwa nur das Privatgutachten vom 13.11.1995 erläutern soll, sondern den Auftrag hat, eine Begutachtung nach erneuter Untersuchung des Klägers zu erstellen.
Unerheblich ist schließlich, daß der Kläger vorprozessual mit der Begutachtung durch Dr. D. einverstanden gewesen ist. Ein Einverständnis zur Bestellung dieses Gutachters zum gerichtlichen Sachverständigen ergibt sich daraus nicht.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt, da die Kosten des Beschwerdeverfahrens solche des Prozesses sind. Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf § 12 Abs. 2 GKG.