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Sachverständiger – Befangenheit bei verzögerter Bearbeitung des Gutachtenauftrags

Sachverständiger wegen Befangenheit abgelehnt.

Ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger sollte im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens ein schriftliches Sachverständigengutachten zu möglichen Mängeln einer Motoryacht erstellen. Der Sachverständige verlängerte mehrfach die Frist zur Erstellung des Gutachtens, berief sich auf gesundheitliche Probleme und andere private Gutachtenaufträge, die ihm besser bezahlt und deshalb vorrangig seien. Das Gericht setzte schließlich mehrere Ordnungsgelder fest, da das Gutachten unverändert nicht eingetroffen war. Der Sachverständige lieferte schließlich eine äußerst knappe Stellungnahme ab, die den Anforderungen an ein gerichtlich bestelltes Sachverständigengutachten nicht entsprach. Die Antragsgegnerin lehnte den Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit ab, da dieser offensichtlich nicht gewillt oder in der Lage war, den zur ordnungsgemäßen Beantwortung der Fragen erforderlichen Aufwand zu betreiben. Der Sachverständige folgte den Behauptungen des Antragstellers pauschal, ohne sich mit den Einwänden der Antragsgegnerin inhaltlich zu befassen. Das Gericht gab dem Antrag statt und wies den Sachverständigen aufgrund seiner äußerst zögerlichen Arbeitsweise zurück.


LG Darmstadt – Az.. 13 OH 101/16 – Beschluss vom 16.12.2022

Der Sachverständige ###, ###, wird wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.

Diese Entscheidung ist gemäß § 406 Abs. 5 ZPO unanfechtbar.

Gründe

I.

Der Sachverständige ###, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Sportbootschäden und -bewertung aus [Ort] (folgend: Sachverständiger), wurde im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens im Zusammenhang mit möglichen Mängeln einer Motoryacht mit Beweisbeschluss vom 17.06.2016 beauftragt, ein schriftliches Sachverständigengutachten zu erstellen. Die Akten wurden dem Sachverständigen am 14.07.2016 übersandt.

Ein Ortstermin zur Untersuchung der Yacht fand am 27.10.2016 statt.

Nach zwei erfolglosen Sachstandsanfragen wurde dem Sachverständigen mit Schreiben vom 01.03.2017 eine Frist zur Übermittlung des Gutachtens bis zum 24.03.2017 gesetzt und für den Fall des fruchtlosen Verstreichens der Frist ohne Angabe nachvollziehbarer Hinderungsgründe die Festsetzung eines Ordnungsgeldes von bis zu 1.000,- € angedroht. Auf fernmündlichen Antrag des Sachverständigen wurde die Frist zur Einreichung des Gutachtens bis zum 20.04.2017 verlängert.

Da das Gutachten nicht erstellt wurde, setzte das Gericht mit Beschluss vom 04.05.2017 ein Ordnungsgeld in Höhe von 500,- € gegen den Sachverständigen fest und setzte ihm eine weitere Frist zur Erstattung des Gutachtens bis zum 15.05.2017, wobei für den Fall des fruchtlosen Verstreichens der Frist ohne Angabe nachvollziehbarer Hinderungsgründe die Festsetzung eines erneuten Ordnungsgeldes von bis zu 1.000,- € angedroht wurde.

Auf die sofortige Beschwerde des Sachverständigen gegen diesen Beschluss wurde im Wege der Abhilfe die Frist zur Einreichung des Gutachtens bis zum 06.06.2017 verlängert, der Beschwerde in Bezug auf das festgesetzte Ordnungsgeld hingegen nicht abgeholfen.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hob als Beschwerdegericht mit Beschluss vom 18.05.2017 die Festsetzung des Ordnungsgeldes auf, weil vor der Festsetzung des Ordnungsgeldes die Androhung des Ordnungsgeldes unter Setzung einer Nachfrist versäumt worden war.

Da das Gutachten unverändert nicht eintraf, setzte das Gericht mit Schreiben vom 16.06.2017 dem Sachverständigen eine Nachfrist bis zum 10.07.2017 und drohte für den Fall des fruchtlosen Verstreichens der Frist ohne Angabe nachvollziehbarer Hinderungsgründe die Festsetzung eines Ordnungsgeldes von bis zu 3.000,- € an. Diese Frist wurde auf Antrag des Sachverständigen zunächst bis zum 01.08.2017 sowie auf weiteren Antrag bis zum 14.08.2017 verlängert. Der Sachverständige begründete seine zahlreichen Fristverlängerungsanträge zum Teil mit gesundheitlichen Problemen, zum Teil aber auch ausdrücklich damit, dass er nach der Beauftragung durch das Gericht weitere private Gutachtenaufträge angenommen habe, die besser bezahlt und deshalb bei der Bearbeitung für ihn vorrangig seien.

Das Gutachten des Sachverständigen mit Datum vom 25.07.2017 (sic!) ging am 21.08.2017 bei Gericht ein und wurde den Parteien mit Gelegenheit zur Stellungnahme übersandt. Zur Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen den Sachverständigen kam es nicht.

Anschließend wurde der Sachverständige mit Beweisbeschluss vom 31.01.2018 beauftragt, ein schriftliches Ergänzungsgutachten zu erstellen, wobei ihm gemäß Schreiben vom 02.03.2018 für die Erstattung des Gutachtens eine Frist von vier Monaten ab Aktenübersendung gesetzt wurde. Die Akten wurden dem Sachverständigen am 24.05.2018 übersandt. Nachdem der Sachverständige dem Gericht auf telefonische Sachstandsnachfrage am 10.10.2018 mitteilte, dass er wegen hoher Arbeitsbelastung bislang noch nichts in Bezug auf den Beweisbeschluss vom 31.01.2018 veranlasst habe, wurde der Auftrag an den Sachverständigen aufgrund von zwischenzeitlich eingegangenen weiteren Beweisfragen mit Beweisbeschluss vom 10.10.2018 erweitert. Ein zweiter Ortstermin zur Untersuchung der Yacht fand am 10.04.2019 statt. Nach zwei erfolglosen Sachstandsanfragen ging schließlich am 17.09.2019 das Ergänzungsgutachten mit Datum vom 08.09.2019 bei Gericht ein und wurde den Parteien mit Gelegenheit zur Stellungnahme übersandt.

Der Sachverständige wurde sodann mit weiterem Beweisbeschluss vom 11.12.2019 beauftragt, eine schriftliche Stellungnahme in Form eines Ergänzungsgutachtens zu darin näher bezeichneten Fragen aus Schriftsätzen der Parteien abzugeben. Hierzu wurde ihm mit Schreiben vom 08.01.2020 eine Frist von sechs Wochen ab Aktenübersendung gesetzt. Die Akten wurden am 13.03.2020 an den Sachverständigen übersandt. Da die Stellungnahme nicht übermittelt wurde, setzte das Gericht dem Sachverständigen mit Beschluss vom 01.09.2020 eine Nachfrist bis zum 31.10.2020 und drohte für den Fall, dass die schriftliche Stellungnahme nicht bis zu dem genannten Termin bei Gericht eingeht, ein Ordnungsgeld von bis zu 1.000,- € an. Da eine Rückmeldung des Sachverständigen weiter ausblieb, setzte das Gericht mit Beschluss vom 10.02.2021 ein Ordnungsgeld in Höhe von 1.000,- € gegen den Sachverständigen fest. Gleichzeitig wurde dem Sachverständigen für die Anfertigung des Gutachtens eine weitere Frist bis zum 31.03.2021 gesetzt und für den Fall, dass das Gutachten nicht bis zu dem genannten Termin bei Gericht eingeht, ein weiteres Ordnungsgeld von bis zu 3.000,- € angedroht. Mit Schreiben vom 26.05.2021 wurde der Sachverständige um umgehende Übersendung des beauftragten Ergänzungsgutachtens nebst Akte gebeten. Sollte das Gutachten nicht binnen zwei Wochen bei Gericht eingehen, werde das angedrohte Ordnungsgeld in Höhe von 3000,- € festgesetzt. Auf die sofortige Beschwerde des Sachverständigen gegen das festgesetzte Ordnungsgeld teilte das Gericht dem Sachverständigen mit Schreiben vom 17.01.2022 mit, dass das Gericht bereit sei, das Ordnungsgeld aufzuheben, wenn die schriftliche Stellungnahme binnen vier Wochen ab Zugang dieses Schreibens bei Gericht eingeht. Ansonsten werde das Verfahren dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Auch dies führte im Ergebnis nicht dazu, dass der Sachverständige das von ihm unterschriebene Gutachten dem Gericht übermittelte. Mit Beschluss vom 21.06.2022 drohte das Gericht in Abhilfe der sofortigen Beschwerde des Sachverständigen unter Aufhebung der bisherigen Ordnungsgeldbeschlüsse dem Sachverständigen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 2.500,- € an, sofern nicht bis zum 15.08.2022 die mit Beweisbeschluss vom 19.12.2019 erforderte Stellungnahme vorgelegt werde. Sollte diese Frist ohne angemessene Entschuldigung verstreichen, werde das Gericht von einer Gutachtenverweigerung ausgehen und in diesem Fall prüfen, ob dem Sachverständigen der Auftrag zu entziehen sei und / oder ihm die durch die Verzögerung verursachten Kosten aufzuerlegen seien.

Am 08.08.2022 ging eine gutachterliche Stellungnahme des Sachverständigen zum Beweisbeschluss vom 11.12.2019 mit Datum vom 05.08.2022 bei Gericht ein. Diese war inhaltlich äußerst knapp gehalten, so wurden Fragen danach, ob die Kosten der Mängelbeseitigung aus mehreren Kostenaufstellungen bzw. -voranschlägen „zutreffend“ (im Sinne von erforderlich, ortsüblich und angemessen) seien, ohne weitere inhaltliche Ausführungen mit „können so zutreffen“ oder „zutreffend“ beantwortet. Hinsichtlich sämtlicher Einzelheiten wird auf das Gutachtenexemplar in der Akte (Bl. 919 – 922 d. A.) verwiesen. Mit Beschluss vom 09.08.2022 wurde den Parteivertretern nachgelassen, binnen sechs Wochen ab Zugang zu der gutachterlichen Stellungnahme Stellung zu nehmen und ggf. Einwendungen gegen das Gutachten vorzutragen. Dieser Beschluss wurde dem Vertreter der Antragsgegnerin zu 2.) am 15.08.2022 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 22.09.2022, bei Gericht eingegangen am selben Tage, beantragte die Antragsgegnerin zu 2.), dem Sachverständigen den Gutachtenauftrag zu entziehen. Die Antragsgegnerin zu 2.) lehne den Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Die vorgelegte Stellungnahme erfülle nicht im geringsten Maße die Anforderungen an ein gerichtlich bestelltes Sachverständigengutachten. Es fehle jegliche Begründung oder inhaltliche Auseinandersetzung. Es sei dem Sachverständigen offenkundig allein darum gegangen, innerhalb der mit Beschluss vom 21.06.2022 gesetzten Frist irgendetwas abzugeben. Dabei weiche er im Ergebnis teilweise erheblich von seinen früheren Bewertungen ab, ohne dies auch nur ansatzweise zu erläutern. Der Sachverständige sei offensichtlich nicht gewillt oder nicht in der Lage, den zur ordnungsgemäßen Beantwortung der Fragen erforderlichen Aufwand zu betreiben. Zudem folge er den Behauptungen des Antragstellers pauschal, ohne sich mit den Einwänden der Antragsgegnerin zu 2.) inhaltlich zu befassen. Sollte dieses Verhalten nicht bereits als Gutachtenverweigerung anzusehen sein, sei der Sachverständige wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Parallel dazu teilte die Antragstellerseite mit Schriftsatz vom 28.09.2022 mit, dass immer noch bestimmte Punkte offen seien, die einer Beantwortung bedürften.

Den weiteren Beteiligten sowie dem Sachverständigen wurde Gelegenheit zur Stellungnahme zum Befangenheitsantrag der Antragsgegnerin zu 2.) eingeräumt. Sie machten von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch.

II.

Der Antrag der Antragsgegnerin zu 2.) vom 22.09.2022 ist zulässig, insbesondere fristgerecht, soweit sich die gerügte Befangenheit des Sachverständigen nicht aus seiner insgesamt äußerst zögerlichen Arbeitsweise, sondern gerade aus seinen Ausführungen in dem schriftlichen Ergänzungsgutachten vom 05.08.2022 ergeben soll. Die Frist für die Ablehnung des Sachverständigen gemäß § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO endet gleichzeitig mit der vom Gericht gesetzten Frist zur Stellungnahme nach § 411 Abs. 4 ZPO, wenn sich die Partei zur Begründung des Antrags mit dem Inhalt des Sachverständigengutachtens auseinandersetzen muss (vgl. BGH, Beschluss vom 15.03.2005, Az. VI ZB 74/04; NJW 2005, 1869 f.). Diese Frist wurde hier eingehalten.

Der Antrag ist auch begründet.

Gemäß § 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 42 Abs. 2 ZPO kann ein Sachverständiger (auch im selbständigen Beweisverfahren; vgl. OLG Celle, Beschluss vom 25.10.1995, Az. 2 W 61/95; NJW-RR 1996, 1086 ff.) abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Hierfür genügt jede Tatsache, die ein auch nur subjektives Misstrauen der Partei in die Unparteilichkeit des Sachverständigen vernünftigerweise rechtfertigen kann. Es müssen also hinreichende Gründe vorliegen, die vom Standpunkt einer vernünftigen Partei aus geeignet sind, Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu wecken. Unerheblich ist, ob der gerichtlich beauftragte Sachverständige tatsächlich parteilich ist oder ob das Gericht Zweifel an der Unparteilichkeit hegt; entscheidend ist allein, ob für die das Ablehnungsgesuch stellende Partei der Anschein einer nicht vollständigen Unvoreingenommenheit und Objektivität besteht (alles ständige Rechtsprechung; vgl. Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 406 ZPO Rdnr. 6 m. w. N.). Das ist hier der Fall.

Dabei ist zu beachten, dass bloße Zweifel an der Sachkunde oder der Sorgfalt des Sachverständigen grundsätzlich keine Ablehnung des Sachverständigen rechtfertigen, sondern allenfalls einen Antrag auf neue Begutachtung nach § 412 ZPO tragen können (vgl. dazu Greger a. a. O. Rdnr. 9 m. w. N.). Vor diesem Hintergrund stellt auch eine ungewöhnlich lange Bearbeitungsdauer im Allgemeinen noch keinen Ablehnungsgrund dar. Dies gilt nicht zuletzt deshalb, weil eine längere Verfahrensdauer grundsätzlich alle Parteien gleichermaßen belastet und aus ihr regelmäßig nicht gefolgert werden kann, der Sachverständige stehe der Sache gerade einer bestimmten Partei nicht unvoreingenommen gegenüber (vgl. LG Landshut, Beschluss vom 30.09.2020, Az. 51 OH 3148/14; im Langtext zit. nach beck-online; Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 03.04.2017, Az. 1 E 229/17; ESVGH 67, 252). Allerdings liegt hier im Rahmen einer Gesamtschau der Ausnahmefall vor, dass die Art und Weise der Abarbeitung des Gutachtenauftrags gemäß Beschluss vom 11.12.2019 insbesondere angesichts der Dauer der Bearbeitung und des schlussendlich vorgelegten Ergebnisses objektiv schlechthin unvertretbar erscheint und subjektiv aus der Sicht der Antragsgegnerin zu 2.) den Anschein einer auf Voreingenommenheit beruhenden Benachteiligung erwecken kann, weil sich die verzögerte Bearbeitung hier so sehr von dem normalerweise üblichen Verfahren entfernt hat, dass diese den Schluss nahelegt, dem Sachverständigen sei das nachvollziehbare Interesse der Antragsgegnerin zu 2.) an der Auseinandersetzung mit ihren Einwänden und einer zeitnahen Beendigung des Verfahrens gleichgültig (vgl. dazu: OLG München, Beschluss vom 13.01.2021, Az. 20 W 1742/20).

Vor allem ergibt sich eine Besorgnis der Befangenheit daraus, dass der Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten vom 05.08.2022 die gestellten Fragen über weite Strecken mit dem absoluten sprachlichen Minimum beantwortet, wohl mit dem vorrangigen Ziel, den Gutachtenauftrag rein formell betrachtet (gerade noch) als erfüllt ansehen zu können. In der Gesamtschau ging es dem Sachverständigen bei diesem Vorgehen offensichtlich nicht in erster Linie darum, die aufgeworfenen Fragen mit der erforderlichen Tiefe zu untersuchen. Vielmehr zielte seine Vorgehensweise dem objektiven Gesamteindruck nach offenbar überwiegend, wenn nicht sogar ausschließlich darauf ab, eine Entziehung des Auftrags mit entsprechenden finanziellen Folgen einschließlich einer eventuellen Auferlegung der durch die Verzögerung verursachten Kosten zu vermeiden. Angesichts dieser Umstände konnte eine verständige Partei in der Lage der Antragsgegnerin zu 2.) nachvollziehbar den Eindruck gewinnen, der Sachverständige stelle seine eigenen Interessen über das Interesse der Partei an der Beantwortung der von ihr aufgeworfenen Fragen, nehme also ihr Anliegen nicht ernst und verweigere ihr die Rechtsfindung. Entscheidend ist dieser nach außen hin erweckte Eindruck, nicht, ob bzw. welche Gründe für die Vorgehensweise des Sachverständigen tatsächlich vorgelegen haben. Der Sachverständige ist zwar nicht gehalten, in seinem Gutachten auf sämtliche Argumente der Parteien zu den aufgeworfenen Beweisfragen einzugehen. Er muss jedoch bei der Beantwortung der Beweisfragen zeigen, dass er sich mit diesen konkret auseinandergesetzt hat, und jedenfalls zu den streitigen Fragen auch nachvollziehbar darlegen, warum er dem Vorbringen einer Partei nicht folgt oder dieses für bedeutungslos hält (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 27.01.2014, Az. L 2 SF 89/13 B). Diesen Anforderungen werden die überaus knapp gehaltenen Ausführungen des Sachverständigen in seiner Stellungnahme vom 05.08.2022 erkennbar nicht gerecht.


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind in diesem Urteil betroffen:

  • Selbständiges Beweisverfahren: Im vorliegenden Fall wird ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens beauftragt, ein schriftliches Sachverständigengutachten zu erstellen.
  • Ordnungsgeldverfahren: Das Gericht setzt gegen den Sachverständigen mehrere Ordnungsgelder fest, weil er trotz wiederholter Fristverlängerungen das angeforderte Gutachten nicht fristgerecht einreichte.
  • Befangenheitsantrag: Die Antragsgegnerin beantragt die Ablehnung des Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit aufgrund seiner äußerst zögerlichen Arbeitsweise und seines schriftlichen Ergänzungsgutachtens.
  • Zivilprozessrecht: Verschiedene Vorschriften des Zivilprozessrechts werden in diesem Urteil angewandt, z. B. § 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 42 Abs. 2 ZPO zur Ablehnung eines Sachverständigen und § 411 Abs. 4 ZPO zur Stellungnahme der Parteien zu einem Gutachten.
  • Vertragsrecht: Der Sachverständige begründet seine zahlreichen Fristverlängerungsanträge damit, dass er nach der Beauftragung durch das Gericht weitere private Gutachtenaufträge angenommen habe, die besser bezahlt und deshalb bei der Bearbeitung für ihn vorrangig seien. Hierbei berührt das Vertragsrecht die Frage, ob der Sachverständige gegen seine Verpflichtung aus dem Vertrag mit dem Gericht verstößt, wenn er private Gutachtenaufträge priorisiert.
  • Schadensersatzrecht: Da das Gutachten des Sachverständigen nicht fristgerecht eingereicht wurde, wurde dem Sachverständigen mit Beschluss vom 04.05.2017 ein Ordnungsgeld in Höhe von 500,- € festgesetzt. Im Falle weiterer Verzögerungen drohte das Gericht ein höheres Ordnungsgeld an. Es kann in diesem Zusammenhang die Frage aufgeworfen werden, ob dem Gericht ein Anspruch auf Schadensersatz zusteht, falls der Sachverständige seinen Vertrag nicht erfüllt.
  • Arbeitsrecht: Der Sachverständige begründet seine Fristverlängerungsanträge zum Teil mit gesundheitlichen Problemen. Hierbei kann das Arbeitsrecht eine Rolle spielen, insbesondere in Bezug auf die Frage, ob der Sachverständige verpflichtet war, seine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit gegenüber dem Gericht nachzuweisen.

Die 5 wichtigsten Aussagen in diesem Urteil und ihre Bedeutung:

  1. Das Gericht hatte den Sachverständigen mit einem Gutachtenauftrag beauftragt und mehrere Fristen zur Einreichung des Gutachtens gesetzt, wobei ein Ordnungsgeld bei Nichteinhaltung der Fristen angedroht wurde.
    Bedeutung: Das Gericht hat die Autorität und Verantwortung, Sachverständige mit der Beurteilung eines Falls zu betrauen, und kann Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass der Sachverständige die Fristen einhält.
  2. Der Sachverständige beantragte mehrere Fristverlängerungen, teilweise mit der Begründung, dass er auch private Gutachtenaufträge habe, die für ihn Vorrang hätten.
    Bedeutung: Ein Sachverständiger muss seine Verpflichtungen gegenüber dem Gericht ernst nehmen und sorgfältig planen, um die Einhaltung von Fristen sicherzustellen. Eine Verzögerung bei der Erstellung eines Gutachtens kann nicht einfach auf andere Aufträge geschoben werden.
  3. Das Gericht drohte dem Sachverständigen wiederholt mit Ordnungsgeldern, weil er die Fristen nicht einhielt.
    Bedeutung: Das Gericht hat das Recht und die Pflicht, Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die Fristen eingehalten werden, und kann Ordnungsgelder verhängen, um sicherzustellen, dass die Parteien ihre Verpflichtungen erfüllen.
  4. Der Sachverständige reichte schließlich ein sehr knappes Ergänzungsgutachten ein, das den Anforderungen an ein gerichtlich bestelltes Sachverständigengutachten nicht genügte.
    Bedeutung: Ein Sachverständiger hat die Pflicht, ein detailliertes und fundiertes Gutachten zu erstellen, das den Anforderungen des Gerichts und der Parteien entspricht. Ein unzureichendes Gutachten kann dazu führen, dass der Sachverständige wegen Befangenheit abgelehnt wird.
  5. Die Antragsgegnerin reichte einen Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit ein, der als begründet angesehen wurde.
    Bedeutung: Wenn eine Partei Zweifel an der Unparteilichkeit eines Sachverständigen hat, kann sie einen Antrag auf Ablehnung stellen. Ein solcher Antrag kann begründet sein, wenn der Sachverständige unzureichende oder nicht nachvollziehbare Ergebnisse liefert oder sich nicht an Fristen hält.

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